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Entscheidung 13 UF 62/23


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 4. Senat für Familiensachen Entscheidungsdatum 15.11.2023
Aktenzeichen 13 UF 62/23 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2023:1115.13UF62.23.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, dem Antragsteller über das gemeinsame Kind (Name 01), geboren am ….2007, bis zum Eintritt der Volljährigkeit des Kindes Auskunft zu erteilen,

1. für den Fall einer stationären medizinischen Behandlung von (Name 01) unverzüglich, spätestens innerhalb von drei Tagen nach stationärer Aufnahme, durch Mitteilung über die geplante Dauer des Aufenthalts und den Grund sowie über den Zeitpunkt der tatsächlichen Entlassung, soweit die Behandlung nicht psychiatrisch oder gynäkologisch indiziert ist.

2. ab 2024 bis spätestens 14 Tage nach Beginn der Sommerferien von (Name 01) über die Frage, ob sie im folgenden Schuljahr weiterhin die Schule besuchen wird, gegebenenfalls welche Klassenstufe.

3. für den Fall der Aufnahme einer Berufsausbildung durch (Name 01) durch Mitteilung dieses Umstandes innerhalb von zwei Wochen nach Unterzeichnung des Ausbildungsvertrags.

Die weitergehenden Anträge des Antragstellers werden abgewiesen.

Gründe

Im Übrigen werden die Beschwerden zurückgewiesen.

Von den gerichtlichen Kosten des Verfahrens beider Instanzen haben die Antragsgegnerin und der Antragsteller jeweils die Hälfte zu tragen. Ihre außergerichtlichen Kosten tragen die Antragsbeteiligten jeweils selbst.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 4.000 € festgesetzt.

I.

Der Antragsteller und die Antragsgegnerin sind geschiedene Eheleute und die Eltern der hier betroffenen Jugendlichen (Name 01), die im September 2018 mit ihrer mittlerweile volljährigen Schwester vom väterlichen in den mütterlichen Haushalt gewechselt ist, wo sie seitdem lebt.

Die Eltern haben sich im Jahr 2011 voneinander getrennt. Seit jedenfalls 2013 haben sie um die elterliche Sorge für ihre Töchter gerungen. Im Jahr 2014 sind dem Vater durch seinerzeit zuständige polnische Gerichte Teile der elterlichen Sorge allein übertragen worden. Im Jahr 2018 haben sich die Antragsbeteiligten in einem Verfahren vor dem Amtsgericht Tempelhof Kreuzberg (125 F 11727/18) unter anderem darauf geeinigt, dass die Kinder ihren Lebensmittelpunkt bei der Mutter haben sollen. Durch Beschluss vom 7.2.2019 hat das Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg der Mutter unter teilweiser Abänderung der Sorgerechtsregelung den Teilbereich der elterlichen Sorge schulische Belange für das hier betroffene Kind einstweilen allein übertragen. Mit Beschluss vom 4.3.2019 hat es der Mutter unter Abänderung der bestehenden Regelung das Aufenthaltsbestimmungsrecht, das Recht zur Regelung der schulischen Belange und die Gesundheitssorge für die Kinder allein übertragen. Zwei weitere Verfahren führten nicht zu einer Abänderung dieser Regelung. Durch Beschluss vom 23.8.2023 hat das Amtsgericht Eisenhüttenstadt den Umgang des Vaters im Hinblick auf den nachhaltig erklärten Willen der Jugendlichen bis zum Eintritt der Volljährigkeit ausgeschlossen. Die Großeltern väterlicherseits der Jugendlichen haben einen Umgangsantrag nach gerichtlichem Hinweis auf fehlende Erfolgsaussichten zurückgenommen.

Der Antragsteller hat seinen Auskunftsantrag damit begründet, dass, nachdem er im Übrigen keinen Kontakt mehr zu seinen Kindern pflegen könne, sein Auskunftsrecht das Einzige sei, was ihm bliebe, um etwas über seine Töchter in Erfahrung zu bringen. Die von der Antragsgegnerin gegen ihn erhobenen Vorwürfe, er oder seine Familie hätten Leistungsdruck auf die Kinder ausgeübt, weise er als völlig haltlos zurück.

