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Entscheidung 8 K 1461/17


Metadaten

Gericht VG Cottbus 8. Kammer Entscheidungsdatum 25.08.2023
Aktenzeichen 8 K 1461/17 ECLI ECLI:DE:VGCOTTB:2023:0825.8K1461.17.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 3 Abs 2 SorbG BB, Art 25 Verf BB 1992

Tenor

1. Der Bescheid vom 15. Mai 2017 wird aufgehoben.

2. Die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der Kosten des Beigeladenen, der diese selbst trägt, trägt der Beklagte.

3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht zuvor die Klägerin Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Feststellung des Beklagten, dass das gesamte Gemeindegebiet der Klägerin, bestehend aus den Gemeindeteilen D...und E..., zum angestammten Siedlungsgebiet der Sorben/Wenden nach § 3 Abs. 2 des Gesetzes zur Ausgestaltung der Rechte der Sorben/Wenden im Land Brandenburg in der Fassung vom 11. Februar 2014 gehört.

Die Sorben sind das kleinste slawische Volk. Ihre Vorfahren sind slawische Stämme, die im Zuge der Völkerwanderung vor mehr als 1.400 Jahren das Land zwischen Oder, Elbe und Saale sowie zwischen Ostsee und den deutschen Mittelgebirgen besiedelten. Nach dem Verlust der politischen Selbstständigkeit im 10. Jahrhundert verringerte sich ihr Siedlungsgebiet durch Assimilation und durch eine zielgerichtete Germanisierung. Lediglich den Nachkommen der oberlausitzischen Milzener und der niederlausitzischen Lusizer ist es gelungen, ihre Sprache und Kultur bis in die Gegenwart zu erhalten. Die Sorben sind eine der vier autochthonen Minderheiten in Deutschland.

Die Klägerin ist eine Gemeinde im Landkreis S... und besteht aus den Gemeindeteilen D...und E.... Das Gebiet des heutigen Landkreises S... zählte neben den Gebieten der heutigen Stadt C...sowie den Gebieten der heutigen Landkreise D... und O... zum historischen Siedlungsgebiet der Sorben/Wenden in der Niederlausitz.

Mit der Wiedervereinigung und der Gründung des Bundeslandes Brandenburg wurde 1992 ein Artikel zum Schutz sowie zur Förderung und Pflege der Rechte der Sorben und Wenden in die brandenburgische Verfassung aufgenommen. Gemäß Art. 25 wird das Recht des sorbisch/wendischen Volkes auf Schutz, Erhaltung und Pflege seiner nationalen Identität und seines angestammten Siedlungsgebiets gewährleistet.

Die einfachgesetzliche Umsetzung dieser verfassungsrechtlichen Regelung erfolgte durch das Gesetz zur Ausgestaltung der Rechte der Sorben/Wenden im Land Brandenburg vom 7. Juli 1994.

Auf der Grundlage dieses Gesetzes ließen bereits viele Gemeinden ihre Zugehörigkeit zum angestammten Siedlungsgebiet der Sorben/Wenden feststellen. Aus einer Veröffentlichung des Beklagten im Amtsblatt des Jahres 2008 ergibt sich, dass 28 kreisfreie Städte, Ämter, Gemeinden und Gemeindeteile ihre Zugehörigkeit zum angestammten Siedlungsgebiet des sorbisch/wendischen Volkes feststellten (Amtsblatt für Brandenburg, Nr. 19 vom 14. Mai 2008, S. 1234).

Seit 1994 existiert beim Landtag Brandenburg der – im vorliegenden Verfahren beigeladene – Rat für die Angelegenheiten der Sorben/Wenden. Dieser soll vor allem die verfassungsrechtlich garantierte wirksame politische Mitgestaltung des sorbisch/wendischen Volkes gewährleisten. Er berät den Landtag und die Landesregierung sowie die nachgeordneten Behörden, wenn sorbische/wendische Belange berührt werden. Der Rat wirkt auch an der parlamentarischen Arbeit im Brandenburgischen Landtag mit.

Verschiedene Petitionen von Einwohnern aus Gemeinden, die sich zuvor gegen eine Zugehörigkeit zum Siedlungsgebiet ausgesprochen hatten, lösten einen mehrjährigen Änderungsprozess des Gesetzes aus, der zunächst von mehreren Abgeordneten des Landtags getragen wurde. Dabei sah die ursprüngliche Fassung der Gesetzesänderung eine weite Definition des angestammten Siedlungsgebietes vor (Landtag Brandenburg, Drs. 5/5401, 25. Mai 2012), die sich im Wesentlichen auf die gegenwärtig vorhandene und gelebte sorbisch/wendische Sprache und Kultur bezog. Zur Begründung dieses Gesetzesentwurfs wurde maßgeblich darauf abgestellt, dass sich in einem wesentlich größeren sorbisch/wendisch geprägten Gebiet reaktivierbare Kerne sorbisch/wendischer Identität und Sprache befänden.

Nach verschiedenen wissenschaftlichen Gutachten, Sachverständigenanhörungen und Beratungen wurde das Gesetz zur Ausgestaltung der Rechte der Sorben/Wenden schließlich im Jahr 2014 (im Folgenden SWG) geändert. Während das Prozedere der Feststellung über die Zugehörigkeit einer Gemeinde zum angestammten Siedlungsgebiet grundlegend geändert wurde, wurden die materiellen Voraussetzungen jedoch nur minimal novelliert. Nach der Übergangsregelung des § 13 c SWG stellte der Beklagte nunmehr Veränderungen des Siedlungsgebiets auf Antrag fest und entschied durch Bescheid über die Zugehörigkeit einer Gemeinde zum angestammten Siedlungsgebiet. Die Frist zur Antragstellung betrug gemäß § 13 c Abs. 1 SWG zwei Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes. Zudem erhielt neben dem eigenen Antragsrecht der Gemeinden auch der Beigeladene ein Recht zur Antragstellung für die Gemeinden. Nach den materiellen Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 SWG gehörten Gemeinden und Gemeindeteile zum angestammten Siedlungsgebiet, die in der Anlage zu diesem Gesetz bereits festgelegt waren. Für die Feststellung der Zugehörigkeit neu hinzutretender Gemeinden war es nun ausreichend, wenn Kultur oder Sprache kontinuierlich bis in die Gegenwart nachweisbar war und es wurde ausdrücklich zwischen Gemeinden und Gemeindeteile unterschieden.

