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Entscheidung 12 Sa 284/23


Metadaten

Gericht LArbG Berlin-Brandenburg 12. Kammer Entscheidungsdatum 10.11.2023
Aktenzeichen 12 Sa 284/23 ECLI ECLI:DE:LAGBEBB:2023:1110.12SA284.23.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 51 Abs 1 ZPO, § 3 VTV, § 12 VTV, § 25 VTV, § 5 TV Sozialaufwand

Leitsatz

Die Übertragung der Aktivlegitimation auf die ULAK durch § 3 Absatz 3 Satz 1 VTV besteht wegen Beiträgen und erstreckt sich nicht auf die Rückforderung von Leistungen. Im Falle der Rückforderung von durch eine andere Kasse erbrachten Leistungen steht die Vorschrift daher der Prozessführungsbefugnis der leistungserbringenden Kasse nicht entgegen.

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 12. Januar 2023 – 15 Ca 80445/22 – abgeändert und die Beklagte verurteilt, an den Kläger 4.754,71 EUR zu zahlen.

II. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtstreits zu tragen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Rückforderung von Gutschriften auf dem Beitragskonto.

Der Kläger ist ein wirtschaftlicher Verein, der als Sozialkasse des Berliner Baugewerbes aufgrund allgemeinverbindlicher Tarifverträge Aufgaben im Baugewerbe für das Gebiet des Landes Berlin wahrnimmt.

Der „Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV)“ vom 28. September 2018 bestimmt:

„§ 3 Sozialkassen

(1) Die Urlaubs- und Lohnausgleichskasse der Bauwirtschaft (ULAK) mit Sitz in Wiesbaden erbringt Leistungen im Urlaubs- und Berufsbildungsverfahren und hat Anspruch auf die zur Finanzierung dieser Verfahren festgesetzten Beiträge. … Für Betriebe mit Sitz im Land Berlin erbringt die Sozialkasse des Berliner Baugewerbes (Soka-Berlin) anstelle der ULAK die in Satz 1 beschriebenen Leistungen; sie hat gegenüber diesen Betrieben Anspruch auf die zur Finanzierung dieser Leistungen festgesetzten Beiträge. Bestimmungen dieses Tarifvertrages, in denen auf die ULAK Bezug genommen wird, gelten mit Ausnahme dieses Paragraphen bei Zuständigkeit … der Soka-Berlin entsprechend. …

(3) Die ULAK zieht als Einzugsstelle ihre eigenen Beiträge … und diejenigen … der Soka-Berlin ein. …

§ 12 Erstattung der Urlaubsvergütung

(1) Die ULAK erstattet dem Arbeitgeber durch Banküberweisung oder Gutschrift auf dem Beitragskonto nach § 18 Abs. 2 monatlich die von ihm an den Arbeitnehmer ausgezahlte Urlaubsvergütung … …

(2) Wird ein Arbeitgeber rückwirkend zur Meldung und Beitragszahlung herangezogen, so besteht Anspruch auf Erstattung der den Arbeitnehmern in den rückwirkend erfassten Abrechnungszeiträumen gewährten Urlaubsvergütungen, höchstens jedoch in Höhe der in § 8 BRTV für den jeweiligen Abrechnungszeitraum festgelegten Leistungen und nur für solche Abrechnungszeiträume, für die Beiträge entrichtet worden sind. …

§ 25 Rückforderung von Leistungen

Hat eine Kasse dem Arbeitgeber oder dem Arbeitnehmer gegenüber Leistungen erbracht, auf die dieser zum Zeitpunkt der Antragstellung keinen tarifvertraglichen Anspruch hatte oder die aufgrund unwahrer Angaben erfolgt sind, so ist die Kasse berechtigt, die von ihr gewährten Leistungen zurückzufordern und für die Zeit zwischen Leistungsgewährung und Rückzahlung Zinsen entsprechend § 20 zu fordern. ….“

Der „Tarifvertrag über Sozialaufwandserstattung im Berliner Baugewerbe - gewerbliche Arbeitnehmer -“ vom 17. Dezember 2002 (TV Sozialaufwand) bestimmt:

„§ 2 Sozialaufwandserstattungssatz

(1) Die Sozialkasse des Berliner Baugewerbes erstattet dem Arbeitgeber neben ausgezahlten Urlaubsvergütungen und Lohnausgleichsbeträgen nach den Bestimmungen des VTV einen Zuschlag auf die ausgezahlten Beträge als Ausgleich für die von ihm zu leistenden Sozialaufwendungen (Sozialaufwandserstattungssatz). Der Sozialaufwandserstattungssatz beträgt 45 % auf die ausgezahlten Urlaubsvergütungen und 20 % auf die ausgezahlten Lohnausgleichsbeträge. …

§ 5 Rückforderung von Leistungen

Hat die Sozialkasse dem Arbeitgeber gegenüber Leistungen erbracht, auf die dieser zum Abrechnungszeitpunkt keinen Anspruch hatte oder die aufgrund unwahrer Angaben erfolgt sind, so ist die Sozialkasse berechtigt, diese zurückzufordern und hat für die Zeit zwischen Leistungsgewährung und Rückzahlung Anspruch auf Verzugszinsen in gesetzlicher Höhe.“

Die Beklagte unterhielt einen baugewerblichen Betrieb.

Am 11. Februar 2020 erfolgte eine Nachaufnahme der arbeitnehmerbezogenen Daten für den Zeitraum von Dezember 2014 bis Dezember 2019 durch die SOKA-BAU als Dachmarke auch der ULAK.

Mit Schreiben vom 25. Juni 2020 teilte die SOKA-BAU der Beklagten mit, dass sie im Ergebnis der Prüfung das Sozialkassenbeitrags- und Winterbeschäftigungs-Umlage-Konto berichtigt habe. In einer tabellarischen Übersicht teilte sie die Bruttolohnsummen für 2014 bis 2019 mit und die sich daraus ergebenden Beiträge zur Sozialkasse. Zum 18. Dezember 2019 wurde das Beitragskonto der Beklagten geschlossen im Hinblick auf die seit diesem Zeitpunkt bestehende Mitgliedschaft der Beklagten in der Tischler-Innung.

Für Dezember 2014 bis November 2015 gibt das Schreiben keine Beiträge an. Dazu ist angemerkt, diese seien verfallen. Deshalb seien keine Beiträge berechnet worden.

Nachdem die Beklagte das Prüfergebnis bestätigt hatte, gab der Kläger die festgestellten Erstattungen darunter auch Erstattungen für die Monate Dezember 2014 bis Oktober 2015 frei. Am 16. Oktober 2020 wurden diese dem Beitragskonto der Beklagten gutgeschrieben. Hierzu erteilte der Kläger der Beklagten eine Verrechnungsinformation, auf die verwiesen wird (Anlage A1 zur Anspruchsbegründung, Bl. 8-10 dA).

Am 24.November 2020 unterrichtete die SOKA-Bau den Kläger, dass zum Prüfzeitpunkt der Zeitraum 12/2014 bis 11/2015 bereits verfallen gewesen sei; die für diesen Zeitraum „gebuchten“ Beiträge storniert worden seien. Die Erstattungen für die Monate Dezember 2014 bis Oktober 2015 erstattete die SOKA-BAU dem Kläger mit einem Betrag von insgesamt 14.382,02 EUR zurück.

Mit Schreiben vom 25. Februar 2021 informierte die SOKA-BAU die Beklagte, dass die Erstattungsleitungen des Klägers gemäß der Verrechnungsinformation für den verfallenen Zeitraum von Dezember 2014 bis Oktober 2015 in der genannten Höhe an den Kläger zurückgebucht und dies durch Umbuchung auf dem Beitragskonto der Beklagten vermerkt worden sei.

