Gericht | OLG Brandenburg 10. Zivilsenat | Entscheidungsdatum | 07.09.2023 | |
---|---|---|---|---|
Aktenzeichen | 10 U 129/22 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2023:0907.10U129.22.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 7. Juli 2022, Az. 2 O 405/21, wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Dieses Urteil und die angefochtene Entscheidung sind vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 29.916,76 € festgesetzt.
I.
Die Klägerin nimmt die beklagte Fahrzeugherstellerin wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch.
Die Klägerin hatte das mit einem Motor des Typs OM 651 (Abgasnorm 5) ausgestattete Fahrzeug vom Typ Mercedes-Benz GLK 220 CDI 4MATIC; Erstzulassung 2013, im Jahr 2016 von einer nicht am Rechtsstreit beteiligten Händlerin bei einer Laufleistung von 69.300 km zum Preis vom 36.490 € erworben. Ein SCR-System kommt in dem Fahrzeug nicht zum Einsatz. Die Typgenehmigung für den streitgegenständlichen Fahrzeugtyp ist von nachträglichen Nebenbestimmungen des Kraftfahrt-Bundesamts („KBA“) wegen der Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung („KSR“) betroffen. Das Fahrzeug der Klägerin wurde allerdings nicht zurückgerufen, weil am 15. Mai 2019 und damit vor dem Rückruf ein vom KBA genehmigtes Software-Update aufgespielt worden war. Das KBA hatte das Update vor Freigabe umfangreich geprüft.
Die Menge der Abgasrückführung wird im streitgegenständlichen Fahrzeug unter anderem in Abhängigkeit von der Außentemperatur gesteuert (sog. „Thermofenster"). Ab einer Außentemperatur von unter 14° C und über 35°C wird die Abgasrückführung mit abnehmenden Temperaturen stufenweise reduziert und irgendwann komplett abgeschaltet. Durch das Software-Update wurde die Bandbreite des Thermofensters ausgeweitet, eine schrittweise Reduzierung der Abgasrückführung findet nunmehr unter 4° C und über 49° C statt.
Zudem enthielt die Motorsteuerungssoftware des streitgegenständlichen Fahrzeuges eine sog. KSR mit zwei unterschiedlichen Modi: bei geringer Motordrehzahl und geringem Luftmengenstrom wurde die Kühlmitteltemperatur bei 70°C belassen; unter anderen Bedingungen wurde die Kühlmitteltemperatur auf 100°C erhöht. Eine Reduzierung der Kühlmitteltemperatur auf 70° C war dann frühestens wieder nach 54 Minuten möglich. Diese Funktion wurde durch das auf das Fahrzeug aufgespieltes Software-Update entfernt.
Zum ursprünglich verbauten Thermofenster hat die Klägerin behauptet, die Deaktivierung der Abgasrückführungsrate sei zum Schutz des Motors nicht erforderlich. Im Übrigen ist sie der Ansicht, eine Abschalteinrichtung, die unter Bedingungen eingreife, die zu den alltäglichen Nutzungsbedingungen gehören würden, könne niemals notwendig im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Satz 2 lit. a) EG-VO 715/2007 (im Nachfolgenden: „Emissions-Grundverordnung“) sein. Sie hat weiter geltend gemacht, die Abschalteinrichtung sei auch deswegen nicht notwendig, weil nach dem Stand der Technik Konstruktionen bekannt und möglich gewesen seien, die das Abschalten entbehrlich machen würden, ohne dass der Motor Schaden nehme.
Sie hat weiter behauptet, dass das Fahrzeug über eine Kühlerjalousie verfüge. Zusätzlich zur Erhöhung der KSR im „heißen" Modus werde die Kühlerjalousie erst ab 105° C geöffnet, während sie im „kalten" Modus bereits bei 69° C geöffnet werde. Die bessere Kühlung sorge für eine bessere Abgasrückführung. Im Straßenbetrieb sei die Jalousie dagegen geschlossen, was zu einem besseren Luftwiderstand führe.
Erstinstanzlich hat die Klägerin beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, Zug um Zug gegen Übereignung des Fahrzeugs der Marke Mercedes-Benz mit der Fahrgestellnummer WDC2049841G166529 an die Klägerin den Kaufpreis i.H.v. 36.490 € abzüglich eines Nutzungsentschädigungsbetrages i.H.v. 15.361,07 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 26.730,86 € seit dem 29. September 2021 bis 11. Mai 2022 sowie aus 21.128,93 € ab dem 12. Mai 2022;
2. festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des Fahrzeugs gemäß vorstehender Ziffer 1 in Annahmeverzug befindet;
3. die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin von den Kosten des außergerichtlichen Vorgehens in Höhe von 1.501,09 € zu freizustellen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
Sie hat die Einrede der Verjährung erhoben.
