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Entscheidung 6 U 88/22


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 6. Zivilsenat Entscheidungsdatum 17.10.2023
Aktenzeichen 6 U 88/22 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2023:1017.6U88.22.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 28.07.2022 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam, Az.: 2 O 415/21, wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen,

Dieses Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung des Klägers hinsichtlich des Unterlassungsausspruches durch Sicherheitsleistung in Höhe von 20.000 € abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in eben dieser Höhe leistet. Hinsichtlich der Kosten bleibt der Beklagten nachgelassen, die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des erstinstanzlichen Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 10.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Unterlassung als wettbewerbswidrig gerügter Lebensmittelwerbung in Anspruch.

Der Kläger ist ein in die Liste qualifizierter Wirtschaftsverbände im Sinne des § 8b UWG eingetragener Verein, zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben es gehört, den unlauteren Geschäftsverkehr zu bekämpfen. Zu seinen Mitgliedern gehören mehrere Handelsverbände und Unternehmen der Lebensmittelbranche.

Die Beklagte betreibt den Handel mit (US-amerikanischen) Lebensmitteln, die sie u.a. auf der Internetplattform „www.amazon.de“ unter der Firma „A…" anbietet. Am 19.07.2021 bewarb die Beklagte auf „www.amazon.de“ u.a. von ihr importierte Getränke in Dosen (…) wie folgt:

Das Angebot enthält keine ausdrückliche Information zu der Person des Lebensmittelunternehmers. Die unter „Verkauf und Versand“ angegebene Firma der Beklagten ist über einen Hyperlink verknüpft mit ihrem Impressum, in dem ihr Name und ihre Anschrift vollständig angegeben sind.

Der Kläger hat die Beklagte wegen dieses Angebots im Juli 2021 abgemahnt und zur Abgabe einer Unterlassungsverpflichtungserklärung aufgefordert. Er hat dazu ausgeführt, das Angebot weise die nach Art. 14 Abs. 1 LMIV i.V.m. Art. 9 Abs. 1 lit. h) LMIV notwendigen Angaben zum Lebensmittelunternehmer nicht auf. Die Beklagte hat die Abgabe der geforderten Unterlassungsverpflichtungserklärung verweigert.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, das inkriminierte Angebot der Beklagten auf „www.amazon.de“ sei nach §§ 3, 3a bzw. § 5 Abs. 2 und 4 UWG unlauter, weil es gegen Art. 14 Abs. 1 LMIV i.V.m. Art. 9 Abs. 1 lit. h) LMIV verstoße. Danach müsse bei Lebensmittelverkäufen im Fernabsatz der Lebensmittelunternehmer nach Art. 8 Abs. 1 LMIV bezeichnet werden. Die Benennung der Beklagten als Verkäuferin genüge diesen Anforderungen nicht. Zudem widerspreche es den Anforderungen der LMIV, dass die Beklagte ihren Namen und ihre Anschrift nicht unmittelbar in das Angebot einstelle, sondern nur über einen Hyperlink zugänglich mache. Neben der Unterlassung dieser unzulässigen Werbung könne er auch Ersatz des für die Abmahnung entstandenen Aufwands verlangen, den er mit 231,60 € beziffert. Zur Berechnung hat der Kläger auf sein Abmahnschreiben vom 22.08.2021 Bezug genommen.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zur Höhe von 250.000,00 €, ersatzweise von Ordnungshaft, oder von Ordnungshaft bis zur Dauer von 6 Monaten zu unterlassen, wie im landgerichtlichen Tenor wiedergegeben, im Fernabsatz Lebensmittel zum Verkauf anzubieten, ohne dass Name oder Firma und Anschrift des Lebensmittelunternehmers vor dem Abschluss des Kaufvertrages verfügbar sind und auf dem Trägermaterial des Fernabsatzgeschäfts erscheinen oder durch andere geeignete Mittel, die eindeutig angegeben werden, bereitgestellt werden.

2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 231,60 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Ansicht vertreten, ihr Angebot enthalte die nach der LMIV notwendigen Pflichtangaben und sei deshalb ordnungsgemäß. Mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 20.07.2022 hat sie vorgetragen, dass ihr eine andere Gestaltung ihres Angebots auf der Plattform „www.amazon.de“ nicht möglich gewesen sei. Sobald ein Produkt von einem Anbieter auf der Plattform eingestellt worden sei, könnten andere Anbieter keine eigene Angebotsseite mehr kreieren, sondern seien darauf verwiesen, sich an das eingestellte Angebot „anzuhängen“. Sämtliche Angaben aus der Verkaufsbeschreibung würden damit dem jeweils angegebenen Verkäufer zugesprochen. Eine zusätzliche Information über den Lebensmittelunternehmer in der Verkaufsbeschreibung würde gegen die Verkaufsbestimmungen der Plattform verstoßen und zugleich eine wettbewerbswidrige Sperrwirkung herbeiführen, weil sich Konkurrenten nicht mehr an bestehende Angebote anhängen könnten.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, dem klagebefugten und aktivlegitimierten Kläger stehe nach § 8 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1, § 5a Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 UWG i.V.m. Art. 14 VO (EU) Nr. 1169/2011 (LMIV) ein Unterlassungsanspruch gegenüber der Beklagten zu. Die Beklagte habe Verbrauchern eine wesentliche Information i.S.d. § 5a Abs. 2 Satz 1 UWG vorenthalten, nämlich in der LMIV vorgesehene Angaben nicht getätigt und damit im Unionsrecht festgelegte Informationsanforderungen in Bezug auf kommerzielle Kommunikation nicht erfüllt. Gemäß Art. 14 Abs. 1 i.V.m. Art. 9 Abs. 1 lit. h) LMIV müsse bei Fernabsatzverträgen vor Abschluss des Kaufvertrages zwingend der Lebensmittelunternehmer i.S.d. Art. 8 Abs. 1 LMIV mit Name bzw. Firma und Anschrift angegeben werden, also der Vermarkter bzw. bei unionexternen Vermarktern der Importeur. Die Angaben der Beklagten in ihrem Verkäuferimpressum enthielten diese Informationen nicht, obwohl sie als Online-Einzelhändlerin zur Bereitstellung dieser Pflichtangaben verpflichtet sei. Dass sie mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vorgetragen habe, lediglich das Angebot eines anderen Verkäufers übernommen zu haben, entlaste sie nicht.

