Gericht | OLG Brandenburg 4. Senat für Familiensachen | Entscheidungsdatum | 01.12.2023 | |
---|---|---|---|---|
Aktenzeichen | 13 UF 76/23 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2023:1201.13UF76.23.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Auf die Beschwerde der weiteren Beteiligten zu 2) wird der Beschluss des Amtsgerichts Nauen vom 9.5.2023 im zweiten und vierten Absatz der Ziffer 2. des Tenors wie folgt abgeändert:
zweiter Absatz:
Ein Ausgleich des Anrechts des Antragstellers bei der VBL Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (Versicherungsnummer …) findet nicht statt.
vierter Absatz:
Ein Ausgleich des Anrechts der Antragsgegnerin bei der VBL Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (Versicherungsnummer …) findet nicht statt.
Gerichtskosten werden nicht erhoben. Im Übrigen werden die Kosten des Beschwerde- und des Berichtigungsverfahrens unter dem Antragsteller und der Antragsgegnerin gegeneinander aufgehoben.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2.190 Euro festgesetzt.
I.
Die Beschwerdeführerin wendet sich als Trägerin der Zusatzversorgung des öffentlichen Diensts gegen den Ausgleich zweier in der Differenz geringfügiger Anrechte.
Durch die angefochtene Entscheidung hat das Amtsgericht die am 13.7.2012 geschlossene Ehe der beteiligten Ehegatten auf den am 15.4.2020 zugestellten Scheidungsantrag geschieden und den Versorgungsausgleich geregelt.
Nach den eingeholten Auskünften, gegen die keiner der Beteiligten Einwendungen erhoben hat, haben die Ehegatten während der Ehezeit (1.7.2012 - 31.03.2020) neben Anrechten in der gesetzlichen Rentenversicherung bei der Beschwerdeführerin folgende Anrechte aus Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes (VBLklassik) erworben, die das Amtsgericht, den Vorschlägen der Beschwerdeführerin entsprechend, jeweils im Wege der internen Teilung ausgeglichen hat.
Der Antragsteller hat nach der Auskunft der Beschwerdeführerin vom 29.6.2020 (Bl. 20 ff. VA-Heft) ein Anrecht mit einem Ehezeitanteil von 30,35 Versorgungspunkten erworben. Der Ausgleichswert beträgt nach Abzug der hälftigen Teilungskosten (1/2 x 250 €) 14,28 Versorgungspunkte, der korrespondierende Kapitalwert 3.920,54 €.
Die Antragsgegnerin hat nach der Auskunft der Beschwerdeführerin vom 1.7.2020 (Bl. 24 ff. VA-Heft) ein Anrecht mit einem Ehezeitanteil von 27,94 Versorgungspunkten erworben. Der Ausgleichswert beträgt nach Abzug der hälftigen Teilungskosten (1/2 x 250 €) 13,92 Versorgungspunkte, der korrespondierende Kapitalwert 3.710,61 €.
Mit ihrer Beschwerde vom 24.5.2023 (Bl. 232) beantragt die Beschwerdeführerin, vom Ausgleich der beiden bei ihr begründeten Anrechte der geschiedenen Ehegatten nach § 18 Abs. 1, 3 VersAusglG wegen der Geringfügigkeit der Differenz der Ausgleichswerte abzusehen.
Der Senat entscheidet, wie angekündigt (Bl. 2 der elektronischen Akte, im Folgenden: elA), ohne mündliche Erörterung, § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG. Die Beteiligten hatten Gelegenheit, ihre Standpunkte schriftsätzlich darzulegen.
II.
Die nach §§ 58ff., 228 FamFG statthafte, auf die bei der Beschwerdeführerin erworbenen Anrechte wirksam beschränkte Beschwerde ist begründet.
Die beschwerdegegenständlichen Anrechte sind nicht auszugleichen, § 18 Abs. 1 VersAusglG. Das Ermessen nach dieser Bestimmung ist eröffnet. Die Differenz der korrespondierenden Kapitalwerte der Ausgleichswerte der gleichartigen Anrechte liegt mit 209,93 € unter der bei Ehezeitende gültigen Geringfügigkeitsgrenze des § 18 Abs. 3 VersAusglG von 3.822 € (vgl. Ansgar Fischer, Tabellen zum Familienrecht, 43. Aufl., 2022, S. 35).
Der Senat übt das in § 18 Abs. 1 VersAusglG eröffnete Ermessen dahingehend aus, die beschwerdegegenständlichen Anrechte nicht auszugleichen. Die Beschwerdeführerin möchte vom Ausgleich absehen und es streiten vorliegend Gründe gegen einen Ausgleich.
