Gericht | ArbG Cottbus 2. Kammer | Entscheidungsdatum | 07.12.2022 | |
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Aktenzeichen | 2 BVGa 7/22 | ECLI | ECLI:DE:ARBGCOT:2022:1207.2BVGA7.22.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 940 ZPO, § 85 Abs 2 ArbGG, § 87 Abs 2 ArbGG, § 42 BetrVG, § 43 BetrVG, § 44 BetrVG, § 45 BetrVG, § 46 BetrVG, § 87 Abs 1 ArbGG |
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.
A.
Die Beteiligten streiten im Wege der einstweiligen Verfügung darüber, ob der Antragsgegnerin die Fortführung einer von ihr initiierten Wahl eines Wahlvorstandes zu untersagen ist.
Die Antragstellerin (die "Arbeitgeberin") ist ein Luftfahrtunternehmen mit Sitz in Malta und führt unter maltesischer Fluglizenz Flüge von und zu Flughäfen in Deutschland, u. a. am Flughafen Berlin-Brandenburg durch. Für den Flugbetrieb der Antragstellerin gibt es keinen Betriebsrat. Es gibt auch keinen Tarifvertrag zur Gründung einer Vertretung i. S. d. § 117 Abs. 2 BetrVG.
Die Antragsgegnerin ist die Gewerkschaft ver.di – Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft („ver.di“), welche mit der Antragstellerin ab 2019 Gespräche über den Abschluss eines Tarifvertrags i. S. d. § 117 Abs. 2 BetrVG führte. Zu einem Abschluss kam es bisher nicht.
Die Antragstellerin betreibt an verschiedenen Flughäfen in Deutschland sog. „Basen“ (englisch „bases“). Am Standort des Flughafen Berlin-Brandenburg sind ca. 50 Cockpit- und ca. 270 Kabinenbeschäftigte stationiert.
Die Antragstellerin lehnt die Einrichtung von Betriebsräten an den sog. Basen ab, da das nach der von ihr geäußerten Ansicht auch nach der Neufassung § 117 Abs. 1 Satz 2 BetrVG unverändert rechtlich nicht möglich sei, weil sie keinen Betrieb in der Bundesrepublik Deutschland unterhalte, weshalb eine Wahl eines Betriebsrates wegen des Territorialprinzips der deutschen Betriebsverfassung nicht infrage komme.
Die Antragsgegnerin hat daher die am Flughafen Berlin-Brandenburg stationierten Mitarbeiter am 30. November 2022 zu einer Wahlversammlung zur Wahl eines Wahlvorstandes eingeladen. Die Wahlversammlung soll am 08. Dezember 2022 stattfinden. Die Einladung zur Wahlversammlung erfolgte am Standort des Flughafen Berlin-Brandenburg durch Plakatierung in einer von Mitarbeitern der Antragstellerin als sog. „crew room“ bezeichneten Räumlichkeit sowie über mehrere soziale Medien, etwa auf Facebook und WhatsApp.
Die Antragstellerin wendet sich mit der vorliegenden einstweiligen Verfügung gegen die Durchführung dieser Wahl und begehrt den Erlass einer entsprechenden einstweiligen Verfügung. Die Antragstellerin meint, die Wahl eines Wahlvorstandes für das fliegende Personal verstoße gegen § 117 BetrVG. Auch verletze die Antragsgegnerin eine wegen laufender Tarifverhandlungen bestehende Friedenspflicht. Es läge auch kein Betrieb oder qualifizierter Betriebsteil im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland vor. Die von der Antragsgegnerin veranlasste Einladung sei zudem formell fehlerhaft, weil nicht sichergestellt sei, dass diese alle betroffenen Mitarbeiter erreiche. Ferner verstoße die Art der geplanten Vollversammlung gegen § 42 Abs. 1 Satz 3 BetrVG und zwinge die Antragstellerin zu unzumutbaren wirtschaftlichen Beeinträchtigungen.
Die Wahl eines Wahlvorstandes sei daher im Ergebnis nichtig.
Die Antragstellerin beantragt im Wege der einstweiligen Verfügung,
1. der Antragsgegnerin aufzugeben, es zu unterlassen, die seitens der Antragsgegnerin initiierte Wahl eines Wahlvorstands bei der Antragstellerin bezogen auf den Stationierungsort Flughafen Berlin/Brandenburg durch- bzw. fortzuführen, insbesondere die geplante Betriebsversammlung der am Flughafen Berlin/Brandenburg stationierten Mitarbeiter der Antragstellerin zur Wahl eines Wahlvorstandes am 08.12.2022 abzuhalten, durchzuführen oder anderweitig zu unterstützen, hilfsweise die Wahl eines Wahlvorstands bei der Antragstellerin bezogen auf den Stationierungsort Flughafen Berlin/Brandenburg abzubrechen;
2. der Antragsgegnerin aufzugeben, die auf Facebook und WhatsApp verbreitete Einladung zu einer Betriebsversammlung der am Flughafen Berlin/Brandenburg stationierten Mitarbeiter der Antragstellerin zur Wahl eines Wahlvorstands am 08.12.2022 zu entfernen und die Betriebsversammlung auf denselben Kanälen aktiv abzusagen;
3. die Antragsgegnerin für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen eine der vorstehenden Handlungs- und Unterlassungspflichten, bezogen auf jeden einzelnen Verstoß, bei einem Dauerverstoß für jeden einzelnen Tag, ein Ordnungsgeld von jeweils bis zur Höhe von EUR 25.000 anzudrohen.
Der Antragsgegnerin beantragt,
die Anträge zurückzuweisen.