Der Antragsteller hat beantragt, die Antragsgegnerin zu verpflichten,

1. die Zeugnisse für die beiden gemeinsamen Kinder (Name 02), geboren am … 2005, und (Name 01), geboren am … 2007, der letzten beiden Schuljahre 2020/2021 und 2021/2022 dem Antragsteller in Kopie zu übersenden;

2. dem Antragsteller schriftliche Informationen zur psychologischen Behandlung der beiden gemeinsamen Kinder (Name 02) und (Name 01), insbesondere zu deren Verlauf und Abschluss, vor dem Umzug von (Name 02) und (Name 01) nach Eisenhüttenstadt zu erteilen;

3. dem Antragsteller die Gründe für den Umzug der Antragsgegnerin mit den beiden gemeinsamen Kindern (Name 02) und (Name 01) nach Eisenhüttenstadt schriftlich mitzuteilen;

quartalsweise bis spätestens zum 3. des ersten Monats im laufenden Quartal:

4. dem Antragsteller schriftliche Informationen zur Entwicklung der beiden gemeinsamen Töchter (Name 02) und (Name 01), insbesondere zur schulischen Entwicklung, zum Gesundheitszustand, dort insbesondere zum Verlauf von weiteren psychologischen Behandlungen, zu den Freizeitaktivitäten und zu den aktuellen Ausbildungs- bzw. Berufswünschen der beiden Kinder bis zum jeweiligen Eintritt der Volljährigkeit von (Name 02) und (Name 01) zu erteilen;

5. aktuelle Fotos der beiden gemeinsamen Kinder in Farbkopie an den Antragsteller zu übersenden und

bis spätestens zum 15.8. des jeweiligen Jahres ab einschließlich 2023:

6. dem Antragsteller die aktuellen Schuljahreszeugnisse der beiden gemeinsamen Kinder (Name 02) und (Name 01) bis zum jeweiligen Ende des Schulbesuchs der beiden Kinder in Kopie zu übersenden.

Für (Name 02) hat er die Anträge ab dem 7.3.2023, ihrem 18. Geburtstag, für erledigt erklärt.

Die Antragsgegnerin hat beantragt,

die Anträge zurückzuweisen.

Sie hat den Anträgen entgegengehalten, (Name 01) wolle keinen Kontakt zum Vater und seiner Familie. Sie wolle auch nicht, dass er Informationen über sie erhält, denn sie fürchte, dass er ihre Leistungen und ihr Leben schlecht rede und dass das Interesse an den Informationen nur vordergründig sei, weil es ihm in Wahrheit darum gehen könnte, weitere Verfahren und Streitigkeiten mit der Mutter auszutragen. (Name 01) befürchte weiter, dass der Vater über die angeforderten Informationen versuchen würde, wieder Einfluss auf ihr Leben zu nehmen. Sie wolle sich davor schützen, dass er ihr Leben schlecht mache und sie - erneut - das Gefühl bekomme, dass sie seinen Erwartungen und denjenigen der Großeltern nicht gerecht werden könne.

Auf die zuletzt, im Januar 2021, übermittelten Zeugniskopien hätte er lediglich nach der Ursache der vielen Fehltage gefragt, weder hätte er die schulische Leistung der Kinder gewürdigt, noch irgendetwas Positives zu der Auskunft geäußert. Vater und Großeltern väterlicherseits hätten in der Vergangenheit hohe Anforderungen im Hinblick auf die schulischen Leistungen gestellt. Seine Anforderung von Zeugniskopien nähre (Name 01) Befürchtung, dass aus seiner Familie wieder nur anklagende Stellungnahmen erfolgen werden. Eine positive Auseinandersetzung mit ihren Leistungen sei nicht zu erwarten.

