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Entscheidung 14 L 532/22


Metadaten

Gericht VG Potsdam 14. Kammer Entscheidungsdatum 03.05.2023
Aktenzeichen 14 L 532/22 ECLI ECLI:DE:VGPOTSD:2023:0503.14L532.22.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

1. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin vom 21. Juli 2022 gegen den Leistungsbescheid des Antragsgegners vom 28. Juni 2022 wird angeordnet.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

2. Der Streitwert wird auf 5.726,10 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag der Antragstellerin, die aufschiebende Wirkung des eingereichten Widerspruchs gegen den Leistungsbescheid des Antragsgegners vom anzuordnen ist gemäß § 88 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) dahingehend auszulegen, dass beantragt wird,

die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom gegen den Leistungsbescheid des Antragsgegners vom anzuordnen.

Der gemäß Antragsbegründung eindeutig streitgegenständliche Leistungsbescheid stammt vom und wurde der Antragstellerin am zugestellt. Diese legte mit Schreiben vom Widerspruch ein. Ein Bescheid oder ein Schriftsatz vom ist hier nicht bekannt.

Der so verstandene Antrag ist zulässig.

Er ist gemäß § 80 Abs. 5 VwGO statthaft, weil die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom gemäß § 32 Abs. 3 Satz 2 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes für das Land Brandenburg (VwVGBbg) kraft Gesetzes entfällt. Damit liegt ein Fall des § 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO vor.

Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs gegen einen belastenden Verwaltungsakt anordnen. In Ansehung der gesetzlichen Entscheidung in § 32 Abs. 3 Satz 2 VwVGBbg sofortige Vollziehbarkeit des Leistungsbescheides betreffend die Kosten einer Ersatzvornahme ist die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs lediglich dann geboten, wenn dieser offensichtlich oder zumindest mit hoher Wahrscheinlichkeit Erfolg haben wird oder sonstige atypische Umstände vorliegen, die ausnahmsweise eine Aussetzung der Vollziehung der Maßnahme zu rechtfertigen vermögen (so auch VG Cottbus, Beschluss vom 5. März 2020 – 3 L 569/19 –, juris Rn. 6).

Nach Maßgabe dieser Abwägung ist der Antrag begründet.

Vorliegend fällt die Interessenabwägung zugunsten der Antragstellerin aus, da sich nach dem Ergebnis der allein möglichen, aber auch nur gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage der Leistungsbescheid als offensichtlich rechtswidrig erweist.

Rechtsgrundlage für den Leistungsbescheid ist § 32 Abs. 3 Satz 1 VwVGBbg. Danach werden die Kosten der Ersatzvornahme von der Vollstreckungsbehörde durch Leistungsbescheid erhoben. Ob der Bescheid darüber hinaus den Anforderungen in § 24 Abs. 1 Bundesbodenschutzgesetz (BBodSchG) standhält, kann offenbleiben. Die Vorschrift regelt die materiell-rechtliche Kostenlast. Die Umsetzung der materiellen Kostentragungspflicht durch behördliche Anordnung bleibt der landesrechtlichen Gesetzgebungskompetenz überantwortet, so dass insoweit das Verwaltungsvollstreckungsrecht Anwendung findet (Landel/Vogg/Wüterich, Bundesbodenschutzgesetz, 2000, § 24 Rn. 7).

Der Leistungsbescheid ist formell rechtmäßig. Zuständige Vollstreckungsbehörde für die öffentlich-rechtliche Geldleistung ist gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1c VwVGBbg der Landkreis. Mit Anhörungsschreiben vom hat der Antragsgegner der Antragstellerin in Aussicht gestellt, für den Fall der Nichtvornahme der Detailunter-suchung diese im Wege der Ersatzvornahme durchführen zu lassen und dabei auf § 32 Abs. 1 VwVGBbg und die dortige Kostentragungsregelung verwiesen. Gemäß § 28 Abs. 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG – im Folgenden immer in Verbindung mit § 1 Abs. 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Brandenburg – VwVfGBbg -) ist vor Erlass eines Verwaltungsaktes, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Es dürfte unschädlich sein, dass der Zweck der Anhörung, das Recht auf Gehör, nur noch eingeschränkt erfüllbar war, weil die Detailuntersuchung zum Zeitpunkt der Anhörung bereits beauftragt war. Denn selbst wenn ein Verfahrensfehler vorliegen würde, so wäre dieser gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG unbeachtlich, weil es dem Antragsgegner zum vorliegenden Zeitpunkt noch ohne weiteres möglich ist, die Anhörung nachzuholen. Die Kammer schließt sich diesbezüglich der Rechtsprechung an, wonach die Möglichkeit der späteren Heilung im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes zulasten des Antragstellers berücksichtigt werden muss (OVG Lüneburg, Beschluss vom 24. Mai 2019 – 11 ME 189/19 –, juris Rn. 4; VG Düsseldorf, Beschluss vom 21. Mai 2019 – 20 L 1449/19 –, juris Rn. 15).