Auf der Grundlage des § 13 c Abs. 2 SWG erließ der Beklagte im Benehmen mit dem Hauptausschuss des Landtages und dem Beigeladenen ebenfalls im Jahr 2014 zur Konkretisierung des Feststellungsverfahrens die „Verordnung über das Verfahren der Feststellung von Veränderungen des angestammten Siedlungsgebiets der Sorben/Wenden“. In materieller Hinsicht regelt die Verordnung in § 4 in Bezug auf die Feststellungsentscheidung des Beklagten, dass diese aufgrund einer Abwägung aller Umstände des Einzelfalls und in angemessener Gewichtung der Ausdrucksformen zu treffen ist.

Innerhalb der Frist des § 13 c Abs. 1 SWG stellte der Beigeladene am 30. Mai 2016 einen Antrag auf Feststellung der Zugehörigkeit des Gemeindegebiets der Klägerin zum angestammten Siedlungsgebiet der Sorben und Wenden. Die nach dem Gesetz zu beteiligenden Stellen wurden angehört.

Die Klägerin sprach sich unter Verweis auf den ablehnenden Gemeinderatsbeschluss aus dem September 2016 gegen die Zugehörigkeit zum Siedlungsgebiet aus. Zuvor habe es eine intensive Befassung des Fachausschusses der Stadtverordnetenversammlung unter inhaltlicher Einbeziehung der durch den Verein D... e.V. angestellten historischen Recherchen gegeben. Danach fühle sie sich weiter an den ablehnenden Beschluss aus dem Jahr 1995 gebunden. Die Erhaltung einer kontinuierlichen sprachlichen oder kulturellen Tradition bis in die Gegenwart sei nicht erkennbar. Die vorgelegten Nachweise des Beigeladenen seien nicht stichhaltig.

Der Hauptausschuss des Landtags stimmte in seiner Sitzung am 10. Mai 2017 für die Zugehörigkeit der Klägerin zum Siedlungsgebiet.

Mit Bescheid vom 15. Mai 2017 wurde das Gemeindegebiet der Klägerin insgesamt zum angestammten Siedlungsgebiet der Sorben und Wenden erklärt. Darin wird im eigentlichen Bescheidtenor – anders als in der Überschrift und im weiteren Text – einmal die Gemeinde T...genannt. Der Beklagte nahm auf verschiedene Quellen und Belege Bezug, die die kontinuierliche sprachliche und kulturelle sorbisch/wendische Tradition auf dem Gemeindegebiet der Klägerin belegen sollen. Es wird auf die Pflege verschiedener Bräuche verwiesen (Osterfeuer, Maibaumaufstellen sowie Zampern, Vogelhochzeit und Ostereier verzieren und Waleien). Im Verwaltungsvorgang des Beklagten ist das erste Osterfeuer im Jahr 2003 dokumentiert (VV, Bl. 134). Es finden sich keine Nachweise für einen Zeitraum von 1959 bis 2003, mithin von 45 Jahren.

Am 14. Juni 2017 hat die Klägerin Klage vor dem Verwaltungsgericht Cottbus erhoben.

Sie rügt im Wesentlichen, das sich die Feststellungen im Bescheid wortwörtlich auf die Gemeinde T...bezögen und damit für sie keine rechtliche Wirkung entfalten würden. Überdies ist sie der Meinung, die im Bescheid angeführten Belege könnten den Nachweis nicht erbringen, seien in sich nicht schlüssig und der Bescheid lasse erkennen, dass ein positives Ergebnis der Prüfung unbedingt habe herbeigeführt werden sollen.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 15. Mai 2017 über die Feststellung der Zugehörigkeit der Stadt D...zum angestammten Siedlungsgebiet der Sorben/Wenden aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen

Er ist der Klage entgegengentreten. Mit Schreiben mit 18. August 2023 verwies er auf eine Richtlinie von 1966 des damaligen Ministeriums des Inneren, nach der geografische Namen von Karten der „anerkannten Zweisprachengebiete(n)“ zweisprachig zu führen seien und D...seit 1972 dort aufgeführt sei. Laut einer Analyse der D...-Ortsgruppen für den Zeitraum von 1982 bis zur Kreisdelegiertenkonferenz im Jahr 1984 habe die D...-Ortsgruppe W...auch aus Mitgliedern aus D...bestanden. Zudem berichte die Nowy Casnik im Jahr 1981 über einen aus D...stammenden Schüler, der den 3. Preis der Olympiade der sorbischen Sprache gewonnen habe. Auch seien im Nowy Casnik 1982 mehrfach Aktivitäten des Kulturhauses im D...Glaswerk zur Vermittlung sorbischer Kultur erwähnt sowie ein Mitarbeiter des Glaswerkes, der 1975 D...Mitglied gewesen sein soll. Im Jahr 1974 werde ein „Singeklub“ aus D...erwähnt, der bei den Tagen der sozialistischen sorbischen Kultur das Programm mitgestaltet habe. In einem Artikel aus dem Jahr 2000 werde über die „M... Blasmusikanten“ berichtet, die bereits seit 1974 existierten, auch aus Mitgliedern aus D...bestünden sowie auf sorbischen Festen aufgetreten seien und deshalb einige sorbische Stücke im Repertoire hätten. Für den Gemeindeteil E...ergebe sich aus der Erhebung einer Dissertation, die 1992 verteidigt wurde, dass in E...das Maibaumaufstellen bis etwa 1980 und das Zampern bis 1960 praktiziert worden sei. Zudem sei das Eierholen noch im Zeitpunkt der Erhebung praktiziert worden und die Klägerin insgesamt liege im traditionellen Gebiet der Ostereierverziertechniken. Im D...Kultur- und Heimatblatt vom 07. Oktober 2019 werde über Zampererlebnisse in E...aus dem Jahren 1993 berichtet und es existiere ein Bild vom Zampern aus dem Jahre 1991.

Ausgehend von Andeutungen in anderen Bescheiden, es habe weitere D...-Ortsgruppe gegeben, und einer unabhängigen Quelle, die bestätigt, dass in den 1970er Jahren eine Vielzahl – darunter auch neugegründete – Ortgruppen in der Niederlausitz existierten (Kunze, Peter, Die Sorben/Wenden in der Niederlausitz – Ein geschichtlicher Überblick, Bautzen 1996, Domowina Verlag, S. 72), hat sich das Gericht in einer Verfügung aus dem Januar 2023 an den Domowina ...Regionalverband Niederlausitz gewandt und um Auskunft aus deren Archiven gebeten, ob in den Jahren von 1970 bis 1990 Ortsgruppen auf dem Gemeindegebiet der Klägerin existierten oder Einwohner der Gemeindeteile die Ortsgruppen anderer Orte besuchten. Zudem hat es um Aufzeichnungen zu kultureller oder sprachlicher Pflege für diesen Zeitraum gebeten.