Mit Mahnbescheid vom 19. Juli 2022, der Beklagten zugestellt am 27. Juli 2022, hat der Kläger eine Rückforderung wegen „zu viel in Anspruch genommener Erstattung für Urlaubsvergütung 12/2014 bis 11/2015“ geltend gemacht. Mit Anspruchsbegründung, eingegangen bei Gericht am 8. September 2022, hat der Kläger ausgeführt, die Klageforderung resultiere aus zu hohen Gutschriften für gemeldete Urlaubsvergütungen und Sozialaufwandserstattung, die für die Tilgung von Beitragsforderungen für Dezember 2015, Januar, Februar, April, Mai und August 2016 verwandt worden seien. Durch die Stornierung des Bruttolohns im Zeitraum 12/2014 bis 11/2015 verringere sich der tarifliche Urlaubsanspruch der Folgemonate für vier benannte Arbeitnehmer der Beklagten, so dass aus einer Anlage A2 (Bl. 11f dA) ersichtliche Beträge für bezeichnete Monate zwischen Dezember 2015 und August 2016 geltend gemacht würden. Wegen der Einzelheiten der Berechnung wird auf die erstinstanzlichen Entscheidungsgründe verwiesen. In Abzug bringt der Kläger einen Betrag von 1.079,35 EUR, den die SOKA-Bau mit der Erstattung für Dezember 2014 bis Oktober 2015 zu Gunsten der Beklagten zu viel an ihn geleistet habe. Da die Klage keine Beitragsforderungen betreffe, sondern zu viel geleistete Erstattungen, sei er als leistungserbringende Kasse gemäß § 25 Satz 1 VTV zur Rückforderung berechtigt. Die Erbringung der Leistung sei durch Überweisung des Guthabens an die ULAK erfolgt.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 4.758,21 € zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, der Kläger sei im Hinblick auf die tarifvertragliche Regelung zur SOKA-Bau als Einzugstelle nicht aktivlegitimiert. Außerdem habe die SOKA-Bau eine Saldierung der zurückliegenden Zeiträume vorgenommen und sie den resultierenden Betrag auf die von dort erhobene Klage gezahlt. Die geltend gemachte Überzahlung beruhe auf „Luftbuchungen“. Es seien keine Leistungen an Mitarbeiter ausgezahlt worden und wegen der Saldierung seien keine Arbeitnehmerkonten erforderlich gewesen.

Mit Urteil vom 12. Januar 2023 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Wegen der geltend gemachten Rückforderung erweise sich die Klage als unzulässig. Der Kläger sei nicht befugt, seinen Rückforderungsanspruch aus § 25 VTV selbst gerichtlich geltend zu machen. Prozessführungsbefugt sei allein die ULAK, die nach der einschlägigen tarifvertraglichen Regelung die Beiträge an den Kläger einzuziehen habe. Auch der Rückforderungsanspruch des Klägers aus § 25 VTV-Bau sei ein Anspruch, der nur von der ULAK in Prozessstandschaft gerichtlich geltend gemacht werden könne. Der Erstattungsanspruch resultiere nämlich aus dem SOKA-Gesamtbeitrag, der für Arbeitgeber mit Sitz im Westteil bzw. Ostteil des Landes Berlin aus §§ 15 Abs. 3, 18 VTV-Bau zu zahlen sei.

Gegen das ihm am 8. Februar 2023 zugestellte Urteil hat der Kläger am 3. März 2023 Berufung eingelegt und am 31. März 2023 begründet. Er verfolgt die Klageforderung weiter und führt aus: Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts sei er aktivlegitimiert. Dies ergäbe sich aus § 3 Absatz 1 Satz 3 VTV und § 5 TV Sozialaufwandserstattung. Eine Zuständigkeit der ULAK bestehe nicht, da es nicht um den Einzug von Beiträgen gehe. Zu hohe Gutschriften auf dem Beitragskonto führten zu einem einklagbaren Anspruch auf Erstattung. Die Beklagte sei seinem Vorbringen, aus der Stornierung der Beiträge für Dezember 2014 bis November 2015 sei ein geringerer Erstattungsanspruch der Beklagten für Urlaub der genannten Arbeitnehmer entstanden, nicht substantiiert entgegengetreten. Mit Schriftsatz vom 2. November 2023 hat er ergänzt, dass Erstattungsansprüche nach der tarifvertraglichen Regelung zur Erstattung im Falle der rückwirkenden Heranziehung zu Beiträgen nur für solche Abrechnungszeiträume bestünden, für die Beiträge entrichtet worden seien. Die für den beitragslosen Zeitraum bis November 2015 erworbenen Ansprüche seien erst in der Folgezeit den Arbeitnehmern gewährt worden. Er habe es zum damaligen Zeitpunkt versäumt, die auf die Folgejahre übertragenen Ansprüche zusammen mit der Stornierung der Meldungen auszubuchen, obwohl diese mit Wegfall der anspruchsbegründenden Bruttolöhne ebenfalls gegenstandslos geworden seien. Hinsichtlich der Sozialaufwandserstattung dürfte § 5 TV Sozialaufwand einschlägig sein.