Der Antragsgegnerin meint v. a., es bestehe für das vorliegende Begehren kein Verfügungsanspruch. Ein solcher sei nur anzunehmen, wenn die beabsichtigte Wahl des Wahlvorstandes offensichtlich nichtig sei. Dies könne vorliegend nicht angenommen werden. Es sei bereits nicht abschließend geklärt, ob nach dem Tatbestand des § 117 Abs. 2 BetrVG das fliegende Personal eines Luftfahrtunternehmens nur dann eine Vertretung errichten könne, wenn ein entsprechender Tarifvertrag vorliege. Es werde vielmehr auch die Auffassung vertreten, dass das BetrVG gerade anzuwenden sei, wenn für das fliegende Personal kein entsprechender Tarifvertrag vorliege. § 117 Abs. 2 BetrVG nehme das fliegende Personal damit nicht aus dem BetrVG heraus. Nach alledem bestünden Bedenken, ob das fliegende Personal tatsächlich aus dem Anwendungsbereich des BetrVG herausgenommen werden könne. Dies sei höchstrichterlich nicht geklärt. Solange diese Zweifel bestünden, sei die beabsichtigte Wahl nicht offensichtlich nichtig. Ein Verfügungsanspruch scheide aus.
Abgesehen davon bestehe auch kein Verfügungsgrund, weil die Interessen der Antragsgegnerin letztlich überwiegen würden.
Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen, insbesondere die Antragsschrift der Antragstellerin vom 05. Dezember 2022, der beigezogenen Schutzschrift der Antragsgegnerin vom 02. Dezember 2022 sowie das Protokoll der mündlichen Anhörung vom 07. Dezember 2022 Bezug genommen.
B.
Die beantragte einstweilige (Unterlassungs-) Verfügung ist zurückzuweisen. Die Voraussetzungen für den Erlass der beantragten Unterlassungsverfügung gemäß § 85 Abs. 2 ArbGG, §§ 935, 940 ZPO liegen nicht vor.
Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Verfügung nach § 85 Abs. 2 ArbGG i. V. m. §§ § 935, § 940 ZPO ist sowohl das Bestehen eines Verfügungsanspruchs als auch das Vorliegen eines Verfügungsgrundes zur einstweiligen Sicherung dieses Anspruchs, zur Herbeiführung einer einstweiligen Regelung in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis oder im Falle der Leistungsverfügung ausnahmsweise auch zur Erfüllung des Anspruchs (vgl. LAG Düsseldorf, Beschluss vom 09.01.2018, 3 TaBVGa 6/17, zitiert nach juris).
I. Der für den Erlass einer einstweiligen Verfügung gemäß § 85 Abs. 2 ArbGG, §§ 935, 940 ZPO erforderliche Verfügungsanspruch liegt nicht vor.
Ein Anspruch der Antragstellerin darauf, die von der Antragsgegnerin initiierte Wahl eines Wahlvorstandes abzubrechen, kann sich zum einen aus der zu erwartenden Nichtigkeit der Betriebsratswahl ergeben, wogegen die bloße Anfechtbarkeit nicht genügt. Ein Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers auf Abbruch einer Betriebsratswahl kommt aufgrund von Mängeln des Wahlverfahrens daher nur in Betracht, wenn die Wahl voraussichtlich nichtig wäre.
1. Der Arbeitgeber hat Anspruch darauf, dass eine nichtige Betriebsratswahl nicht durchgeführt wird. Die mit der Durchführung einer Betriebsratswahl verbundenen Maßnahmen berühren den Arbeitgeber als Betriebsinhaber unmittelbar in seinem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Zugleich werden ihm im Zusammenhang mit der Wahl Pflichten auferlegt (vgl. z. B. § 2 Abs. 2 Satz 1 WO). Ferner hat er nach § 20 Abs. 3 Satz 1 BetrVG die Kosten der Wahl zu tragen. Schon daraus folgt, dass der Arbeitgeber in seinem Betrieb verlangen kann, eine nichtige Betriebsratswahl nicht durchzuführen. An die Nichtigkeit sind daher in Abgrenzung zur Anfechtbarkeit besonders hohe Anforderungen zu stellen. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass bereits für die Anfechtbarkeit Voraussetzung ist, dass gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen worden ist. Da auch für die Anfechtbarkeit erforderlich ist, dass sich der Verstoß kausal auf das Ergebnis der Wahl auswirken kann, ist die Folge des Verstoßes kein geeignetes Abgrenzungskriterium zur Nichtigkeit der Wahl.
2. Die voraussichtliche Anfechtbarkeit der Wahl genügt für einen Anspruch auf Abbruch der Wahl demgegenüber nicht.
a) Der Antragsteller könnte sonst mit dem gesetzlich nicht ausdrücklich vorgesehenen Unterlassungsantrag mehr erreichen als mit der gesetzlich vorgesehenen Wahlanfechtung. Eine erfolgreiche Wahlanfechtung hat nach § 19 Abs. 1 BetrVG keine rückwirkende Kraft, sondern wirkt nur für die Zukunft. Bis zum rechtskräftigen Abschluss des Wahlanfechtungsverfahrens bleibt auch ein nicht ordnungsgemäß gewählter Betriebsrat mit allen betriebsverfassungsrechtlichen Befugnissen im Amt (BAG, Beschluss vom 27.07.2011 - 7 ABR 61/10 zit. nach juris).
b) Die Möglichkeit des vorzeitigen Abbruchs einer voraussichtlich nur anfechtbaren Wahl würde auch der Konzeption nicht gerecht, die in § 19 Abs. 2 Satz 2 BetrVG zum Ausdruck kommt. Danach ist die Wahlanfechtung nur binnen einer Frist von zwei Wochen, vom Tag der Bekanntgabe des Wahlergebnisses angerechnet, zulässig. Macht innerhalb dieser Frist keiner der Anfechtungsberechtigten von seinem Anfechtungsrecht Gebrauch, können Fehler bei der Wahl des Betriebsrats - mit Ausnahme der Nichtigkeit der Wahl - nicht mehr geltend gemacht werden. Durch den vorzeitigen Abbruch der Wahl würde dem Anfechtungsberechtigten von vornherein die Möglichkeit genommen, die Frist verstreichen und die Wahl unangefochten zu lassen (BAG, Beschluss vom 27.07.2011 - 7 ABR 61/10 zit. nach juris).