Bei der D...handelt es sich um einen Dachverband sorbischer Vereine, der seit 1912 als Interessenvertretung des sorbischen Volkes fungiert. Das Wirken der D...prägte die politische Geschichte und die öffentliche Wahrnehmung der Sorben seit dem Ersten Weltkrieg. Ab den 1950er Jahren unterteilte sich die Domowina der Niederlausitz in Ortsgruppen und einen „Funktionärsapparat“. Die Ortsgruppen behielten ihre relative Eigenständigkeit und widmeten sich vornehmlich der Pflege von Sprache und Kultur.

Mit Schreiben vom 16. August 2023 hat der Domowina Regionalverband schließlich geantwortet und am 18. August 2023 Ausschnitte aus der sorbischen Wochenzeitung Nowy Casnik übersandt, die Nachweise aus den 1970er und 1980er Jahren über sorbisch/wendisches Leben auf dem Gebiet der Klägerin enthalten sollen. Ausweislich der Übersetzung vom 24. August 2023 entsprechen diese den Ausschnitten, die auch der Beklagte vorgelegt hat. So wurde 1981 über die Teilnahme eines Schülers, der aus D...stamme, an der Olympiade der sorbischen Sprache berichtet. 1982 wurde über die Leiterin des Kulturhauses in der Glashütte D...berichtet, die die Mitarbeiter mit der sorbisch/wendischen Kultur bekannt mache. Für den 18. Dezember habe sie ein buntes Kinderprogramm mit dem Sorbischen Ensemble aus Bautzen organisiert und mit der Betriebsleitung habe sie schon einen weiteren Auftritt des Ensembles zum Frauentag besprochen. Sie lerne in einem Sprachkurs an der Sprachschule in D...viel dazu und wolle dies den Jüngeren weitergeben. Im Jahr 2000 wurde über die 1974 gegründete Kapelle der M...Blasmusikanten berichtet, bei der auch Musiker aus D...spielen sollen. Sie begleite die sorbisch/wendischen Feste auf den Dörfern und habe sorbisch/wendische Titel im Repertoire. Hinsichtlich des Gemeindeteils E...fand sich keine Berichterstattung.

Seit dem Jahr 2014 sind die „Gesellschaftlichen Bräuche und Feste der Lausitzer Sorben im Jahreslauf“ in das Bundesweite Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes in Deutschland aufgenommen. Von dieser Eintragung sind 30 Bräuche umfasst, die ein wichtiges Merkmal der sorbischen Identität und der ethnischen und kulturellen Selbstverwirklichung darstellen. Der Eintrag bezieht sich als Grundlage auf die gelebte Tradition in 120 nicht näher benannten Dörfern der Niederlausitz. Mit Verfügung aus dem Januar 2023 hat sich das Gericht an den Ansprechpartner des Eintrags gewandt und um eine Auflistung dieser Dörfer sowie um eine Liste und Beschreibung der unter Schutz gestellten Bräuche und zudem um Benennung ggfs. weiterer Erhebungen und Untersuchungen, die dieser Eintragung zugrunde lagen, gebeten. Mit Schreiben vom 22. März 2023 hat der Ansprechpartner H... umfangreich geantwortet, konnte jedoch die 120 Dörfer nicht benennen. Er hat bestätigt, dass es keine systematische Erfassung der Gemeinden der Niederlausitz mit sorbischer Traditionspflege gebe. Weiterhin hat er eine Auflistung der einzelnen Bräuche übersandt, in der diese näher beschrieben wurden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die vorliegende Anfechtungsklage erweist sich als zulässig und gemäß § 113 Abs. 1 S. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) begründet, weil der angegriffene Bescheid rechtswidrig ist und die Klägerin in ihren Rechten verletzt.

Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist die Anfechtungsklage die statthafte Klageart, § 42 Abs. 1 VwGO. Die Feststellung des Beklagten, ob eine Gemeinde zum angestammten Siedlungsgebiet der Sorben/Wenden gehört, ist ein Rechtsakt in Gestalt eines feststellenden Verwaltungsaktes, der für das Wirksamwerden des Pflichtenverhältnisses konstitutiv ist. Der Zweck des Verwaltungsaktes besteht gerade darin, den Eintritt normativ geregelter Rechtsfolgen als verbindlich festzustellen (vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 16.Januar 2003 – 7 C 31/02 – BVerwGE 117, 322/326,327).

Die Klage ist begründet. Die Rechtsgrundlage bildet vorliegend § 3 Abs. 2 i. V. m. § 13 c SWG. Danach gelten diejenigen Gemeinden und Gemeindeteile in den Landkreisen Dahme-Spreewald, Oberspreewald-Lausitz und Spree-Neiße/Sprjewja-Nysa als angestammtes Siedlungsgebiet, in denen eine kontinuierliche sprachliche oder kulturelle Tradition bis zur Gegenwart nachweisbar ist.

Zunächst ist von der Verfassungsmäßigkeit der Rechtsgrundlage auszugehen. Die hier maßgebliche Fassung begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, insbesondere greift das Gesetz nicht in verfassungswidriger Weise in das Recht auf kommunale Selbstverwaltung im Sinne von Art. 97 Abs. 1 Satz 1 Landesverfassung Brandenburg (LV) ein.

Zwar ist davon auszugehen, dass durch § 3 Abs. 2 SWG in die kommunale Selbstverwaltung eingegriffen wird. Gleichwohl wird die kommunale Selbstverwaltungshoheit nicht schrankenlos gewährleistet und der Eingriff erweist sich als gerechtfertigt.

Ein Eingriff in die Selbstverwaltungshoheit liegt vor, weil mit Zugehörigkeit zum angestammten Siedlungsgebiet der Sorben/Wenden die Gemeinden auf verschiedenen Gebieten zur Einrichtung und Vorhaltung verschiedener Leistungen verpflichtet werden, die sonst die Kommunen als freiwillige Selbstaufgaben erfüllen. So sind die Gemeinden beispielweise nach § 7 SWG verpflichtet, die sorbische Kultur angemessen in ihre Kulturarbeit einzubeziehen und darüber hinaus unabhängig von der sonstigen Kulturarbeit besonders zu fördern. Diese gesetzliche Hervorhebung der Förderung sorbischer Kultur wandelt die Kulturpflege in eine pflichtige Selbstverwaltungsangelegenheit (so auch Dr. Platter/Schmidt/Bohm, Novellierung des brandenburgischen Sorben(Wenden)-Gesetzes, Prüfung einiger Reformvorschläge, 26. Oktober 2011, S. 11).

