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Entscheidung 7 U 8/23


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 7. Zivilsenat Entscheidungsdatum 18.10.2023
Aktenzeichen 7 U 8/23 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2023:1018.7U8.23.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 21.12.2022, Az. 1 O 259/21, wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Potsdam ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Die Klägerin begehrt als Insolvenzverwalterin die Feststellung einer Vielzahl von Forderungen zur Tabelle, über die im Zeitraum vom 30.06.2015 bis zum 03.12.2018 Rechnung gelegt wurde. Die Beklagte hält die angemeldete Forderung für teilweise erfüllt und im Übrigen für nachrangige Forderungen und verweigert ihre vorrangige Feststellung. Hilfsweise rechnet sie mit Gegenforderungen auf.

Die Klägerin ist die Insolvenzverwalterin des Ma… L… (nachfolgend Insolvenzschuldner), der als selbständiger Landwirt auf eigenen Flächen und Betriebsflächen von Familienangehörigen seit etwa 2005 tätig war und diese bewirtschaftete. Dazu gehörten die Betriebe seiner Mutter M… L… und seines Bruders. Sein Bruder H… L… verpachte ihm seinen Grundbesitz; rund 146 ha Flächen zur land- und forstwirtschaftlichen Bewirtschaftung und Fruchtziehung zuletzt mit Pachtvertrag vom 30.12.2015 bis 2037.

Seit etwa 2007 befasste sich der Insolvenzschuldner außerdem mitwirkend in Projektivierung, Planung und Belieferung der Biogasanlagen einer im Wesentlichen durch seinen Bruder H… L… gesteuerten Firmengruppe um die Deutsche B… AG. Er begab sich in die Mithaftung für dortige Verbindlichkeiten. Aufgrund umfangreicher Steuerforderungen und erfolglosen Verhandlungsersuchen stellte das Finanzamt am 04.01.2019 Insolvenzanträge. Am 17.01.2019 ordnete das Amtsgericht Cloppenburg die vorläufige Insolvenzverwaltung an und eröffnete am 01.05.2019 das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners.

Wegen der weiteren Einzelheiten, insbesondere den wirtschaftlichen Verbindungen der vorgenannten Familienangehörigen wird auf das als Anlage K 2 von der Klägerin vorgelegtes Gutachten vom 26.04.2019 Bezug genommen.

Der Beklagte ist mit Beschluss des Amtsgerichts Neuruppin vom 21.03.2019 zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der A..-P… GmbH (nachfolgend Insolvenzschuldnerin) bestellt worden. Das Amtsgericht eröffnete am 21.03.2019 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin.

Alleinige Gesellschafterin der Insolvenzschuldnerin war seit dem 11.09.2013 die LR A… GmbH. Beide Gesellschaftsanteile an der LR A… GmbH hielt seit 29.12.2010 (Blatt 41 GA) die HL B… mbH. Den jeweils hälftigen Geschäftsanteil an dieser Gesellschaft hielten H…L… und sein Bruder, der Insolvenzschuldner Ma… L….

Zwischen den Insolvenzschuldnern bestanden langjährige Geschäftsverbinden in der Weise, dass der Insolvenzschuldner für die Insolvenzschuldnerin unterschiedliche Flächenbewirtschaftungsleistungen erbrachte; er vermietete auch Landmaschinen und lieferte Treibstoffe. Die erbrachten Leistungen rechnete der Insolvenzschuldner gegenüber der Insolvenzschuldnerin ab und legte Rechnung. Im Zeitraum vom 30.06.2015 (erste hier im Streit befindliche Rechnung) bis zum 03.12.2018 betrug der Gesamtbetrag 448.477,36 €. Die Forderungen zog der Insolvenzschuldner mit Rücksicht auf die Entwicklung der Liquidität der Insolvenzschuldnerin - mit Ausnahme geringer Beträge - nicht ein, sondern stundete sie.