c) Soweit in der Rechtsprechung auch die Ansicht vertreten worden ist, ob unter Umständen auch eine mit Sicherheit zu erwartende erfolgreiche Anfechtbarkeit einer Betriebsratswahl, den Abbruch einer Betriebsratswahl rechtfertigen kann, hat das Bundesarbeitsgericht bereits höchstrichterlich und grundlegend dahin gehend entschieden und geklärt, dass eine voraussichtliche Nichtigkeit der Wahl notwendig ist, während ihre Anfechtbarkeit nicht genügt (BAG, Beschl. v. 27.07.2011 - 7 ABR 61/10 -; vgl. auch: Fitting, 30. Aufl. 2020, BetrVG § 18 Rn. 42 m. w. N.). Zur Begründung hat das Bundesarbeitsgericht u.a. ausgeführt, dass der Antragsteller ansonsten mit dem gesetzlich nicht ausdrücklich vorgesehenen Unterlassungsantrag mehr erreichen könnte als mit der gesetzlich vorgesehenen Wahlanfechtung, die im Falle ihres Erfolges nach § 19 BetrVG lediglich für die Zukunft wirkt. Zudem würde durch den vorzeitigen Anbruch der Wahl den Anfechtungsberechtigten von vornherein die Möglichkeit genommen, die Frist des § 19 Abs. 2 Satz 2 BetrVG verstreichen zu lassen und die fehlerhafte Wahl unangefochten zu lassen.
d) Die dargelegten Grundsätze gelten nicht nur für die Bestellung des Wahlvorstandes durch einen bereits vorhandenen Betriebsrat, Gesamtbetriebsrat oder Konzernbetriebsrat, sondern auch im Falle der Wahl eines Wahlvorstandes im Rahmen einer Wahlversammlung. Ein Grund zu einer anderen Handhabung dieser Fallkonstellation besteht nicht (vgl. LAG Düsseldorf, Beschluss vom 25.03.2020 – 7 TaBVGa 2/20, LAG Düsseldorf, Beschluss vom 12.10.2018, 6 TaBVGa 7/18, zitiert nach juris).
3. Hier sind die von der Antragstellerin geltend gemachten Mängel – bis auf die Frage, ob mangels betrieblicher Strukturen kein Betrieb im Sinne des BetrVG im Inland vorliegt – nicht so schwerwiegend, dass sie die Nichtigkeit der Wahl begründen könnten. Bei der Anwendung des Betriebsverfassungsgesetzes auf sog. fliegendes Personal verbleibt die bestehende Problematik um den (betriebsverfassungsrechtlichen) Betriebsbegriff.
Die Wahl des Wahlvorstandes und eine gegebenenfalls hierauf beruhende Betriebsratswahl ist im Entscheidungsfall voraussichtlich nicht nichtig.
a) Die Frage, ob die nichtige Bestellung des Wahlvorstandes zwingend die Nichtigkeit einer eingeleiteten Betriebsratswahl zur Folge hat, wird in Rechtsprechung und Schrifttum kontrovers diskutiert. Ein Teil der Instanzrechtsprechung und der Literatur nimmt die Nichtigkeit der Betriebsratswahl infolge einer nichtigen Bestellung des Wahlvorstands an (vgl. z.B. LAG Köln, Beschluss vom 10.03.2000, 13 TaBV 9/00, zitiert nach juris;). Ein anderer Teil der Instanzrechtsprechung und des Schrifttums verlangt über die Nichtigkeit der Bestellung des Wahlvorstands hinaus zusätzliche Umstände, um die Nichtigkeit der eingeleiteten Betriebsratswahl annehmen zu können (vgl. z.B. LAG Berlin, Beschluss vom 08.04.2003, 5 TaBV 1990/02; LAG Nürnberg, Beschluss vom 29.07.1998, 4 TaBV 12/97, jeweils zitiert nach juris;).
b) Danach ist die Nichtigkeit der Bestellung des Wahlvorstands auf besonders schwerwiegende Errichtungsfehler beschränkt, die dazu führen, dass das Gremium rechtlich inexistent ist. Eine nur fehlerhafte Bestellung genügt danach nicht. Analog zur Nichtigkeit einer Betriebsratswahl ist erforderlich, dass gegen allgemeine Grundsätze jeder ordnungsgemäßen Errichtung in so hohem Maße verstoßen wurde, dass auch der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Bestellung des Wahlvorstands nicht mehr besteht. Es muss sich um einen offensichtlichen und besonders groben Verstoß gegen die Bestellungsvorschriften der §§16 bis 17 a BetrVG handeln (BAG vom 15.10.2014, 7 ABR 53/12, AP Nr. 3 zu § 16 BetrVG 1972; BAG vom 27.07.2011, 7 ABR 61/10, a.a.O.). Regelmäßig führen Verstöße gegen zwingende Vorschriften über die Bestellung des Wahlvorstands nur zu einer fehlerhaften Bestellung und nicht rechtlichen Inexistenz des Wahlvorstandes.