Dieser Eingriff ist aber gerechtfertigt, wenn sich die Gemeinde auf dem kulturhistorisch belegten angestammten Siedlungsgebiet der Sorben/Wenden befindet. Denn dieses dient dem verfassungsrechtlich ebenfalls verankerten Minderheitenschutz und sichert der Minderheit auf diesem Gebiet besondere Rechte, die dem Schutz sowie der Erhaltung und Pflege ihrer nationalen Identität und insbesondere auch des angestammten Siedlungsgebietes dienen. Der mit Art. 25 LV gewährleistete Minderheitenschutz für die Sorben/Wenden erfordert eine Bewahrung und Sicherung ihrer identitätsstiftenden Eigenheiten und eine Sicherung der Grundlagen, auf denen die Kultur und das Selbstverständnis der Angehörigen der sorbischen Minderheit fußen. Prägend in diesem Sinne ist für die Sorben neben ihrer Sprache insbesondere ihre traditionelle örtliche Verwurzelung in der Region Lausitz. Dem hat der Verfassungsgeber durch die ausdrückliche Verpflichtung zu Schutz, Erhaltung und Pflege auch des angestammten Siedlungsgebiets Rechnung getragen. Es soll als die notwendige räumliche Grundlage zur Entfaltung der nationalen Identität der Sorben geschützt werden. Hieraus folgt, dass nicht nur das Gebiet in seiner äußeren – geographischen – Grenze geschützt ist, sondern auch und insbesondere als gewachsenes Siedlungsgefüge mit der vorhandenen Bevölkerungs- und Infrastruktur, deren Charakter auch durch einzelne Siedlungen mitgeprägt sein kann. Das Schutzgut des Art. 25 Abs. 1 Satz 1 LV ist deshalb nicht erst dann berührt, wenn das Siedlungsgebiet als Ganzes betroffen ist, sondern durch jede Maßnahme, die die bisherigen Siedlungsstrukturen verändert und sich nachteilig auf die Verbundenheit mit dem angestammten Lebensraum auswirken kann (vgl. Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urt. v. 18. Juni 1998 – 27/97 –, Rn. 83, zitiert nach Juris). Dieser Schutzgehalt des Art. 25 LV überwiegt die kommunale Selbstverwaltung, da wirksamer Minderheitenschutz gerade nicht im Ermessen der Gemeinden stehen und nicht von einer Mehrheitsentscheidung der Gemeinden abhängig sein darf (sinngemäß auch Dr. Platter/Schmidt/Bohm, Novellierung des brandenburgischen Sorben(Wenden)-Gesetzes, Prüfung einiger Reformvorschläge, 26. Oktober 2011, S. 14). Zudem wiegt der Eingriff in die Selbstverwaltung nicht schwer, weil § 13 c SWG eine Kostenerstattung für die mit den Anwendungen dieses Gesetzes entstandenen Mehraufwendungen vorsieht.

Die formelle Rechtmäßigkeit des Bescheids begegnet keinen Bedenken. Die Zuständigkeit des Beklagten ergibt sich aus § 13 c Abs. 1 SWG. Zwar ist der streitgegenständliche Verwaltungsakt an den Beigeladenen als Antragsteller adressiert. Er wurde aber unstreitig der Klägerin ebenfalls bekanntgegeben.

Die Rüge der Klägerin, der Tenor des Bescheids treffe wortwörtlich die Feststellung hinsichtlich der Gemeinde T...und schon deswegen sei der Bescheid aufzuheben, dringt nicht durch. Es handelt sich ganz offensichtlich um einen Schreibfehler und mithin um eine offenbare Unrichtigkeit gemäß § 1 Abs. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz für das Land Brandenburg i. V. m. § 42 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG), die der Beklagte jederzeit berichtigen kann. Aus der Überschrift und nachfolgenden Begründung, die sich dem Wortlaut nach an die Klägerin richten und sich auch ausschließlich auf Quellen und Belege aus dem Gebiet der Klägerin beziehen, ist zu erkennen, dass es sich bei der Formulierung im Tenor offensichtlich um einen Schreibfehler handelt. Dass der Beklagte es bislang versäumt hat, diesen Fehler zu korrigieren, führt nicht zur Rechtswidrigkeit des Bescheids.

Der Bescheid ist materiell rechtswidrig, weil die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 SWG für die Gemeindeteile der Klägerin nicht vorliegen. Danach gelten diejenigen Gemeinden und Gemeindeteile als angestammtes Siedlungsgebiet, in denen eine kontinuierliche sprachliche oder kulturelle Tradition bis zur Gegenwart nachweisbar ist.

Ausweislich der beigezogenen Verwaltungsvorgänge und verschiedenen Aufklärungsverfügungen des Gerichts steht fest, dass für das Gemeindegebiet der Klägerin insgesamt keine ausreichenden Nachweise für eine kontinuierliche sprachliche oder kulturelle sorbisch/wendische Tradition vorliegen.

Die Regelungen des § 3 Abs. 2 SWG sind vor dem Hintergrund des Art. 25 LV auszulegen, der gleichzeitig auch die verfassungsrechtliche Grenze darstellt. Der Begriff des „angestammten Siedlungsgebietes“ findet seinen Ursprung in dieser Norm. Nach Art. 25 Abs. 1 LV wird das Recht des sorbischen/wendischen Volkes auf Schutz, Erhaltung und Pflege seiner nationalen Identität und seines angestammten Siedlungsgebiets gewährleistet.