Der Anspruch des Klägers auf Erstattung der ihm entstandenen Abmahnkosten gründe sich auf § 13 Abs. 3 UWG.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 05.08.2022 zugestellte Urteil mit am 02.09.2022 beim Brandenburgischen Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese innerhalb verlängerter Frist mit am 07.11.2022 eingegangenem Schriftsatz begründet.

Sie wendet sich mit ihrer Berufung gegen ihre Verurteilung insgesamt. Sie vertritt weiter die Auffassung, ihr Internetauftritt habe den Vorgaben der LMIV entsprochen, dafür genüge es, dass sie ihre Firmenangaben in dem Impressum hinterlegt habe. Ihre Angaben entsprächen der üblichen Praxis in zahlreichen vergleichbaren unbeanstandeten Angeboten auf der Plattform „www.amazon.de“. Sie streitet weiterhin ab, für die von einem früher als sie auf der Seite „www.amazon.de“ aktiven Drittanbieter eingepflegten Angaben in dem Angebot verantwortlich zu sein. Sie habe weder die Möglichkeit gehabt, die voreingestellten Angaben zu ändern, noch auf eine Änderung der Angaben durch den Betreiber der Plattform „www.amazon.de“ hinzuwirken. Sie habe sich diese Angaben auch nicht zu eigen gemacht. Es sei für sie zudem nicht ersichtlich gewesen, dass die Angaben vermeintlich gegen Wettbewerbsrecht verstießen.

Jedenfalls habe die Benennung des Herstellers/Importeurs keine erhebliche Marktrelevanz und beeinflusse die Kaufentscheidung der angesprochenen Verkehrskreise nicht in einem spürbaren Ausmaß. Die Angabe des Importeurs sei allenfalls im Hinblick auf den seltenen Fall einer Produkthaftung bedeutsam, in dem es dem Betroffenen durchaus zuzumuten sei, einen gewissen Suchaufwand aufzubringen. Sie habe durch das monierte Verhalten auch keinen unlauteren Wettbewerbsvorteil erlangt.

Sie beantragt,

unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt die angefochtene Entscheidung und führt ergänzend aus, die Beklagte sei mit ihrem Vortrag, die Verstöße seien ihr nicht zuzurechnen, präkludiert. Im Übrigen sei er unzutreffend, weil die Beklagte das Angebot auf „www.amazon.de“ insoweit erfolgreich geändert habe, als sie ihre eigene Handelsmarke eingefügt habe. Selbst wenn die Beklagte die inhaltliche Gestaltung des Angebots nicht voll beherrscht hätte, wären ihr die inkriminierten Verstöße anzulasten, weil sie gleichwohl von der Möglichkeit des Vertriebs auf „www.amazon.de“ Gebrauch gemacht habe.

Zu Recht habe das Landgericht einen Verstoß gegen die Vorgaben der LMIV angenommen, denn das Angebot der Beklagten enthalte nur Angaben zum Verkäufer, nicht aber zu dem Produktverantwortlichen, der dafür einzustehen habe, dass die lebensmittelrechtlichen Vorschriften innerhalb der Europäischen Union für das jeweilige Produkt eingehalten würden. Auch wenn die Beklagte tatsächlich (auch) Lebensmittelunternehmer (i.S. eines Importeurs oder Herstellers) sein sollte, mache sie dies in ihrem Angebot nicht hinreichend deutlich. Darin liege ein Verstoß gegen § 5a Abs. 2, 4 UWG a.F. bzw. §§ 5a Abs. 1, § 5b Abs. 4 UWG n.F., denn die notwendigen Angaben seien für den Verbraucher jedenfalls nicht klar und eindeutig erkennbar. Die Beklagte könne sich auch in Anbetracht der vom Gesetzgeber vorgenommenen Wertung nicht darauf berufen, dass der Verstoß nicht spürbar sei.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

II.

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung
(§§ 511, 517, 519, 520 ZPO) bleibt in der Sache ohne Erfolg. Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht die Beklagte antragsgemäß zur Unterlassung der inkriminierten Werbung sowie zur Erstattung einer Aufwandsentschädigung für die Abmahnung verurteilt.