Das Bundesarbeitsgericht hat diese Frage bisher offen gelassen (vgl. BAG, Beschluss vom 19.11.2003, BAG ABR 25/03; Beschluss vom 27.07.2011, BAG 7 ABR 61/10, Rn. 45 m.w.N. und zuletzt BAG, Beschluss vom 13.03.2013, BAG 7 ABR 70/11, jeweils zitiert nach juris).
c) Danach ist derzeit höchstrichterlich nicht entschieden und damit offen, ob zwingend der Schluss zu ziehen ist, dass eine nichtige Wahlvorstandsbestellung überhaupt zur sicheren Annahme einer nichtigen Betriebsratswahl führt. Angesichts dieser offenen Rechtsfrage ist fraglich, ob die von einem - ggf. - in nichtiger Weise bestellten Wahlvorstand eingeleitete Betriebsratswahl im Wege einer einstweiligen Verfügung überhaupt abgebrochen werden kann oder ob nicht vielmehr im Hinblick darauf, dass die Wahl sozusagen „den Stempel der Nichtigkeit auf der Stirn tragen muss“ (vgl. BAG, Beschluss vom 25.10.2017, BAG 7 ABR 2/16, Rn. 15; 23.07.2014, BAG 7 ABR 23/12, Rn. 41, zitiert nach juris), angesichts der offenen Rechtsfrage - ggf. - lediglich von einer nicht zum Abbruch führenden Anfechtbarkeit der Betriebsratswahl ausgegangen werden muss, über die im Rahmen der einstweiligen Verfügung nicht zu entscheiden ist.
d) Ausgehend davon, dass die Durchführung der Betriebsratswahl dem Wahlvorstand in einer einstweiligen Verfügung nur dann untersagt werden kann, wenn die Weiterführung der Wahl mit Sicherheit die Nichtigkeit dieser Wahl zur Folge hätte, schließt sich die Kammer der Auffassung an, dass im Hinblick auf den Ausnahmecharakter des Wahlabbruchs im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens ein Wahlabbruch dann nicht gerechtfertigt sein kann, wenn die zugrundeliegenden Rechtsfragen höchstrichterlich nicht geklärt sind (vgl. LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17.03.2010, 15 TaBVGa 34/10, zitiert nach juris).
4. Darüber hinaus ist die Nichtigkeit einer folgenden Betriebsratswahl nur in ganz besonderen Ausnahmefällen anzunehmen. Voraussetzung dafür ist ein so eklatanter Verstoß gegen allgemeine Grundsätze jeder ordnungsgemäßen Wahl, dass auch der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl nicht mehr besteht. Wegen der weitreichenden Folgen einer von Anfang an unwirksamen Betriebsratswahl kann deren jederzeit feststellbare Nichtigkeit nur bei besonders gravierenden und krassen Wahlverstößen angenommen werden. Es muss sich um einen offensichtlichen und besonders groben Verstoß gegen die Wahlvorschriften handeln, so dass ein Vertrauensschutz in die Gültigkeit der Wahl zu versagen ist. Die Betriebsratswahl muss "den Stempel der Nichtigkeit auf der Stirn tragen" (zuletzt: BAG, Beschl. v. 30.06.2021 - 7 ABR 24/20 - m. w. N., LAG Köln, Beschluss vom 08.12.2021 - 11 TaBVGa 9/21).
a) Die Verkennung des Betriebsbegriffs hat in der Regel nicht die Nichtigkeit, sondern nur die Anfechtbarkeit der darauf beruhenden Betriebsratswahl zur Folge (BAG, Beschl. v. 13.03.2013 - 7 ABR 70/11 - m. w. N.), es sei denn, sie wird entgegen einer bindenden gerichtlichen Entscheidung in einem Verfahren nach § 18 Abs. 2 BetrVG durchgeführt (vgl. hierzu: BAG, Beschl. v. 19.11.2003 - 7 ABR 25/03 -).
Die Tatsachengrundlage, ob die Antragstellerin am Flughafen Berlin-Brandenburg (im Folgenden auch „Flughafen BER“ genannt) einen Betrieb im Sinne des § 1 Abs. 1 BetrVG oder einen qualifizierten Betriebsteil gemäß § 4 Abs. 1 Nr.1 BetrVG oder aufgrund der von der Antragstellerin vorgetragenen betrieblichen Strukturierung keine betrieblichen Strukturen im Sinne des BetrVG unterhält ist zwischen den Parteien umstritten.
In einem solchen Fall kann wegen der stets nötigen Gesamtwürdigung der Einzelfallumstände nicht von einem derart groben und evidenten Verstoß ausgegangen werden, der selbst den Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Betriebsratswahl ausschlösse.
Die objektive Feststellung zum Vorliegen eines Betriebs im Sinne des § 1 Abs. 1 BetrVG oder eines qualifizierten Betriebsteils gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG, insbesondere im Hinblick auf den Betriebsstandort ist im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes nur derart möglich, dass bezüglich der Frage des Vorliegens von betrieblichen Strukturen, solche im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes festgestellt werden können.
(aa) Es kann zunächst offenbleiben, ob es sich bei dem Stationierungsort am Flughafen Berlin-Brandenburg um einen Betrieb im Sinne des § 1 Abs. 1 BetrVG handelt. Tatsächliche Feststellungen zum Vorliegen eines für personelle und soziale Angelegenheiten einheitlichen Leistungsapparates konnte die Kammer nicht treffen. Die Antragstellerin gibt an, dass die Leitung der in Deutschland und damit auch am Flughafen BER stationierten Mitarbeiter ausschließlich von der Unternehmenszentrale in Malta bzw. der Konzernzentrale in Irland aus erfolgen.
(bb) Das Bundesarbeitsgericht hat sich im Jahr 2020 in zwei Verfahren zu der Frage geäußert, ob es sich bei der Station einer Fluggesellschaft an einem Flughafen um einen Betrieb handelt. Gegenstand des ersten Verfahrens war der Betriebsbegriff in § § 17 Kündigungsschutzgesetz (KSchG), der auf der europäischen RL 98/59/EG (Massenentlassungsrichtlinie, im Folgenden MERL) beruht (vgl. BAG, Urteil vom 13.02.2020 - 6 AZR 146/19; die Verfassungsbeschwerde gegen diese Entscheidung wurde vom BVerfG nicht zur Entscheidung angenommen: BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 05.01.2021 - BVERFG BvR 1771/20). In dem zweiten Verfahren ging es um den Betriebsbegriff in § BGB § 613a Abs. Absatz 1 BGB, der der Umsetzung der RL 2001/23/EG (Betriebsübergangsrichtlinie) dient (vgl. BAG, Urteil vom 14.05.2020 - 6 AZR 235/19).