Dabei ist der Begriff des angestammten Siedlungsgebietes ein Spezifikum der brandenburgischen Landesverfassung. Das angestammte Siedlungsgebiet wird in der Verfassung nicht durch administrative, politische Grenzen oder politische Besonderheiten definiert. Auch auf eine konkrete geografische Definition wird in der Verfassung verzichtet. Dennoch ist es durch die Wahl des Begriffes „angestammt“ entscheidend geprägt. Der Begriff verweist durch die kulturhistorische Perspektive auf ein „überkommenes“, abgrenzbares Areal. Der Begriff knüpft dagegen nicht daran an, wo Bürger sorbischer Volkszugehörigkeit ihren aktuellen Wohnsitz haben und wie viele es jeweils sind. Unter den Schutz der Verfassung fällt mithin nur das kulturhistorisch belegte Siedlungsgebiet, dieses dann aber unabhängig davon, welchen Bevölkerungsanteil die Angehörigen der nationalen Minderheit in diesem Gebiet aktuell ausmachen. Dem einfachen Gesetzgeber blieb es dabei überlassen, die kulturhistorischen Merkmale dieses Gebiets näher zu beschreiben (Dr. Platter/Schmidt/Bohm, Novellierung des brandenburgischen Sorben(Wenden)-Gesetzes, Prüfung einiger Reformvorschläge, 26. Oktober 2011, S. 11).

Der Gesetzgeber entschied sich in § 3 Abs. 2 SWG dafür, die kulturhistorischen Merkmale des Gebiets durch die Tatbestandsmerkmale der belegbaren kontinuierlichen sprachlichen oder kulturellen Tradition bis in die Gegenwart zu definieren. Erforderlich ist folglich zum einen eine sprachliche oder kulturelle sorbisch/wendische Tradition sowie zum anderen in zeitlicher Hinsicht, dass diese kontinuierlich bis in die Gegenwart vorliegt und zudem nachweisbar ist.

Ausgehend vom Wortlaut enthalten weder das SWG noch die dazugehörige Verordnung eine nähere Bestimmung, was unter die Tatbestandsmerkmale zu fassen ist.

Es handelt sich hierbei um unbestimmte Rechtsbegriffe, die der vollen gerichtlichen Kontrolle unterliegen und der Auslegung bedürfen. Insbesondere die Grenzen der Kontinuität in diesem Zusammenhang lassen sich nicht trennscharf definieren. Das Wort „kontinuierlich“ bedeutet fortdauernd, lückenlos zusammenhängend bzw. gleichmäßig sich fortsetzend. Es beschreibt den Zustand eines Zeitraums, trifft aber per se keine Aussage über den Anfangszeitpunkt. Dessen Bestimmung ist aber mit Blick darauf unerlässlich, dass die Siedlungsgeschichte des sorbischen Volkes in der heutigen Niederlausitz bis in das 6. Jahrhundert zurückreicht (vgl. Kunze, Peter, Die Sorben/Wenden in der Niederlausitz – Ein geschichtlicher Überblick, Bautzen 1996, Domowina Verlag). Der Endpunkt dieses Zeitraums wird durch das Gesetz mit dem Bezug zur Gegenwart, also dem Zeitpunkt zwischen Vergangenheit und Zukunft, gesetzt.

§ 4 der Verordnung über das Verfahren der Feststellung von Veränderungen des angestammten Siedlungsgebiets der Sorben/Wenden vom 8. September 2014 (GVBl.II/14, [Nr. 68]) enthält lediglich die Bestimmung, dass die Feststellung, dass eine kontinuierliche sprachliche oder kulturelle sorbisch/wendische Tradition bis zur Gegenwart nachweisbar ist, aufgrund einer Abwägung aller Umstände des Einzelfalls und in angemessener Gewichtung der Ausdrucksformen sorbisch/wendischer Sprache oder Kultur zu treffen ist. Art, Dauer, Intensität, Ausstrahlung, Anlass, Bindungswirkung und Aussagekraft einzelner Anhaltspunkte sind angemessenen in Bezug zueinander zu setzen.

Als Auslegungshilfe kann die vorherige Verwaltungsvorschrift des Ministers für Wissenschaft, Forschung und Kultur zum Gesetz zur Ausgestaltung der Rechte der Sorben (Wenden) im Land Brandenburg vom 28. April 1997 (ABl./97, [Nr. 21], S. 422) herangezogen werden. Nach III.2.b. ist dabei von einer kontinuierlichen kulturellen Tradition auszugehen, wenn in einer Gemeinde mindestens seit 50 Jahren bis zur Gegenwart sorbische/wendische Kultur gepflegt wird. Dies ist in der Regel der Fall, wenn

· sorbische/wendische Vereine oder Verbände in der Gemeinde ansässig sind,

· sorbische/wendische Theaterveranstaltungen stattfinden,

· sorbisches/wendisches Brauchtum gepflegt wird,

· sich Kinder der Gemeinde am Sorbisch-/Wendischunterricht beteiligten oder

· Gottesdienst in sorbischer/wendischer Sprache abgehalten wird.

Zudem wird – deklaratorisch – darauf hingewiesen, dass es sich dabei nicht um eine abschließende, sondern lediglich eine beispielhafte Aufzählung von möglichen Kriterien handelt.

Zwar ist diese Verwaltungsvorschrift spätestens mit Inkrafttreten der neuen Verwaltungsvorschrift des Beklagten vom 13. Mai 2016 nicht mehr gültig. Gleichwohl kann sie als Auslegungshilfe genutzt werden, da sich der Wortlaut in dieser Hinsicht zwischen den beiden Fassungen von § 3 Abs. 2 SWG – mit Ausnahme der Ersetzung von „und“ durch „oder“ – nicht geändert hat und die aktuell gültige Verordnung und Verwaltungsvorschrift keine davon abweichenden Regelungen dazu treffen.

Auch die Bestimmung, wie ein Nachweis für sorbisch/wendische Sprache und Kultur zu definieren ist, muss letztlich der Einzelfallbewertung vorbehalten werden. Die Ausführungen aus III.2.b. der Verwaltungsvorschrift können hierbei wiederum als Richtschnur dienen. Schon mit Blick auf die Definition von Kultur der UNESCO, die diese als die Gesamtheit der einzigartigen geistigen, materiellen, intellektuellen und emotionalen Aspekte ansieht, die eine Gesellschaft oder eine soziale Gruppe kennzeichnen, ist vorliegend grundsätzlich eine inhaltliche Einzelfallprüfung der jeweiligen Belege erforderlich, die nicht durch formelle Kriterien oder Kategorien begrenzt werden darf.

Soweit der Beklagte in § 4 seiner Verordnung versucht haben könnte, eine von den Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 SWG abweichende Regelung zu treffen, verstößt dies gegen höherrangiges Recht.