Hinsichtlich der einzelnen Rechnungen und Forderungen wird auf die Klageschrift vom 6.10.2021 und die Anlagen K 5 bis K 35 Bezug genommen.

Der Insolvenzschuldner meldete die mit der Klage nunmehr geltend gemachten und seit 2015 gestundeten Forderungen unter dem 13.06.2019 zur Tabelle in dem Verfahren über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin an. Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 21.06.2019 die Forderungen in voller Höhe bestritten. Mit Schriftsatz vom 18.10.2022 räumte die Klägerin Zahlungen auf die geltend gemachten Forderungen auf die Rechnungen 2018-006 über 4.397,05 und 2017-0235 in Höhe von 1.315,67 € ein.

Die vereinbarte Stundung sah vor, dass die Insolvenzschuldnerin zur Sicherheit hierfür Ansprüche auf Agrarprämienzahlungen ab. Ab 2018 wurden statt der Agrarprämien, die an einen Dritten abgetreten wurden, Ernteerträge sicherungshalber übereignet.

Mit Treuhandvertrag zur UT-Nr.: 174/2013 des Notars W… in O… verpflichtete sich der Insolvenzschuldner als Treuhänder für die D… Deutsche B… AG, deren Aktien der Bruder des Insolvenzschuldners H… L…hielt, wie folgt:

„Der Treuhänder ... verpflichtet sich, über den Geschäftsanteil nur mit Zustimmung des Treugebers zu verfügen und die sich aus dem Geschäftsanteil ergebenen Rechte nur mit seiner Zustimmung auszuüben, insbesondere auf Gesellschafterversammlungen nur nach Absprache mit dem Treugeber zu stimmen und sämtliche aus dem Geschäftsanteil erwachsenden Gewinne und sonstigen Ausschüttungen einschließlich eines Liquidationserlöses unverzüglich an den Treugeber abzuführen.“

Die Klägerin hat behauptet, der Insolvenzschuldner habe seine Forderungen gegenüber der Insolvenzschuldnerin gestundet. Die Brüder hätten vereinbart, dass der Insolvenzschuldner während des gesamten Zeitraumes der Entstehung der anmeldegegenständlichen Forderungen seinen Geschäftsanteil an der HL B… mbH ausschließlich treuhänderisch für die D… Deutsche B… AG, deren Aktien der Insolvenzschuldner hielt, gehalten habe. Daraus leitet sie ab, dass kein Nachrang im Sinne des § 39 I Nr. 5 InsO bestehe und die Forderungen erstrangig anzumelden und zur Tabelle einzutragen seien. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Ausführungen der Klägerin in ihren Schriftsätzen Bezug genommen. Die Klägerin ist ferner der Meinung, der Beklagte müsse die behauptete Erfüllung von Rechnungen darlegen. Ferner ist sie der Meinung, dass Mietzinsforderungen kein Sachdarlehen seinen und nicht § 39 I Nr. 5 InsO unterfallen würden.

Die Klägerin hat beantragt,

die im Insolvenzverfahren über das Vermögen der A…-P… GmbH, AG Neuruppin, Az.: 15 IN 319/18, unter der lfd. Nr. 72 angemeldete Forderung wird in Höhe von 584.291,11 € zur Tabelle festzustellen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er bestreitet die Forderungen dem Grunde und der Höhe nach, hält sie gemäß § 39 I Nr. 5 InsO für nachrangig und führt hierzu rechtlich aus. Darüber hinaus seien die Forderungen verjährt.

Darüber hinaus hat er vorgetragen, dass 19 Rechnungen beglichen worden sein. Hierfür legt er das jeweilige Datum, den Betrag, den Zahlungszweck unter Angabe der Rechnungsnummer und die Kontoauszüge vor (wegen der Einzelheiten wird auf die Forderungsaufstellung aus den Schriftsatz des Beklagten vom 23.06.2022 Bezug benommen (Bl. 70 ff GA).