1.

Die Klage ist zulässig, insbesondere kommt dem Kläger die notwendige Klagebefugnis nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG zu. Er ist ein in die beim Bundesamt für Justiz geführte Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände nach § 8b UWG eingetragener Verband zur Förderung gewerblicher Interessen, dem eine erhebliche Zahl von Unternehmen angehören, die Waren verwandter Art auf demselben Markt vertreiben wie die Beklagte und deren Interessen die Zuwiderhandlung berührt. Die Berufung führt keine Umstände an, die Anlass gäben, das Vorliegen dieser erstinstanzlich durch die Klägerin dargelegten Voraussetzungen in Zweifel zu ziehen.

2.

Zu Recht hat das Landgericht die Klage auch als begründet angesehen. Dem Kläger steht gegenüber der Beklagten ein Unterlassungsanspruch nach §§ 8 Abs. 1, 3 Nr. 2, §§ 3, 5a, 5b UWG i.V.m. Art. 14 Abs. 1 LMIV, Art. 9 Abs. 1 lit. h) LMIV zu.

a) Der Kläger ist zur Geltendmachung des streitgegenständlichen Unterlassungsanspruches aktivlegitimiert im Sinne des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG. Diese Bestimmung regelt nicht nur die prozessuale Klagebefugnis, sondern auch die sachlich-rechtliche Anspruchsberechtigung, welche - nachdem der geltend gemachte Unterlassungsanspruch in die Zukunft gerichtet ist - sowohl im Zeitpunkt der inkriminierten Handlung wie auch im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vorliegen muss. Der Inhalt des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG ist mit Wirkung zum 01.12.2021 - also nach Veröffentlichung des inkriminierten Angebots und vor der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz - verändert worden, ohne dass dies Auswirkungen auf die Beurteilung der Aktivlegitimation des Klägers im Streitfall hätte:

Nach der bis zum 30.11.2021 geltenden Fassung des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG - und damit zum Zeitpunkt der inkriminierten Handlung - war ein rechtsfähiger Verband zur Förderung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen aktivlegitimiert, wettbewerbliche Unterlassungsansprüche nach § 8 Abs. 1 UWG geltend zu machen, wenn er nach seiner persönlichen, sachlichen und finanziellen Ausstattung imstande war, seine satzungsmäßigen Aufgaben tatsächlich wahrzunehmen, ihm eine erhebliche Zahl von Unternehmen angehörte, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertrieben und deren Interessen durch die Zuwiderhandlung berührt wurden. Das Vorliegen der zuletzt genannten Voraussetzungen hat der Kläger dargelegt. Dafür, dass der Kläger auch nach seiner persönlichen, sachlichen und finanziellen Ausstattung imstande war, seine satzungsmäßigen Aufgaben tatsächlich wahrzunehmen, spricht eine Vermutung, denn er ist - gerichtsbekannt und vom Kläger durch Vorlage einer Liste der von ihm erstrittenen gerichtlichen Entscheidungen belegt - von Gerichten jahrelang als anspruchsberechtigt anerkannt worden (vgl. Köhler/Feddersen, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 40. Aufl., § 8 Rn. 3.86). Dieser Vermutung ist die Beklagte nicht entgegengetreten.

Auch nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG in der ab dem 01.12.2021 geltenden Fassung - und damit zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat - sind die Voraussetzungen für die Anspruchsberechtigung des Klägers erfüllt, insbesondere ist er - wie nunmehr erforderlich - in die beim Bundesamt für Justiz geführte Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände nach § 8b UWG eingetragen.

b) Die Beklagte hat mit den inkriminierten Angeboten eine nach §§ 5a, b UWG unlautere und damit nach § 3 UWG unzulässige Handlung vorgenommen.

aa) Die Verletzung von Informationspflichten in Bezug auf kommerzielle Kommunikation beurteilt sich entgegen der Ansicht des Klägers nicht nach § 3a UWG, sondern nach §§ 5a, b UWG, weil durch die Schadensersatzpflicht nach § 9 Abs. 2 Satz 1 UWG in der ab dem 28.05.2022 geltenden Fassung, die für Verstöße gegen § 3a UWG nicht gilt, an eine Verletzung von §§ 5a, b UWG potentiell weitergehende Rechtsfolgen geknüpft werden (BGH, Urteil vom 07.04.2022 - I ZR 143/19, Knuspermüsli II, juris Rn. 16ff.).

Die streitgegenständliche Angabe zum Lebensmittelunternehmer stellt kommerzielle Kommunikation dar. Darunter sind in Anlehnung an Art. 2 lit. f) RL 2000/31/EG (Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr) alle Formen der Kommunikation zu verstehen, die der unmittelbaren oder mittelbaren Förderung des Absatzes von Waren und Dienstleistungen oder des Erscheinungsbilds eines Unternehmens, einer Organisation oder einer natürlichen Person dienen, die eine Tätigkeit in Handel, Gewerbe oder Handwerk oder einem reglementierten Beruf ausübt (BGH, a.a.O., Knuspermüsli II, juris, Rn. 34). Dazu zählt auch ein Verkaufsangebot von Waren im Internet.