Sie hat behauptet, die für die Beklagte handelnden Personen seien vertretbar von der Zulässigkeit des Thermofensters ausgegangen (Bl. 89 LGA). Es sei fernliegend, dass diese ihr Tun als rechtswidrig eingeschätzt haben sollten.
Die Beklagte ist der Ansicht, nach der Rechtsprechung des EuGH komme es im Kern auf einen finalen bzw. intentionalen Zusammenhang zwischen Parameterermittlung und Erlangung der Typengenehmigung an, ein System, das im tatsächlichen Fahrbetrieb unter denselben Bedingungen genauso funktioniere wie auf dem Prüfstand, stelle schon keine Abschalteinrichtung dar (Bl. 86 LGA).
Das Landgericht hat die Klage mit dem angefochtenen Urteil, auf dessen tatsächliche Feststellungen im Übrigen gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, abgewiesen. Ein Schadensersatzanspruch nach §§ 826, 31 BGB sei nicht gegeben. Es fehle an der sittenwidrigen Schädigung. Entscheidend sei darauf abzustellen, dass für das in Rede stehende Fahrzeug eine EG-Typgenehmigung erteilt worden sei, die Tatbestandswirkung entfalte. Dass das Fahrzeug von einem Rückruf betroffen sei, habe die Klägerin nicht dargetan.
Auch ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. den Vorschriften der Emissions-Grundverordnung und §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV stehe der Klägerin nicht zu, weil der geltend gemachte Schaden nicht von dessen Schutzzweck erfasst sei.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, die im Wesentlichen zunächst ihr erstinstanzliches Begehren weiter verfolgt, aber die abzuziehende Nutzungsentschädigung verringert hat. Ihre Anträge hat sie nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist um Hilfsanträge ergänzt.
Mit nachgelassenem Schriftsatz behauptet sie, der Kilometerstand des Fahrzeugs betrage 186.309.
Die Klägerin beantragt:
1. Unter Aufhebung des am 7. Juli 2022 verkündeten Urteils des Landgerichts Potsdam (2 O 405/21) wird die Beklagte und Berufungsbeklagte verurteilt, Zug um Zug gegen Übereignung des Fahrzeugs der Marke Mercedes mit der Fahrgestellnummer WDC2049841G166529 an die Klägerin und Berufungsklägerin den Kaufpreis in Höhe von 36.490,00 € abzüglich eines Nutzungsentschädigungsbetrages in Höhe von 6.573,24 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
2. festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des Fahrzeugs gemäß vorstehender Ziffer 1 in Annahmeverzug befindet;
3. die Beklagte zu verurteilen, die Kosten des außergerichtlichen Vorgehens in Höhe von 1.375,88 € zu freizustellen.
Hilfsweise:
I. Unter Aufhebung des am 7. Juli 2022 verkündeten Urteils des Landgerichts Potsdam (2 O 405/21) wird die Beklagte und Berufungsbeklagte verurteilt, der Klägerin bezüglich des Fahrzeugs der Marke Mercedes mit der Fahrgestellnummer WDC2049841G166529 einen Betrag, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, der jedoch 5.473,50 € bzw. 15% des ursprünglichen Kaufpreises betragen soll, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit, zu zahlen.
II. Die Beklagte und Berufungsbeklagte wird verurteilt, die Kosten des außergerichtlichen Vorgehens in Höhe von 1.501,19 Euro zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte ist der Ansicht, in dem Fahrzeug seien keine unzulässigen Abschalteinrichtungen verbaut, jedenfalls seien diese nach Art. 5 Abs. 2 S. 2 der Emissions-Grundverordnung zulässig.
Sie behauptet, es könne zum Schutz des Motors erforderlich sein, die Abgasrückführung abhängig von der Temperatur zu reduzieren (Bl. 90 GA). Die unter anderem temperaturabhängige Steuerung der Abgasrückführung im streitgegenständlichen Fahrzeug sei daran ausgerichtet, das Risiko eines plötzlichen Ausfalls des Motors und sicherheitskritische Situationen zu vermindern (Bl. 90 GA).
Sie behauptet, die Klägerin hätte das Fahrzeug auch bei Kenntnis der Abschalteinrichtungen gekauft, der Diesel-Skandal als solcher sei ihr bei Kauf bekannt gewesen, ebenso die daraus resultierenden Risiken.
Schließlich ist sie der Ansicht, ein etwaiger Vertrauensschaden sei durch das Software-Update vollständig kompensiert. Zudem sei bei einem solchen Anspruch der Restwert des Fahrzeugs abzuziehen, den sie - unbestritten - mit zwischen 16.000 € bei einer Laufleistung von 195.000 km und 17.700 € bei einer Laufleistung von 165.000 km beziffert.
II.
Die zulässige, insbesondere gem. §§ 517ff. ZPO frist- und formgerecht eingereichte Berufung hat in der Sache keinen Erfolg, weil die Entscheidung weder auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) beruht, noch nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.