Hilfsweise erklärt die Beklagte die Aufrechnung aus einer Forderung über 374.800 € Maschinenmiete und 167.670 € Sicherheitsverwertung durch Verkauf Maissilage gemäß Rechnung vom 01.03.2019, Nr. 2019-13. Diese Zahlungen der Insolvenzschuldnerin an den Insolvenzschuldner seien mit keinem Zahlenwerk verbunden worden.

Das Landgericht hat mit Urteil vom 21.12.2022, der Klägerin am 29.12.2022 zugestellt, die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass es sich bei den jahrelang gestundete Forderungen um darlehensäquivalente Forderungen im Sinne des § 39 I S. 1 Nr. 5 InsO und damit um nachrangige Forderungen handle. Es genüge eine mittelbare Gesellschafterstellung unabhängig davon, ob der Insolvenzgläubiger nur als Treuhänder beteiligt war.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung vom 16.01.2023.

Das Landgericht verkenne, dass mit Gesellschaftern im Sinne des § 39 I Nr. 5 InsO diejenigen angesprochen seien, die in ihrer eigenen Position formal berechtigt seien, das Handeln der Gesellschaft mitzubestimmen und direkt zu beeinflussen. Der Insolvenzschuldner sei kein Gesellschafter der Insolvenzschuldnerin und damit auch nicht Gläubiger eines Gesellschafterdarlehens. Allein aufgrund einer mittelbaren Beteiligung sei ein Dritter mit seinen Forderungen einem Gesellschafter in einer abweichend vom früheren § 32a GmbHG a.F. nun krisenunabhängig eingetretenen Allgemeinhaftung nicht gleichgestellt. Aus der Rechtsprechung des BGH ergebe sich, dass ein Nicht-Gesellschafter einem darlehensgewährenden Gesellschafter bezüglich der Forderungen gegen die Gesellschafter nur und erst dann gleich stehe, wenn dieser Nichtgesellschafter a) am wirtschaftlichen Erfolg der darlehensnehmenden Gesellschaft teilhabe und über die rechtlich begründeten Möglichkeiten verfüge, b) gesellschaftergleiche Rechte wahrzunehmen und c) den Lauf der Geschäftsführung der darlehensnehmenden Gesellschaft zu beeinflussen. Allein die nominelle vertikale oder horizontale Beteiligung genüge hierfür nicht. Es müsse vielmehr ein tatsächlicher rechtlicher Einfluss gegeben sein, wobei ein Mehr an wirtschaftlicher Erfolgsteilnahme ein Weniger an Mitbestimmungsrecht und umgekehrt in der Gesamtbetrachtung ausgleichen könne. Sowohl die Rechtshandlung als auch die Stellung des jeweiligen Dritten müssten wirtschaftlich, aber vor allem rechtlich das Gewicht einer durch den Gesellschafter selbst wahrgenommenen Finanzierungsverantwortungsentscheidung erreichen, anhand derer Forderungen in den Nachrang gem. § 39 I Nr. 5 InsO verwiesen werden könnten. Dem Insolvenzschuldner stünden infolge des bis 2031 unkündbaren Treuhandvertrages weder Rechte am Geschäftserfolg noch einer Gesellschafterstellung auch nur annähernd gleichkommende rechtliche Mitwirkungs- und Lenkungsmöglichkeiten zu.

Eine rein verwandtschaftliche beziehungsweise unternehmerische Nähe des Insolvenzschuldners zu einem an der Insolvenzschuldnerin wirtschaftlich Berechtigten begründe auch dann keine gesellschafterähnliche Stellung i.S.d. § 39 I Nr. 5 InsO, wenn sich hieraus eine taktische Einwirkungsmöglichkeit auf die schuldnerische Gesellschaft herleiten ließe.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Berufungsbegründung vom 28.03.2023 Bezug genommen.

