Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 6. Senat | Entscheidungsdatum | 06.11.2023 | |
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Aktenzeichen | OVG 6 A 3/23 | ECLI | ECLI:DE:OVGBEBB:2023:1106.OVG6A3.23.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 4 Abs 1 FluLärmG, § 3 Abs 2 SchallschutzV, § 5 Abs 2 SchallschutzV, § 5 Abs 3 SchallschutzV |
Zur Einbeziehung eines Wohnhauses in das Schallschutzprogramm des Flughafens BER bei Nichteinhaltung der Vorschriften des Gesetzes zum Schutz gegen Fluglärm zum Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes (Teil A II Ziffer 5.1.7. Nr. 6 PFB)
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des Vollstreckungsbetrages vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Die Klägerin begehrt die Einbeziehung ihres Wohnhauses in das Schallschutzprogramm des Flughafens Berlin Brandenburg (BER). Sie ist Eigentümerin des Grundstücks X... in 6... . Das Grundstück liegt im Tagschutzgebiet und im Nachschutzgebiet für den Flughafen BER. Es liegt ferner in der Lärmschutzzone 2 des Flughafens Schönefeld gemäß der Verordnung über die Festsetzung des Lärmschutzbereichs für den Verkehrsflughafen Berlin-Schönefeld vom 16. Juni 1997 (BGBl 1997 I S. 1374).
Die Klägerin errichtete auf der Grundlage einer Baugenehmigung des Landkreises Y... vom 22. Juni 2004 ein Einfamilienwohnhaus auf dem Grundstück. Sie stellte mit Schreiben vom 18. Oktober 2022 einen Schallschutzantrag bei der Beklagten.
Die Beklagte lehnte daraufhin mit Schreiben vom 7. November 2022 unter Hinweis auf Teil A Ziffer 5.1.7 Nr. 6 des Planfeststellungsbeschlusses (PFB) eine Aufnahme des Objektes in das Schallschutzprogramm ab. Da das Gebäude im ausgewiesenen Lärmschutzbereich des Flughafens Berlin-Schönefeld errichtet worden sei, hätten die Vorgaben des Fluglärmschutzgesetzes eingehalten werden müssen. Danach hätten Umfassungsbauteile der Aufenthaltsräume bereits bei der Errichtung des Gebäudes in der Lärmschutzzone 2 ein bewertetes Bauschalldämmmaß von 45 dB aufweisen müssen. Aus dem vorgelegten Schallschutznachweis vom 6. Juli 2004 gehe hervor, dass in den maßgeblichen Räumen „Küche“ und „Kind 2“ das erforderliche bewertete Bauschalldämmmaß von 45 dB deutlich unterschritten werde.
Die Klägerin hat daraufhin die vorliegende Klage erhoben, zu deren Begründung sie im Wesentlichen geltend macht, dass sie nach den planfestgestellten Lärmschutzauflagen des Planfeststellungsbeschlusses einen Anspruch auf Einhaltung der Schutzziele in ihrem Einfamilienhaus habe. Das Wohnhaus sei nach Erteilung der Baugenehmigung ausweislich des Schlussabnahmeprotokolls unter Einhaltung des vorgegebenen Bauschalldämmmaßes von 35 dB errichtet worden. Es sei zu keinem Zeitpunkt ersichtlich gewesen, dass das Gebäude in rechtswidriger Weise errichtet worden sei. Die Beklagte habe nachzuweisen, dass das Gebäude nicht nach den erforderlichen gesetzlichen Normen errichtet worden sei.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, eine schalltechnische Objektbeurteilung zur Umsetzung des Schallschutzkonzeptes nach der planfestgestellten Lärmschutzauflage A. II Ziffer 5.1.2 des Planfeststellungsbeschlusses zum Ausbau des Flughafens Berlin Schönefeld vom 13. August 2004 in der Gestalt des Planergänzungsbeschlusses zum 20. Oktober 2008 in der derzeit gültigen Fassung zu erstellen und baulichen Schallschutz zur Erhaltung des Tag- bzw. Nachtschutzes für das Wohngebäude der Klägerin (X... ) unter Berücksichtigung der notwendigen baulichen Mehrkosten vorzusehen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung wiederholt sie im Wesentlichen ihre vorgerichtlichen Ablehnungsgründe und trägt ergänzend vor, dass die Baugenehmigung für die Anwendung der Ausschlussregelung in Teil A Ziffer 5.1.7. Nr. 6 PFB nicht relevant sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und den Schallschutzvorgang der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidung gewesen sind.
Die Sache konnte durch den Berichterstatter als Einzelrichter verhandelt und entschieden werden, da die Beteiligten hierzu ihr schriftliches Einverständnis erklärt haben (§ 87a Abs. 2, Abs. 3 VwGO).
I. Die zulässige Klage hat keinen Erfolg. Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch auf Schallschutzvorkehrungen nicht zu.
1. Nach der Lärmschutzauflage in Teil A II Ziffer 5.1.2 PFB sind für Wohnräume, Büroräume, Praxisräume und sonstige nicht nur vorübergehend betrieblich genutzte Räume in der Umgebung des Flughafens geeignete Schallschutzvorrichtungen vorzusehen. Nach Ziffer 5.1.3 gilt entsprechendes für Schlafräume auf Grundstücken innerhalb des Nachtschutzgebietes.
