Gericht | OLG Brandenburg 11. Zivilsenat | Entscheidungsdatum | 22.11.2023 | |
---|---|---|---|---|
Aktenzeichen | 11 U 206/23 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2023:1122.11U206.23.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
I. Die Berufung der Klägerin gegen das am 28.07.2023 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 13. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam - 13 O 185/22 wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
III. Dieses und das angefochtene Urteil werden für vorläufig vollstreckbar erklärt.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
V. Der Gebührenstreitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 7.000,00 € festgesetzt.
I.
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Landgericht hat die Klage - soweit sie Gegenstand des Berufungsverfahrens ist - zu Recht abgewiesen.
Berufungsgründe sind nicht gegeben; weder beruht das angefochtene Urteil auf einer Rechtsverletzung im Sinne des § 546 ZPO noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere - für die Klägerin günstige(re) - Entscheidung (§ 513 Abs. 1 ZPO).
Der gegenständlichen Klageforderung bleibt ein Erfolg versagt. Zur Vermeidung von Wiederholungen kann vorab auf die überzeugenden Ausführungen des Landgerichts verwiesen werden (LGU 3 ff.). Mit Blick auf die im Wesentlichen aus anderen Verfahren bekannten Textbausteinen der klägerischen Prozessbevollmächtigten bestehende Berufungsbegründung (vgl. statt vieler 11 U 179/23), sind lediglich folgende Ergänzungen anzubringen:
1. Zutreffend hat das Landgericht (LGU 3, 4) zunächst die Unzulässigkeit der Stufenklage herausgearbeitet, was nicht nur der ständigen Rechtsprechung des Senats, sondern auch der zwischenzeitlich hierzu ergangenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entspricht. Danach ist das Rechtsschutzbegehren der Klägerin als Stufenklage im Sinn von § 254 ZPO unzulässig, da es ihr nicht um die Bezifferung eines Anspruchs geht, sondern um eine Prüfung, ob überhaupt dem Grunde nach ein Anspruch besteht (BGH, Urt. v. 27.09.2023 – IV ZR 177/22, BeckRS 2023, 26057 mit Anmerkung Grams, FD-VersR 2023, 460646, beck-online; vgl. hierzu bereits aus der jüngsten Senatsrechtsprechung Urt. v. 18.10.2023 - 11 U 179/23; v. 04.10.2023 – 11 U 101/23 und 11 U 79/23; Urt. v. 27.09.2023 – 11 U 135/23, jeweils mit weiteren Nachweisen.). Auch wenn die Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 14.11.2023 die vorgenannte BGH-Entscheidung anspricht, hat sie entsprechende prozessuale Konsequenzen hieraus nicht gezogen.
2. Der Senat hat mit Blick auf die klägerische Berufungsbegründung bereits durchgreifende Bedenken an einer Umdeutung der Stufenklage in eine objektive Klagehäufung, die das Landgericht zu Recht in Erwägung gezogen hat (LGU 5), denn die Klägerin verfolgt mit ihrer Berufung die Stufenklage insoweit ausdrücklich und uneingeschränkt weiter (S. 4 ff. der Berufungsschrift vom 28.08.2023, die zugleich die Berufungsbegründung beinhaltet).
3. Ungeachtet dessen hat das Landgericht dem Herausgabeantrag auch in der Sache einen Erfolg versagt (LGU 5 ff.). Auch insoweit entspricht die angefochtene Entscheidung der ständigen Senatsrechtsprechung und auch der bereits angeführten Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 27.09.2023 (IV ZR 177/22, BeckRS 2023, 26057). Die unionsgerichtliche Rechtsprechung führt ebenfalls zu keinem anderen Ergebnis. In der gebotenen Kürze ist im Einzelnen lediglich Folgendes anzuführen:
a) Zunächst lässt sich der Anspruch nicht aus Art. 15 Abs. 1, Abs. 3 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der RL 95/46/EG (im Folgenden DSGVO) herleiten. Bei den begehrten Nachträgen zum Versicherungsschein handelt es sich bereits in der Gesamtheit nicht um personenbezogene Daten des Versicherungsnehmers i.S.v. Art. 4 Nr. 1 DSGVO (so ausdrücklich BGH, Urt. v. 27.09.2023 – IV ZR 177/22, BeckRS 2023, 26057 Rn. 46). Im Übrigen gewährt Art. 15 Abs. 1, 3 DSGVO keinen Anspruch auf die Herausgabe bestimmter Dokumente (BGH, a.a.O., Rn. 52 m.w.N.), sondern lediglich auf die (vollständigen) personenbezogenen Daten, die es enthält (EuGH, Urt. v. 04.05.2023 – C-487/21 [F. F./Österreichische Datenschutzbehörde], EuZW 2023, 575, Rn. 32). Die von der Klägerin im Schriftsatz vom 14.11.2023 angeführte Entscheidung des EuGH (Urt. v. 26.10.2023 – C-307/22, BeckRS 2023, 29132) rechtfertigt insoweit kein abweichendes Ergebnis. Abgesehen davon, dass der EuGH in der Entscheidung vom 26.10.2023 ausdrücklich betont, dass sich die rechtlichen Ausführungen auf das hier nicht in Rede stehende Verhältnis zwischen Arzt und Patient beziehen (EuGH, a.a.O., Rn. 79) und somit nicht per se auf das streitgegenständliche Versicherungsverhältnis übertragbar sind, kann der genannten Entscheidung auch kein weitergehender Anwendungsbereich zugunsten der Klägerin im hiesigen Streitfall entnommen werden (vgl. EuGH, a.a.O. Rn. 75 unter Hinweis auf EuGH, Urt. v. 04.05.2023 – C-487/21). Im Übrigen geht es der Klägerin - wie in der mündlichen Verhandlung am 22.11.2023 erörtert - hier auch nicht um den Erhalt einer entgeltlichen Kopie etwaiger Nachträge zu den im Berufungsantrag genannten Versicherungsscheinnachträgen.