Die Klägerin beantragt,

in Abänderung des am 21.12.2022 zu 1 O 259/21 verkündeten Urteils des Landgerichts Potsdam, den Beklagten zu verurteilen, die im Insolvenzverfahren über das Vermögen der A..-P… GmbH, AG Neuruppin, Az: 15 IN 319/18, unter der lfd. Nr. 72 angemeldete Forderung in Höhe von 584.291,11 € zur Tabelle festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Unter Vertiefung seines bisherigen Vortrags hält er daran fest, dass die Forderungen nachrangig seien. Im vorliegenden Fall seien lediglich juristische Personen dazwischengeschaltet, ohne aber, dass sich in der Gesellschafterstruktur der natürlichen Personen etwas ändere. Das Treuhandverhältnis werde bestritten, weil es unstreitig nicht offengelegt wurde und auch aus dem Transparenzregister nicht ersichtlich ist. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Berufungserwiderung Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist insbesondere frist- und formgemäß erhoben und begründet worden. Der Berufung ist indes der Erfolg versagt; sie ist unbegründet.

Die nach den §§ 38, 179 I, 180 I InsO zulässigen Feststellungsklagen sind begründet, wenn die von der Klägerin angemeldeten Insolvenzforderungen nicht nachrangig im Sinne des § 39 I Nr. 5 InsO sind. Auf die Einrede der Verjährung kommt es nicht mehr an, weil der Beklagte die Stundung nicht mehr in Abrede stellt und die Forderungen im Übrigen auch nicht zur Tabelle zu nehmen sind.

1.

In Höhe eines Gesamtbetrages von 12.518,79 €, der die Summe von im Streit befindlichen Forderungen aus einzelnen Rechnungen darstellt ist die Berufung bereits deshalb unbegründet, weil die Klägerin Zahlungen der Insolvenzschuldnerin auf die Rechnungen 2018-006 - in Höhe von 4.397,05 € - und die Rechnung 2017-0235 - in Höhe von 1.315,67 € - eingeräumt hat.

Darüber hinaus hat die Beklagte dargelegt, dass auch die Rechnungen 2017-233 über 4.706,07 € und 2017-051 über 1.200 € sowie 2017-086 in Höhe von 900 € (nicht wie aus der Rechnung K 18 ersichtlich in voller Höhe von 2.462,73 €) von der Insolvenzschuldnerin ausgeglichen wurden.

Der Beklagte hat substantiiert unter Vorlage der Kontoauszüge dargelegt hat, dass auf die vorgenannten Forderungen, die Teil der angemeldeten Forderungen sind, Zahlungen in dargestellter Höhe erfolgten und die Forderungen damit gemäß § 362 BGB bereits erloschen waren bevor sie angemeldet und Klage erhoben wurde. Dem ist die Klägerin nicht substantiiert entgegengetreten.

Die darüber hinaus von der Beklagten behaupteten Zahlungen der Insolvenzschuldnerin betreffen indes keine Rechnungen, die die Klägerin für den Insolvenzschuldner mit der Klage zur Anmeldung zur Tabelle begehrt. Hierbei handelt es sich um die nachfolgend dargestellten Rechnungsnummer:

2017-034, 2017-035; 2017-036, 2017-037, 2017-038, 2017-039, 2017-047, 2017-049, 2017-050, 2017-141, 2017-142, 2017-143, 2017-091, 2017-087, 2017-088, 2017-089, 2017-090, 2017-091, 2017-085, 2017-148, 2017-150, 2017-237, 2017-141 bis 145, 2017-159, 2017-0236, 2018-003, 2018-001, 2018-002,  2018-004 bis 006.

Diese sind nicht Gegenstand der Forderungen dieses Rechtsstreits.

2.

Die Berufung der Klägerin ist darüber hinaus für alle weiteren mit der Klage verfolgten Forderungen unbegründet, weil es sich bei den geltend gemachten Forderungen der Klägerin um nachrangige Insolvenzforderungen gemäß § 39 I Nr. 5 InsO handelt.