1.
Die geltend gemachten Ansprüche stehen der Klägerin gegen die Beklagten aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu. Soweit die Klägerin die Anträge zunächst mit der Berufung erweitert und anschließend um Hilfsanträge ergänzt hat, ist die darin liegende Klageerweiterung gem. § 533 ZPO zulässig, weil sie sachdienlich ist und auf Tatsachen gestützt werden kann, die der Senat seiner Entscheidung über die Berufung ohnehin zugrundelegen muss.
a) Ein Anspruch gemäß §§ 826, 31 BGB gegen die Beklagte besteht nicht. Gemäß § 826 BGB ist, wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet. In analoger Anwendung von § 31 BGB haftet eine juristische Person für einen Schaden, den ein Mitglied ihres Vorstandes bzw. ein anderer verfassungsmäßig berufener Vertreter durch eine in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen begangene, zum Schadensersatz verpflichtende Handlung einem Dritten zufügt. Ein solcher Anspruch besteht jedenfalls deswegen nicht, weil die Beklagte bzw. ihre Vertreter nicht sittenwidrig handelten.
Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde vertragliche Pflichten oder das Gesetz verletzt oder bei einem anderen einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage tretenden Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann. Schon zur Feststellung der Sittenwidrigkeit kann es daher auf Kenntnisse, Absichten und Beweggründe des Handelnden ankommen, die die Bewertung seines Verhaltens als verwerflich rechtfertigen (vgl. etwa BGH, Urteil vom 28. Juni 2016 - VI ZR 536/15, NJW 2017, 250 Rn. 16; BGH, Urteil vom 14. Juli 2015 - VI ZR 463/14, MDR 2015, 1363; BGH, Urteil vom 22. Juni 1992 - II ZR 178/90, NJW 1992, 3167; BGH, Urteil vom 24. September 1991 - VI ZR 293/90, NJW 1991, 3282).
Hiervon ausgehend handelt ein Automobilhersteller gegenüber dem Fahrzeugkäufer sittenwidrig, wenn er entsprechend seiner grundlegenden strategischen Entscheidung im eigenen Kosten- und Gewinninteresse unter bewusster Ausnutzung der Arglosigkeit der Erwerber, die die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben und die ordnungsgemäße Durchführung des Typgenehmigungsverfahrens als selbstverständlich voraussetzen, Fahrzeuge mit einer Motorsteuerung in Verkehr bringt, deren Software bewusst und gewollt so programmiert ist, dass die gesetzlichen Abgasgrenzwerte nur auf dem Prüfstand beachtet, im normalen Fahrbetrieb hingegen überschritten werden, und damit unmittelbar auf die arglistige Täuschung der Typgenehmigungsbehörde abzielt (vgl. BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, ZIP 2020, 1179 Rn. 16-27). Ein solches Verhalten steht einer unmittelbaren arglistigen Täuschung der Fahrzeugerwerber in der Bewertung gleich (vgl. BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19 ZIP 2020, 1179 Leitsatz 1 und Rn. 23, 25).
aa) Nach diesen Grundsätzen bestehen keine Ansprüche der Klägerin gemäß §§ 826, 31 BGB. Selbst wenn man zugunsten der Klägerin unterstellt, in dem Fahrzeug seien bei Abschluss des Kaufvertrags unzulässige Abschalteinrichtungen in Form eines Thermofensters oder einer KSR verbaut gewesen, reicht dies nach den vorstehenden Maßstäben nicht aus, um dem Verhalten der für die Beklagte handelnden Personen ein objektiv sittenwidriges Gepräge zu geben. Der darin liegende Gesetzesverstoß wäre für sich genommen nicht geeignet, den Einsatz dieser Steuerungssoftware durch die für die Beklagte handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen zu lassen (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Januar 2021 - VI ZR 433/19 Rn. 16, ZIP 2021, 297; Beschluss vom 9. März 2021 - VI ZR 889/20 Rn. 26, VersR 2021, 661). Es fehlt daran, dass diese Personen bei der Entwicklung und/oder Verwendung der Steuerung des Emissionskontrollsystems in dem Bewusstsein handelten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahmen.
