Gericht | VG Potsdam 3. Kammer | Entscheidungsdatum | 21.12.2023 | |
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Aktenzeichen | VG 3 L 857/23 | ECLI | ECLI:DE:VGPOTSD:2023:1221.3L857.23.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 16 BewachV, § 34a GewO |
1. Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
2. Der Streitwert wird auf 5.000 Euro festgesetzt.
Der wörtliche Antrag,
den Antragsgegner zu verpflichten, festzustellen, dass der Antragsteller zuverlässig im Sinne von § 34a GewO ist und dies der Msatat Sicherheit und Objektschutz UG (haftungsbeschränkt) mitzuteilen,
hat keinen Erfolg.
Der Antrag ist zulässig, insbesondere statthaft. Der Antragsteller verfolgt das Ziel, im Gewerbebetrieb der Firma M ... (haftungsbeschränkt) (vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache) als Wachperson arbeiten zu dürfen. Dazu bedarf es einer positiven Feststellung seiner Zuverlässigkeit durch die zuständige Behörde und Mitteilung hierüber an den Gewerbetreibenden, ohne die der Antragsteller nicht als Wachperson beschäftigt werden darf, vgl. § 34a Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 GewO, § 16 Abs. 1, Abs. 2 Satz 3 BewachV. Statthaft ist insoweit ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 VwGO. Ob es auch der Aufhebung der Mitteilung des Antragsgegners vom 20. September 2023 über die Unzuverlässigkeit des Antragstellers bedarf, ist davon abhängig, ob diese als Verwaltungsakt zu qualifizieren ist (vgl. zum Streitstand VG Regensburg, Beschluss vom 10. Januar 2019 – RN 5 S 18.1733 –, juris Rn. 41 m.w.N; offengelassen: VG Berlin, Beschluss vom 9. Februar 2021 – 4 L 546/20 –, juris Rn. 17; verneinend: Beschluss der Kammer vom 26. März 2020 – VG 3 L 204/20 –, S. 3 EA m.w.N.); dies kann hier aber offenbleiben (vgl. zur statthaften Antragsart auch VG Berlin, Beschluss vom 9. Februar 2021 – 4 L 546/20 –, Rn. 16 f.; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 19. April 2016 – 7 L 278/16 –, juris Rn. 5 ff.).
Denn der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist unbegründet.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis eine einstweilige Anordnung treffen, wenn diese Regelung notwendig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden. Die Notwendigkeit der vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) und der geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) sind glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO).
Begehrt ein Antragsteller – wie hier – die Vorwegnahme der Hauptsache, kommt die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nur in Betracht, wenn ein Obsiegen im Hauptsacheverfahren mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist und dem Rechtsschutzsuchenden andernfalls schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom 17. Oktober 2017 – 3 S 84.17 / 3 M 105.17 –, juris Rn. 2, und vom 28. April 2017 – 3 S 23.17 u.a. –, juris Rn. 1). Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt.
Der Antragsteller hat bereits das Vorliegen eines Anordnungsgrundes nicht glaubhaft gemacht. Es ist weder vorgetragen, geschweige denn glaubhaft gemacht, dass die begehrte Mitteilung über die Feststellung der Zuverlässigkeit des Antragstellers zur Abwendung schwerwiegender, irreversibler Nachteile nötig erscheint. Soweit der Antragsteller lediglich vorträgt, ihm sei einstweiliger Rechtsschutz zu gewähren, damit er seinen Lebensunterhalt verdienen könne, ist ihm zuzumuten, entsprechend der gesetzlichen Konzeption von der begehrten Tätigkeit abzusehen und seinen Lebensunterhalt auf andere Weise zu bestreiten, solange er die erforderliche behördliche Bestätigung nicht erstritten hat.