Überdies befürchte sie, dass der Vater anhand der Zeugniskopien herausfinde, welche Schule sie besuche. Zuletzt habe er sich in ihre schulischen Belange derart eingemischt, dass sie (wie ihre Schwester) eine Schuldistanz entwickelt habe.

Die Informationen zur psychologischen Behandlung (Name 01) unterlägen deren Selbstbestimmungsrecht, das das Informationsinteresse des Vaters überwöge. Soweit sich die Anfrage auf einen mehr als zwei Jahre zurückliegenden Zeitraum beziehe, bestehe hierauf schon kein Anspruch.

Dasselbe gelte für sein Auskunftsverlangen über die Gründe des zwei Jahre zurückliegenden Umzugs. Insoweit handle es sich auch nicht um persönliche Verhältnisse des Kindes.

(Name 01) wolle nicht, dass der Vater Fotos von ihr erhalte.

(Name 01) hat schriftlich geäußert (Bl. 38), sich sehr unwohl bei dem Gedanken zu fühlen, dass ihr Vater Bilder oder Zeugnisse von ihr erhalte, weil dies sehr persönliche Sachen seien. Sie betone nochmals, "keinen Kontakt" mit ihrem Vater zu wollen und sich zu wünschen, dass er dies akzeptiere und respektiere. Kontaktversuche seinerseits machten sie traurig und wütend.

Das Amtsgericht hat die Eltern und die Verfahrensbeiständin persönlich angehört. (Name 01) hat sich persönlich schriftlich geäußert.

Mit seiner angefochtenen Entscheidung hat das Amtsgericht die Antragsgegnerin unter Antragsabweisung im Übrigen verpflichtet, dem Antragsteller Auskunft über (Name 01) zu erteilen,

über die schulische Entwicklung durch Übersendung von Kopien von (Name 01) Schulzeugnissen der Schuljahre 2018/19 bis 2024/25, wobei die Angaben zur Bezeichnung und zum Ort der Schule ab dem Jahr 2021 unkenntlich gemacht werden könnten;

halbjährlich ab Ende Juni 2023 über (Name 01) Persönlichkeitsentwicklung durch Übersendung eines aktuellen, verschiedenen Kriterien genügenden Lichtbildes;

für den Fall einer stationären medizinischen Behandlung - mit Ausnahme einer psychiatrisch oder gynäkologisch indizierten - durch Übersendung des Entlassungsbriefes;

für den Fall der Aufnahme einer Berufsausbildung durch Übersendung einer Kopie des Ausbildungsvertrages zu informieren.

Mit ihren hiergegen gerichteten Beschwerden machen die Antragsgegnerin und die Verfahrensbeiständin geltend, (Name 01) sei mit der Weitergabe der persönlichen Auskünfte über sie an den Vater nicht einverstanden und wünsche die Einlegung eines Rechtsmittels. Die Jugendliche verstehe nicht, warum das Amtsgericht ihren ausdrücklichen Wunsch nicht respektiert habe. Sie habe geäußert, sich bei dem Gedanken an die Weitergabe der Zeugnisse an den Vater unwohl zu fühlen, da die Leistungen ihm nach ihrer Erwartung ohnehin nicht genügen würden. Unter keinem Umstand könne sie sich vorstellen, dass Fotos von ihr, die extra gefertigt werden müssten, an ihren Vater herausgegeben würden. Selbst bei Übersendung ihres Passbildes wäre ihr noch unwohl. Sie wolle auch keine Information des Vaters über etwaige gesundheitliche Beschwerden, jedenfalls nicht in Gestalt der Übersendung einer ausführlichen Epikrise. Hinsichtlich eines Ausbildungsvertrages hege sie erhebliche Bedenken, weil sich hieraus der Ausbildungsbetrieb erkennen ließe und sie erwarte, dass der Vater auch nicht mit allen Berufen einverstanden wäre. Insgesamt befürchte die Jugendliche, dass ein Informationsfluss über ihre Person in Richtung des Vaters zu Kontaktversuchen seinerseits über die Mutter führen werde. Sie sei enttäuscht, dass ihr Vater ihre Willensäußerungen nicht akzeptiere.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Beschluss des Amtsgerichts Frankfurt (Oder), Zweigstelle Eisenhüttenstadt, vom 27.3.2023 aufzuheben und die Anträge des Antragstellers zurückzuweisen.