Zwar kann eine Prüfstandsbezogenheit einer unzulässigen Abschalteinrichtung den Rückschluss auf eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung zulassen (vgl. BGH, Beschluss vom 29. September 2021 – VII ZR 126/21, BeckRS 2021, 33038 Rn. 14; BGH, Urteil vom 16. September 2021 - VII ZR 190/20 u.a., BGH, Beschluss vom 9. März 2021 - VI ZR 889/20 Rn. 27, VersR 2021, 661; BGH, Beschluss vom 19. Januar 2021 - VI ZR 433/19 Rn. 18, ZIP 2021, 297). Die Prüfstandsbezogenheit ist eines der wesentlichen Merkmale, nach denen die den sogenannten Abgasskandal auslösende, von der Volkswagen AG im Motortyp EA 189 verwendete Manipulationssoftware nicht nur eine unzulässige Abschalteinrichtung darstellt, sondern die deutlich höheren Anforderungen an eine sittenwidrige vorsätzliche Schädigung im Sinne des § 826 BGB erfüllen kann (BGH, Beschluss vom 29. September 2021 – VII ZR 126/21, BeckRS 2021, 33038 Rn. 18, beck-online). Greifbare Anhaltspunkte für solche Prüfstandsbezogenheit der vermeintlich unzulässigen Abschalteinrichtungen sind für das gegenständliche Fahrzeug jedoch ebenso wenig wie sonstige auf eine sittenwidrige vorsätzliche Schädigung hindeutende Umstände dargelegt.
(1) Der von der Klägerin hinsichtlich des Thermofensters bemängelte Umstand, dass die Abgasrückführung im Fahrzeug durch eine temperaturabhängige Steuerung des Emissionskontrollsystems bei kühleren Temperaturen zurückgefahren werde, wobei eine signifikante Reduktion erfolge, reicht für sich genommen nicht aus, um dem Verhalten der für die Beklagte handelnden Personen ein sittenwidriges Gepräge zu geben, da er nicht auf eine Prüfstandserkennung hindeutet (vgl. BGH, Urteil vom 16. September 2021 – VII ZR 190/20 –, Rn. 19, juris; BGH, Urteil vom 13. Juli 2021 – VI ZR 128/20 –, Rn. 13, juris; Senat, Urteil vom 1. Dezember 2022 – 10 U 171/22, BeckRS 2022, 39939 Rn. 26, beck-online). Die behauptete Funktionsweise des Thermofensters führt nicht dazu, dass bei erkanntem Prüfstandsbetrieb eine verstärkte Abgasrückführung aktiviert und der Stickoxidausstoß gegenüber dem normalen Fahrbetrieb reduziert wird, sondern das Thermofenster arbeitet in beiden Fahrsituationen im Grundsatz in gleicher Weise. Bei dieser Sachlage hätte sich die Verwerflichkeit des Verhaltens der Beklagten durch die Implementation des Thermofensters nur dann fortgesetzt, wenn weitere Umstände hinzuträten, die das Verhalten der für sie handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen ließen. Hierfür ist nichts vorgetragen.
Der Senat kann insoweit offenlassen, ob ein exaktes Zuschneiden einer unzulässigen Abschalteinrichtung auf die Bedingungen im Prüfstand ein hinreichendes Indiz für sittenwidriges Handeln darstellen könnte (vgl. ebenfalls offenlassend BGH, Urteil vom 16. September 2021 – VII ZR 190/20 –, Rn. 20, juris). Denn ein solches exaktes Zuschneiden liegt bei einer auch vorliegend von der Klägerin benannten Temperaturbreite weit über den Prüfstand hinaus, in der das Thermofenster in unterschiedlichem Umfang zum Einsatz kommt, und Temperaturen im Prüfraum zwischen 20 bis 30 Grad Celsius nicht vor. Daher kommt das Thermofenster schon nach dem Vortrag der Klägerin sowohl auf dem Prüfstand als auch im Straßenbetrieb zur Anwendung.
(2) Ebenso besteht im Hinblick auf die KSR kein Anlass dafür, von der landgerichtlichen Feststellung abzuweichen, dass hinsichtlich des Verbaus dieser Funktion auf Seiten der Beklagten kein Bewusstsein vorlag, hiermit möglicherweise gegen die gesetzlichen Vorschriften zu verstoßen, und dieser Gesetzesverstoß billigend in Kauf genommen wurde.