Der Leistungsbescheid ist jedoch materiell rechtswidrig.

Voraussetzung der Heranziehung zu den Kosten der Ersatzvornahme ist, dass diese ihrerseits rechtmäßig war (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. August 1996 – 4 B 100/96 –, juris Rn. 12; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 09. April 2008 – 11 A 1386/05 –, juris Leitsatz).

Die Ersatzvornahme findet ihre Rechtsgrundlage in § 32 Abs. 1 Satz 1 VwVGBbg. Danach kann die Vollstreckungsbehörde auf Kosten des Vollstreckungsschuldners eine andere Person mit der Vornahme der Handlung beauftragen, wenn die Verpflichtung eine Handlung vorzunehmen, deren Vornahme durch einen anderen möglich ist (vertretbare Handlung), nicht erfüllt wird.

Der Antragsgegner hatte als nach § 2a der Abfall- und Bodenschutz-Zuständigkeitsverordnung (AbfBodZV) in Verbindung mit Ziffer 23.2 der dortigen Anlage zuständige untere Bodenschutzbehörde den Grundverwaltungsakt vom  erlassen und war damit gemäß § 26 Abs. 1 VwVGBbg auch für dessen Vollstreckung zwar zuständig.

Die Vollstreckungsmaßnahme erweist sich aber als materiell rechtswidrig, weil die Vollstreckungsvoraussetzungen nicht vollständig vorlagen. Gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 VwVGBbg werden Verwaltungsakte, die zu einer sonstigen Handlung, Duldung oder Unterlassung verpflichten, mit Zwangsmitteln vollstreckt (sog. gestrecktes Verfahren). Gemäß § 27 Abs. 1 Satz 2 VwVGBbg können Zwangsmittel ohne vorausgehenden Verwaltungsakt eingesetzt werden, soweit dies zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr notwendig ist und die Vollstreckungsbehörde hierbei innerhalb ihrer Befugnisse handelt (sog. Sofortvollzug). Aus dem Wortlaut der Regelung zum Sofortvollzug ergibt sich im Umkehrschluss, dass im gestreckten Verfahren dem Einsatz des Zwangsmittels der Erlass eines Grundverwaltungsaktes vorausgehen muss. Hierzu VG München, Urteil vom – –, juris Rn. 59 für das bayerische Landesrecht:

„(…) Eine Grundvoraussetzung der Vollstreckung eines Verwaltungsakts nach Maßgabe des Bayerischen Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes (VwZVG) ist, dass der durchzusetzende Verwaltungsakt wirksam geworden ist (Giehl, Verwaltungsverfahrensrecht in Bayern, Stand 1.3.2013, Art. 19 VwZVG Anm. I.). Eine Vollstreckung ohne Vollstreckungstitel ist dem VwZVG unbekannt; selbst Art. 35 VwZVG macht nur die vorausgehende Androhung des Zwangsmittels als Teil des Vollstreckungsverfahrens, nicht aber einen Grundverwaltungsakt entbehrlich (vgl. Harrer/Kugele/Kugele/Thum/Tegelthoff, Verwaltungsrecht in Bayern, Stand 1.3.2013, Art. 19 VwZVG Rn. 1)(…).“

Vorliegend hat der Antragsgegner ohne Titel vollstreckt. Im Einzelnen:

Als Grundverwaltungsakt kommt ausschließlich die oben genannte Anordnung des Antragsgegners vom in Betracht. Auf diese Ordnungsverfügung bezieht sich auch der streitgegenständliche Leistungsbescheid. Sie verpflichtete die Antragstellerin zur Vornahme genau der Detailuntersuchung, die nunmehr mit streitgegenständlichem Leistungsbescheid abgerechnet werden soll. Soweit der Antragsgegner demgegenüber in seiner Antragserwiderung vorträgt, der Vollstreckung läge die Ordnungsverfügung vom zugrunde, so ist dies hier schon deswegen nicht von Relevanz, weil dieser Verwaltungsakt zeitlich noch später erging. Als Grundverwaltungsakte kommen auch nicht die Schreiben des Antragsgegners vom und vom in Betracht. Bei ersterem – mit „Anhörung“ bezeichneten Schreiben – handelt es sich lediglich um die Ankündigung des späteren Grundverwaltungsaktes. Letzteres hatte inhaltlich nicht die streitgegenständliche Detailuntersuchung zum Gegenstand. Hinzu kommt, dass auch der Antragsgegner jedenfalls noch am selbst davon ausging, bisher keinen Grundverwaltungsakt erlassen zu haben. Bezogen auf die Notwendigkeit der Durchführung einer Detailuntersuchung heißt es nämlich in einer E-Mail des Antragsgegners an die Antragstellerin an diesem Tag: „Sollten Sie eine rechtsmittelfähige Entscheidung benötigen, bitte ich um eine kurze Mitteilung“.

Die Vollstreckung kann auch nicht nachträglich als Maßnahme des Sofortvollzuges beurteilt werden, so dass der Erlass eines Grundverwaltungsaktes entbehrlich wäre. Der Antragsgegner wollte ersichtlich im gestreckten Verfahren vollziehen. Abgesehen davon ist Voraussetzung für den Sofortvollzug die Abwendung einer gegenwärtigen Gefahr (vgl. § 27 Abs. 1 Satz 2 VwVGBbg). Ob insbesondere durch die unterirdischen Tanks eine gegenwärtige Gefahr für Menschen, Tiere und Pflanzen durch Ausbreitung von Schadstoffen in Boden und Grundwasser bestand, muss hier nicht beurteilt werden. Denn die Detailuntersuchung, bei der es sich gemäß § 2 Nr. 4 der Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung (BBodSchV) um eine vertiefte Untersuchung zur abschließenden Gefährdungsabschätzung handelt, diente lediglich der Ermittlung und nicht der Gefahrabwendung.

Die Anwendung des Zwangsmittels erfolgte zeitlich vor Erlass des Grundverwaltungsaktes und damit ohne Titel. § 32 Abs. 1 Satz 1 VwVGBbg sieht für die Anwendung der Ersatzvornahme vor, dass die Vollstreckungsbehörde eine andere Person mit der Vornahme der Handlung beauftragen oder die Handlung selbst ausführen kann. Damit stellt der Gesetzgeber den Auftrag zur Durchführung der Maßnahme der Ausführung gleich. Demzufolge war vorliegend nicht entscheidend, wann die Sachverständige, hier die … , mit den auszuführenden Arbeiten begann, sondern wann sie hiermit beauftragt wurde. Dies geschah mit Erteilung des Auftrages durch die Vergabestelle des Antragsgegners am … . Die Auftragserteilung war zivilrechtlich die Annahme des Angebotes der Sachverständigen vom …, die zum Vertragsschluss führte. Vertragsinhalt war die Durchführung der Detailuntersuchung, wie sie später mit Bescheid vom angeordnet wurde und insbesondere nicht nur die vorgelagerte Erstellung eines Untersuchungskonzeptes. Das ergibt sich zum einen aus dem Auftragsvolumen in Höhe von Euro, das alle Positionen des Angebotes einbezog. Zum anderen aber auch aus einer Aktennotiz vom in der die Vergabestelle auf die Bitte hin, die Sachverständige mit den weiteren Positionen ihres Angebotes zu beauftragen, die die Durchführung der Feldarbeiten und den abschließenden Bericht zur Detailuntersuchung betrafen, antwortete, dass die Sachverständige für alles bereits beauftragt sei. Dass die die Durchführung der Feldarbeiten vor Ort nicht selbst durchführte, sondern ihrerseits an Dritte vergab, ist unerheblich. Mit Erteilung des Auftrags an die wurde die Detailunter-suchung durchgeführt, ohne dass es weiterer Aufträge seitens des Antragsgegners bedurfte.

Die damit im Ergebnis rechtswidrige Ersatzvornahme kann keine Kostentragungspflicht auslösen (Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen, Urteil vom 30. November 2004 – 1 A 333/03 –, juris, Leitsatz 2).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit § 53 Abs. 2 Nr. 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG). Wegen der Vorläufigkeit des gerichtlichen Rechtsschutzes hat die Kammer gemäß Ziffer 1.5 des Streitwertkataloges ein Viertel des streitigen Betrages zugrundegelegt.