bb) Der auf Wiederholungsgefahr gestützte, in die Zukunft gerichtete Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1 UWG besteht nur, wenn das beanstandete Verhalten der Beklagten zum Zeitpunkt seiner Vornahme unlauter war und auch zum Zeitpunkt der Entscheidung in der Berufungsinstanz (noch) unlauter ist (BGH, Urteil vom 10.11.2022 - I ZR 241/19, Herstellergarantie IV, juris Rn. 20; Bornkamm, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 40. Aufl., § 8 Rn. 1.9). Die Fassung des § 5a UWG hat sich zum 28.05.2022, also nach der inkriminierten Handlung, aber vor der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz, geändert, eine für den Streitfall maßgebliche Änderung der Rechtslage folgt daraus allerdings nicht. Die bisherige Regelung in § 5a Abs. 2 UWG in der bis zum 27.05.2022 geltenden Fassung (a.F.) ist in der ab dem 28.05.2022 geltenden Fassung (n.F.) in § 5a Abs. 1 UWG enthalten, die ursprünglich in § 5a Abs. 5 UWG a.F. enthaltene Norm ist nach § 5a Abs. 4 UWG n.F. transferiert worden und § 5a Abs. 4 UWG a.F. zur Wesentlichkeit einer dem Verbraucher nach unionsrechtlichen Vorgaben zu erteilenden Information findet sich ohne inhaltliche Änderung in § 5b Abs. 4 UWG n.F.

cc) Nach § 5a Abs. 2 Satz 1 UWG a.F. (§ 5a Abs. 1 UWG n.F.) handelt unlauter, wer einen Verbraucher irreführt, indem er ihm eine wesentliche Information vorenthält, die dieser je nach den Umständen benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen (Nr. 1), und deren Vorenthalten geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte (Nr. 2). Als Vorenthalten gilt auch u.a. das Verheimlichen wesentlicher Informationen oder die Bereitstellung wesentlicher Informationen in unklarer, unverständlicher oder zweideutiger Weise (§ 5a Abs. 2 Satz 2 UWG a.F., § 5a Abs. 2 n.F.), dabei gelten als wesentlich auch solche Informationen, die dem Verbraucher auf Grund unionsrechtlicher Verordnungen oder nach Rechtsvorschriften zur Umsetzung unionsrechtlicher Richtlinien für kommerzielle Kommunikation einschließlich Werbung und Marketing nicht vorenthalten werden dürfen
(§ 5a Abs. 4 UWG a.F., § 5b Abs. 4 UWG n.F.). Die nach der Lebensmittelinformationsverordnung (LMIV, VO (EU) Nr. 1169/2011 vom 25.10.2011) vorgeschriebenen Angaben stellen als vom Unionsrecht festgelegte Mindestanforderungen in Bezug auf kommerzielle Kommunikation solche wesentlichen Informationen dar (BGH, Urteil vom 07.04.2022 - I ZR 143/19, Knuspermüsli II, juris Rn. 27; OLG Frankfurt, Urteil vom 09.06.2022 - 6 U 102/21, GRUR-RR 2019, 283; Köhler, a.a.O., § 5a Rn. 5.24).

dd) Der Umstand, dass die RL 2005/29/EEG nach Art. 3 in ihrem Anwendungsbereich zu einer vollständigen Harmonisierung des Lauterkeitsrechts geführt hat, steht der Anwendung der LMIV vorliegend nicht entgegen. Denn die Richtlinie lässt nach Art. 3 Abs. 3 und Erwägungsgrund 9 Satz 2 die Rechtsvorschriften der Union und der Mitgliedstaaten in Bezug auf Gesundheits- und Sicherheitsaspekte von Produkten unberührt. Dazu zählen auch die Vorschriften des Lebensmittelrechts, wie diejenigen der LMIV (vgl. BGH, a.a.O., Knuspermüsli II, juris Rn. 28 m.w.N).

ee) Die Werbung der Beklagten ist nach Maßgabe der in der LMIV aufgestellten Anforderungen zu beurteilen.

Art. 14 Abs. 1 lit. a) LMIV bestimmt für den Fernabsatz von vorverpackten Lebensmitteln, dass verpflichtende Informationen über Lebensmittel vor dem Abschluss des Kaufvertrages verfügbar sein müssen und auf dem Trägermaterial des Fernabsatzgeschäfts erscheinen oder durch andere geeignete Mittel, die vom Lebensmittelunternehmer eindeutig anzugeben sind, bereitgestellt werden.

(1) Die von der Beklagten auf „www.amazon.de“ angebotenen Getränke in Dosen sind vorverpackte Lebensmittel im Sinne des Art. 2 Abs. 2 lit. e) LMIV, welche die Verordnung definiert als jede Verkaufseinheit, die als solche an den Endverbraucher und an Anbieter von Gemeinschaftsverpflegung abgegeben werden soll und die aus einem Lebensmittel und der Verpackung besteht, in die das Lebensmittel vor dem Feilbieten verpackt worden ist, gleichviel, ob die Verpackung es ganz oder teilweise umschließt, jedoch auf solche Weise, dass der Inhalt nicht verändert werden kann, ohne dass die Verpackung geöffnet werden muss oder eine Veränderung erfährt. Da für den Verkauf des Produkts auf „www.amazon.de“ das Internet als Kommunikationsmittel zum Abschluss eines Vertrages zwischen einem Verbraucher und einem Lieferanten ohne gleichzeitige körperliche Anwesenheit der Vertragspartner eingesetzt wird, liegt auch ein Fernabsatzgeschäft i.S.d. Art. 14, Art. 2 Abs. 2 lit. u) LMIV vor.