Ein solches Bewusstsein könnte zwar vorliegen, wenn die Software den Prüfstand erkennen würde und die Funktion nur im Prüfstand aktivieren würde. Die Klägerin hat eine solche Prüfstandserkennung jedoch nicht schlüssig dargelegt. Ein Sachvortrag zur Begründung eines Anspruchs ist zwar bereits dann schlüssig und erheblich, wenn die Partei Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte Recht als in der Person der Partei entstanden erscheinen zu lassen. Die Angabe näherer Einzelheiten ist nicht erforderlich, soweit diese für die Rechtsfolgen nicht von Bedeutung sind. Das Gericht muss nur in die Lage versetzt werden, aufgrund des tatsächlichen Vorbringens der Partei zu entscheiden, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für das Bestehen des geltend gemachten Rechts vorliegen. Sind diese Anforderungen erfüllt, ist es Sache des Tatrichters, in die Beweisaufnahme einzutreten und dabei gegebenenfalls die benannten Zeugen oder die zu vernehmende Partei nach weiteren Einzelheiten zu befragen oder einem Sachverständigen die beweiserheblichen Streitfragen zu unterbreiten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. Januar 2012 – 1 BvR 1819/10 –, Rn. 15, juris; BGH, Urteil vom 18. Mai 2021 - VI ZR 401/19, juris Rn. 19; BGH, Beschluss vom 26. März 2019 - VI ZR 163/17, VersR 2019, 835 Rn. 11; BGH, Beschluss vom 28. Januar 2020 - VIII ZR 57/19, ZIP 2020, 486 Rn. 7). Diese Grundsätze gelten insbesondere dann, wenn die Partei keine unmittelbare Kenntnis von den ihrer Behauptung zugrunde liegenden Vorgängen hat (BGH, Urteil vom 18. Mai 2021 - VI ZR 401/19, juris Rn. 19; BGH, Urteil vom 10. Januar 1995 - VI ZR 31/94, VersR 1995, 433, juris Rn. 17; BGH, Beschluss vom 26. März 2019 - VI ZR 163/17, VersR 2019, 835 Rn. 13; BGH, Beschluss vom 28. Januar 2020 - VIII ZR 57/19, ZIP 2020, 486 Rn. 8; BGH, Beschluss vom 13. Dezember 2017 - IV ZR 319/16, VersR 2018, 890 Rn. 17). Allerdings ist der auf Vermutungen gestützte Sachvortrag einer Partei dann unbeachtlich, wenn die Partei ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich Behauptungen "aufs Geratewohl" oder "ins Blaue hinein" aufstellt (BVerfG, Beschluss vom 24. Januar 2012 – 1 BvR 1819/10 –, Rn. 15, juris).
Der Vortrag der Klägerin im vorliegenden Fall stellt solchen unbeachtlichen Vortrag „ins Blaue“ hinein dar. Greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Prüfstandserkennung sind nicht vorgetragen.
Sie ergeben sich im vorliegenden Fall nicht daraus, dass das KBA nachträgliche Nebenbestimmungen für den streitgegenständlichen Fahrzeugtyp angeordnet (und insoweit wegen vorherigem Software-Update nicht das Fahrzeug der Klägerin, aber andere Fahrzeuge desselben Fahrzeugtyps zurückgerufen) hat. Ein Verwaltungsakt des KBA, insbesondere ein verpflichtender Rückruf, kann zwar als hinreichender Anhaltspunkt für einen auf Vermutungen und unter Beweis gestellten Sachvortrag darstellen, dass die KSR ausschließlich im Prüfstand zur Anwendung kommt (vgl. zum verpflichtenden Rückruf: BGH, Beschluss vom 4. Mai 2022 – VII ZR 733/21, BeckRS 2022, 14779 Rn. 22ff., beck-online). Dies gilt aber nicht, wenn das KBA - wie im vorliegenden Fall - Auskünfte erteilt hat, dass es in der KSR keine Prüfstandserkennung erblickt (vgl. die erstinstanzlich vorgelegten Auskünfte vom 19. April 2021 und vom 16. Oktober 2020, Ablage B2 und B3). Denn dann ergeben sich aus der Anordnung nachträglicher Nebenbestimmungen gegenüber der Beklagten gerade auch bei Unkenntnis des genauen Inhalts dieser Anordnung für die Klägerin keine Anhaltspunkte dafür, dass die Funktion nur im Prüfstand aktiviert wird und dies den Rückschluss auf eine Täuschungsabsicht und entsprechendes Unrechtsbewusstsein der handelnden Personen bietet. Ohnehin trägt die Klägerin auch nicht vor, dass die KSR nur im Prüfstand zum Einsatz kommt. Vielmehr räumt auch sie ein, dass die Aktivierungsbedingungen auch im Straßenbetrieb greifen können, hält diese allerdings für praktisch kaum vorkommend. Dann gilt aber, dass für einen Anspruch nach § 826 BGB das Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung nicht genügt, sondern weitere Umstände hinzutreten müssen, die das Verhalten der für den Motorhersteller handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen lassen (BGH, Beschluss vom 4. Mai 2022 - VII ZR 733/21, - juris Rn. 17 mwN) und die Tatsache, dass eine Manipulationssoftware ausschließlich im Prüfstand die Abgasreinigung verstärkt aktiviert, eine arglistige Täuschung der Genehmigungsbehörden indiziert (BGH, aaO, Rn. 18 mwN), aber nicht durch die Behauptung schlüssig vorgetragen wird, dass die KSR auf dem Prüfstand stets, aber nicht bei allen Realfahrten greift (vgl. BGH Beschluss vom 5. September 2022 – VIa ZR 51/21, BeckRS 2021, 58480 Rn. 10, beck-online).