Er beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 12. Januar 2023 - 15 Ca 80445/22 -abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 4.754,71 EUR zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen

Sie hat die Berufung beantwortet. Sie verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts und führt aus: Der Kläger habe ihr gegenüber zu keinem Zeitpunkt Leistungen erbracht und könne sich daher nicht auf § 25 VTV berufen. Vielmehr habe es sich nur um einen internen Buchungsvorgang gehandelt. Außerdem fehle es an der erforderlichen Antragstellung. Sie habe lediglich in 2020 dem Saldierungsverfahren zugestimmt. Schließlich folge aus der seitens der ULAK erfolgten Rücknahme der in 2022 anhängig gemachten Beitragsklage die Bestätigung des Ausgleichs aller Forderungen und die endgültige Erledigung aller Beitragsforderungen bis zur Schließung ihres Beitragskontos.

Entscheidungsgründe

Die Berufung hat Erfolg. Sie ist zulässig und begründet. Sie führt zur Abänderung der Entscheidung des Arbeitsgerichts und zur Klagestattgabe.

I.

Die Berufung ist zulässig.

Ihre Statthaftigkeit folgt aus § 64 Absatz 2 Buchstabe b Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG). Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 600 EUR. Der Kläger hat die Berufung innerhalb der Monatsfrist ab Zustellung des arbeitsgerichtlichen Urteils aus § 66 Absatz 1 Satz 1 ArbGG eingelegt und innerhalb der an gleicher Stelle geregelten Zweimonatsfrist begründet. Dabei genügt die Begründungsschrift den inhaltlichen Anforderungen aus § 520 Absatz 3 Zivilprozessordnung (ZPO). Mit den Ausführungen zur bestehenden Prozessführungsbefugnis macht der Kläger einen Rechtsfehler als Berufungsgrund im Sinne von § 520 Absatz 3 Nummer 2 ZPO geltend.

II.

Die Berufung ist begründet. Die Klageabweisung durch das Arbeitsgericht beruht auf einem Rechtsfehler. Entgegen dessen Auffassung ist der Kläger wegen des klageweise geltend gemachten Anspruchs auf Rückforderung von Leistungen prozessführungsbefugt und die Klage deshalb zulässig. Die Klage ist auch begründet. Der eingeklagte Rückforderungsanspruch ist dem Kläger entstanden, weil er die von ihm näher dargelegten Erstattungen von Urlaubsvergütung und Sozialaufwand durch Gutschrift auf dem Beitragskonto gegenüber der Beklagten erbracht hat, ohne dass diese zum Zeitpunkt der Saldierung einen tarifvertraglichen Anspruch darauf gehabt hätte. Im Einzelnen:

1. Auf das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien hinsichtlich der Beitragspflicht und den Erstattungsansprüchen fanden für den Zeitraum zwischen Dezember 2015 und Dezember 2019 der VTV Bau in der jeweils maßgebenden Fassung Anwendung und der TV Sozialaufwand Anwendung. Dies beruht auf den Geltungsanordnungen in §§ 6, 7 Absätze 1 und 2 Sozialkassenverfahrensicherungsgesetz bzw. Allgemeinverbindlicherklärungen vom 6. Juli 2015 (BAnz AT 14.07.2015 B3), vom 11. Mai 2016 (BAnz AT 19.05.2016 B2) und vom 7. Mai 2019 (Bundesanzeiger AT vom 17. Mai 2019 B1).

2. Die Klage ist zulässig, ohne dass dem eine fehlende Prozessführungsbefugnis entgegenstünde. Mit der Klage verfolgt der Kläger die Rückforderung von Leistungen aus den Tarifvorschriften in § 25 VTV und § 5 TV Sozialaufwand. Damit macht er ihm zustehende Ansprüche als eigenes Recht geltend. Er ist insoweit prozessführungsbefugt. Die Übertragung der Aktivlegitimation auf die ULAK durch § 3 Absatz 3 Satz 1 VTV besteht wegen Beiträgen und erstreckt sich nicht auf die Rückforderung von Leistungen. Im Falle der Rückforderung von durch eine andere Kasse erbrachten Leistungen steht die Vorschrift daher der Prozessführungsbefugnis der leistungserbringenden Kasse nicht entgegen.

a. Nach allgemeinen Grundsätzen ist prozessführungsbefugt ist, wer ein behauptetes Recht als eigenes in Anspruch nimmt (Musielak/Voit/Weth, 20. Aufl. 2023, ZPO § 51 Rn 16). Schon die behauptete Rechts- bzw. Pflichtenträgerschaft legitimiert grundsätzlich zur Prozessführung (MüKoZPO, 6. Auflage 2020, ZPO vor § 50 Rn 46).