Die Verpflichtung der Träger des Vorhabens gemäß den Auflagen entfällt, soweit aufgrund von Vorschriften des Gesetzes zum Schutz gegen Fluglärm, eines Bebauungsplans oder Auflagen in der Baugenehmigung bereits zum Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes Vorrichtungen zum Schutz gegen Fluglärm einzubauen waren und der Grundstückseigentümer oder Bauherr dieser Verpflichtung nicht nachgekommen ist (Teil A Ziffer 5.1.7 Nr. 6 PFB).
2. Dem Begehren der Klägerin steht dieser Ausschlussgrund entgegen. Sie ist bei der Errichtung ihres Wohnhauses im Jahr 2004 den seinerzeit geltenden Vorschriften des Gesetzes zum Schutz gegen Fluglärm zum Einbau von Vorrichtungen zum Schutz gegen Fluglärm nicht nachgekommen.
a) Das Grundstück der Klägerin liegt in der Schutzzone 2 des Lärmschutzbereichs für den Verkehrsflughafen Berlin-Schönefeld, der durch Verordnung über die Festsetzung des Lärmschutzbereichs für den Verkehrsflughafen Berlin-Schönefeld vom 16. Juni 1997 (BGBl I S. 1374) festgesetzt wurde. Das ist zwischen den Beteiligten unstreitig und ergibt sich zudem aus der Karte über den Lärmschutzbereich des Verkehrsflughafens Berlin-Schönefeld. Die verordnungsmäßige Festsetzung des Lärmschutzbereichs beruht auf § 4 Abs. 1 des Gesetzes zum Schutz gegen Fluglärm vom 30. März 1971 (BGBl I S. 282). Gemäß § 7 dieses Gesetzes wurde die Bundesregierung ermächtigt, durch Rechtsverordnung Schallschutzanforderungen festzulegen, denen bauliche Anlagen, die im Lärmschutzbereich errichtet werden dürfen, zum Schutz ihrer Bewohner vor Fluglärm genügen müssen. Die insoweit maßgeblichen Schallschutzanforderungen ergeben sich aus der Verordnung über den baulichen Schallschutz nach dem Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm (SchallschutzV) vom 5. April 1974 (BGBl I S. 903). Nach § 3 Abs. 2 SchallschutzV musste das bewertete Bauschalldämmmaß der Umfassungsbauteile von Aufenthaltsräumen in Schutzzone 2 mindestens 45 dB betragen. Dieses Bauschalldämmmaß musste grundsätzlich von allen abschließenden Bauteilen eingehalten werden (§ 3 Abs. 3 Satz 1 SchallschutzV). Bei Einzelflächen mit unterschiedlichen Bauschalldämmmaßen war das Gesamtschalldämmmaß nach der Formel in Anlage 2 der SchallschutzV zu bestimmen (§ 3 Abs. 4 SchallschutzV). Nach § 4 Abs. 2 in Verbindung mit § 5 Abs. 1 SchallschutzV war die Verwendung bestimmter Bauteile in der Schutzzone 2 ohne Nachweis zulässig, im Übrigen war nach § 5 Abs. 2 SchallschutzV die ausreichende Bauschalldämmung durch das Prüfzeugnis einer bauaufsichtlich anerkannten Stelle nachzuweisen.
b) Ein Nachweis über die tatsächliche Erfüllung dieser Anforderungen liegt nicht vor. Die von der Klägerin vorgelegten Unterlagen erfüllen nicht die Voraussetzungen für den Nachweis der Einhaltung der Schallschutzanforderungen der Schallschutzverordnung.
aa) Der von ihr vorgelegte „Nachweis Schallschutz Außenbauteile gem. DIN 4109“ vom 6. Juli 2004 im Umfang von einer Seite diente dem Nachweis, dass das Bauvorhaben den Anforderungen aus der Baugenehmigung vom 22. Juni 2004 entspricht, wonach zur Vermeidung unzumutbarer Lärmbelästigungen in den Innenräumen entsprechend Tabelle 8, Zeile 3 der DIN 4109 „Schallschutz im Hochbau“ ein resultierendes Schalldämmmaß der Außenbauteile der Aufenthaltsräume des Einfamilienhauses von 35 dB notwendig ist. Aus dem Schallschutznachweis vom 6. Juli 2004 geht hervor, dass die Außenwand ein bewertetes Bauschalldämmmaß R’w von 44 dB, die Fenster ein bewertetes Bauschalldämmmaß R’w von 32 dB und das Dach ein bewertetes Bauschalldämmmaß R’w von 45 dB aufweisen. Damit hat die Klägerin nicht nachgewiesen, dass sämtliche Umfassungsbauteile das nach § 3 Abs. 2 SchallschuV in der Schutzzone 2 erforderliche bewertete Bauschalldämmmaß R’w von mindestens 45 dB einhalten. Der nach § 5 Abs. 2 SchallschutzV erforderliche Nachweis ergibt sich auch nicht aus der von der Klägerin vorgelegten Bescheinigung der Unteren Bauaufsichtsbehörde des Landkreises Y... vom 3. Dezember 2004. Diese beschränkt sich auf die nicht näher konkretisierte Feststellung, dass die bauliche Anlage aus bauordnungsrechtlicher Sicht genutzt werden könne.