Nach § 39 I Nr. 5 InsO werden Forderungen auf Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens oder Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen, im Rang nach den übrigen Forderungen der Insolvenzgläubiger befriedigt (vgl. BGH, Urteil vom 17.02.2011, IX ZR 131/10, - juris Rn. 9 und 10 m.w.N). So ist die Rechtslage hier.

Einerseits liegt ein in dem Verhalten des Insolvenzschuldners, der zugunsten der Insolvenzschuldnerin über Jahre auf die Begleichung der Rechnungen verzichtet hat und sie gestundet hat, eine Darlehensgewährung i.S.v. § 39 I Nr. 5 InsO. Andererseits ist auch der persönliche Anwendungsbereich des § 39 I Nr. 5 InsO eröffnet, obwohl der Insolvenzschuldner nicht Gesellschafter der Insolvenzschuldnerin ist, weil die Darlehensgewährung durch den Nichtgesellschafter - hier den Insolvenzschuldner - der Darlehensgewährung durch einen Gesellschafter der Insolvenzschuldnerin entspricht.

In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH aaO) ist ausgeführt - dem schließt sich der Senat an - dass der Anwendungsbereich der Vorschrift auch Rechtshandlungen Dritter erfasst, welche der Darlehensgewährung durch einen Gesellschafter wirtschaftlich entsprechen (BGH, Urteil vom 22.10.2020, IX ZR 231/19, Rn 11 m.w.N., - juris). Dies setzt voraus, dass überhaupt eine Darlehensgewährung vorliegt und diese der Darlehensgewährung durch einen Gesellschafter entsprechen (vgl. auch BGH, Urteil vom 17.02.2011, IX ZR 131/10, Rn. 10, - juris).

2.1. Darlehensgewährung im Sinne von § 39 I Nr. 5 InsO

Ein Gesellschafterdarlehen in dem Sinne, dass der Gesellschafter dem Schuldner einen Geldbetrag in einer vereinbarten Höhe zur Verfügung gestellt hat und der Schuldner verpflichtet ist, das zur Verfügung gestellte Darlehen zurückzuzahlen (§ 488 Abs. 1 BGB) haben die Insolvenzschuldner nicht ausdrücklich vereinbart. Ein Darlehen i.S.v. § 488 BGB ist nicht vereinbart worden.

Indes stehen einem Gesellschafterdarlehen im Sinne von § 39 I Nr. 5 InsO Rechtshandlungen gleich, die diesem wirtschaftlich entsprechen. Maßgeblich ist, ob eine Rechtshandlung vorliegt, mit welcher der Gesellschafter in einer einem Gelddarlehen vergleichbaren Weise der Gesellschaft temporär Liquidität verschafft hat (vgl. MüKo-InsO/Behm, 4. Aufl., § 39 Rn. 73). Diese Voraussetzung liegt vor. Denn es können alle aus Austauschgeschäften mit der Gesellschaft herrührenden Geldforderungen des Gesellschafters ungeachtet des Entstehungsgrundes wirtschaftlich einem Darlehen entsprechen, wenn die Geldforderung des Insolvenzschuldners der Gesellschaft - wie vorliegend - rechtlich oder rein faktisch gestundet wird; eine Stundung bewirkt bei wirtschaftlicher Betrachtung eine Darlehensgewährung (BGH, Urteil vom 22.10.2020, IX ZR 231/19, Rn. 13 m.w.N., - juris). So ist die Rechtslage hier.

Der Insolvenzschuldner hat nahezu alle einzelnen Forderungen aus den Rechnungen beginnend am 30.06.2015 in Höhe von bereits 155.559,20 € und weitere 50.051,40 € (Rg.Nr. 2015-00063 und 2015-00064) und fortlaufend bis 03.12.2018 weitere Rechnungen nicht eingefordert, sondern er hat sie bis auf einen marginalen Gesamtbetrag in Höhe von 12.518,79 € (s.o.) stehengelassen und der Insolvenzschuldnerin damit Liquidität von insgesamt rund 435.000 € verschafft.