Entsprechende greifbare Anhaltspunkte ergeben sich insbesondere nicht daraus, dass ein anderes Oberlandesgericht zu einem anderen Fahrzeug, das einer anderen Abgasnorm (Euro 6) unterliegt und anders als das streitgegenständliche Fahrzeug über einen SCR-Katalysator verfügte, von einer Prüfstandserkennung ausgegangen ist.
Entsprechende greifbare Anhaltspunkte für eine Prüfstandserkennung ergeben sich auch nicht aus dem Gutachten des Sachverständigen Dr. H... vom 12. November 2020 zu einem Verfahren 27 O 230/18 vor dem Landgericht Stuttgart, mit dem unzulässige Abschalteinrichtungen in einem von der Beklagten hergestellten Fahrzeug untersucht werden sollten
Der Sachverständige Dr. H... ist in seinem Gutachten für das Landgericht Stuttgart bei einer Auswertung der Motorsteuerungssoftware nicht etwa zu dem Ergebnis gelangt, dass eine Abhängigkeit der Funktion von einer Prüfstandserkennung vorliege, sondern nur, dass ein De-Aktivierungskriterium, nämlich die Überschreitung einer Motordrehzahl von 1500 U/min für mehr als 5 Sekunden, schon beim „ersten normalen Anfahren“ verwirklicht sei. Eine Abhängigkeit der Funktion von dem Erkennen der sog. Vorkonditionierung hat auch dieser Sachverständige nicht bestätigt; auch sonst ist eine solche Abhängigkeit nirgends beschrieben worden (vgl. BGH, Hinweisbeschluss vom 13. Oktober 2021 - VII ZR 179/21, juris Rn.25). Überdies zeigt die genauere Betrachtung des Gutachtens des Sachverständigen Dr. H..., dass die Aussage dieses Sachverständigen auf einer von ihm selbst eingeräumten fehlerhaften Darstellung des Kennfelds der Motorsteuerung beruht. Der ursprünglichen Darstellung des Kennfelds (S. 2 des Gutachtens vom 12. November 2020) könnte zwar entnommen werden, dass bei Motordrehzahlen oberhalb von 1500 U/min keine Sollwertabsenkung erfolgt. Diese Darstellung des Kennfelds hat der Sachverständige jedoch selbst als unplausibel erkannt - was sich an den beiden rechten Spalten des Kennfeldes zeigt -, während bei einer Vertauschung der Kennfeldachsen die Unplausibilität verschwindet. Das sich dann ergebende Kennfeld (dargestellt auf S. 3 des Gutachtens) zeigt aber, dass auch noch bei Motordrehzahlen von 2500 U/min bis zu einem bestimmten Luftmassenstrom die Sollwertabsenkung vorgesehen ist. Diesen Umstand hat der Sachverständige Dr. H... bei seiner Aussage zur angeblichen Prüfstandserkennung unberücksichtigt gelassen (OLG Nürnberg 14. Juni 2021 – 5 U 144/20 Beck online Rn. 30). Sein Gutachten liefert daher keinen Anhaltspunkt für die Behauptung des Kllägers, die zur Emissionsminderung eingesetzte Regelung werde nur auf dem Prüfstand aktiv, nicht aber im Realbetrieb.
Hinzu kommt, dass der Sachverständige Dr. H... auf S. 4 seines Gutachtens ausführt: „Ob die hier beschriebene Absenkung der Kühlmittelsolltemperatur auch im normalen Fahrbetrieb auftreten kann, oder ob, umgekehrt, die Umschaltung auf die normale Kühlmittelsolltemperatur beim NEFZ möglich ist, kann ein Kfz-Sachverständiger besser beurteilen.“ Damit lässt sich dem Gutachten nichts dazu entnehmen, ob die KSR eine Prüfstandserkennung aufweist, (vgl. verneinend OLG Karlsruhe, Urteil vom 22. September 2021 – 6 U 13/20 –, Rn. 104, juris).
Auch aus den in Bezug genommenen Verurteilungen von Mitarbeitern der Beklagten folgen schon deswegen keine Anhaltspunkte für eine Prüfstandserkennung bzw. einen bewussten Rechtsverstoß, weil diese Verurteilungen Fahrzeuge der Abgasnorm Euro 6 betrafen.
Der Senat teilt schließlich auch nicht die Auffassung der Klägerin, dass den Fahrzeughersteller die Beweislast bzw. eine sekundäre Darlegungslast dafür trifft, dass er die (unterstellte) Abschalteinrichtungen für zulässig gehalten habe und deswegen den Grund anführen müsse, aus dem die (unterstellten) Abschalteinrichtungen für zulässig gehalten worden seien. Vielmehr entspricht es ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass die Annahme von Sittenwidrigkeit jedenfalls voraussetzt, dass die verantwortlich handelnden Personen bei der Entwicklung und/oder Verwendung der temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems in dem Bewusstsein handelten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahmen und dass die Darlegungs- und Beweislast für diese Voraussetzung nach allgemeinen Grundsätzen der Geschädigte als Anspruchsteller trägt (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Januar 2021 – VI ZR 433/19, NJW 2021, 921 Rn. 19, beck-online). Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 8. Dezember 2021 - VIII ZR 190/19 betraf kaufrechtliche Gewährleistungsansprüche und damit andere Maßstäbe als für einen Anspruch wegen sittenwidriger Schädigung.