b. Der Kläger macht, wie aus den herangezogenen Anspruchsgrundlagen folgt, eigene Rechte in eigenem Namen geltend. In § 25 VTV ist als Anspruchsinhaber von Rückforderungsansprüchen die „Kasse“ bezeichnet, die dem Arbeitgeber gegenüber Leistungen erbracht hat. Nach § 3 Absatz 1 Satz 3 VTV, § 2 Absatz 1 Satz 1 TV Sozialaufwand ist dies der Kläger, der nach den genannten Bestimmungen den Arbeitgebern Erstattungen wegen ausgezahlter Urlaubsvergütungen und wegen Sozialaufwand leistet. Ebenso meint die Bezeichnung Sozialkasse in § 5 TV Sozialaufwand den Kläger.

c. Aus § 3 Absatz 3 Satz 1 VTV folgt vorliegend keine Ausnahme von dem Grundsatz, dass für die Geltendmachung von Rechten als eigene Rechte die Prozessführungsbefugnis gegeben ist.

aa. Die Tarifvorschrift ist nicht einschlägig. Dort wird die ULAK zur Einzugstelle der dem Kläger zustehenden Beiträge gemacht (vgl. BAG, 25. Mai 2022 - 10 AZR 37/19, juris Rn 33). Die Tarifvorschrift ermächtigt den die ULAK tragenden Verein ausdrücklich, auch Sozialkassenbeiträge einzuziehen, soweit sie nicht ihm selbst, sondern anderen Sozialkassen zustehen. Die Arbeitgeber können nach der tariflichen Regelung des Beitragseinzugsverfahrens auf die Beitragsforderungen aller systemangehörigen Sozialkassen befreiend nur an den die ULAK tragenden Verein leisten. Dieser tritt gegenüber den Arbeitgebern wie ein Vollrechtsinhaber auf, wenn er die ihm tariflich eingeräumten Befugnisse wahrnimmt (vgl. BAG, 16. September 2020 - 10 AZR 9/19, juris Rn 19). All dies gilt aber nur wegen der Sozialkassenbeiträge. Die Tarifvorschriften unterscheiden zwischen Beiträgen und der Rückforderung von Leistungen. Dementsprechend ist die Einzugsermächtigung nur wegen der Sozialkassenbeiträge übertragen und nicht auch wegen Rückforderungsansprüchen der übrigen Kassen. Vorliegend sind keine Beitragsforderungen im Streit, sondern die Rückforderung erbrachter Leistungen.

bb. Die vom Arbeitsgericht herangezogene Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, wonach das Innenverhältnis zwischen der Einzugsstelle und den hinter ihr stehenden anderen Sozialkassen weder beim Beitragseinzug noch bei der Rückabwicklung des Leistungsverhältnisses eine Rolle spiele, begründet ebenfalls keine Einschränkung der Prozessführungsbefugnis des Klägers. Die herangezogenen Entscheidungsgründe beziehen die angesprochene Rückabwicklung ausdrücklich auf den Arbeitgeber, der ohne rechtlichen Grund Beiträge an die Klägerin abgeführt hat (BAG, 16. Juni 2021 - 10 AZR 217/19, juris Rn 36). Dies ist aber nicht die vorliegend zu beurteilende Situation. Geltend gemacht ist nicht die Rückabwicklung von rechtsgrundlos geleisteten Beiträgen, sondern die Rückforderung einer rechtsgrundlos erfolgte Erstattung von Urlaubsvergütungen und Sozialaufwand durch die Kasse an den Arbeitgeber.

cc. Die vom Arbeitsgericht hervorgehobenen Verbindung zwischen Beiträgen und Leistungen begründet kein anderes Ergebnis. Die Übertragung der Aktivlegitimation folgt insbesondere nicht daraus, dass der Kläger den Aufwand für die Erstattungen aus den von der ULAK eingezogenen und an ihn weitergeleiteten Beiträgen der Arbeitgeber finanziert. Regelungen zur Einziehung von Finanzmitteln erstrecken sich nicht automatisch auf die Ansprüche, die durch die Finanzmittel zu bedienen sind, oder deren Rückabwicklung.