(1) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Betriebsbegriff der MERL müssen vier Voraussetzungen erfüllt sein (vgl. BAG, Urteil vom 13.02.2020 - 6 AZR 146/19, Rn. 33): 1. Die Einheit muss die erforderliche zeitliche Kontinuität und organisatorische Stabilität aufweisen, um in der Gesamtstruktur des Unternehmens von anderen Einheiten unterscheidbar wahrgenommen zu werden, 2. Die Einheit muss zur Erledigung einer oder mehrerer Aufgaben bestimmt sein, 3. Der Einheit müssen mehrere Arbeitnehmer dergestalt zugeordnet seien, dass sie in dieser Einheit oder von dieser aus tätig werden und die Einheit rein tatsächlich über sie verfügen kann und 4. Die Einheit muss über technische Mittel und eine organisatorische Struktur zur Erfüllung ihrer Aufgaben verfügen. Dabei sei eine Leitung ausreichend, die einen reibungslosen Betriebsablauf vor Ort gewährleisten könne. Es genüge eine stabile organisatorische Struktur, ohne dass darüberhinausgehende Anforderungen an den Grad der Verselbstständigung zu stellen seien. Insbesondere seien an die erforderliche Leitungsstruktur keine hohen Anforderungen zu stellen.
Anhand dieser Kriterien prüft das Bundesarbeitsgericht dann, ob die Station einer Fluggesellschaft an einem Flughafen einen Betrieb i. S. d. MERL darstelle (vgl. BAG, Urteil vom 13.02.2020 - 6 AZR 146/19, Rn. 35 ff.). Dies sei der Fall, denn die Station sei nicht nur vorübergehend eingerichtet und diene der Erledigung einer bestimmten Aufgabe, nämlich den Flugbetrieb der Fluggesellschaft an diesem Flughafen zu ermöglichen.
(2) Demgegenüber legt das Bundesarbeitsgericht den Betriebsbegriff in § BGB § 613a Abs. 1 BGB dahingehend aus. Ein Betriebs(teil)übergang setze - im Anschluss an die Rechtsprechung des EuGH - voraus, dass der Übergang eine auf Dauer angelegte, ihre Identität bewahrende wirtschaftliche Einheit im Sinne einer organisierten Zusammenfassung von Ressourcen zur Verfolgung einer wirtschaftlichen Haupt- oder Nebentätigkeit betreffe (vgl. BAG, Urteil vom 14.05.2020 - 6 AZR 235/19, Rn. 58). Die Identität einer wirtschaftlichen Einheit ergebe sich aus mehreren untrennbar zusammenhängenden Merkmalen wie dem Personal der Einheit, ihren Führungskräften, ihrer Arbeitsorganisation, ihren Betriebsmethoden und gegebenenfalls den ihr zur Verfügung stehenden Betriebsmitteln. Erforderlich sei zwangsläufig eine ausreichende funktionelle Autonomie, wobei sich der Begriff Autonomie auf die Befugnisse beziehe, die der Leitung der zur Einheit gehörenden Gruppe von Arbeitnehmern eingeräumt seien, um die Arbeit dieser Gruppe relativ frei und unabhängig zu organisieren und insbesondere Weisungen zu erteilen und Aufgaben auf die zu dieser Gruppe gehörenden untergeordneten Arbeitnehmer zu verteilen, ohne dass andere Organisationsstrukturen des Arbeitgebers dabei dazwischengeschaltet seien. Davon ausgehend stellten die Stationen einer Fluggesellschaft an den einzelnen Flughäfen nach dem für das Betriebsübergangsrecht maßgeblichen Betriebsbegriff keine Betriebsteile dar. Es fehle jedenfalls bezüglich des fliegenden Personals an einer hinreichend eigenständigen, auf die Station bezogene Leitung. Die sog. Area Manager hätten schon keine für die „Leitung der betreffenden Gruppe von Arbeitnehmern“ erforderlichen, von der zentralen Leitung unabhängigen Kompetenzen (vgl. BAG, Urteil vom 14.05.2020 - BAG 6 AZR 235/19, Rn 71).
(cc) Jedenfalls kann aus der Sicht der Kammer nicht ausgeschlossen werden, dass die Antragstellerin über einen qualifizierten Betriebsteil im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG am Flughafen BER verfügt. Die Betriebsratswahl muss "den Stempel der Nichtigkeit auf der Stirn tragen" (zuletzt: BAG, Beschl. v. 30.06.2021 - 7 ABR 24/20 - m. w. N., LAG Köln, Beschluss vom 08.12.2021 - 11 TaBVGa 9/21).
(1) Diese Voraussetzungen liegen für die eindeutige Feststellung des Nichtvorliegens eines qualifizierten Betriebsteils im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG nicht vor. Es kann nach den objektiv möglichen Feststellungen im einstweiligen Verfügungsverfügen das Vorliegen eines qualifizierten Betriebsteils nicht ausgeschlossen werden.
Nach dem Vortrag der Antragsgegnerin verfügt die Antragstellerin über einen als sog. „crew room“ bezeichneten Raum, indem sich mindestens ein fester Büroarbeitsplatz befindet, sich Mitarbeiter der Antragstellerin unter einem zuvor bekannt gegebenen Zugangscode aufhalten und Mitarbeiteraushänge publiziert werden.