Die über Jahre hinweg erfolgten Stundungen bis zur Forderungsanmeldung entsprechen auch keinen marktüblichen oder vereinbarten Zahlungsfristen; derartigen Stundungen haben eine Finanzierungsfunktion (vgl. zur Finanzierungsfunktion: BGH, Urteil vom 27.06.2019, IX ZR 167/18, BGHZ 222, 283 Rn. 23 ff, 45 und vom 25.06.2020, IX ZR 243/18, ZIP 2020, 1468 Rn. 27 f; vgl. zu gleichgestellten Rechtshandlungen auch BeckOK InsR/Prosteder/Dachner InsO § 39 Rn. 88 m.w.N.).

Dies vorausgeschickt bestreitet die Beklagte im Übrigen in der Berufung die Stundung nicht mehr, sondern stellt den Gesellschafterdarlehen (§ 39 I Nr. 5 InsO) die Rechtshandlungen des Insolvenzschuldners - die Stundungen - einem Gesellschafterdarlehen gleich, weil es ihm wirtschaftlich entspricht. Das ist zutreffend.

2.2. Einem Gesellschafter wirtschaftlich entsprechen:

Ohne Zweifel ist der Insolvenzschuldner nicht Gesellschafter der Insolvenzschuldnerin und war es zur Zeit der Finanzierungshilfen durch Stundung der Forderungen auch nicht. Denn Gesellschafter ist die LR A… GmbH, deren Gesellschafter die HL B… mbH ist und deren Geschäftsanteile erst von natürlichen Personen, nämlich H… L… und von seinem Bruder, den Insolvenzschuldner Ma…L…, jeweils zur Hälfte gehalten wurden. Insoweit ist der Insolvenzschuldner formal an der Insolvenzschuldnerin unbeteiligter Dritter.

Der Anwendbarkeit von § 35 I Nr. 5 InsO steht gerade nicht von vornherein entgegen, dass es sich bei dem Darlehensgeber nicht um einen Gesellschafter der Insolvenzschuldnerin handelt.

Der Bundesgerichtshof hat zum personellen Anwendungsbereich des § 39 I Nr. 5 InsO mehrfach darauf hingewiesen, dass auch Rechtshandlungen Dritter erfasst werden, welche der Darlehensgewährung durch einen Gesellschafter wirtschaftlich entsprechen (vgl. BGH, Urteil vom 28.06.2012, IX ZR 191/11,- juris, m.w.N.; Begründung zum Regierungsentwurf des Gesetzes vom 23.10.2008 - MoMiG - (BT-Drucks. 16/6140 S. 56). Finanzierungshilfen Dritter werden von § 39 I Nr. 5 InsO erfasst, wenn der Dritte bei wirtschaftlicher Betrachtung einem Gesellschafter gleichsteht. Auch diese Voraussetzung liegt vor.

Der Insolvenzschuldner steht bei wirtschaftlicher Betrachtung einem Gesellschafter der Insolvenzschuldnerin gleich. Denn er ist bei wirtschaftlicher Betrachtung nicht nur als natürliche Person - als Darlehensgeber - beteiligt, sondern auch mittelbar an der darlehensnehmenden Gesellschaft - hier der Insolvenzschuldnerin. Auch der mittelbar an der Darlehensnehmerin Beteiligte kann sich seiner Verantwortung - einem Gesellschafter nach § 39 I Nr. 5 InsO gleichgestellt zu sein - nicht dadurch entziehen, indem er eine oder mehrere Gesellschaften zwischenschaltet; der mittelbar beteiligte Gesellschafter bleibt verantwortlich (BGH, Urteil vom 15.11.2018, IX ZR 39/18, Rn. 15, - juris). So liegt der Fall hier.