b) Nach der o.g. Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der der Senat folgt, ergibt sich im Streitfall ein Auskunftsanspruch auch nicht aus § 3 Abs. 3 VVG. Nach dieser Vorschrift kann der Versicherungsnehmer vom Versicherer die Ausstellung eines neuen Versicherungsscheins verlangen, wenn ein Versicherungsschein abhandengekommen oder vernichtet ist. Diese Vorschrift erfasst aber nur den Versicherungsschein einschließlich solcher Nachträge, die den derzeit geltenden Vertragsinhalt wiedergeben, nicht dagegen - wie hier von der Klägerin geltend gemacht - bereits überholte Nachträge (BGH, Urt. v. 27.09.2023 – IV ZR 177/22, BeckRS 2023, 26057 Rn. 42). Auch hier bestünde im Übrigen eine Entgeltpflicht für die geforderten Unterlagen.
c) Im Streitfall folgt auch aus § 242 BGB nichts anderes. Nach dieser Vorschrift und den Grundsätzen von Treu und Glauben trifft den Schuldner im Rahmen einer Rechtsbeziehung zwar ausnahmsweise eine Auskunftspflicht, wenn der Berechtigte in entschuldbarer Weise über Bestehen und Umfang seines Rechts im Ungewissen ist und der Verpflichtete die zur Beseitigung der Ungewissheit erforderliche Auskunft unschwer geben kann. Die Zubilligung des Auskunftsanspruchs hat unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalls und unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu erfolgen. Innerhalb vertraglicher Beziehungen – wie hier – kann der Auskunftsanspruch auch die Funktion haben, dem Berechtigten Informationen über das Bestehen des Anspruchs dem Grunde nach zu verschaffen (BGH, a.a.O., Rn. 30 ff.). Dies setzt allerdings voraus, dass der Kläger nicht mehr über die im Auskunftsantrag bezeichneten Unterlagen verfügt (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 38). Eine dahingehende Behauptung hat die Klägerin im hiesigen Rechtsstreit weder erstinstanzlich (vgl. hierzu etwa in der Klageschrift S. 8 ff.; S. 13 ff. im Schriftsatz v. 29.12.2022) und nicht einmal im Schriftsatz vom 14.11.2023 aufgestellt (eA 42). Im Übrigen scheinen der Klägerin die entsprechenden Informationen vorzuliegen, denn ansonsten sind die Ausführungen ab S. 11 in der Berufungsschrift kaum erklärbar.
4. Unzulässig ist auch das Leistungsbegehren. Dem Zahlungsantrag (Berufungsantrag zu Ziffer 2) fehlt es ebenfalls an der erforderlichen Bezifferung des zu zahlenden Betrages (vgl. zu einer gleichgelagerten Antragstellung bereits Senatsurt. v. 18.10.2023 - 11 U 179/23). Er genügt damit dem zwingend erforderlichen Bestimmtheitsgebot gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO nicht (Senat, a.a.O., vgl. auch Urt. v. 04.10.2023 – 11 U 79/23; v. 27.09.2023 – 11 U 65/23; v. 06.09.2023 – 11 U 241/22; v. 24.05.2023 - 11 U 310/22), zumal eine zulässige Stufenklage – wie bereits dargelegt – nicht vorliegt. Die Ausführungen der klägerischen Berufung gehen daher insoweit vollständig ins Leere.
5. Prozessual nicht nachvollziehbar sind die Ausführungen zu vermeintlich vorliegenden formellen Fehlern in den Belehrungen der Beklagten ab S. 11 der Berufungsschrift, denn ein Bezug zu den hier gestellten Anträgen ist nicht erkennbar.
II.
1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
2. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit findet ihre rechtliche Grundlage in den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
3. Die Revision ist nicht zuzulassen, da die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern keine Entscheidung des Revisionsgerichts (vgl. Senatsbeschl. v. 21.12.2022 – 11 U 224/21). Die entscheidenden Rechtsfragen sind – wie bereits dargelegt - höchstrichterlich geklärt. Der Senat weicht hiervon nicht ab.