Liegen die Tatbestandsvoraussetzungen des § 3 Abs. 2 SWG vor, gilt die Gemeinde als zugehörig zu angestammten Siedlungsgebiet der Sorben/Wenden. Der entscheidenden Behörde – dem Beklagten – wird durch das Gesetz kein Beurteilungsspielraum eingeräumt, sondern sie wird nur ermächtigt, nach einer Prüfung die Feststellung zu treffen. Dies ergibt sich aus § 13 c Satz 3 SWG. Darin heißt es, dass das zuständige Ministerium prüft, ob „die in diesem Gesetz festgeschriebenen Voraussetzungen für die Zugehörigkeit“ vorliegen. Zudem bezieht sich die Verordnungsermächtigung des §13 b Abs. 4 S. 1 SWG nur auf die Ausgestaltung des Verfahrens zur Prüfung.

Vor diesem Hintergrund war der Beklagte vorliegend nicht ermächtigt, in seiner Verordnung vom Gesetz und letztlich auch von der Verfassung abweichende (zeitliche) Tatbestandsmerkmale festzulegen oder sich einen Beurteilungsspielraum einzuräumen.

Gleiches gilt im Übrigen auch für die „freie Beweiswürdigung“ des § 3 Abs. 2 S. 3 der Verordnung. Danach schöpft das zuständige Ministerium seine Erkenntnisse aus freier Überzeugung ohne Bindung an beigebrachte Beweismittel. Auch diese Regelung widerspricht dem Wortlaut des übergeordneten § 3 Abs. 2 SWG, der ausdrücklich auf eine nachweisbare kontinuierliche Tradition abstellt. Folglich hat auch diese Festlegung der Verordnung für die Prüfung außer Betracht zu bleiben.

Nach dem Vorstehenden geht das Gericht zunächst grundsätzlich davon aus, dass eine kontinuierliche kulturelle oder sprachliche Tradition vorliegt, wenn auf dem Gebiet der Klägerin mindestens seit 50 Jahren bis zur Gegenwart sorbische/wendische Kultur oder Sprache gepflegt wird. Dabei verkennt es nicht, dass diese grundsätzliche Annahme in jedem Einzelfall erneut überprüft und auf ihre Sachdienlichkeit in Bezug auf die jeweilige Einzelfallkonstellation kritisch untersucht werden muss. Von dieser Auslegung ausgehend bildet das Jahr 2017, das Jahr aus dem der streitgegenständliche Bescheid stammt, den Endpunkt der Betrachtung und stellt folglich die „Gegenwart“ dar. Maßgeblich ist also der Zeitraum zwischen 1967 und 2017.

Ob es tatsächlich – ausgehend von der exakten Wortbedeutung von „kontinuierlich“ – eines lückenlosen, also eines Nachweises ohne Unterbrechung bedarf, lässt das Gericht ausdrücklich offen, weil es im vorliegenden Fall keiner Entscheidung bedarf. Mit Blick auf den Gesetzeszweck, eine einfachere Aufnahme von Gemeinden in das angestammte Siedlungsgebiet zu ermöglichen, spricht vieles dafür, dass ein lückenloser Nachweis nicht gefordert werden kann, ohne diese Absicht des Gesetzgebers aus dem Blick zu verlieren. Bedenkt man insbesondere auch den gesellschaftlichen Wandel im Hinblick auf den Stellenwert des Minderheitenschutzes in der Gegenwart im Gegensatz zu den 1960-1980er Jahren, erscheint ein Nachweis beispielweise für jedes Jahr als überspannt. Die vorhandenen Belege zeigen zwar, dass es durchaus Bemühungen gegeben hat, insbesondere in den Anfangsjahren der DDR, das kulturelle Erbe und die Sprache der Sorben in der Niederlausitz zu bewahren und teilweise zu fördern. Viele dieser Bemühungen versandeten aber mit der Zeit, weil der Fokus des DDR-Regimes später vorrangig auf die eigene Machterhaltung verlagert wurde (vgl. Kunze/Peter, Die Sorben/Wenden in der Niederlausitz – Ein geschichtlicher Überblick, S. 73ff., Bautzen 1996, Domowina Verlag). Hinzu tritt auch die schwierige Nachweislage mit Blick auf die Vernichtung vieler Unterlagen und Archive in der Wendezeit der 1990er Jahre.

Gleichwohl ist die Kammer der Ansicht, dass auch der Gesetzeszweck des Minderheitenschutzes nicht zu rechtfertigen vermag, das Tatbestandsmerkmal der Kontinuität als gänzlich entbehrlich zu betrachten oder schon vereinzelte Dokumente als Nachweis dafür ausreichen zu lassen. Ebenso kann das Wiederaufleben sorbisch/wendischer Traditionen und Bräuche nach der Wiedervereinigung Lücken, die fast die gesamte Zeit davor bestehen, nicht schließen oder nicht – jedenfalls ohne weitere gewichtige Anhaltspunkte – als unerheblich gleichsam in den Hintergrund treten lassen. Mit Blick auf die deutlichen Ausführungen des Landesverfassungsgerichts zum Schutzgehaltes von Art. 25 LV im „Horno“-Urteil (vgl. Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Urt. v. 18. Juni 1998 – 27/97 –, Rn. 83, zitiert nach Juris) ist das Merkmal „Kontinuität“ für die Feststellung der Zugehörigkeit zum sorbisch/wendischen Siedlungsgebiet unentbehrlich. Der Wortlaut des Art. 25 LV verdeutlicht, dass nur der kulturhistorisch belegte angestammte Siedlungsraum der Sorben/Wenden geschützt ist. Vor diesem Hintergrund wurde auch der ursprüngliche Gesetzesentwurf mit den weiten Voraussetzungen des Siedlungsgebietes als verfassungswidrig bewertet (vgl. Dr. Platter/Schmidt/Bohm, Novellierung des brandenburgischen Sorben(Wenden)-Gesetzes, Prüfung einiger Reformvorschläge, 26. Oktober 2011, S. 19) und die aktuelle Fassung hinsichtlich der Tatbestandsmerkmale letztlich dem vorherigen Wortlaut des Gesetzes wieder weitgehend angenähert.

Angesichts der demnach zu stellenden Anforderungen ist mit Blick auf die Quellenlage im vorliegenden Verfahren jedenfalls nicht von der Nachweisbarkeit einer kontinuierlichen sprachlichen oder kulturellen sorbisch/wendischen Tradition auf dem Gemeindegebiet der Klägerin auszugehen.

