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Entscheidung 1 ORs 11/23


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 1. Strafsenat Entscheidungsdatum 11.10.2023
Aktenzeichen 1 ORs 11/23 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2023:1011.1ORS11.23.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Amtsgerichts Brandenburg an der Havel vom 10. Januar 2023 dahingehend abgeändert, dass dem Angeklagten für die Dauer von drei Monaten verboten wird, im Straßenverkehr Kraftfahrzeuge jeder Art zu führen.

Das Fahrverbot gilt durch die Sicherstellung des Führerscheins in der Zeit vom 14. August 2022 bis zum 20. April 2023 als vollstreckt (§ 51 Abs. 5 StGB).

1.1. Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten trägt die Landeskasse.

Gründe

I.

1.

Das Amtsgericht Brandenburg an der Havel hat mit Urteil vom 10. Januar 2023 gegen den Angeklagten wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr sowie wegen vorsätzlichen Verstoßes gegen § 6 Pflichtversicherungsgesetz in Tateinheit mit Urkundenfälschung eine Gesamtgeldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 10,00 € verhängt. Überdies hat das Amtsgericht eine isolierte Sperre von neun Monaten für die Erteilung einer neuen Fahrerlaubnis angeordnet und dem Angeklagten für die Dauer von neun Monaten verboten, im Straßenverkehr Kraftfahrzeuge jeder Art zu führen. Von einer Entziehung der Fahrterlaubnis hat das Amtsgericht ausdrücklich abgesehen. Zu der Maßregel der Besserung und Sicherung und zu der Nebenstrafe heißt es in dem Urteil des Amtsgerichtes:

Aus der von dem Angeklagten am 14.08.2022 begangenen Tat ergibt sich, dass der Angeklagte zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist (§ 69 Abs. 1, 2 Nr. 2 StGB). Diese Ungeeignetheit ist zwischenzeitlich nicht fortgefallen, sondern besteht noch heute fort. Da der Angeklagte eine serbische Fahrerlaubnis hat, ist neben der Strafe eine isolierte Sperre nach § 69a Abs. 1 S. 3 StGB anzuordnen. Eine solche erachtet das Gericht, unter Berücksichtigung der gesamten Persönlichkeit des Angeklagten, insbesondere seiner Zuverlässigkeit, seines Verhaltens bei und nach der Tat sowie der gesamten Tatumstände und der oben im Einzelnen geschilderten Strafzumessungserwägungen, auf die Bezug genommen wird, als ausreichend, aber auch erforderlich, um bei dem Angeklagten das zutage getretene Verhaltensdefizit zu beseitigen.

Die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 Abs. 1 StGB kommt nicht in Betracht, da der Angeklagte nur eine serbische Fahrerlaubnis besitzt.

Vor diesem Hintergrund ist gegen den Angeklagten ein neunmonatiges Fahrverbot als Denkzettel und Besinnungsstrafe, dass den Angeklagten vor einem Rückfall warnen und ihm das Gefühl vermitteln soll, was es bedeutet, vorübergehend ohne Führerschein zu sein, neben der Hauptstrafe zur Einwirkung auf den Angeklagten erforderlich, entspricht seiner Schuld sowie dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und führt zu keiner unangemessen harten Sanktion der Taten.

Der Strafzweck, den angeklagten zur künftigen Beachtung der Gesetze anzuhalten, kann weder durch die Hauptstrafe allein, noch durch die Erhöhung derselben, sondern nur durch diese zusätzliche Nebenstrafe erreicht werden. Maßgebend für diese Entscheidung war, dass der Angeklagte durch beide Taten in grober und bewusster Weise gegen die Pflichten eines Kraftfahrzeugführers verstoßen hat.

Das neunmonatige Fahrverbot setzt sich zusammen aus einem dreimonatigen Fahrverbot für die Tat vom 24.09.2021 und einem sechsmonatigen Fahrverbot für die Tat vom 14.08.2022. Das Gericht hält entgegen der allgemeinen Ansicht ausnahmsweise die Verhängung mehrerer Fahrverbote für angemessen und erforderlich, da die Anlasstaten in Tatmehrheit zueinander stehen und eine Verbindung der einzelnen Verfahren erst im Laufe des gerichtlichen Verfahrens stattgefunden hat.