(2) Verpflichtende Angaben i.S.d. Art. 14 LMIV sind nach Art. 2 Abs. 2 lit. c) diejenigen Angaben, die dem Endverbraucher aufgrund von Unionsvorschriften bereitgestellt werden müssen. Dazu zählen nach dem ein Verzeichnis der verpflichtenden Angaben enthaltenden Art. 9 LMIV, dort Abs. 1 lit. h), der Name oder die Firma und die Anschrift des Lebensmittelunternehmers nach Art. 8 Abs. 1 LMIV.

(3) Die Beklagte ist als Lebensmittelunternehmer im Sinne des Art. 8 Abs. 5 LMIV für die Erfüllung dieser Informationspflicht verantwortlich. Art. 8 Abs. 5 LMIV bestimmt, dass Lebensmittelunternehmer in den ihrer Kontrolle unterstehenden Unternehmen die Einhaltung der für ihre Tätigkeiten relevanten Anforderungen des Lebensmittelinformationsrechts sicherstellen. Für die Begriffsbestimmung des Lebensmittelunternehmers nimmt die LMIV in Art. 2 Abs. 1 lit. a) auf die VO (EG) Nr. 178/2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts [BasisVO] Bezug, deren Art. 3 Nr. 3 bestimmt, dass Lebensmittelunternehmer diejenigen natürlichen oder juristischen Personen sind, die dafür verantwortlich sind, dass die Anforderungen des Lebensmittelrechts in dem ihrer Kontrolle unterstehenden Lebensmittelunternehmen erfüllt werden. Art. 3 Nr. 2 BasisVO bezeichnet dabei als Lebensmittelunternehmen alle Unternehmen, gleichgültig ob auf Gewinnerzielung ausgerichtet oder nicht und gleichgültig ob öffentlich oder privat, die eine mit der Produktion, der Verarbeitung und dem Vertrieb von Lebensmitteln zusammenhängende Tätigkeit ausführen. Diese Anforderungen erfüllt die Beklagte als im Internet Lebensmittel zum Verkauf anbietende Unternehmerin.

ff) Die Beklagte ist mit der Angabe: „Verkauf und Versand durch A…“ ihrer danach bestehenden Informationsverpflichtung im Hinblick auf die Person des Lebensmittelunternehmers nicht nachgekommen.

(1) Art. 14 Abs. 1 LMIV verpflichtet für den Fall des Verkaufs von vorverpackten Lebensmitteln im Fernabsatz zur Bereitstellung der verpflichtenden Angaben nach Art. 9 LMIV und damit auch des Namens oder der Firma und der Anschrift des Lebensmittelunternehmers nach Artikel 8 Abs. 1 LMIV. Dessen Definition knüpft ausgehend von der Begriffsbestimmung in Art. 8 Abs. 5 LMIV i.V.m. Art. 2 Abs. 1 lit. a) BasisVO zusätzlich an die konkrete Verantwortlichkeit für das Lebensmittel an, indem es eine Information über denjenigen Lebensmittelunternehmer verlangt, unter dessen Namen oder Firma das Lebensmittel vermarktet wird, oder, wenn dieser Unternehmer nicht in der Union niedergelassen ist, über den Importeur, der das Lebensmittel in die Union einführt. Die Angabe des Namens oder der Firma und der Anschrift dient der Verwirklichung des vom EU-Recht bezweckten Schutzes des Verbrauchers, dem die Informationen an die Hand gegeben werden sollen, die er im Einzelfall benötigt, um den Lebensmittelunternehmer als lebensmittelrechtlich Verantwortlichen zu kontaktieren. Dies kann im Hinblick auf das von diesem nach Art. 8 Abs. 2 LMIV zu gewährleistende Vorhandensein und die Richtigkeit der Informationen über das Lebensmittel notwendig werden. Denn diese dienen dazu, die Verbraucher in Bezug auf die von ihnen verzehrten Lebensmittel in geeigneter Weise über bei der Herstellung von Lebensmitteln verwendete Zutaten, Stoffe oder Erzeugnisse zu informieren, die bei manchen Menschen gesundheitsgefährdende Allergien und Unverträglichkeiten verursachen können (vgl. LMIV, Erwägungsgrund 3 und 24). Um diese Informationen gegebenenfalls abzufragen, muss der Verbraucher den Verantwortlichen nach Art. 8 Abs. 1 LMIV bestimmen können und müssen die Angaben zur Anschrift ermöglichen, dass der Verantwortliche postalisch ohne Weiteres erreicht werden kann (Meisterernst, in: Sosnitza/Meisterernst [vormals Zipfel/Rathke], Lebensmittelrecht, 186. EL Art. 9 Rn. 3; Voit/Grube LMIV, 2. Aufl. 2016 Art. 8 Rn. 49; Art. 9 Rn. 49).

