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Entscheidung 3 L 308/23


Metadaten

Gericht VG Frankfurt (Oder) 3. Kammer Entscheidungsdatum 12.12.2023
Aktenzeichen 3 L 308/23 ECLI ECLI:DE:VGFRANK:2023:1212.3L308.23.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 4 AWaffV, § 4 Abs 2 AWaffV, § 4 Abs 6 AWaffV, § 45 Abs 2 S 1 WaffG, § 6 Abs 2 WaffG

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

2. Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird auf 4375,00 € festgesetzt

Gründe

A. Der Antrag des Antragstellers,

"die sofortige Vollziehung des Widerrufs der Waffenbesitzkarte (WBK) im Bescheid vom 7.09.2023 wird aufgehoben" bzw.

"die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Widerruf der Waffenbesitzkarte (WBK) wird angeordnet"

ist bei sinngemäßem Verständnis darauf gerichtet,

die aufschiebende Wirkung seiner Klage (VG 3 K 831/23) gegen den Bescheid des vom 21. April 2023 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. September 2023 hinsichtlich des in Nr. 1 des Bescheides verfügten Widerrufs seiner waffenrechtlichen Erlaubnis anzuordnen,

hat aber in der Sache keinen Erfolg.

I. Der Antrag ist allerdings zulässig, insbesondere statthaft, weil die gegen den Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnis gerichtete Klage des Antragstellers gemäß § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i.V.m. § 45 Abs. 5 des Waffengesetzes (WaffG) keine aufschiebende Wirkung entfaltet und deshalb im vorliegenden Verfahren angeordnet werden könnte. Die in Nr. 2 der Widerrufsverfügung bei gleichzeitiger Anordnung der sofortigen Vollziehung (Nr. 4) angeordnete Überlassung oder dauerhafte Deaktivierung der im Besitz des Antragstellers befindlichen Waffen und wesentlichen Waffenteile ist nach dem Inhalt des gestellten Antrages im vorliegenden Verfahren nicht angegriffen.

II. Der Antrag ist aber unbegründet.

Im vorliegenden Verfahren, welches auf die Anordnung der von Gesetzes wegen regelmäßig ausgeschlossenen aufschiebenden Wirkung des eingelegten Rechtsbehelfs gerichtet ist, ist maßgeblich der voraussichtliche Ausgang des Hauptsacheverfahrens in den Blick zu nehmen. Erweist sich nämlich dabei der angefochtene Verwaltungsakt als offensichtlich rechtswidrig, ist die aufschiebende Wirkung anzuordnen, weil die sofortige Vollziehung eines solchen Verwaltungsaktes niemals im öffentlichen Interesse liegen kann. Ist dies nicht der Fall, ist durch das Gericht eine umfassende Interessenabwägung vorzunehmen. Bei einer solchen haben – neben der summarisch geprüften Rechtmäßigkeit der angegriffenen Verfügung – wesentliche Bedeutung einerseits das durch die gesetzgeberische Grundsatzentscheidung betonte Interesse der Allgemeinheit an einer Vollziehung des Bescheides vor Eintritt seiner Bestandskraft, andererseits die privaten Interessen des jeweiligen Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs.

1. An diesen Grundsätzen gemessen bestehen jedenfalls keine ernstlichen Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der getroffenen Entscheidung.

a) Nach § 45 Abs. 2 S. 1 WaffG ist eine (gemäß § 10 Abs. 1 S. 1 WaffG durch Ausstellung einer Waffenbesitzkarte erteilte, zum Erwerb und Besitz von Waffen berechtigende) Erlaubnis zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Letzteres ist unter anderem der Fall, wenn ein Antragsteller die erforderliche persönliche Eignung nicht besitzt (§ 4 Abs. 1 Nr. 2 WaffG). Die auf die Person des jeweiligen Inhabers bezogenen Anforderungen an die Eignung im waffenrechtlichen Sinn sind in § 6 WaffG geregelt; im Einzelnen ist sie unter anderem bei Personen zu verneinen, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie abhängig von Alkohol oder anderen berauschenden Mitteln sind (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG).