2.

Die Polizei hatte den serbischen Führerschein des Angeklagten am Tattag, dem 14. August 2022, beschlagnahmt. Das Amtsgericht Brandenburg an der Havel hat am 26. Oktober 2022 dem Angeklagten die Fahrerlaubnis gemäß § 111 a StPO vorläufig entzogen. Die Staatsanwaltschaft Potsdam hat unter dem 20. April 2023 auf dem Führerschein des Angeklagten die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis vermerkt und dessen Herausgabe an den Angeklagten angeordnet.

3.

Gegen das Urteil des Amtsgerichts Brandenburg an der Havel vom 10. Januar 2023 richtet sich die am 12. Januar 2023 bei Gericht angebrachte Revision der Staatsanwaltschaft Potsdam, die sie bei der Einlegung auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt und in der sie die Verletzung des materiellen Rechts gerügt hat, wobei sie zur Begründung angeführt hat, entgegen § 44 StGB sei ein Fahrverbot von neun Monaten verhängt worden.

Die Staatsanwaltschaft hat die Revision unter dem 05. Februar 2023 erneut begründet, die Begründung ist am 06. Februar 2023 bei Gericht eingegangen. Die Staatsanwaltschaft rügt wiederholt die Verletzung materiellen Rechts; es sei entgegen § 44 StGB ein Fahrverbot von neun Monaten verhängt worden. Das dort festgesetzte Höchstmaß von sechs Monaten sei durch den entsprechenden Rechtsfolgenausspruch überschritten worden.

Die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg ist in ihrer schriftlichen Stellungnahme vom 04. Mai 2023 der Revision der Staatsanwaltschaft Potsdam beigetreten und hat beantragt, Termin zur Revisionshauptverhandlung zu bestimmen. Hierbei hat die Generalstaatsanwaltschaft ausgeführt, die Revision der Staatsanwaltschaft sei nicht ausschließlich zugunsten des Angeklagten eingelegt worden, denn es sei die allgemeine Sachrüge erhoben worden und die uneingeschränkte Überprüfung der tatrichterlichen Rechtsfolgenentscheidung begehrt. Das Absehen von der Entziehung der Fahrerlaubnis sei rechtsfehlerhaft gewesen, so dass das Urteil im Rechtsfolgenausspruch aufzuheben und die Sache an eine andere Abteilung des Amtsgerichtes zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen sei.

In der Hauptverhandlung hat der Beamte der Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg beantragt, das Urteil des Amtsgerichts Brandenburg an der Havel vom 10. Januar 2023 hinsichtlich des Rechtsfolgenausspruchs aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Brandenburg an der Havel zurückzuverweisen; der Verteidiger hat beantragt, das Urteil des Amtsgerichts Brandenburg an der Havel vom 10. Januar 2023 hinsichtlich des Fahrverbotes aufzuheben.

II.

1.

Die Sprungrevision der Staatsanwaltschaft ist nach § 335 StPO statthaft und gemäß §§ 341, 344, 345 StPO frist- und formgerecht bei Gericht angebracht worden.

Sie hat auch in der Sache Erfolg und führt zur Aufhebung des wegen der am 14. August 2022 begangenen Trunkenheit im Verkehr angeordneten sechsmonatigen Fahrverbotes.

2.

Die Revision ist zulässig auf den Rechtsfolgenausspruch und innerhalb dessen auf die Verhängung des Fahrverbotes beschränkt, da die Feststellungen in dem angefochtenen Urteil so vollständig und umfassend getroffen worden sind, dass der Umfang des gegen den Angeklagten gerichteten Vorwurfes sowohl in objektiver als auch in subjektiver Hinsicht klar umrissen ist und die Feststellungen zu einer vorsätzlichen Trunkenheit im Verkehr in Tatmehrheit mit einem vorsätzlichen Verstoß gegen § 6 Pflichtversicherungsgesetz in Tateinheit mit einer Urkundenfälschung eine ausreichende Grundlage für die Prüfung des Rechtsfolgenausspruches bieten.