Ungeachtet dessen hat der Antragsteller auch nicht glaubhaft gemacht, dass ihm mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ein Anspruch auf Mitteilung einer positiven Beurteilung seiner Zuverlässigkeit gemäß § 34a Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 GewO zusteht. Nach dieser Vorschrift dürfen mit der Durchführung von Bewachungsaufgaben nur Personen beschäftigt werden, die die erforderliche Zuverlässigkeit besitzen. Durch Verweisung in § 34a Abs. 1a Satz 6 auf Abs. 1 Satz 4 GewO werden die dort geregelten Gründe für die Unzuverlässigkeit im Bewachungsgewerbe für das Bewachungspersonal entsprechend für anwendbar erklärt. Zwar liegt hier keiner der in § 34a Abs. 1 Satz 4 GewO genannten Tatbestände vor, bei deren Vorliegen in der Regel die Unzuverlässigkeit anzunehmen ist. Die Vorschrift lässt jedoch die Möglichkeit offen, die Unzuverlässigkeit auf andere, hier nicht ausdrücklich benannte Tatbestände zu stützen (vgl. Marcks/Eisenmenger, in: Landmann/Rohmer, GewO, Stand: März 2023, § 34a Rn. 24 f.). Nach allgemeinen gewerberechtlichen Grundsätzen ist unzuverlässig, wer nach dem Gesamtbild seines Verhaltens keine Gewähr für eine künftige ordnungsgemäße Ausübung seines Berufs und die Einhaltung der Rechtsordnung bietet. Das Merkmal der Zuverlässigkeit ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der der vollen gerichtlichen Überprüfung unterliegt.
Vorliegend rechtfertigt der der Verurteilung durch das Amtsgericht T ... vom 9 ... wegen Verstoßes gegen das Gewaltschutzgesetz zugrundeliegende Sachverhalt die Prognose der Unzuverlässigkeit des Antragstellers für die Tätigkeit als Wachperson. Nach den Feststellungen des Amtsgerichts T ... hat dieser entgegen der gegen ihn erlassenen einstweiligen Anordnung Kontakt zu seiner ehemaligen Lebensgefährtin aufgenommen, indem er ihr am 2 ... eine Textnachricht schrieb und sie einen Tag später anrief. Der Antragsteller wurde zu einer Gesamtgeldstrafe von 50 Tagessätzen verurteilt. Die Tat offenbart, dass es dem Kläger an einer für die Tätigkeit als Bewachungsperson notwendigen Impulskontrolle mangelt. Indem er sich über die gerichtliche Anordnung der Kontaktsperre hinweggesetzt hat, hat er seine Bereitschaft, rechtliche Grenzen zu überschreiten, unter Beweis gestellt. Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass Beziehungskonflikte, die der Tat zu Grunde gelegen haben, in besonderer Weise emotionsbeladen sein können. Gerade im Bewachungsgewerbe ist jedoch ein besonnenes, deeskalierendes Auftreten in Konfliktsituationen zum Schutz der Allgemeinheit unerlässlich und potentielle Gewaltgeneigtheit fehl am Platz. Von einer im Bewachungsgewerbe tätigen Person muss erwartet werden, dass sie die Rechtsordnung nicht nur während ihrer Berufsausübung, sondern auch im privaten Bereich beachtet. Insofern sind die Tatsachen, die auf die Unzuverlässigkeit schließen lassen, auch gewerbebezogen (vgl. zu diesem Erfordernis BVerwG, Beschluss vom 6. Dez. 1994 - 1 B 234.94 -, juris Rn. 6).
Allein durch den geltend gemachten Zeitablauf seit der Tat oder durch die behauptete geringe Intensität der Straftat werden die Bedenken gegen die Unzuverlässigkeit des Antragstellers nicht aufgewogen. Vielmehr bestärken die gegen ihn erhobenen Stalking-Vorwürfe im Vorfeld der einstweiligen Anordnung die Zweifel an seiner Fähigkeit zur gewalt- und bedrohungsfreien Konfliktlösung. So soll er nach den – von ihm bestrittenen – Angaben seiner ehemaligen Lebensgefährtin unter anderem geäußert haben, dass „das Ganze für sie kein gutes Ende nehmen“ würde und sie „für alles bezahlen“ werde (vgl. die Strafanzeige vom 1 ..., S. 5 und 6). Ausweislich des Schlussberichts der Polizei vom 1 ... (Seite 1) ging auch diese nach Auswertung des Sachverhalts von einem hohem Gefahrenpotenzial für Leib und Leben der Lebensgefährtin aus. Soweit der Antragsteller erstmalig in diesem Verfahren ein Fehlverhalten einräumt, ist darin kein nachhaltiger innerer Einstellungswandel erkennbar, nachdem er zuvor jegliches Fehlverhalten von sich wies und seiner ehemaligen Lebensgefährtin vorwarf, in diesem Zusammenhang falsche Angaben getätigt zu haben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG. Der Kammer erscheint für das Hauptsacheverfahren der Regelstreitwert von 5.000 Euro angemessen, der in Anbetracht der begehrten Vorwegnahme der Hauptsache nicht zu ermäßigen ist.