dd. Schließlich resultiert die Rückforderung der in Rede stehenden Erstattungen auch nicht stets in höheren Beitragsschulden, so dass unter diesem Aspekt eine Erstreckung der Einziehungsermächtigung gegeben sein könnte. Vielmehr hat eine „Umwandlung“ der Rückforderung in höhere Beitragsansprüche zur Voraussetzung, dass die ULAK die zuvor bei Leistung der Erstattungen durch den Kläger erfolgte Gutschrift auf dem von ihr für den Arbeitgeber geführten Beitragskonto rückbucht und infolge der Rückbuchung die Beitragsschuld entsprechend anwächst. Ob dies eintritt, hängt aber von der im Einzelfall gewählten Vorgehensweise ab. Eine Verpflichtung der ULAK entsprechend vorzugehen, ist tarifvertraglich nicht normiert. Geht die ULAK entsprechend vor, so erlischt der Rückforderungsanspruch, weil die ULAK insoweit zu Gunsten des beitragspflichtigen Arbeitgebers leistet. Eine Rückforderungsklage des Klägers würde dadurch unbegründet, nicht aber unzulässig.

3. Der Klageanspruch ist aus § 25 VTV, § 5 TV Sozialaufwand begründet. Die Voraussetzungen der Tarifnormen sind erfüllt. Der Kläger hat an die Beklagte in der eingeklagten Höhe Urlaubsvergütungen und Sozialaufwand erstattet hat, ohne dass insoweit ein Anspruch der Beklagten bestand.

a. Die Kammer versteht das Verhältnis von § 25 VTV und § 5 TV Sozialaufwand dahin, dass § 5 TV Sozialaufwand die spezielle Vorschrift für die Rückforderung zu Unrecht geleisteter Sozialaufwandserstattung ist und im Übrigen § 25 VTV für zu Unrecht geleistete Erstattung von Urlaubsvergütung einschlägig ist. Bei beiden Vorschriften handelt es sich um Tarifnormen, die selbständig die Rückforderbarkeit zu Unrecht erbrachter Erstattungen begründen (vgl. zu § 25 VTV bzw. der Vorgängervorschrift: Hessisches Landesarbeitsgericht, 4. Februar 2015 - 18 Sa 97/14, juris Rn 57).

b. Der Kläger hat die zurück geforderten Erstattungen an die Beklagte geleistet.

aa. Dies folgt aus der Tarifvorschrift in 12 Absatz 1 VTV, wonach die Erstattung durch Banküberweisung oder Gutschrift auf dem Beitragskonto erfolgt. Die Gutschrift auf dem Beitragskonto ist danach eine Form der Leistung an den Arbeitgeber. Die Vorschrift gilt für den Kläger. Hinsichtlich der rückgeforderten Urlaubsvergütungen folgt dies aus der in § 3 Absatz 1 Satz 4 VTV für den Zuständigkeitsbereich des Klägers angeordneten entsprechenden Geltung auch von § 12 Absatz 1 VTV, hinsichtlich der Erstattung von Sozialaufwand aus § 2 Absatz 1 Satz 1 TV Sozialaufwand, wonach die Erstattung nach den Bestimmungen des VTV erfolgt, also wiederum nach § 12 Absatz 1 VTV.

bb. Entsprechende Gutschriften ergeben sich aus der Verrechnungsinformation vom 19. Oktober 2020. Danach sind für Dezember 2015, Januar, Februar, April, Mai und August 2016 (im Folgenden: betroffene Monate) Gutschriften wegen Erstattungen von Urlaubsvergütung und Sozialaufwand auf dem Beitragskonto der Beklagten erfolgt und zwar jeweils in einer Höhe, wie sie die rückgeforderten Beträge übersteigt.

cc. Entgegen der Auffassung der Beklagten handelt es sich dabei nicht um rein interne Buchungen. Die Buchungen sind auf dem Beitragskonto der Beklagten erfolgt. Dort ist deren Beitragsschuld ausgewiesen. Mit Verbuchung der Gutschriften hat diese sich vermindert. Hierin liegt die Außenwirkung der durch Gutschrift auf dem Beitragskonto der Beklagten erfolgten Leistung des Klägers

c. Auf die rückgeforderten Erstattungen hatte die Beklagte keinen Anspruch.