3.

Die Revision der Staatsanwaltschaft Potsdam ist gemäß § 296 Abs. 2 StPO zugunsten des Angeklagten eingelegt worden, so dass das Verschlechterungsverbot nach § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO zu beachten ist.

Nach § 296 StPO darf die Staatsanwaltschaft ein Rechtsmittel zugunsten eines Angeklagten einlegen. Die Klarheit, die mit der Einlegung eines Rechtsmittels verfahrensrechtlich geschaffen werden soll, erfordert, dass sie ihre Absicht, in dieser Weise zugunsten eines Beteiligten tätig zu werden, deutlich erklären muss, und zwar spätestens mit Ablauf der Frist zur Begründung des Rechtsmittels. Nach einem allgemeinen Grundsatz, der auch für das Strafverfahren gilt (soweit keine Ausnahme bestimmt ist), braucht diese Erklärung über die Richtung des Rechtsmittels nicht ausdrücklich zu sein. Vielmehr ist es genügend - aber auch notwendig -, dass sich dies aus dem Gesamtinhalt derjenigen an das Gericht gerichteten Willensäußerung ergibt, die die Rechtsmitteleinlegung und -begründung bildet (vgl. BGH, Beschlüsse vom 12. Januar 2022, Az.: 3 StR 448/21, BeckRS 2022, 2097, und vom 28. Mai 2013, Az.: 3 StR 426/12, BeckRS 2013, 10261; BGH, Beschluss vom 25. Januar 1952, Az.: 2 StR 3/52; KG, Urteil vom 10. Dezember 2021, Az.: 3 Ss 56/21; juris; Meyer-Goßner / Schmitt, StPO, 66. Aufl., 2023, § 296 Rn. 14). Verbleiben diesbezüglich Zweifel, ist das Rechtsmittel (auch) zuungunsten des Angeklagten eingelegt (vgl. KG, a.a.O.; Meyer-Goßner / Schmitt, a.a.O., § 296 Rn. 14).

Der Senat entnimmt bereits dem Inhalt der Revisionseinlegung vom 12. Januar 2023, dass die Staatsanwaltschaft Potsdam eindeutig und zweifelsfrei das Rechtsmittel lediglich zugunsten des Angeklagten eingelegt hat. Die Staatsanwaltschaft hat nicht die allgemeine Sachrüge erhoben, die dann die Überprüfung des amtsgerichtlichen Urteils ohne Beschränkungen und somit gegebenenfalls auch zu Lasten des Angeklagten ermöglicht hätte. Bereits die Revisionseinlegung beinhaltet die Beschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch und darin in der knappen Begründung die noch genauer bezeichnete Beschränkung auf die Überprüfung der Verhängung des ihrer Ansicht nach zu hohen Fahrverbotes nach § 44 StGB. Demzufolge kommt darin der Wille der Staatsanwaltschaft zum Ausdruck, die Überprüfung des materiellen Rechts lediglich auf die aus ihrer Sicht fehlerhafte Anwendung des § 44 StGB einzuschränken.

Dieser Wille der Staatsanwaltschaft Potsdam ist auch in dem Inhalt der Revisionsbegründung vom 04. Mai 2023 unverkennbar und unmissverständlich, indem erneut auf die Beschränkung der Revision auf den Rechtsfolgenausspruch hingewiesen und darin ausdrücklich nur die Verletzung des materiellen Rechts gerügt wird, wobei die Rüge nicht allgemein gehalten, sondern explizit mit der fehlerhaften Anwendung des § 44 StGB begründet wird. Indem die Staatsanwaltschaft das verhängte Fahrverbot von neun Monaten wegen der Überschreitung des Höchstmaßes angreift und dessen Herabsetzung auf sechs Monate fordert, folgt daraus unverkennbar, die verhängte Nebenstrafe zugunsten des Angeklagten auf das gesetzliche Höchstmaß zu beschränken.

4.