(2) Die Beklagte hat zwar, indem sie ihren eigenen Namen und ihre Anschrift auf der Website bereitgestellt hat, die sich daraus ergebenden Anforderungen formal erfüllt. Denn sie hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat klargestellt, Importeurin der in der inkriminierten Werbung angebotenen Waren zu sein, die sie zumindest teilweise aus dem Nicht-EU-Ausland einführt. Indem sie ihre Firma und ihre Anschrift mit dem Warenangebot zugänglich gemacht hat, hat sie deshalb den als Importeur verantwortlichen Lebensmittelunternehmer im Sinne des Art. 8 Abs. 1 LMIV objektiv benannt. Allerdings ist dies für den das Warenangebot der Beklagten betrachtenden Verbraucher nicht erkennbar, weil die Beklagte die Information durch die Verbindung mit der Überschrift „Vertrieb und Versand“ in den Zusammenhang mit Angaben zum Verkäufer gestellt und damit verheimlicht, jedenfalls aber verunklart hat, dass sie als Importeurin verantwortliche Lebensmittelunternehmerin ist. Nach dem für die Beurteilung maßgeblichen Empfängerhorizont des durchschnittlich informierten, verständigen und angemessen aufmerksamen Verbrauchers, der Waren im Internet einkauft, und den der Senat, dessen Mitglieder diesem Verkehrskreis angehören, aufgrund eigener Erfahrung selbst beurteilen kann (vgl. BGH, Urteile vom 20.10.1999 - I ZR 167/97, Orient-Teppichmuster, Rn. 20, und vom 24.09.2013 - I ZR 89/12, Matratzen Factory Outlet - Rn. 17; jew. zit. nach juris), stellt sich dies als Irreführung dar, weil danach nicht erkennbar ist, dass die Beklagte der nach Art. 8 Abs. 1 LMIV als eigenvermarktender oder importierender Lebensmittelunternehmer zuständige Ansprechpartner ist. Diese Information ist für den Verbraucher allerdings relevant, weil die Pflichten des eigenvermarktenden oder importierenden Lebensmittelunternehmens weitergehen als die eines bloßen Händlers, als der sich die Beklagte durch die Angabe „Verkauf und Vertrieb“ geriert, denn Art. 8 LMIV begründet ein System gestufter Verantwortlichkeit und zielt darauf ab, Handelsunternehmen im Zusammenhang mit den Pflichten der LMIV nur für solche Umstände zur Verantwortung zu ziehen, die in ihrem Geschäftsbereich bzw. Einflussbereich liegen (Voit, in: Voit/Grube, LMIV, 2. Aufl. 2016, Art. 8 Rn. 13). Auch für Fragen der Produkthaftung, für die der bloße Händler nur nachrangig (§ 4 Abs. 3 ProdHaftG) einzustehen hat, bedarf der Verbraucher nicht nur des Namens, sondern auch der Offenlegung der Funktion als Lebensmittelverantwortlichen.

(3) Dass in der Literatur vertreten wird, im Zusammenhang mit der Information nach Art. 9 Abs. 1 lit. h) LMIV bedürfe es nicht der Darstellung der Funktion des mit Name oder Firma und Anschrift bezeichneten verantwortlichen Lebensmittelunternehmers (vgl. Meisterernst, a.a.O., Art. 9 Rn. 33; Voit, a.a.O., Art. 9 Rn. 49) steht nicht entgegen. Der streitgegenständliche Fall unterscheidet sich bereits im Tatsächlichen von der dort zugrunde gelegten Konstellation, weil es vorliegend nicht an jeder Bezeichnung fehlt, in welcher Funktion bzw. Verantwortlichkeit die im Zusammenhang mit der Ware angegebene Firma handelt, sondern eine unrichtige Funktion bzw. Verantwortlichkeit angegeben wird, die mit einem geringeren Pflichtenkreis verbunden ist. Genau darin liegt aber die Irreführung. Im Übrigen dürfte diese auf Art. 9 Abs. 1 lit. h) und damit Verkaufsgeschäfte im Allgemeinen bezogene Auffassung auf den Verkauf von Lebensmitteln im Fernabsatz auch nicht zu übertragen sein. Art. 9 LMIV listet die verpflichtenden Angaben auf, die nach Art. 6 LMIV jedem Lebensmittel, das für die Lieferung an Endverbraucher oder Anbieter von Gemeinschaftsverpflegung bestimmt ist, beizufügen und die nach Art. 12 LMIV direkt auf der Verpackung oder auf einem an dieser befestigten Etikett anzubringen sind. Dies zeigt, dass Art. 9 LMIV in erster Linie auf den stationären Verkauf zugeschnitten ist, bei dem der Verbraucher unmittelbar durch Betreten eines Ladengeschäfts erkennt, wer Verkäufer der Ware ist und ob sich dieser von dem nach Art. 8 Abs. 1 LMIV verantwortlichen (selbstvermarktenden bzw. importierenden) Lebensmittelunternehmer unterscheidet. Ist dies der Fall, wird der durchschnittlich verständige und aufmerksame Verbraucher die Angabe einer Firma nebst Anschrift auf dem Etikett oder der Verpackung der Ware auch ohne Bezeichnung der Funktion ohne weiteres dem Lebensmittelunternehmer zuordnen. Bei dem Verkauf im Fernabsatz, wie ihn die Beklagte hier unternimmt, gestaltet sich die Situation anders. Damit dem Verbraucher auch im Fernabsatz die nach der LMIV als notwendig anzusehenden Informationen vor seinem Kaufentschluss zur Verfügung stehen - was dem Verbraucher im stationären Einzelhandel ohne Weiteres durch Inaugenscheinsnahme vor dem Gang zur Kasse möglich ist - bestimmt Art. 14 LMIV, dass verpflichtende Informationen nach Art. 9 LMIV vor dem Abschluss des Kaufvertrags auf dem Trägermaterial des Fernabsatzgeschäfts oder durch andere geeignete Mittel verfügbar sein müssen. In dieser Situation fehlt allerdings dem Verbraucher noch der unmittelbare Zugriff auf die Ware, so dass er anders als im stationären Handel die auf der Verpackung oder auf einem an dieser befestigten Etikett angebrachten Pflichtinformationen nicht zur Kenntnis nehmen kann. Enthält die Information im Fernabsatz vor Abschluss des Kaufvertrages die Funktionsbezeichnung desjenigen, der mit Firma und Anschrift genannt wird, nicht, ist deshalb anders als im stationären Handel aus den Umständen nicht erkennbar, ob er nur als Händler oder zugleich als Lebensmittelverantwortlicher i.S.d. Art. 8 Abs. 1 LMIV auftritt. Dies, wie auch die hier streitgegenständliche Bezeichnung nur als Verkäufer, ist geeignet, Verbraucher davon abzuhalten, ihre Rechte gegenüber der Beklagten als Lebensmittelunternehmer wahrzunehmen.