Die Verfahrensbeiständin formuliert keinen Beschwerdeantrag.

Der Antragsgegner beantragt der Sache nach,

die Beschwerden zurückzuweisen.

Der Senat hat die Vollziehung des angefochtenen Beschlusses auf Antrag der Beschwerdeführerinnen durch Beschluss vom 4.7.2023 einstweilen ausgesetzt.

Der Senat hat die Verfahrensakten des Amtsgerichts Pankow-Weißensee (15 F 1522/14, 15 F 201/16, 15 F 5400/21), des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg (125 F 11727/18, 125 F 13256/18, 125 F 785/19) und des Amtsgerichts Eisenhüttenstadt (3 F 102/22, 3 F 103/22, 3 F 113/22 die Beteiligten auf die Absicht hingewiesen, über die Beschwerden ohne erneuten Erörterungstermin zu entscheiden und das Verfahren auf die Berichterstatterin als Einzelrichterin übertragen, die die Jugendliche im Wege der Bild- und Tonübertragung angehört hat. Wegen des Ergebnisses der Anhörung nimmt das Beschwerdegericht auf den Vermerk über die Anhörung (Name 01) vom 6.10.2023 Bezug.

Das Beschwerdegericht entscheidet ohne erneuten Erörterungstermin. Das Amtsgericht hat die Beteiligten mit Ausnahme der Jugendlichen persönlich angehört und die Sache erörtert. In zweiter Instanz haben sich die Beteiligten umfassend schriftlich geäußert und das Gericht hat die Jugendliche persönlich im Wege der Bild-Ton-Übertragung angehört. Es ist nicht ersichtlich, zu welchen weiteren oder besseren Erkenntnismöglichkeiten ein weiterer Termin führen könnte.

II.

Die statthaften und auch im Übrigen zulässigen Beschwerden haben in der Sache teilweise Erfolg.

Über den tenorierten Umfang hinaus kann der Antragsteller von der Antragsgegnerin keine Auskunft über die Entwicklung der gemeinsamen Tochter (Name 01) beanspruchen.

1. Jedem Elternteil steht nach § 1686 BGB bei berechtigtem Interesse das Recht zu, von dem anderen Elternteil Auskunft über die persönlichen Verhältnisse des Kindes zu verlangen, soweit dies dem Kindeswohl nicht widerspricht. Ein berechtigtes Interesse des auskunftsberechtigten Elternteils an der Erteilung der Auskunft über die persönlichen Verhältnisse des Kindes liegt regelmäßig vor, wenn er keine andere Möglichkeit hat, sich über die Entwicklung des Kindes zu unterrichten. Regelmäßig wird ein berechtigtes Interesse vorliegen, wenn der auskunftsbegehrende Elternteil nicht personensorgeberechtigt ist und sein Umgangsrecht durch gerichtliche Entscheidung nach § 1684 Abs. 4 BGB eingeschränkt oder ausgeschlossen wurde. Es ist auch dann gegeben, wenn das Kind wegen geringen Alters oder einer Krankheit nicht selbst berichten kann oder den Kontakt in jeder Form mit dem Auskunftsbegehrenden völlig ablehnt. Das berechtigte Interesse fehlt, wenn der berechtigte Elternteil sich die Kenntnis in zumutbarer Weise selbst - beispielsweise beim nächsten Kontakt mit dem Kind - beschaffen kann (vgl. Götz, in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 1686 Rn. 2 ff.) oder der Auskunftsbegehrende mit der Auskunft dem Wohl des Kindes abträgliche Zwecke verfolgt oder das Auskunftsrecht missbrauchen will, was jedoch nur bei akuter Gefahr des Missbrauchs gerechtfertigt ist (vgl. OLG Hamm, FamRZ 10, 909).