(2) Darüber hinaus ist zwischen den Parteien streitig, ob die vor Ort am Flughafen BER eingesetzten Mitarbeiter mit der Funktion eines Base Captain, einem Base Supervisor bzw. dem Base Deputy Weisungsrechte zustehen, die eine Leistungsmacht ausmachen, die einen Betriebsteil im Sinne des § 4 Abs. 1 BetrVG begründen können. Es war nach den Angaben der Antragsgegnerin in der mündlichen Anhörung festzustellen, dass jedenfalls gegenüber den sich im sog. „crew room“ aufhaltenden Mitarbeitern, die sich dort im sog. Standby-Modus zur Arbeit bereithalten, Anweisung zur Erbringung von arbeitsvertraglichen Pflichten durch den Base Supervisor erteilt werden. Streitig ist, ob und in welchem Umfang diese Weisungen ein Mindestmaß des arbeitgeberseitigen Weisungsrechts erfüllen.
(3) Für das Vorliegen eines Betriebsteils iSv. § 4 Abs. 1 Satz 1 BetrVG genügt ein Mindestmaß an organisatorischer Selbstständigkeit gegenüber dem Hauptbetrieb. Dazu reicht es aus, dass in der organisatorischen Einheit überhaupt eine den Einsatz der Arbeitnehmer bestimmende Leitung institutionalisiert ist, die Weisungsrechte des Arbeitgebers ausübt (BAG 29. Mai 1991 – 7 ABR 54/90 – aaO, zu B II 2 der Gründe; 20. Juni 1995 – 7 ABR 59/94 – AP BetrVG 1972 § 4 Nr. 8 = EzA BetrVG 1972 § 4 Nr. 7, zu B I 2 der Gründe; 19. Februar 2002 – 1 ABR 26/01 – aaO, zu B II 1 a der Gründe).
Letztlich hatte die Kammer bei ihrer Entscheidung auch zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin in von ihr selbst geführten gerichtlichen Verfahren über die Gewährung eines Anspruchs auf Kurzarbeitergeld während der Corona-Pandemie (u.a. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 08.03.2021, L 9 AL 198/20 B ER,) vorgetragen hat, dass ein am Stationierungsort eingesetzter „Base Supervisor“ tätig sei, der als Ansprechpartner am Stationierungsort (Flughafen) Weisungen und Informationen an andere Mitarbeiter weitergebe und beispielsweise Krankmeldungen entgegen nehme.
5. Die Einleitung der Wahl eines Wahlvorstandes ist auch nicht auf der Grundlage des § 117 Abs. 1 BetrVG gesperrt.
Danach sind auf Luftfahrtunternehmen die Regelungen des BetrVG anzuwenden, wenn keine Vertretung nach § 117 Abs. 2 Satz 1 errichtet ist.
Insoweit kann zwar für im Flugbetrieb beschäftigte Arbeitnehmer von Luftfahrtunternehmen durch Tarifvertrag eine Vertretung errichtet werden. Eine tarifliche Vereinbarung zur Errichtung einer betrieblichen Interessenvertretung besteht aber nicht.
a) Soweit die Antragstellerin und die Antragsgegnerin in einem „Side letter“ vom 14.03.2019 vereinbart haben, dass ein Tarifvertrag über eine Personalvertretung gemäß § 117 Abs. 2 BetrVG abgeschlossen werden soll, genügt dies nicht für die Annahme einer Vereinbarung über die Errichtung einer betrieblichen Interessenvertretung, die die Einleitung von Wahlen eines Wahlvorstandes bzw. Betriebsratswahlen hindert. Auch aus der sog. Anerkennungsvereinbarung vom 18.07.2018 ergeben sich ebenfalls keinerlei Regelungen die auf eine betriebliche Interessenvertretung schließen lassen. Eine Personalvertretungsregelung ist der Anerkennungsvereinbarung nicht zu entnehmen.
b) Soweit die Antragstellerin die Rechtsansicht vertritt, dass eine Personalvertretung allein auf tariflicher Grundlage nach § 117 Abs. 1 BetrVG eingerichtet werden könne, schließt sich die Kammer dieser Auffassung nicht an. Durch das Qualifizierungschancengesetz wurde § 117 BetrVG mit Wirkung vom 1.5.2019 geändert. Nach Absatz 1 Satz 1, der die Anwendung des BetrVG für das Bodenpersonal von Luftfahrtunternehmen vorschreibt, wurde ein Satz 2 angefügt. Danach wird das BetrVG auf im Flugbetrieb beschäftigte Arbeitnehmer immer dann angewendet, wenn keine Personalvertretung durch Tarifvertrag errichtet ist. Zur zuvor schon bestehenden Option, einen Tarifvertrag Personalvertretung (TV-PV) abzuschließen, wurde gewissermaßen als „Rückfallebene“ die Anwendbarkeit des BetrVG für die Fälle beschlossen, in denen kein TV-PV besteht (so auch Bundesrat Drucksache 576/18: „Der Gesetzentwurf sieht vor, § 117 Absatz 2 Betriebsverfassungsgesetz um eine Auffanglösung (Anwendung der allgemeinen Regelungen des Betriebsverfassungsgesetzes) für den Fall zu ergänzen, dass die Tarifvertragsparteien keine Einigung über eine tarifvertragliche Vereinbarung erzielen können. Den Besonderheiten des Drucksache 576/18 -2- fliegenden Personals kann dabei mit den Gestaltungsmöglichkeiten des § 3 BetrVG (insbesondere andere Arbeitnehmervertretungsstrukturen gemäß § 3 Absatz 1 Nummer 3 BetrVG) Rechnung getragen werden.).
c) Aus Sicht der erkennenden Kammer ist auch ein von der Antragstellerin behaupteter Verstoß gegen die tarifvertragliche Friedenspflicht nicht erkennbar. Zwischen den Parteien bestehen keine tarifvertraglichen Regelungen über die Einrichtung einer betrieblichen Interessenvertretung. Verhandlungen über die Einführung einer betrieblichen Interessenvertretung sind von der Antragstellerin nicht behauptet worden.