gg) Da im Ergebnis die Angabe zum Namen/der Firma und der Adresse des Lebensmittelverantwortlichen im Sinne des Art. 8 Abs. 1 LMIV den Anforderungen an die Bereitstellung der nach Art. 14 Abs. 1 lit. a) i.V.m. Art. 9 Abs. 1 lit. h) zur Verfügung zu stellenden Pflichtinformationen nicht genügt, kommt es nicht mehr darauf an, ob die Art und Weise der Bereitstellung - nämlich nicht durch unmittelbare Angabe der notwendigen Informationen auf der Angebotsseite, sondern durch Verbindung mit einem Hyperlink auf das Impressum der Beklagten - als „Bereitstellung“ im Sinne des Art. 14 Abs. 1 lit. a) LMIV anzusehen sind.

hh) Das Vorenthalten der Angaben zum Lebensmittelunternehmer ist auch erheblich im Sinne des § 5a Abs. 2 UWG a.F./§ 5a Abs. 1 UWG n.F.

Die weiteren Voraussetzungen des Unlauterkeitstatbestands, dass der Verbraucher die ihm vorenthaltenen wesentlichen Informationen je nach den Umständen benötigt, um eine informierte Entscheidung zu treffen und deren Vorenthalten geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte, stellen nach § 5a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 UWG a.F./§ 5 Abs. 1 Nr. 1 und 2 UWG n.F. zusätzliche Tatbestandsmerkmale dar, die nicht bereits deshalb anzunehmen sind, weil es sich um eine wesentliche Information handelt, sondern die selbständig zu prüfen sind (BGH, Urteile vom 21.07.2016 - I ZR 26/15, LGA tested, Rn. 54; vom 15. April 2021 - I ZR 134/20, Testsiegel auf Produktabbildung, Rn. 26; vom 02.03.2017 - I ZR 41/16, Komplettküchen, Rn. 32; jew. zit. nach juris).

Der Durchschnittsverbraucher benötigt eine wesentliche Information nach den Umständen dann, wenn sie im Einzelfall voraussichtlich oder wahrscheinlich bei der Abwägung des Für und Wider seiner geschäftlichen Entscheidung zumindest eine Rolle spielen könnte. Ob er sich tatsächlich von dieser Information leiten ließe, um eine aus seiner Sicht rationale Entscheidung zu treffen, ist dabei unerheblich (Köhler, a.a.O., § 5a UWG Rn. 3.38). Infolge der gesetzlichen Wertung, dass der Verbraucher eine bestimmte Zahl von Basisinformationen benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung treffen zu können (Erwägungsgrund 14 Satz 3 UGP-Rl) trifft den Unternehmer, der geltend macht, dass abweichend vom Regelfall der Verbraucher eine ihm vorenthaltene wesentliche Information für eine Kaufentscheidung nicht benötigt und das Vorenthalten dieser Information den Verbraucher nicht zu einer anderen Kaufentscheidung veranlassen kann, eine sekundäre Darlegungslast (BGH, Urteile vom 07.04.2022 - I ZR 143/19, Knuspermüsli II, Rn. 51; vom 02.03.2017 - I ZR 41/16, Komplettküchen, Rn. 32; vom 15.04.2021 - I ZR 134/20, Testsiegel auf Produktabbildung, Rn. 26; jew. zit. nach juris). Er muss also die Umstände darlegen, die den Schluss zulassen, dass der Verbraucher die ihm vorenthaltene Information ausnahmsweise nicht für eine informierte Entscheidung benötigt. Dies kann etwa der Fall sein, wenn dem Verbraucher die betreffende Information schon aus früheren Geschäften bekannt war oder der Informationserfolg auf andere Weise eingetreten ist (vgl. BGH, Urteil vom 07.03.2019 - I ZR 184/17, Energieeffizienzklasse III, juris Rn. 30) - wofür hier Anhaltspunkte fehlen - oder wenn die Angabe des importierenden Lebensmittelunternehmers für den Durchschnittsverbraucher belanglos wäre. Letzteres trägt die Beklagte allerdings nicht vor, sondern macht geltend, die Information sei allenfalls für die relativ selten thematisierte Produkthaftung bedeutsam, so dass dem Betroffenen ein gewisser Suchaufwand zuzumuten sei. Damit verkennt sie, dass es gerade Ziel der unionsrechtlichen Vorschriften ist, dem Verbraucher mit der Bereitstellung verpflichtender Informationen einen entsprechenden Suchaufwand zu ersparen und die LMIV eine Abwägung, welcher Aufwand dem Verbraucher im Einzelnen zumutbar ist, nicht vorsieht.