Nach diesen Maßstäben ist der Antragsteller auskunftsberechtigt. Weder kann er sich die Informationen in zumutbarer Weise auf anderem Wege beschaffen, noch liegen Hinweise auf eine Missbrauchsgefahr vor.

a) Da der Kindesvater weder personensorgeberechtigt ist, noch Umgang mit seiner Tochter hat, die insgesamt jeden Kontakt zu ihm ablehnt, stellt der Auskunftsanspruch die einzige Möglichkeit dar, sich über ihre Entwicklung zu informieren und an ihrem Leben teilzuhaben.

b) Der Ausschluss des Auskunftsanspruchs würde in dieser Situation einen schweren Eingriff in das Elternrecht des Antragstellers nach Art. 6 Abs. 1 GG darstellen. Eine solche Maßnahme ist nur dann gerechtfertigt, wenn die akute Gefahr des Missbrauchs durch den Auskunftsberechtigten besteht und mildere Mittel zum Schutz des betroffenen Kindes nicht verfügbar sind (vgl. OLG Hamm, FamRZ 2010, 909 f., nach juris: Rn. 20).

Für die Annahme einer Missbrauchsgefahr fehlt eine ausreichende Tatsachengrundlage. Nicht tragend ist insoweit das Vorbringen der Mutter, der Antragsteller wolle sich lediglich bestätigt fühlen, dass die Mutter die Kinder nicht gut betreue und versorge und (Name 01) bei ihm viel besser aufgehoben war, es gehe ihm gar nicht um die Informationen zur Tochter.

Anhaltspunkte dafür, dass der Vater sich nur vordergründig für seine Tochter interessiert, ergeben sich aus dem Akteninhalt nicht. In seinen persönlichen Schreiben legt er unter anderem dar, wie sehr er den Kontakt zu seinem Kind vermisst. Selbst wenn er der Meinung ist, die Tochter wäre bei ihm besser aufgehoben, und - wie von der Antragsgegnerin unterstellt - beabsichtigte, seine Auffassung auf der Grundlage der erstrebten Informationen zu erhärten, so ergeben sich hieraus keine tatsächlichen Anhaltspunkte für eine Missbrauchsbesorgnis. Die persönliche Bewertung von Informationen liegt, selbst wenn sie in dem von der Antragsgegnerin befürchteten Sinn erfolgen sollte, einem Missbrauch fern.

Auch die Befürchtung der betroffenen Jugendlichen, der Vater könnte ihre Entscheidungen oder Leistungen abwerten, begründet keine Missbrauchsgefahr. Selbst wenn die von der Jugendlichen geäußerte Befürchtung zutrifft, der Vater würde ihre Entscheidungen - etwa zur Berufswahl - missbilligen oder ihre Leistungen be- oder gar abwerten, so begründete auch dies keine Missbrauchsgefahr, zumal der Antragsteller ohne Weiteres gar nicht erkennbar in der Lage wäre, sich direkt mit (Name 01) in Verbindung und sie über entsprechende Einschätzungen in Kenntnis zu setzen. Die Freiheit, Sachverhalte für sich zu bewerten, kann dem Antragsteller nicht abgesprochen werden.

Dass er oder - nach Weitergabe von Informationen - seine Eltern von seiner Tochter unerwünscht - eine persönliche Begegnung mit ihr herbeiführen, ist auf der Grundlage des Beteiligtenvortrags nicht naheliegend. Der Antragsteller hat zuletzt in seinem Schreiben vom 3.11.2023 ausgeführt, dass er keinen persönlichen Kontakt mit (Name 01) herbeizuführen oder ansonsten eine Kontaktaufnahme von ihr zu erzwingen beabsichtige. Tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass dies nur vordergründige Behauptungen wären, benennen weder die Beschwerdeführerinnen noch sind solche ersichtlich.