aa. Dies folgt aus § 12 Absatz 2 VTV. Die Vorschrift ist einschlägig. Die Beklagte ist vorliegend rückwirkend zur Beitragszahlung herangezogen worden. Dementsprechend hatte sie einen Anspruch auf Erstattung von in den betroffenen Monaten geleisteten an ihre Arbeitnehmer geleisteten Urlaubsvergütungen nur für solche Abrechnungszeiträume, für die Beiträge entrichtet worden sind. Soweit Urlaubsansprüche in Anwendung der einschlägigen Regelung aus § 8 Bundesrahmentarifvertrag Bau bis einschließlich November 2015 erarbeitet waren, hat die Beklagte insoweit keine Beiträge entrichtet. Insoweit bestand im Zeitpunkt der Beitragsfeststellung wegen Verfalls keine Beitragsschuld mehr. Dementsprechend konnte die Beklagte insoweit keine Erstattungen von Urlaubsvergütung beanspruchen. Dies gilt ebenfalls für die Erstattung von Sozialaufwand, die nach § 2 Absatz 1 TV Sozialaufwand als Zuschlag auf die dem Arbeitgeber erstatteten Beträge ausgestaltet ist. Der Berechnung der nicht erstattungspflichtigen Urlaubsvergütungen für die benannten Arbeitnehmer durch den Kläger, wie sie in der Anlage A2 zur Anspruchsbegründung erfolgt ist, ist die Beklagte nicht im Einzelnen entgegengetreten.

bb. Die von der Beklagten angezweifelte Antragstellung als maßgebender Zeitpunkt für das Fehlen des Anspruchs ist vorliegend mit deren Anregung, eine Saldierung von Beiträgen und Erstattungen vorzunehmen, gegeben.

d. Die übrigen Argumente der Beklagten stehen dem Klageerfolg nicht entgegen.

aa. Die vorliegend gerichtlich geltend gemachte Rückforderung betrifft nicht die Erstattungen für Urlaubsgewährungen bis November 2015, wegen derer der Kläger von der ULAK die Rückerstattung erhalten hat. Die dabei erfolgte und von ihm eingeräumte überschüssige Erstattung seitens der ULAK bringt er beziffert in Abzug. Weitere Rückerstattungen der ULAK auf die ohne Rechtsgrund erbrachten Erstattungen sind nicht ersichtlich oder von der Beklagten vorgetragen. Entsprechende Rückerstattungen hätten aber im Beitragskonto der Beklagten erscheinen müssen, da sie – wie unter II 2 c cc erläutert – die Beitragsschuld erhöht hätten.

bb. Ein zwischenzeitlich erfolgter Ausgleich des Beitragskontos der Beklagten ist nicht erheblich. Hat die ULAK keine Rückbuchung auf die vorliegend rückgeforderten Erstattungen vorgenommen, so haben diese weiterhin infolge Gutschrift die Beitragsschuld der Beklagten gegenüber der ULAK bis zu deren Ausgleich vermindert. Dementsprechend würde auch die von der ULAK mit der Rücknahme der Beitragsklage zum Ausdruck gebrachte Erklärung, das Beitragskonto sei ausgeglichen, ohne Belang für den hiesigen Rechtsstreit sein. Diese Erklärung würde sich auf das Beitragskonto beziehen, auf dem die hier rückgeforderte Erstattung weiterhin als Gutschrift zu Gunsten der Beklagten deren Beitragsschuld vermindert.

cc. Die Erstattungsleistungen wegen Urlaubsvergütung und Sozialaufwand setzen die Auszahlung der Urlaubsvergütung an den Arbeitnehmer voraus. Diese Auszahlung erfolgt aber durch den Arbeitgeber. Vor diesem Hintergrund bedarf die eingeklagte Rückforderung keiner vorherigen Leistungen des Klägers an die Arbeitnehmer der Beklagten.

III.

Von den Nebenentscheidungen folgt die Entscheidung zur Kostentragungspflicht der Beklagten, die mit dem Klageabweisungsbegehren unterlegen ist, aus § 91 Absatz 1 ZPO. Die mit der Berufung nicht weiter verfolgte erstinstanzlich ebenfalls abgewiesene Zuvielforderung wegen Auslagen kann im Hinblick auf ihre Höhe von 3,50 EUR nach § 92 Absatz 2 Ziffer 1 ZPO unberücksichtigt bleiben.

Veranlassung, in Anwendung von § 72 Absatz 2 ArbGG die Revision zuzulassen, bestand nicht.

Gegen dieses Urteil ist kein Rechtsmittel gegeben.

Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde wird hingewiesen.