Zunächst hat die Auswertung der Verwaltungsvorgänge des Beklagten ergeben, dass für den Zeitraum von 1959 bis 2003, mithin für eine Episode von 45 Jahren, keine Belege vorliegen, in denen die Stadt D...oder der Gemeindeteil E...erwähnt werden. Auch die Zeitungsausschnitte, die der Domowina-Regionalverband am 18. August 2023 übersandte und die Quellen aus dem Schriftsatz des Beklagten können allenfalls punktuelle Belege für sprachliche oder kulturelle sorbisch/wendische Tradition auf dem Gebiet der Klägerin liefern, die in der Gesamtwürdigung des besonderen Einzelfalls nicht ausreichen, um den gesetzlich erforderlichen Nachweisbarkeit einer kontinuierlichen sprachlichen oder kulturellen sorbisch/wendischen Tradition zu erbringen.

In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass die vom Beklagten angeführten Karten der Reichsbahn und der Post der DDR sowie die Kartenwerke aus Schulbüchern nach Auffassung der Kammer schon keinen tauglichen Nachweis im Sinne des § 3 Abs. 2 SWG darstellen. Soweit der Beklagte daraus eine Dokumentation der staatlichen Minderheitenpolitik in der DDR ableitet, ist zum einen schon äußerst zweifelhaft, ob dieser Schluss zutreffend ist, und zum anderen ist es für die Prüfung des § 3 SWG ohne Belang, solange diese bloßen Darstellungen nicht auf nachvollziehbaren Erhebungen oder ihrerseits auf Quellen basieren, die eine kulturelle oder sprachliche sorbische Tradition in den abgebildeten Orten belegen können. Dies ist vorliegend nicht der Fall.

Gleiches gilt für die vom Beklagten angeführte Richtlinie des Ministeriums des Inneren in der DDR über die Zweisprachigkeit von Karten im „anerkannten Zweisprachengebiet“. Dieser Quelle kann – wie auch den anderen Verzeichnissen aus der DDR-Zeit im Verwaltungsvorgang – allenfalls eine Indizwirkung dergestalt zukommen, dass diese Gemeinden von einer staatlichen Stelle als „sorbisch/wendisch“ wahrgenommen wurden. Zunächst findet sich keine Angabe oder andere Quelle dazu, in welcher Weise das „anerkannte Zweisprachengebiet“ festgelegt wurde. Für dieses – wie auch für alle anderen Verzeichnisse – kann das Gericht nicht nachvollziehen, nach welchen Voraussetzungen es erstellt wurde. Erschwerend tritt hinzu, dass sich die verschiedenen Verzeichnisse widersprechen und teilweise Gemeinden – wie die vorliegende – abbilden, für die sich sonst nirgendwo ein Nachweis für sorbisch/wendische Sprache findet (schon bei der Spracherfassung aus dem Jahr 1956 wurde für D...ein Anteil von 0,1% und für E...von 0,5% sorbisch sprechender Menschen gemessen an der Gesamtbevölkerung festgestellt), und dagegen Gemeinden nicht verzeichnet sind, die sonst überall als zweisprachig erfasst sind und für die auch beispielsweise in den Spracherfassungen ein größerer Anteil sorbisch sprechender Menschen dokumentiert ist. Gerade der vorliegende Fall mit seiner recht eindeutigen Quellenlage legt nahe, dass jedenfalls dem in der Richtlinie erwähnte „anerkannten Zweisprachengebiet“ eine eher schematische oder historische Betrachtung zugrunde liegt, die ebenfalls nicht auf einer Betrachtung der einzelnen Gemeinden oder Gemeindeteile basiert.

Die Auswertung der übrigen Quellen ergibt, dass es – gerade im Vergleich zu anderen Gemeinden in der Region –nur wenige Belege für den Gemeindeteil D...gibt, die gegebenenfalls geeignet erscheinen, das Vorhandensein für sorbisch/wendische Kultur oder Sprache nachzuweisen. Ein Schüler aus D..., der 1981 an der Olympiade der sorbischen Sprache an der Sorbischen Erweiterten Oberschule in C...teilnahm, kann– in Anlehnung an Ziffer III.2.b der Verwaltungsvorschrift – als Nachweis dafür gewertet werden, dass sich ein Kind am sorbisch/wendischen Sprachunterricht im weiteren Sinne beteiligt hat.

Hinsichtlich der Mitgliedschaft von D...Einwohnern in der D...-Ortsgruppe W...für die Jahre 1982 bis 1984 lässt die Kammer ausdrücklich offen, ob diesem Umstand eine Ausstrahlungswirkung dergestalt zukommt, dass darin auch die Pflege sorbisch/wendischer Kultur für D...gesehen werden kann, ohne dass es über die Tatsache der reinen Mitgliedschaft hinaus Anhaltspunkte für eine Kulturpflege in D...selbst gegeben hat. Es bedarf vorliegend keiner Entscheidung, weil selbst wenn dieser Quelle ein derartiger Beweiswert zugemessen würde, es sich aufgrund der Aktenlage nur um einen punktuellen Nachweis für zwei Jahre handeln, der zeitlich mit der vorhandenen Quelle zusammenfällt und damit der Nachweis der Kontinuität gleichwohl nicht erbracht werden könnte.

Die übrigen Quellen für den Gemeindeteil D...können den Nachweis der gelebten kontinuierlichen sorbisch/wendischen Kultur ebenfalls nicht erbringen. Schon der Beweiswert der sorbisch/wendischen Veranstaltung im Dezember 1982 des Kulturhauses der Glashütte in D...als Ausdruck der sorbisch/wendischen Kultur vor Ort ist zweifelhaft. Zum einen handelt es sich hier um einen durch den Staat organisierten Betrieb und gerade nicht um einen dort ansässigen Verband oder Verein – vgl. Ziffer III.2.b der Verwaltungsvorschrift –, der aus der Bevölkerung heraus entstanden ist und dem die Menschen aus eigenem Interesse angehören, und zum anderen richtet sich die Veranstaltung nicht an die Bevölkerung von D...oder E..., sondern an die damalige Belegschaft des Betriebs und ggf. noch ihre Familien. Auch erweckt die Berichterstattung den Eindruck, als verfolge das Kulturhaus einen Bildungsauftrag in Bezug auf die Belegschaft, wenn berichtet wird, die Leiterin des Kulturhauses in der Glashütte D...mache die Mitarbeiter mit der sorbischen/wendischen Kultur bekannt. Im Ergebnis kann es aber offenbleiben, weil es sich jedenfalls nach Lage der Akten um eine einmalige Veranstaltung – ggf. ergänzt durch einen weiteren Auftritt des Bautzener Ensembles zum Frauentag – des Kulturhauses gehandelt hat und deswegen – wie der berichtete Inhalt der Veranstaltung ebenfalls schon nahelegt – nicht um die andauernde Pflege sorbisch/wendischer Kultur.