(3) Ein Anspruch der Klägerin ergibt sich auch nicht im Hinblick auf eine Kühlerjalousie, deren Einbau in dem streitgegenständlichen Fahrzeug streitig ist. Da diese nach dem Vortrag der Klägerin unter denselben Bedingungen, wie die KSR zum Einsatz kommen soll, wären - wenn die Funktion im Fahrzeug vorhanden sein sollte - hieran dieselben Anforderungen wie an die KSR zu stellen. Ansprüche scheiden demnach aus den o.g. Gründen aus.
bb) Die geltend gemachten Ansprüche folgen auch nicht aus § 823 Abs. 2 i.V.m. §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV.
Einem Käufer eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen Kraftfahrzeugs kann dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV gegen den Fahrzeughersteller zustehen, weil ihm aufgrund des Vertragsschlusses ein Vermögensschaden nach Maßgabe der Differenzhypothese, also ein Differenzschaden, entstanden ist (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 – VIa ZR 335/21 –, Rn. 28, juris). Insoweit können Ansprüche auch nicht aufgrund fehlenden Schutzgesetzcharakters verneint werden, vielmehr stellt §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV ein Schutzgesetz dar, in dessen persönlichen Anwendungsbereich auch ein Käufer eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehen Kraftfahrzeugs fällt (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 – VIa ZR 335/21 –, Rn. 21, juris) .
Der Senat kann zugunsten der Klägerin unterstellen, dass es sich in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht bei den vor dem Software-Update im Fahrzeug verbauten Funktionen Thermofenster und KSR jeweils um unzulässige Abschalteinrichtung handelte. Es kann dahinstehen, ob der Anspruch bereits dem Grunde nach infolge eines unvermeidbaren Verbotsirrtums ausscheidet, es fehlt aber jedenfalls an einem zum Zeitpunkt der zweitinstanzlichen Verhandlung noch fortbestehendem Schaden.
Die Höhe eines etwaigen Differenzschadens hat der Tatrichter nach § 287 Abs. 1 Satz 1 ZPO unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung zu schätzen. Der Tatrichter muss bei der Ausübung seines Ermessens alle wesentlichen Gesichtspunkte, die Erfahrungssätze und die Denkgesetze beachtet haben (BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 – VIa ZR 335/21 –, Rn. 71 - 72, juris). Die Schätzung des Differenzschadens unterliegt in den Fällen des Vertrauens eines Käufers auf die Richtigkeit der Übereinstimmungsbescheinigung bei Erwerb eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen Kraftfahrzeugs unionsrechtlichen Vorgaben, wonach der nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV zu gewährenden Schadensersatzes innerhalb einer Bandbreite zwischen 5% und 15% des gezahlten Kaufpreises liegen muss (BGH, a.a.O.).
Der geschätzte Schaden kann aus Gründen unionsrechtlicher Effektivität nicht geringer sein als 5% des gezahlten Kaufpreises. Anderenfalls wäre die Sanktionierung eines auch bloß fahrlässigen Verstoßes gegen Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 im Hinblick auf die Förderung der unionsrechtlichen Ziele wegen ihrer Geringfügigkeit nicht hinreichend wirksam. Ein allein nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV und nicht auch nach §§ 826, 31 BGB geschuldeter Schadensersatz kann umgekehrt aus Gründen der Verhältnismäßigkeit nicht höher sein als 15% des gezahlten Kaufpreises. Die Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV umfasst Fälle objektiv vergleichsweise geringfügiger Rechtsverstöße, die der Gesetzgeber lediglich als Ordnungswidrigkeit eingeordnet hat. Hinzu kommt, dass die Haftung gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV den Fahrzeughersteller bezogen auf ein einzelnes Kraftfahrzeug im Falle der mehrfachen Veräußerung mehrfach trifft, so dass ein Kumulierungseffekt eintreten kann. Denn die Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB trifft den Fahrzeughersteller auch in anderen Fällen als denjenigen einer sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung nicht nur im Verhältnis zum Neuwagenkäufer, sondern im Verhältnis zu jedem späteren Käufer des Kraftfahrzeugs als Gebrauchtwagen (BGH, a.a.O.).