c) Es entlastet die Beklagte auch nicht, dass sie ihrer Behauptung nach die von dem Kläger als fehlend gerügten Angaben zum Lebensmittelunternehmer auf der Produktseite unter “www.amazon.de“ nicht hat einpflegen können.

aa) Dieser Vortrag ist, wie der Kläger zu Recht geltend macht, aus prozessualen Gründen nicht zu berücksichtigen. Die Beklagte hat diesen Einwand erstmals erstinstanzlich nach Schluss der mündlichen Verhandlung in einem nicht nachgelassenen Schriftsatz erhoben; das Landgericht hat ihn deshalb in seiner Entscheidung nach § 296a ZPO richtigerweise unberücksichtigt gelassen. In der Berufungsinstanz stellt der Einwand neues Vorbringen im Prozess dar, das nur unter den Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 ZPO zuzulassen ist (Zöller-Greger, ZPO, 34. Aufl., § 296a Rn. 4). Diese sind allerdings nicht erfüllt, denn weder ist der dem Einwand zugrunde liegende Tatsachenvortrag unstreitig geblieben, noch ist einer der in § 531 Abs. 2 ZPO genannten Zulassungstatbestände erfüllt. Der Kläger hat in Abrede gestellt, dass die Informationen auf der Produktseite von „www.amazon.de“ durch den ersten Anbieter vorgegeben werden und nachfolgende Anbieter zusätzliche Angaben nicht einpflegen können. Der Einwand hätte deshalb nur berücksichtigt werden können, wenn er einen Gesichtspunkt betroffen hätte, der vom Landgericht erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist, infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht wurde oder ohne Nachlässigkeit der Beklagten in erster Instanz nicht geltend gemacht worden ist. Dies ist weder erkennbar noch vorgetragen.

bb) Im Übrigen führte der Einwand, auch wenn man den dahingehenden tatsächlichen Vortrag der Beklagten berücksichtigte, nicht zu ihrer Entlastung. Den Vortrag der Beklagten unterstellt, hat sie mit der Nutzung der Verkaufsplattform „www.amazon.de“ als Händlerin im eigenen Namen ein Angebot veröffentlicht, obwohl sie dessen inhaltliche Gestaltung nicht vollständig beherrschte. Das macht sie zum Täter für den infolge unzureichender Angaben irreführenden Inhalt ihres Angebots (vgl. BGH, Urteil vom 03.03.2016 - I ZR 110/15, Herstellerpreisempfehlung bei Amazon, juris LS 4 und Rnrn. 36, 39).

d) Auch soweit sich die Beklagte darauf beruft, der inkriminierte Verstoß gegen die LMIV beruhe auf einem Rechtsirrtum, entlastet sie dies nicht, denn der wettbewerbliche Unterlassungsanspruch setzt kein Verschulden voraus (Bornkamm, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, a.a.O., § 8 UWG Rn. 1.40).

3.

Steht dem Kläger im Ergebnis der geltend gemachte Unterlassungsanspruch zu, stellt sich auch die vorprozessual ausgesprochene Abmahnung vom 22.07.2021 als berechtigt dar, mit der Folge, dass er nach § 13 Abs. 3 UWG von der Beklagten Ersatz der für die Abmahnung erforderlichen Aufwendungen verlangen kann. Einwände gegen Form und Inhalt der Abmahnung bzw. gegen die Höhe der insoweit beanspruchten Kosten von 231,60 € hat die Beklagte nicht erhoben.

4.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10, § 711, § 709 Satz 2 ZPO.

Die Revision war zuzulassen, weil die Frage, ob der eine Ware im Fernabsatz anbietende Händler seine Pflichten aus Art. 14 Abs. 1 lit a) i.V.m. Art. 9 Abs. 1 lit. h) LMIV verletzt, wenn sein Angebot zwar die notwendigen Pflichtangaben enthält, allerdings nicht kenntlich gemacht wird, dass sie sich auf den Lebensmittelunternehmer im Sinne des Art. 8 Abs. 1 LMIV beziehen, in der Literatur abweichend von der hier vertretenen Auffassung beantwortet wird, noch nicht höchstrichterlich entschieden ist und sich in einer Vielzahl von Fällen stellen kann (vgl. § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO).

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 GKG, § 48 Abs. 1 GKG, § 3 ZPO, § 43 Abs. 1 GKG.