2. Auskunft nach § 1686 BGB kann nur verlangt werden, soweit dies dem Wohl des Kindes nicht widerspricht. Das Wohl des Kindes ist folglich nicht Maßstab für die Gewährung der Auskunft, sondern begrenzt das Auskunftsrecht lediglich. Nur wenn und soweit konkrete Umstände dafür sprechen, dass durch die Erfüllung des Auskunftsverlangens das Kindeswohl beeinträchtigt werden kann, darf die Auskunft ausgeschlossen oder eingeschränkt werden. Für das Kindeswohl sind die Ziele, die der Antragsteller mit dem Auskunftsbegehren verfolgt, jedoch nur dann von Belang, wenn ihre Verwirklichung konkret in den Lebenskreis des Kindes eingreift. Darüber hinaus ist das Alter des Kindes hinsichtlich des Umfanges des Auskunftsanspruches zu berücksichtigen, insbesondere dann, wenn das Kind fast volljährig ist. Die wachsende Reife und Selbstbestimmungsfähigkeit des Heranwachsenden führt im Bereich seiner geschützten Intimsphäre dazu, dass die elterliche Sorge sich in ihrer Funktion wandelt und mehr und mehr zurückweicht (vgl. auch OLG Hamm, Beschluss vom 10.1.1995 - 15 W 269/94 -, nach juris: Rn. 26). Der Personensorgeberechtigte ist daher nach § 1686 BGB nicht verpflichtet, über höchstpersönliche Angelegenheiten des Heranwachsenden, in denen dieser selbst entscheiden kann, gegen dessen Willen Auskunft zu erteilen.

Gemessen hieran hat der Antragsteller im tenorierten Umfang ein berechtigtes Interesse, Auskunft über das gemeinsame Kind zu erhalten. Das Recht der Minderjährigen auf informationelle Selbstbestimmung begrenzt sein auf dem Elternrecht beruhendes Auskunftsrecht auf die Information über stationäre Krankenhausaufenthalte und deren Grund, über den Schulbesuch und die Information über die Aufnahme einer Berufsausbildung.

Der Umfang der Auskunft ist entsprechend dem Willen des Kindes einzuschränken, wenn dieses ein Alter und einen Entwicklungsstand erreicht hat, bei dem davon ausgegangen werden kann, dass es in der Lage ist, über Informationen über seine höchstpersönlichen Angelegenheiten selbst zu bestimmen (OLG Köln NZFam 2016, 1110). Einem Heranwachsenden ist damit bereits in der Zeit vor der nicht mehr weit entfernten Volljährigkeit hinsichtlich seiner persönlichen Angelegenheiten gemäß Art. 2 GG ein Selbstbestimmungsrecht zuzugestehen, das den auf Art. 6 GG beruhenden Auskunftsanspruch eines Elternteils einschränkt. Die Auskunftsverpflichtung erfährt eine Beschränkung mit Rücksicht auf das Kindeswohl nicht nur, wenn es sich um Umstände aus der Privat- und Intimsphäre handelt, die bereits in den Entscheidungsbereich des Minderjährigen selbst fallen, sondern auch bei solchen Belangen, die noch nicht in den persönlichen Entscheidungsbereich des Minderjährigen fallen. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn zu besorgen ist, dass der Auskunftsberechtigte die Auskunft in einer Weise verwenden wird, die zu einer Beeinträchtigung des Kindeswohls führt, insbesondere wenn Übergriffe in die elterliche Sorge zu befürchten sind (BGH FamRZ 2017, 1666; OLG München FamRZ 2022, 1536).

a) Ob Versuche des Antragstellers zu erwarten sind, nach Erhalt der erstrebten Informationen erzieherischen Einfluss auf (Name 01) zu nehmen, was angesichts seiner Haltung, sich "lediglich moderat um Kontakt per SMS" (Bl. 61 elA) zu bemühen, jedenfalls nicht auszuschließen ist, oder mit Blick auf seine geäußerte Einsicht, dass er abwarten müsse, bis sich (Name 01) von sich aus melde, eher nicht, kann letztlich dahinstehen. Der Wille des heranwachsenden Kindes ist im Hinblick auf dessen Reife und Entwicklungsstand auch im Hinblick auf die Informationsrechte der Eltern aus § 1686 BGB hier jedenfalls zu beachten und steht umfassenderen Informationsrechten des Antragstellers entgegen.