Schadensmindernd sind allerdings später eintretende Umstände im Wege der Vorteilsausgleichung zu berücksichtigen, nämlich Nutzungsvorteile und der Restwert des Fahrzeugs sowie Wertverbesserungen durch ein Software-Update (vgl. BGH, a.a.O.). Beruft sich der Fahrzeughersteller auf die nachträgliche Verbesserung des Fahrzeugs durch ein Software-Update, kann damit eine Schadensminderung indessen nur verbunden sein, wenn und soweit das Software-Update die Gefahr von Betriebsbeschränkungen signifikant reduziert. Das wiederum kann nur dann der Fall sein, wenn es nicht seinerseits eine unzulässige Abschalteinrichtung beinhaltet. Die Vorteilausgleichung kann der Gewährung auch eines Schadensersatzes aus § 823 Abs. 2 BGB entgegenstehen, wenn der Differenzschaden vollständig ausgeglichen ist (BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 – VIa ZR 335/21 –, Rn. 73 - 80, juris).
Nach diesen Grundsätzen haben zunächst die Nutzungsvorteile und der Restwert des Fahrzeugs einen etwaigen Schaden überwiegend, nämlich jedenfalls bis auf einen Betrag von 1.982,59 € ausgeglichen. Als Restwert für das Fahrzeug setzt der Senat den von der Beklagten genannten Mittelwert in Höhe von 16.000 € für Fahrzeuge mit einem Kilometerstand von bis 190.000 km an.
Die Nutzungsentschädigung ermittelt der Senat im Wege der Schätzung gem. § 287 ZPO, indem der gezahlte Bruttokaufpreis für das Fahrzeug durch die voraussichtliche Restlaufzeit im Erwerbszeitpunkt geteilt und dieser Wert mit den gefahrenen Kilometern multipliziert wird (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 24. Januar 2022 - VIa ZR 100/21 -, Rn. 80 - juris -). Die Gesamtlaufzeit veranschlagt der Senat im Regelfalls auf 300.000 km.
Im Streitfall erwarb die Klägerin das Fahrzeug mit einer Laufleistung von 69.300 km zum Preis von 36.490 €. Das Fahrzeug hatte zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat einen Kilometerstand von 186.309, so dass die Nutzungsentschädigung mindestens 18.507,40 € beträgt.
Auch im Hinblick auf den nicht schon durch Restwert und Nutzungsvorteile aufgezehrten Restschaden von 1.982,00 € ist der Rechtsstreit zur Entscheidung reif. Die Klägerin hat den Kilometerstand zwar erst in einem nachgelassenen Schriftsatz vorgetragen, so dass der Beklagten bei Entscheidungserheblichkeit die Möglichkeit gegeben werden müsste, auf die damit verbundene Behauptung der Kilometerstand sei nicht höher, als vorgetragen, zu erwidern und ggfs. Beweis anzubieten. Ob der Kilometerstand höher als von der Klägerin vorgetragen ist, ist aber nicht entscheidungserheblich.
Denn ein Restschaden ist jedenfalls durch das angebotene und bereits aufgespielte Software-Update vollständig ausgeglichen worden. Dieses hat die Gefahr von Betriebsbeschränkungen signifikant reduziert, weil es die vom KBA beanstandete KSR und - falls eine solche verbaut sein sollte - damit auch die Kühlerjalousiefunktion, die an die KSR geknüpft sein soll, entfernt hat. Der Senat kann offenlassen, ob das ursprünglich verbaute Thermofenster eine unzulässige Abschalteinrichtung dargestellt hat. Selbst wenn dies unterstellt wird und dem Kläger deswegen ursprünglich ein Schaden entstanden ist, so wäre auch dieser Schaden durch das Software-Update vollständig ausgeglichen. Dieses Update wurde von dem KBA nach umfangreicher Prüfung freigegeben. Nach dem nicht bestrittenen Vortrag der Beklagten hat das Softwareupdate das Thermofenster ausgeweitet und ist vom KBA auch nicht als unzulässige Abschalteinrichtung beanstandet worden. Dem ist die Klägerin nicht im Ansatz entgegengetreten, aus ihrem Vortrag ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass sie der Auffassung ist, dass das Update (noch) unzulässige Abschalteinrichtungen beinhalten würde. Sie hat lediglich geltend gemacht, die eventuellen Auswirkungen des Software-Updates seien noch unbekannt. Das ist jedoch nicht ausreichend, um einen vollständigen Schadensausgleich zu verneinen, weil konkrete Gründe für eine fortdauernde Gefahr einer Betriebseinschränkung nicht aufgezeigt werden..
3.
Mangels Anspruchs in der Hauptsache ist auch der Antrag auf Feststellung des Annahmeverzugs sowie der Antrag auf Ersatz von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten unbegründet.
4.
Auch die Hilfsanträge, die denselben Streitgegenstand wie die in der Hauptsache gestellten Anträge betreffen, aber betragsmäßig geringer ausfallen und keine Zug-um-Zug-Einschränkung enthalten, sind aus den o.g. Gründen unbegründet.
5.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711, 709 S. 2 ZPO.