Auch hinsichtlich des einmalig 1974 erwähnten „D...Singeklubs“ ist es aufgrund der Aktenlage eher fernliegend, diesen als einen dort ansässigen sorbisch/wendischen Verband oder Verein – vgl. Ziffer III.2.b der Verwaltungsvorschrift – zu werten. Zwar trat dieserdem vorgelegten Bericht zufolge auf den „Tagen der sozialistischen sorbischen Kultur“ in H...auf. Es fehlen aber darüber hinaus jegliche weitere Anhaltspunkte für eine gelebte sorbisch/wendische Tradition. Die insoweit vorgelegten Informationen lassen nur den Schluss zu, dass es sich um einen einmaligen Auftritt im sorbisch/wendischen Kontext handelte. Ohne weitere Angaben zur Gründungsgeschichte, dem Selbstverständnis der Gruppe oder der Außenwahrnehmung (auch) als Träger der sorbisch/wendischen Kulturpflege ist dies kein tauglicher Nachweis.

Gleiches gilt für die im Bericht aus dem Jahr 2000 erwähnten „M...Blasmusikanten“. Hierbei handelt es sich offensichtlich nicht um einen in D...ansässigen sorbisch/wendischen Verein – vgl. Ziffer III.2.b der Verwaltungsvorschrift –. Der einzige Bezugspunkt zum vorliegenden Verfahren ergibt sich aus der Information, dass Musikanten auch aus dem Gemeindeteil D...stammen sollen und die Kapelle, die demnach sorbisch/wendische Dorffeste musikalisch begleitet, sorbisch/wendische Stücke im Repertoire haben soll. Auch hier liegt eine kontinuierliche sorbisch/wendische Kulturpflege, die auch auf die Stadt D...ausstrahlt, fern. Es fehlt bereits an einem unmittelbaren Bezug zur Stadt D.... Die bloße Mitgliedschaft in einem nicht klar sorbisch/wendischen Verein oder in einer Gruppe, die – soweit ersichtlich –, auch nicht durch Auftritte in D...das sorbisch/wendische Kulturleben mitgestaltet hat, ist zu mittelbar, um als Nachweis zu gelten. Überdies mangelt es vorliegend auch am Nachweis hinsichtlich der Kontinuität. Der Bericht trifft keine Aussage dazu, seit wann die Mitglieder aus D...Teil der Kapelle gewesen sind. Insbesondere findet sich keine Information dahingehend, dass bereits zu DDR Zeiten die Gruppe auch aus Musikern aus D...bestanden hat.

Soweit der Beklagte auf ein Domowina-Mitglied verweist, das 1975 bereits 27 Jahre in der D...Glashütte arbeite, ist fraglich, worin darin mit Blick auf die Tatbestandsmerkmale des § 3 Abs. 2 SWG der Beleg für sorbisch/wendische Kultur oder Sprache liegen soll. Auch in Anbetracht der erschwerten Nachweislage ist die bloße Erwähnung des Gemeindenamens auf Sorbisch oder in einem sorbischen Medium als Beleg für eine kontinuierliche sprachliche oder kulturelle Tradition bis zu Gegenwart nicht ausreichend. Es kommt selbstverständlich auf den Inhalt der Berichterstattung an und dieser ist vorliegend für die Prüfung die Voraussetzung des § 3 Abs. 2 SWG ohne Belang.

Die Quellen für den Gemeindeteil E...können den Nachweis der gelebten kontinuierlichen sorbisch/wendischen Kultur ebenfalls nicht erbringen.

Die Erhebung im Rahmen der Dissertation von H... aus dem Jahr 1988/1989 legt nahe, dass in E...das sorbisch/wendische Leben mit Voranschreiten der DDR-Zeit abnahm und spätestens ab den 1980er Jahren nach Lage der Akten nicht mehr vorhanden war. Die Unterbrechung des Zamperns in den 1960/1970er Jahren deckt sich auch mit Zeitungsbericht aus der Lausitzer Rundschau aus dem Jahr 2009 (vgl. VV, Bl. 131), der ebenfalls über die Unterbrechung des Zamperns in E...anlässlich der Eingemeindung in die Stadt D...berichtet. Soweit der Brauch des Eierholens der Patenkinder bei den Paten als einziger noch bestehender Brauch dokumentiert ist, erkennt die Kammer diese Erwähnung in einer wissenschaftlichen Abhandlung grundsätzlich durchaus als gewichtigen Anhaltspunkt an. Da es aber an jeglicher flankierender oder unterstützender Quelle aus der Zeit der DDR fehlt und auch die übrige Erhebung von Walde – im Gegenteil zu dem Gericht vorliegenden Erhebungen in anderen Gemeinden – nahelegt, dass die sorbisch/wendische Kultur aus dem Leben in E...ansonsten verschwunden war, kann diese einzige und vollkommen isoliert dastehende Quelle aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls für den erforderlichen Nachweis vorliegend nicht ausreichen. Im Gegenteil spricht die – im Vergleich zu anderen Gemeinden – außergewöhnlich geringe Anzahl der Quellen zu E...dafür, dass es zu einer deutlichen Zäsur in der Tradition und Pflege sorbisch/wendischer Kultur vor Ort kam. Denn auch die zeitlich nachfolgenden Quellen können nur ein Wiederaufleben der sorbisch/wendischen Traditionen – bzw. von Traditionen mit sorbisch/wendischen Ursprung die zum Beispiel in der Darstellung des D...Kultur- und Heimatblatt vom 07. Oktober 2019 als Bestandteil des dörflichen Lebens begriffen werden und erhalten geblieben sind, obwohl „die wendische Bevölkerung und ihre Sprache im 19. Jahrhundert vollständig aus unserem Ort verschwunden waren“ – vor Ort belegen und sind damit nicht ausreichend für den Nachweis der kontinuierlichen sorbisch/wendischen Tradition vor Ort über den nach den Vorgaben des Gesetzes geforderten erheblichen Zeitraum.

Unabhängig vom durch den Beklagten wohl intendierten Regelungsgehalt des § 4 der Verordnung, ist im Rahmen der zu treffenden Entscheidung ein Ermessenspielraum des Beklagten hier schonallein deshalb nicht eröffnet, weil die Tatbestandsvoraussetzung des § 3 Abs. 2 SWG nicht vorliegen.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 154 Abs. 1 VwGO und § 162 Abs. 3 sowie § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.