Die gegen den Ausgleich geringfügiger oder in ihrer Differenz geringfügiger gleichartiger Anrechte formulierte Regel des § 18 VersAusglG dient vornehmlich dem Schutz der Versorgungsträger vor dem Verwaltungsaufwand, den die Begründung und Fortführung eines Anrechts für einen neuen Berechtigten erfordert, wenn dieser Aufwand zu dem geringen Wert des Anrechts in keinem wirtschaftlich vernünftigen Verhältnis steht und auch nicht von den Teilungskosten (§ 13 VersAusglG) kompensiert wird. § 18 VersAusglG dient hingegen nicht dem Schutz des Ausgleichspflichtigen vor dem Verlust der Hälfte seines Anrechts. Die Durchsetzung des Halbteilungsgrundsatzes (§ 1 Abs. 1 VersAusglG) spricht vielmehr grundsätzlich für den Ausgleich ausnahmslos aller, auch geringster Anrechte, wobei die Ausnahme von diesem Grundsatz durch § 18 VersAusglG bei geringfügigen Anrechten wiederum als grundsätzliche Regel formuliert ist. Damit der Halbteilungsgrundsatz seine Geltung als die den Versorgungsausgleich bestimmende Maxime behält, ist die als Regel formulierte Ausnahme des § 18 VersAusglG nur dann gerechtfertigt, wenn der mit ihr verfolgte Zweck erreicht werden kann (BGH NJW 2012, 1281, Abs. 22; Senat FamRZ 2022, 1682). Braucht dieser Zweck nicht verfolgt zu werden, so ist die Durchbrechung des Halbteilungsgrundsatzes nicht gerechtfertigt, weshalb regelmäßig auch geringste bzw. in ihrer Differenz geringste Anrechte auszugleichen sind, wenn sich der davon betroffene Versorgungsträger nicht auf die Unzumutbarkeit eines unverhältnismäßigen Aufwands beruft.
Die Beschwerdeführerin kann vorliegend erfolgreich das Absehen vom Versorgungsausgleich beanspruchen. Ein wirtschaftliches Interesse eines Versorgungsträgers an der Vermeidung von Verwaltungsaufwand kann sich gegen den Grundsatz der Halbteilung vorliegend allerdings nicht durchsetzen. Denn der mit der Teilung und Fortführung der bereits bestehenden Konten verbundene Aufwand der Beschwerdeführerin fällt nur sehr gering aus, weil die beide Ehegatten bereits ein Versicherungskonto bei der Beschwerdeführerin haben (vgl. BGH NJW 2012, 312, Abs. 42, 48). Überdies wird der Aufwand durch die Teilungskosten in Höhe von jeweils 250 € kompensiert.
Ein Absehen vom Ausgleich ist vorliegend aber aufgrund der Umstände des Einzelfalles gerechtfertigt.
Die im Rahmen der bei Anwendung des § 18 VersAusglG vorzunehmende Abwägung erfasst nämlich nicht nur die Belange der Verwaltungseffizienz einerseits und das grundsätzlich anzunehmende Interesse des ausgleichsberechtigten Ehegatten an der Erlangung auch geringfügiger Anrechte andererseits, es sind vielmehr auch die konkreten persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Eheleute einschließlich ihrer Versorgungssituation zu berücksichtigen. Spielt der Teilungsaufwand auf Seiten des Versorgungsträgers keine entscheidende Rolle mehr, weil er über die Teilungskosten abgegolten ist, ist zudem im Rahmen der Ermessensentscheidung auf die durch die Teilung verursachten Teilungskosten und somit darauf abzustellen, ob der Halbteilungsgrundsatz aus Sicht der geschiedenen Ehegatten auch unter Berücksichtigung der mit der Teilung einhergehenden Entwertung des Anrechts einen Ausgleich des einzelnen Versorgungsbestandteils verlangt (BGH, Beschluss vom 01.02.2012, FamRZ 2012, 610-615 Rz. 31, Beschluss vom 02.09.2015, FamRZ 2015, 2125-2128 Rz. 32). Dies ist vorliegend nicht der Fall: Der Ausgleichswert des Anrechts des Antragstellers beträgt (ohne Berücksichtigung von Teilungskosten) 4.045,54 €, der Ausgleichswert der Antragsgegnerin beträgt (ohne Berücksichtigung von Teilungskosten) 3.835,61 €, die Differenz beträgt mithin 209,93 €. Dem stehen Teilungskosten in Höhe von insgesamt zwei mal 250 € gegenüber. Ein Ausgleich der Anrechte ist danach für die Ehegatten unwirtschaftlich (vgl. OLG Frankfurt a. M. Beschl. v. 4.7.2016 – 2 UF 104/16, BeckRS 2016, 15317 Rn. 10, 11).
Die in Bezug auf die hier gegenständlichen Anrechte im Saldo ausgleichsberechtigte Antragsgegnerin ist auch nicht dringend auf den Bagatellbetrag angewiesen. Die Differenz der monatlichen Rentenbeträge der hier in Rede stehenden Ausgleichswerte ist mit 1,44 € (14,28 Versorgungspunkte minus 13,92 Versorgungspunkte = 0,36 Versorgungspunkte; Messbetrag jeweils 4 €) wirtschaftlich von untergeordneter Bedeutung und es liegt kein Hinweis darauf vor, dass sie Antragsgegnerin nach ihren wirtschaftlichen Verhältnissen auf einen Monatsbetrag in dieser Größenordnung unbedingt angewiesen ist. Sie ist 41 Jahre alt und hat bereits Versorgungsanrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung erworben, die sich aufgrund des Versorgungsausgleichs im Hinblick auf die Anrechte der Eheleute in der gesetzlichen Rentenversicherung allerdings etwas reduzieren werden. Es gibt indes keine Anhaltspunkte dafür, dass die Antragsgegnerin bis zum noch fernen Eintritt in das Rentenalter nicht noch weitere erhebliche Versorgungsanrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung und der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes erwerben kann.
Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf §§ 20 Abs. 1 Satz 1 FamGKG, 150 Abs. 1 FamFG.
Die Wertfestsetzung für den Beschwerdegegenstand beruht auf §§ 55 Abs. 2, 50 Abs. 1 FamGKG. Beschwerdegegenständlich waren zwei Anrechte. Zugrunde zu legen ist das in drei Monaten erzielte Nettoeinkommen der Ehegatten.
Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, besteht nicht, § 70 Abs. 2 FamFG.