Die Verhängung des Fahrverbotes wegen der rechtskräftig festgestellten vorsätzlichen Trunkenheit im Verkehr, begangen am 14. August 2022, hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

a)

Es ist zwar fehlerhaft, dass das Amtsgericht unter Verkennung des § 69 b StGB die Fahrerlaubnis nach § 69 Abs. 1 StGB nicht entzogen hat, obwohl es richtig erkannt hatte, dass wegen § 69 Abs. 2 Nr. 2 StGB bei dem Angeklagten ein Regelfall der Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen vorgelegen hat. Jedoch erfolgte die Anordnung der Sperrfrist nach § 69 a Abs. 1 StGB rechtsfehlerfrei und sie ist in Rechtskraft erwachsen.

b)

Die Verhängung eines sechsmonatigen Fahrverbotes neben der isolierten Sperre ist rechtsfehlerhaft gewesen. Das verhängte sechsmonatige Fahrverbot war aufzuheben, denn die obengenannte, in Rechtskraft erwachsene neunmonatige Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis wirkte sich aufgrund der am 14. August 2022 erfolgten Beschlagnahme des Führerscheins sowie der mit Beschluss vom 26. Oktober 2022 angeordneten vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis wie ein Fahrverbot aus. Dies umso mehr als die Herausgabe des Führerscheins an den Angeklagten erst am 20. April 2023 angeordnet wurde. Es sei hierbei noch bemerkt, dass die isolierte Sperre mit Ablauf des 10. Oktober 2023 abgelaufen war.

Das Fahrverbot und die Fahrerlaubnisentziehung bzw. die Festsetzung einer isolierten Sperrfrist schließen einander regelmäßig aus. Denn das Fahrverbot nach § 44 StGB setzt voraus, dass sich der Täter gerade nicht als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen gemäß § 69 StGB erwiesen hat. Deshalb kommt ein Fahrverbot neben einer Entziehung der Fahrerlaubnis bzw. der Festsetzung einer isolierten Sperrfrist nur in Betracht, wenn das Gericht nach § 69 a Abs. 2 StGB bestimmte Arten von Kraftfahrzeugen von der Sperre ausnehmen oder dem Täter das Fahren mit gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 FeV fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen verbieten will (vgl. BGH, Beschluss vom 07. August 2018, Az.: 3 StR 104/18; OLG Hamm, Beschluss vom 08. August 2023, Az.: 5 Ors 46/23; juris; Fischer, StGB, 70. Aufl., 2023, § 44 Rn. 3). Das war hier den Urteilsgründen zufolge ersichtlich nicht der Fall.

Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden (§ 354 Abs. 1 StPO) und hebt das sechsmonatige Fahrverbot wegen der Trunkenheit im Verkehr auf.

5.

a)

Soweit das Amtsgericht das dreimonatige Fahrverbot wegen des vorsätzlichen Verstoßes gegen § 6 Pflichtversicherungsgesetz in Tateinheit mit der Urkundenfälschung, der am 21. September 2023 begangen worden ist, verhängt hat, ist gegen diese Nebenstrafe nichts zu erinnern.

Das Amtsgericht hat ohne ersichtliche Rechtsfehler und nachvollziehbar die Voraussetzungen für die Verhängung des Fahrverbotes sowie für dessen Dauer in den Urteilsgründen dargelegt, so dass es keine Gründe gab, dieses aufzuheben.

b)

Das dreimonatige Fahrverbot war jedoch aufgrund der gemäß § 51 Abs. 5 StGB zu erfolgenden Anrechnung der Beschlagnahme sowie der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis für vollstreckt zu erklären.

Die Polizei beschlagnahmte den serbischen Führerschein des Angeklagten am 14. August 2022 und am 26. August 2022 entzog das Amtsgericht Brandenburg an der Havel dem Angeklagten vorläufig die Fahrerlaubnis. Die Anordnung, den Führerschein an den Angeklagten herauszugeben, erfolgte am 20. April 2023, mithin acht Monate und sechs Tage nach der Beschlagnahme des Führerscheins, so dass das dreimonatige Fahrverbot im Wege der Anrechnung der Verwahrungsdauer des Führerscheins vollstreckt war.

III.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 467 StPO, während die Entscheidung über die notwendigen Auslagen des Angeklagten auf § 473 Abs. 3 StPO beruht.