Auch aus dem von der Antragstellerin in Bezug genommene Regelung eines bereits abgeschlossenen Vergütungstarifvertrages lässt sich nicht entnehmen, dass die Parteien eine Regelung zur Errichtung einer tarifvertraglich vereinbarten betrieblichen Interessenwahrnehmung i.S.d. § 117 Abs. 2 Satz 1 BetrVG getroffen haben.
6. Soweit durch die Antragstellerin Mängel in der ordnungsgemäßen Bekanntmachung der Einladung zur Betriebsversammlung gerügt worden sind, insbesondere, dass nicht alle am Stationierungsort des Flughafen BER stationierten Arbeitnehmer von der Wahlversammlung erfahren werden, kann dies den geltend gemachten Verfügungsanspruch nicht begründen.
a) Nach § 17 Abs. 2 BetrVG wird in Betrieben ohne Betriebsrat, in denen weder ein Gesamtbetriebsrat noch ein Konzernbetriebsrat besteht, in einer Betriebsversammlung von der Mehrheit der anwesenden Arbeitnehmer ein Wahlvorstand gewählt Zu dieser Betriebsversammlung können gemäß § 17 Abs. 3 BetrVG drei wahlberechtigte Arbeitnehmer des Betriebs oder eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft einladen und Vorschläge für die Zusammensetzung des Wahlvorstands machen.
b) Zu berücksichtigen ist insoweit, dass es für die Einladung zu der Betriebsversammlung zur Wahl eines Wahlvorstandes nach § 17 Absatz 2 BetrVG keine gesetzlich vorgeschriebene Frist gibt, an der die Einlader sich halten können. Die Einladung ist nach einhelliger Rechtsprechung „rechtzeitig“ bekannt zu machen. Dazu ist erforderlich, dass die Einladung entweder alle Arbeitnehmer des Betriebs tatsächlich erreicht oder so bekannt gemacht wird, dass dieser Personenkreis die Möglichkeit hat, von ihr Kenntnis zu erlangen und an der Wahlversammlung teilzunehmen (LAG Düsseldorf, Beschluss v. 25.03.2020 – 7 TaBVGa 2/20 zit. nach juris).
c) Im vorliegenden Fall liegt ein offensichtlicher und besonders grober Verstoß bei der Einladung zur Betriebsversammlung nicht vor. Auch nach Darstellung der Antragstellerin ist die Einladung zu einer Betriebsversammlung am 08.12.2022 in einem jedenfalls von einem erheblichen Teil der Arbeitnehmer genutzten Aufenthaltsraum plakatiert worden. Die Antragstellerin hat weiter selbst vorgetragen, dass Arbeitnehmer via elektronischer Kommunikationsmittel über Messanger-Dienste wie WhatsApp und Facebook Kenntnis von der Einladung erlangt haben.
d) Es ist für die Kammer damit davon auszugehen, dass alle Mitarbeiter die Möglichkeit hatten, von der Einladung zur Betriebsversammlung Kenntnis zu nehmen. Es kommt nicht entscheidend darauf an, ob tatsächlich alle Mitarbeiter die Einladung zur Kenntnis genommen haben und es allen möglich wäre, an der Betriebsversammlung teilzunehmen. So besteht diese Möglichkeit auch bei einer Erkrankung oder urlaubsbedingten Abwesenheit nicht.
In Anbetracht der vorgetragenen Umstände der Einladung zur Betriebsversammlung in elektronischer Form und durch Plakatierung führt diese jedenfalls nicht zu einer offensichtlichen Nichtigkeit der Wahl, die einen Abbruch im Wege des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens begründen kann. Insoweit ist zu beachten, dass etwaige Ladungsfehler bei einer kurzfristig stattfindenden Betriebsversammlung sehr großzügig betrachtet werden, wenn jedenfalls ein Großteil der Belegschaft von der Versammlung hätte Kenntnis haben können, eine Nichtigkeit der Wahlvorstandswahl liegt dann nicht vor (vgl. LAG Nürnberg vom 29.07.1998, 4 TaBV 12/97)
7. Die Antragstellerin hat auch keinen Anspruch darauf, dass die Wahlversammlung in sog. Teilversammlungen durchgeführt wird. Wahlversammlungen sind grundsätzlich mit allen Beschäftigten als Vollversammlung durchzuführen, §§ 17, 42 BetrVG. Insoweit finden die Regelungen gemäß §§ 42 ff. BetrVG auch grundsätzlich auf Wahlversammlungen Anwendung.
a) Die Betriebsversammlung ist außerdem grundsätzlich als Vollversammlung aller Arbeitnehmer zum gleichen Zeitpunkt durchzuführen. Kann wegen der Eigenart des Betriebs eine Versammlung aller Arbeitnehmer zum gleichen Zeitpunkt nicht stattfinden, so sind Teilversammlungen durchzuführen (§ 42 S. 3 BetrVG).
(aa) Unter Eigenart des Betriebs ist in erster Linie die organisatorisch-technische Besonderheit des konkreten Einzelbetriebes zu verstehen (vgl. BAG vom 09. März 1976 - BAG 1 ABR 74/74 - Nr. 3 zu § 44 BetrVG 1972 = DB 1976, DB Jahr 1976 Seite 1291 m. w. N.). Bei der Frage, ob eine zur Abhaltung von Teilversammlungen verpflichtende Eigenart des Betriebs vorliegt, ist in erster Linie auf organisatorisch-technische Besonderheiten abzustellen.
Die zu Teilversammlungen zwingende Eigenart des Betriebs dürfte meist durch dessen Größe bedingt sein, weil eine übergroße Arbeitnehmerzahl erfahrungsgemäß eine angemessene Durchführung der Betriebsversammlung, insbesondere auch eine sachliche Aussprache, nicht zulässt (vgl. ArbG Essen, Beschluss vom 14.04.2011 - 2 BV Ga 3/11.). Auch die Tatsache, dass in mehreren Schichten gearbeitet wird, kann zu Teilversammlungen zwingen, insbesondere dann, wenn der Betrieb vollkontinuierlich arbeitet (vgl. LAG Baden-Württemberg vom 10. Mai 2002 - 14 TaBV 1/02 – zit. nach juris).