bb) Soweit die Klägerin sich in der mündlichen Verhandlung auf Anlage 6 der Gutachterlichen Stellungnahme der R... vom 14. Januar 2004 zur Schalldämmung von Außenwänden von einer Fertighauskonstruktion der Firma P... (im Folgenden: R... Gutachten) berufen hat, weist auch dies nicht nach, dass sämtliche Außenbauteile ihres Einfamilienhauses das erforderliche Bauschalldämmmaß aufweisen. Insoweit hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass sich aus den von ihr kurz vor der mündlichen Verhandlung mit Schriftsatz vom 3. November 2023 vorgelegten Unterlagen hinsichtlich des Bauschalldämmmaßes der Fenster nichts Neues ergebe. Damit erreicht nach dem eigenen Vortrag der Klägerin das Objekt die Vorgabe der Schallschutzverordnung nicht.
Im Übrigen handelt es sich bei dem in Anlage 6 des R... Gutachtens für das Bauteil „Außenwand Österreich verputzt“ angegebenen Schalldämmmaß Rw(C; Ctr) von 47 (-1;-5) dB nicht um das nach der Schallschutzverordnung allein maßgebliche bewertete Bauschalldämmmaß R’w, das ein ermitteltes Schalldämmmaß für Bauteile im eingebauten Zustand darstellt. Die Klägerin konnte auf Nachfrage zudem nicht erläutern, wie die Korrekturwerte („C; Ctr“) zu verstehen sind. Auch hat die Klägerin weder nachgewiesen noch ist ersichtlich, dass in ihrem Einfamilienhaus das in Anlage 6 des R... Gutachtens geprüfte Bauteil „Außenwand Österreich verputzt“ verwendet wurde. Der für das klägerische Bauvorhaben erstellte „Nachweis Schallschutz Außenbauteile gem. DIN 4109“ vom 6. Juli 2004 spricht mit Blick auf die Erläuterung „lt. Gutachten (…) lfd. Nr. 1“ vielmehr dafür, dass in dem Einfamilienhaus der Klägerin das in Anlage 5 des R... Gutachtens geprüfte Bauteil „Außenwand Standard verputzt“ verbaut wurde, für das in dem R... Gutachten ein Schalldämmmaß Rw(C; Ctr) von 46 (-1; -5) dB angegeben wird (vgl. R... Gutachten S. 4 Tabelle 1 laufende Nr. 1, dort Hinweis auf Anlagen 5, 6 und 7). Dieser Wert wurde in dem Schallschutznachweis vom 6. Juli 2004 bei der Berechnung gemäß DIN 4109 zugrunde gelegt.
cc) Soweit die Klägerin geltend macht, es sei Sache der Beklagten nachzuweisen, dass ihr Wohngebäude den Vorgaben des § 3 Abs. 2 SchallschutzV entspreche, werden bereits keine Anhaltspunkte vorgetragen noch ist mit Blick auf die in dem vorliegenden Schallschutznachweis vom 6. Juli 2004 ausgewiesenen Bauschalldämmmaße (s.o.) ersichtlich, dass weitere Berechnungen zu dem Ergebnis führen könnten, dass bei allen Außenbauteilen das erforderliche bewertete Bauschalldämmmaß R’w von 45 dB eingehalten wird.
c) Die Klägerin kann sich nicht auf eine Legalisierungswirkung der ihr erteilten Baugenehmigung berufen, wonach die Außenbauteile der Aufenthaltsräume ein resultierendes Schalldämmmaß von 35 dB aufweisen müssen (s.o.). Maßgeblich ist, dass vorliegend die 1. Variante der Ziffer 6 greift, wonach ein Anspruch gegen die Beklagte ausgeschlossen ist, wenn nach den Vorschriften des Gesetzes zum Schutz gegen Fluglärm Schutzvorrichtungen einzubauen waren und der Grundstückseigentümer dieser gesetzlichen Verpflichtung nicht nachgekommen ist. Das zeigt, dass der Planfeststellungsbeschluss hinsichtlich der Einhaltung von Schallschutzvorgaben (anders als bei Ziffer 7) unabhängig von der eventuellen Legalisierungswirkung einer Baugenehmigung hinsichtlich der gesetzlichen Vorgaben nach dem Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm in der Variante 1 der Nr. 6 allein darauf abstellt, ob die gesetzlichen Anforderungen tatsächlich erfüllt wurden (vgl. Urteil des Senats vom 22. November 2021 – OVG 6 A 10/21 – juris Rn. 47; Urteil des Senats vom 12. Januar 2022 – OVG 6 A 7/21 – juris Rn. 45). Das ist hier – wie ausgeführt – nicht der Fall.
II. Die Kostenentscheidung folgt auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO in Verbindung mit § 709 ZPO.
Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 VwGO nicht vorliegen.