b) Die eigene Willensbildung ist Ausdruck der Individualität und Persönlichkeit des Kindes, die ihrerseits dem grundrechtlichen Schutz nach Art. 2 und 1 GG unterliegen. Zur Persönlichkeitsentwicklung gehört auch, dass der wachsenden Fähigkeit eines Kindes zu eigener Willensbildung und selbstständigem Handeln Rechnung getragen wird, das Kind dies erfährt und sich so zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit entwickeln kann (vgl. BVerfG FamRZ 2008, 1737). Dies gilt umso stärker, je älter und damit reifer das Kind ist (OLG Koblenz FamRZ 2019, 298).

aa) Das Beschwerdegericht hat sich bei der Anhörung der Jugendlichen im Wege der Bild-Ton-Übertragung einen persönlichen Eindruck von ihr verschafft, auch um die Hintergründe ihrer Ablehnung zu erhellen. Die 16jährige (Name 01), die nach dem Eindruck des Beschwerdegerichts in ihren Ansichten und Wünschen sehr klar ist, altersgemäß ihren Willen bilden und sich prägnant ausdrücken kann, möchte nicht, dass der Vater ein Foto von ihr oder Informationen über ihre schulischen Leistungen, ihren Ausbildungsweg und umfassende Auskünfte zu etwaigen Krankenhausaufenthalten erhält. Zur Begründung führte sie ihre Sorge davor an, dass der Kindesvater ihre Leistungen und Berufswahl nicht akzeptieren, sondern abwerten und Kontakt zu ihr suchen würde. Sie fühle sich deshalb traurig, wütend und belastet. Insoweit wolle sie über die Weitergabe dieser Informationen entscheiden können.

bb) Greifbare Anhaltspunkte dafür, dass (Name 01) etwa nur dem Interesse ihrer Mutter, keine Informationen herausgeben zu müssen, zur Wirkung verhelfen wollte, haben sich nicht ergeben. Im Übrigen wäre selbst manipulierter Wille nicht ohne Weiteres unbeachtlich (vgl. BVerfG FamRZ 2016, 1917). Für den Fall der Umgangsablehnung durch ein Kind hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass selbst ein auf einer bewussten oder unbewussten Beeinflussung beruhender Wunsch beachtlich sein kann, wenn er Ausdruck echter und damit schützenswerter Bindungen ist. Das Außerachtlassen des beeinflussten Willens sei daher nur dann gerechtfertigt, wenn die manipulierten Äußerungen des Kindes den wirklichen Bindungsverhältnissen nicht entsprechen (vgl. BVerfG a. a. O., BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 25. April 2015 - 1 BvR 3326/14 -, juris, Rn. 17 m.w.N.).

Übertragen auf den vorliegenden Fall führen diese Kriterien zur Beachtlichkeit des Willens der Jugendlichen. (Name 01) Wille zur selbstbestimmten Informationsweitergabe aus dem Bereich höchstpersönlicher Angelegenheiten wie ausführliche Informationen zum Gesundheitszustand in Gestalt von Epikrisen, schulische Leistungen, Berufswahl, aktuelles persönliches Foto, ist zu respektieren und begrenzt aus Gründen des Kindeswohls den Auskunftsanspruch. Mit fortschreitendem Alter nimmt die Fähigkeit des Kindes zu, eigenverantwortlich zu entscheiden und zu handeln, § 1626 Abs. 2 S. 1 BGB (BeckOGK BGB/Tillmanns, § 1686 BGB Rn. 21). (Name 01) weist nach dem gewonnenen Eindruck bereits eine Reife und Selbstbestimmungsfähigkeit auf, welche das Bestimmungsrecht der sorgeberechtigten Kindesmutter einschränkt, bestimmte Informationen über die gegenständlichen höchstpersönlichen Angelegenheiten des Kindes an den Vater weiterzugeben. Insoweit kann die Kindesmutter hierzu auch nicht durch das Gericht verpflichtet zu werden. (Name 01) hat ihre Ablehnung der Weitergabe konkreterer Informationen über ihre Person auf ihre Befürchtung der Abwertung durch den Vater und ihr damit verbundenes starkes Unbehagen gestützt. Ob diese Befürchtung ihren Ursprung zumindest auch in äußerer Beeinflussung etwa durch die Kindesmutter hat, vermag das Gericht nicht zu beurteilen. Es spielt aber hier auch keine entscheidende Rolle. (Name 01) äußert diese Befürchtung und Ablehnung konstant seit längerer Zeit und unterlegt sie mit der Beschreibung persönlicher Missgefühle, die sie befielen, wenn die vom Vater begehrten Auskünfte vollständig erteilt würden. Überdies hat sie sich bestürzt darüber geäußert, dass ihr ausdrücklicher Wille weder vom Antragsteller noch vom erstinstanzlichen Gericht respektiert werde. Im Laufe des Verfahrens und der persönlichen Anhörung der betroffenen Jugendlichen ergaben sich keine Anhaltspunkte für Zweifel an der Wahrhaftigkeit ihres Willens.