Der Insolvenzschuldner Ma… L… ist mittelbar an der darlehensnehmenden Insolvenzschuldnerin beteiligt. Er verfügt gemeinsam mit seinem Bruder H… über jeweils 50 % der Geschäftsanteile an der HL B… mbH, die ihrerseits Gesellschafterin der LR A… GmbH ist und die Alleingesellschafterin der Insolvenzschuldnerin ist. H… L… und sein Bruder Ma… L… sind allein die natürlichen Personen des Firmennetzes. Letztendlich sind Anteilseigner die Brüder L… zu gleichen Teilen; ihnen gebührt die Steuerung und Lenkung der Unternehmen und das Geschäftsergebnis der Gesellschaften; der Familienbetriebe.

Zutreffend geht die Klägerin noch davon aus, dass die familiäre Verbundenheit der Brüder L… für sich genommen eine Anwendung des § 35 I Nr. 5 InsO nicht eröffnet. Sie ist unverdächtig. Erst die Zurechnung zum Gesellschafter würde einen Verdacht auslösen und zieht die Abwertung der ansonsten einwandfreien Forderung nach sich (BGH, Urteil vom 17.02.2011, aaO, Rn. 11). So verhält es sich hier. An allen Gesellschaften einschließlich der Treuhänderin sind die Brüder L… maßgeblich beteiligt. Am Ende der Gesellschaftsketten stehen nur sie.

Demzufolge verhilft das Vorbringen der Berufungsklägerin zur notariell getroffenen Treuhandabrede der Berufung auch nicht zum Erfolg und steht vorliegend der Anwendung von § 39 I Nr. 5 InsO nicht entgegen. Denn zwischen den Beteiligten besteht eine vertikale und horizontale Verbindung, weil hinter allen Gesellschaften als auch der Treuhänderin allein die Brüder L… stehen. Sie sind nicht nur verwandtschaftlich verbunden, sondern wirtschaftlich durch das aufgebaute Firmengeflecht gegenseitig gegenüber berechtigt und verpflichtet (vgl. zur gesellschaftsrechtlichen Verbindung: BGH, Urteil vom 5.05.2008, II ZR 108/07, ZIP 2008, 1230, Rn. 9 f m.w.N.).

Soweit sich die Klägerin darauf beruft, dass der Insolvenzschuldner infolge der Treuhandabrede weder Rechte am Geschäftserfolg hat noch ihm einer Gesellschafterstellung auch nur annähernd gleichkommende rechtliche Mitwirkungs- und Lenkungsmöglichkeiten zukamen, weil er lediglich treuhänderisch einen 50%igen Geschäftsanteil an der Gesellschafterin einer Gesellschafterin der Insolvenzschuldnerin hielt, verkennt die Berufung, dass die Treuhandabrede nur im Innenverhältnis Beschränkungen auferlegt und er gleichwohl als Gesellschafter agieren kann.

Nicht anders als bei verbundenen Unternehmen genügt die formale Stellung als Gesellschafter und damit die abstrakte Möglichkeit der Ausübung unternehmerischen Einflusses. Diese Möglichkeit besteht trotz der im Innenverhältnis ggf. wirkenden Treuhandabrede (vgl. auch MüKo-InsO, aaO, § 39 Rn. 85).

Die Treuhandabrede wäre zudem vor dem Hintergrund der familiären Verbundenheit zu betrachten. Denn auch hier ist alleiniger Aktionär der Treuhänderin der Bruder des Insolvenzschuldners H…L…. Nach der Treuhandabrede entscheiden faktisch die Brüder L… über die wirtschaftlichen Gestaltungsmöglichkeiten aller beteiligter Gesellschaften; auch die Ausgestaltung der Treuhandabrede, wie sie tatsächlich gelebt wird oder ihre Änderung sind jederzeit einvernehmlich möglich.

3.

Der Streitwert ist gemäß § 182 InsO auf 50.000 € festzusetzen, weil der Beklagte angegeben hat, dass mit einer Quote zu rechnen sei, die 50.000 € bei vollem Obsiegen für die Klägerin erwarten lasse.

4.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 I ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 708 Nr. 6 ZPO.

5.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 543 II ZPO nicht vorliegen.