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Entscheidung 6 W 47/23


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 6. Zivilsenat Entscheidungsdatum 20.10.2023
Aktenzeichen 6 W 47/23 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2023:1020.6W47.23.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Neuruppin vom 03.02.2023, Az. 6 O 37/21, wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Gründe

I.

Die Parteien stritten unter anderem über Ansprüche aus einem Gewerberaummietverhältnis. In erster Instanz fanden vier Verhandlungstermine statt, an denen auf Seiten der klagenden Gemeinde jeweils der Amtsdirektor und an drei Terminen zudem eine Sachbearbeiterin der Gemeinde teilnahmen. Mit dem die Instanz abschließenden Urteil vom 28.01.2021 legte das Landgericht die Kosten des Rechtsstreits – soweit diese nicht durch die Anrufung des unzuständigen Gerichts entstanden waren – zu 56 % der Klägerin und zu 44 % der Beklagten auf.

Im Kostenfestsetzungsverfahren hat die Klägerin als Entschädigung für die durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis hinsichtlich des Amtsdirektors insgesamt 399 € (19 Stunden je 21 €) und hinsichtlich der Sachbearbeiterinnen insgesamt 273 € (13 Stunden je 21 €) in Ansatz gebracht. Sie hat geltend gemacht, die Anwesenheit des Amtsdirektors sei gerichtlich angeordnet und erforderlich gewesen, um das Recht der Klägerin zur Teilnahme an der mündlichen Verhandlung wahrzunehmen. Der Anwesenheit der Sachbearbeiterinnen habe es bedurft, um Erklärungen zum Sachverhalt abgeben zu können, da der Amtsdirektor nicht mit allen Einzelheiten betreffend die Verwaltung der streitgegenständlichen Liegenschaft und der behaupteten Mietmängel vertraut gewesen sei. Die Klägerin verfüge über keine Mitarbeiter, die speziell für die Prozessführung vorgehalten würden.

Mit dem angegriffenen, die in erster Instanz angefallenen Kosten betreffenden Beschluss vom 03.02.2023 hat das Landgericht die Festsetzung einer Entschädigung für die durch die Wahrnehmung der Termine entstandene Zeitversäumnis abgelehnt. Es hat gemeint, es gehöre zu den originären Aufgaben der öffentlichen Verwaltung, ihr Handeln vor Gericht zu verantworten und zu vertreten. Auch sei kein entschädigungspflichtiger Nachteil darin zu erkennen, dass der den Gerichtstermin wahrnehmende Beamte in dieser Zeit nicht seinen anderen Aufgaben an seinem eigentlichen Arbeitsplatz nachgehen könne.

Mit ihrer hiergegen gerichteten, am 07.02.2023 beim Landgericht eingegangenen sofortigen Beschwerde verfolgt die Klägerin die beantragte Erstattung von Verdienstausfall unter Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen Vorbringens weiter.

Das Landgericht hat dem Rechtsbehelf mit Beschluss vom 23.05.2023 nicht abgeholfen und die Sache dem hiesigen Gericht vorgelegt.

II.

1.

Die nach § 11 Abs. 1 RPflG, § 104 Abs. 3 Satz 1, § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthafte sofortige Beschwerde ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden, § 569 ZPO. Der Wert des Beschwerdegegenstandes, der der Differenz zwischen dem festgesetzten Erstattungsbetrag und der mit der sofortigen Beschwerde erstrebten Festsetzung entspricht, übersteigt 200 €, § 567 Abs. 2 ZPO.

2.

In der Sache bleibt der Rechtsbehelf ohne Erfolg. Das Landgericht hat zu Recht entschieden, dass die Klägerin wegen der Wahrnehmung der Gerichtstermine nach § 91 Abs. 1 Satz 2 ZPO i.V.m. §§ 22, 20 JVEG eine Entschädigung weder für einen Verdienstausfall noch für eine Zeitversäumnis beanspruchen kann.

Nach § 91 Abs. 1 Satz 2 ZPO umfasst die Kostentragungspflicht der unterliegenden Partei die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften der §§ 19 ff. JVEG sind dabei entsprechend anzuwenden (vgl. BGH, Beschluss vom 02.12.2008 – VI ZB 63/07, NJW 2009, 1001). Ersatz kann demnach gemäß § 22 Satz 1 JVEG für einen Verdienstausfall in Höhe des Bruttoverdienstes einschließlich der vom Arbeitgeber zu tragenden Sozialversicherungsbeiträge, höchstens 25 € je Stunde, beansprucht werden.