cc) Bei der 16jährigen (Name 01) nimmt das Beschwerdegericht überdies in den Blick, dass sie mit der Kundgabe ihres Willens von ihrem Recht zur Selbstbestimmung Gebrauch gemacht hat, dem in ihrem Alter bereits erhebliche Bedeutung zukommt. Die Erteilung von persönlichen Auskünften gegen ihren wiederholt und nachdrücklich geäußerten Willen würde sich auch angesichts ihres ausgedrückten Unverständnisses über dessen Nichtberücksichtigung (Bl. 62) eignen, bei (Name 01) die Erfahrung der Missachtung der eigenen Persönlichkeit und mangelnder Selbstwirksamkeit zu verursachen. Dies wäre geeignet, ihr seelisches Wohl zu beeinträchtigen. Dabei kommt es im Ergebnis nicht darauf an, ob ihr ablehnender Wille (auch) auf einer bewussten oder unbewussten Beeinflussung beruht. Er entspricht der familiären und persönlichen Situation, in der sie sich seit ihrem Wechsel zur Mutter befindet und ist aus ihrer hier maßgeblichen, von ihr beschriebenen Sicht auch nicht gänzlich unverständlich.

III.

1. Die Vollstreckung einer gerichtlichen Entscheidung über das Auskunftsrecht bestimmt sich nach §§ 86 f. FamFG, § 95 Abs. 1 Nr. 3 FamFG (BGH FamRZ 2017, 918 Rn. 12 ff.; BeckOK BGB/Veit, 67. Ed. 1.1.2023, § 1686 BGB Rn. 22). Bei der Verpflichtung zur Auskunftserteilung nach § 1686 BGB handelt es sich nicht um eine Regelung des Umgangs im Sinne des § 89 Abs. 1 FamFG, sondern um eine nicht vertretbare Handlung nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 FamFG, § 888 ZPO. Dies hat zur Folge, dass es der Erteilung eines Hinweises nach § 89 Abs. 2 FamFG und einer vorherigen Androhung der Zwangsmittel nicht bedarf, § 95 Abs. 1 Nr. 3 FamFG iVm § 888 Abs. 2 ZPO (BeckOK BGB/Veit, a. a. O.).

2. Die Kostenentscheidung für beide Instanzen folgt aus § 81 FamFG. Es entspricht billigem Ermessen, dem Antragsteller und der Antragsgegnerin die gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens jeweils hälftig aufzuerlegen und eine Erstattungspflicht hinsichtlich außergerichtlicher Kosten nicht anzuordnen.

3. Der Wert für das Beschwerdeverfahren wird auf 4.000 Euro festgesetzt (nach § 45 Abs. 1 Ziffer 3 FamGKG (OLG Köln, Beschluss vom 28. Juni 2016 – II-10 UF 21/15 –, Rn. 9 - 24, juris).

Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor, § 70 Abs. 2 FamFG.