(bb) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat sich im vorliegenden Fall für die Kammer nicht feststellen lassen, dass die Eigenart des Betriebes eine Durchführung der ordentlichen Betriebsversammlung in Form von Teilversammlungen - oder gar außerhalb der betriebsüblichen Arbeitszeit - zwingend erfordere.
b) Grundsätzlich zählen wirtschaftliche Zumutbarkeitserwägungen nicht zu den zwingenden Erfordernissen im Sinne des § 42 S. 3 BetrVG, denn das Gesetz spricht von der Eigenart des Betriebes, nicht des Unternehmens (vgl. BAG vom 09. März 1976 - BAG 1 ABR 74/74).
Eine absolute wirtschaftliche Unzumutbarkeit, die einen Verstoß gegen das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit im Sinne des § 2 Absatz 1 BetrVG darstellen würde, kann jedoch für den vorliegenden Fall nicht festgestellt werden. Dies wäre beispielsweise der Fall, wenn das Ruhen der betrieblichen Aktivitäten für die Zeit der Betriebsversammlung dazu führen würde, dass ein wirtschaftlich erheblicher oder gar ruinöser Schaden entsteht.
Ob tatsächlich wegen der anberaumten Wahlversammlung zeitlich kollidierende Flüge abgesagt und tatsächlich nicht durchgeführt werden können, ist zwischen den Parteien streitig. Die Antragsgegnerin hat zudem zutreffend darauf hingewiesen, dass der Antragstellerin der Termin zur Wahlversammlung bereits seit dem 30.11.2022 bekannt ist. Demnach bestünde für die Antragstellerin die objektive Möglichkeit drohende personelle Engpässe durch an anderen Betriebsstandorten beschäftigten Arbeitnehmern oder auch durch den Einsatz von Fremdpersonal auszugleichen.
c) Entgegen der Annahme der Antragstellerin bestehen auch keine technisch-organisatorischen Eigenarten des Betriebes, die einer Durchführung der Betriebsversammlung als Vollversammlung entgegenstünden oder gar eine Verlegung der Betriebsversammlung auf einen Zeitpunkt außerhalb der betriebsüblichen Arbeitszeit zwingend erforderten, d. h. insoweit keine andere Wahl ließen. Vielmehr steht aufgrund der Erörterungen in der mündlichen Anhörung der Beteiligten zur Überzeugung der erkennenden Kammer fest, dass die für den 08. Dezember 2022 anberaumte Betriebsversammlung ab 16:00 Uhr als Vollversammlung durchgeführt werden kann, ohne dass es zu einer so erheblichen Störung des Betriebsablaufs im Flugbetrieb kommen wird, die zu einer ruinösen Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Aktivitäten führen kann.
Insoweit hat die Antragsgegnerin auch mit Schriftsatz vom 06. Dezember 2022 und in der mündlichen Anhörung eine zeitliche Verschiebung der Wahlversammlung angeboten, soweit die Antragstellerin zusichert, dass sie auch unter Aufrechterhaltung der von der ihr vertretenen Rechtsansichten, auf die Einleitung von Verfahren zum Abbruch der Wahl verzichtet, den Mitwirkungspflichten nach der Wahlordnung nachkommt und die Wahlschutz- und Wahlkostenvorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes anerkennt.
Dies hat die Antragstellerin abgelehnt.
d) Das kann jedoch in der Konsequenz nicht dazu führen, dass in einem Betrieb von der Größe und der technisch-organisatorischen Struktur der Antragstellerinnen Betriebsversammlungen stets nur noch als Teilversammlungen oder gar als Vollversammlungen außerhalb der betriebsüblichen Arbeitszeit durchgeführt werden. Vielmehr haben nach den Vorgaben des BetrVG Betriebsversammlungen außerhalb der betriebsüblichen Arbeitszeit absoluten Ausnahmecharakter. Ebenso genießen Vollversammlungen wegen der besseren Kommunikationsmöglichkeiten grundsätzlich Vorrang vor Teilversammlungen (vgl. BAG vom 09. März 1976 - 1 ABR 74/74).
e) Demgegenüber zwingen allgemeine wirtschaftliche Erwägungen oder die Störung des Betriebsablaufs die Antragsgegnerin nicht zur Durchführung von Teilversammlungen. Die Antragstellerin verkennt, dass eine Betriebsversammlung, die nach dem Willen des Gesetzgebers grundsätzlich als Vollversammlung aller Arbeitnehmer zum gleichen Zeitpunkt während der betriebsüblichen Arbeitszeit durchgeführt werden soll, typischerweise dazu führt, dass der Betriebszweck für deren Dauer nicht oder nur eingeschränkt verwirklicht werden kann.
Eine Betriebsversammlung während der Arbeitszeit führt in Produktionsbetrieben dazu, dass die Produktion für die Zeit der Betriebsversammlung ruht. Entsprechendes gilt für Dienstleistungsbetriebe. Genausowenig ist es eine Besonderheit, dass es dabei zu Beeinträchtigungen von Lieferungen und Kundenbeziehungen kommen kann. Hierbei handelt es sich aber um allgemeine wirtschaftliche Auswirkungen einer Betriebsversammlung, die der Gesetzgeber des BetrVG gesehen und für zumutbar gehalten hat (zit. nach ArbG Essen Beschl. v. 14.4.2011 – 2 BV Ga 3/11, BeckRS 2011, 73715)
Nach alledem konnte der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung keinen Erfolg haben.
II. Eine Kostenentscheidung war wegen § 2 Abs. 2 GKG, § 2a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG nicht veranlasst. Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, weil die Beschwerde gegen den gerichtlichen Beschluss im Beschlussverfahren streitwertunabhängig erhoben werden kann.