Der Gesetzeswortlaut setzt damit einen tatsächlich entstandenen Verdienstausfall voraus (BGH, Beschluss vom 26.01.2012 − VII ZB 60/09, NJW-RR 2012, 761), also einen durch die Terminswahrnehmung eingetretenen finanziellen Verlust (vgl. Pannen/Simon, in: Schneider/ Volpert/ Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 3. Auflage 2021, § 22 JVEG, Rn. 7; Weber, in: Toussaint, Kostenrecht, 53. Auflage 2023, § 22 JVEG, Rn. 4 m.w.N.). An einem solchen fehlt es bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts nicht lediglich, soweit es den Bereich des Verwaltungsrechts und die dortige Prozessvertretung betrifft (BVerwG, Beschluss vom 29.12.2004 – 9 KSt 6/04, NVwZ 2005, 466). Entgegen der Beschwerdebegründung ist jedenfalls für die hier in Rede stehende Sachverhaltskonstellation auch für den Bereich der ordentlichen Gerichtsbarkeit höchstrichterlich geklärt, dass es an einem Verdienstausfall fehlt, soweit die Terminswahrnehmung seitens der juristischen Person des öffentlichen Rechts zu den von dieser zu erfüllenden Aufgaben gehört, die bei der Personalbedarfsplanung berücksichtigt worden sind und für deren Stellenanteile ein Budget zugewiesen ist (BGH, Beschluss vom 07.05.2014 – XII ZB 630/12, NJW-RR 2014, 1096, Rn. 19; OLG Jena, Beschluss vom 25.03.2015 – 1 W 136/15, NJ 2016, 41; Senat, Beschluss vom 16.09.2022 – 6 W 2/22, BeckRS 2022, 28386). Denn wenn das Gehalt des betreffenden Mitarbeiters im Haushaltsplan der juristischen Person berücksichtigt ist und unabhängig davon bezahlt werden muss, ob der Mitarbeiter im Rahmen der ihm übertragenen Aufgaben Tätigkeiten innerhalb seiner Dienststelle erledigt oder einen Gerichtstermin wahrnimmt, entsteht der juristischen Person durch die Teilnahme ihres Mitarbeiters an Verhandlungsterminen kein Verdienstausfall. Da die Terminswahrnehmung durch den sachbearbeitenden Mitarbeiter in dieser Fallgestaltung gerade zu den ihm übertragenen Aufgaben gehört, kann dem auch nicht entgegengehalten werden, der Verdienstausfall bestehe darin, dass der Mitarbeiter in der Zeit seiner Abwesenheit keine anderen Aufgaben habe erfüllen können (BGH, Beschluss vom 07.05.2014 – XII ZB 630/12, a.a.O.). So liegt es auch hier.

Nach § 135 Abs. 4 Satz 1 BbgKVerf werden die Aufgaben des Hauptverwaltungsbeamten in amtsangehörigen Gemeinden durch den Amtsdirektor wahrgenommen. Zu diesen Aufgaben zählt die rechtliche Vertretung der amtsangehörigen Gemeinden, § 53 Abs. 1 Satz 2 BbgKVerf. Es gehört mithin zum Aufgabenbereich des Amtsdirektors, an gerichtlichen Verhandlungen für die seinem Amt angehörigen Gemeinden teilzunehmen und diese zu vertreten. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass diese Aufgabe bei der Personalbedarfsplanung berücksichtigt worden ist, sodass durch die Teilnahme des Amtsdirektors an den Verhandlungsterminen kein Verdienstausfall entstanden ist (vgl. Senat, Beschluss vom 16.09.2022 – 6 W 2/22, a.a.O., Rn. 5; OLG Jena, Beschluss vom 25.03.2015 – 1 W 136/15).

Aus denselben Erwägungen steht der Klägerin keine Zeitversäumnisentschädigung nach § 91 Abs. 1 Satz 2 ZPO i.V.m. § 20 JVEG zu, weil ihr bzw. dem Amtsdirektor auch insofern kein Nachteil entstanden ist (vgl. BGH, Beschluss vom 07.05.2014 – XII ZB 630/12, a.a.O., Rn. 20).

Ob gleiches für die Sachbearbeiterinnen gilt, die den Amtsdirektor zu drei der insgesamt vier Verhandlungstermine begleitet haben, kann dahinstehen, da deren Teilnahme an den Terminen neben dem Amtsdirektor jedenfalls nicht notwendig im Sinne von § 91 Abs. 1 Satz 2 ZPO war. Dass das prozessrelevante Wissen klägerseits auf mehrere Personen verteilt war, resultiert aus deren interner organisatorischer Aufgabenverteilung, für die der Prozessgegner kostenrechtlich nicht einzustehen hat (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 30.04.1999 – 8 W 365/98, BeckRS 1999, 14823). Davon abgesehen ist nicht ersichtlich, dass es nicht möglich oder zumutbar gewesen wäre, den Amtsdirektor bzw. den Prozessbevollmächtigten der Klägerin hinreichend über die fraglichen Einzelheiten der streitgegenständlichen Liegenschaften und die behaupteten Mietmängel zu unterrichten oder sicherzustellen, dass die Sachbearbeiterinnen zur Beantwortung in den Verhandlungsterminen etwaig auftretender Fragen beispielsweise telefonisch erreichbar sind.

3.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 574 ZPO liegen nicht vor.