Sind Tatsachen bekannt, die Bedenken gegen die persönliche Eignung nach Absatz 1 der genannten Vorschrift begründen, hat die zuständige Behörde der betroffenen Person auf deren Kosten die Vorlage eines amts- oder fachärztlichen oder fachpsychologischen Zeugnisses über die geistige oder körperliche Eignung aufzugeben. (§ 6 Abs. 2 WaffG). Die näheren Einzelheiten einer solchen Anordnung und die dafür gültigen Bedingungen ergeben sich aus § 4 der Allgemeinen Waffengesetz-Verordnung (AWaffV). Nach Abs. 2 der Vorschrift soll die Begutachtung von Fachärzten, Psychotherapeuten, Fachpsychologen jeweils besonderer fachlicher Ausrichtung oder von Amtsärzten durchgeführt werden. In § 4 Abs. 6 AWaffV ist ferner bestimmt, dass in Fällen, in denen ein von einer Anordnung zur Beibringung eines Gutachtens Betroffener sich weigert, sich untersuchen zu lassen, oder der zuständigen Behörde das von ihr geforderte Gutachten aus von ihm zu vertretenden Gründen nicht fristgerecht beibringt, die Behörde bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung des Betroffenen schließen darf. Der Betroffene ist hierauf bei der Anordnung nach Absatz 1 Nr. 1 in Verbindung mit Absatz 3 Satz 1 hinzuweisen.

Die Annahme einer fehlenden persönlichen Eignung kann auf die unterlassene Vorlage eines insoweit einschlägigen Gesundheitszeugnisses freilich nur dann gestützt werden, wenn die diesbezügliche Aufforderung rechtmäßig, anlassbezogen sowie verhältnismäßig war und die Nichtvorlage ohne ausreichenden Grund erfolgt ist (Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 30. März 2020 – 24 ZB 17.1883 –, juris Rn. 14; Oberverwaltungsgericht des Saarlandes, Beschluss vom 16. März 2016 – 2 B 20/16 –, juris Rn. 13).

b) An diesen Grundsätzen gemessen liegen die tatbestandlichen Widerrufsvoraussetzungen vor.

Der Antragsgegner hat eine auf § 6 Abs. 2 WaffG gestützte Anordnung zur Beibringung eines Gutachtens getroffen. Diese war hinreichend bestimmt, er hatte Veranlassung, vom Antragsteller die Beibringung eines derartigen Gutachtens zu verlangen, welches der Sache nach auf die Beseitigung der auf Tatsachen gestützten Bedenken gegen seine Eignung zum Umgang mit Waffen gerichtet war, und er hat, insbesondere mit seinem Hinweis auf die Folgen einer nicht fristgerechten Einreichung des Gutachtens auch im Übrigen die verfahrensrechtlichen Anforderungen an eine solche Anordnung beachtet.

Die Begutachtungsanforderung des Antragsgegners vom 16. November 2022 erfüllte im Ergebnis die Anforderungen an die hinreichende Bestimmtheit, die erforderlich sind, um dem Antragsteller als dem Adressaten deutlich zu machen, was von ihm verlangt wurde. Allerdings bricht der darin enthaltene Satz "Entsprechend § 6 Absatz 2 WaffG gebe ich Ihnen auf, bis zum 24.02.2023 Ihre geistige und körperliche Eignung zum Umgang mit Schusswaffen und Munition" an dieser Stelle ab. Dass der Satz mit "… durch Vorlage eines ärztlichen Zeugnisses nachzuweisen" oder eine inhaltsgleiche Wendung fortgesetzt werden sollte, ergibt sich aus dem Betreff des Schreibens, welcher "Anforderung eines ärztlichen Zeugnisses" lautete. Außerdem wurde dies deutlich durch die darauffolgenden Hinweise, wonach einerseits "das medizinische Gutachten" von Gutachtern dann im Einzelnen bezeichneter Fachrichtungen erstellt werden dürfe. Ferner hat der Beklagte abschließend darauf hingewiesen, dass die Behörde bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung des Betroffenen schließen dürfe, wenn dieser sich weigere, "sich untersuchen zu lassen, oder das geforderte Gutachten aus von ihm zu vertretenden Gründen nicht fristgerecht erbracht" werde. Ersichtlich hat der Antragsteller die Aufforderung auch zutreffend verstanden. Denn weder hat der Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers noch dieser selbst in seinem Schreiben vom 17. Januar 2023 sein Unverständnis über den Inhalt der ihm auferlegten Verpflichtung zum Ausdruck gebracht noch ist dies im vorliegenden Verfahren vorgetragen; er selbst hat mit seinem genannten Schreiben vielmehr als Anlage ein Schreiben der Dekra eingereicht, aus dem sich ergibt, dass diese von ihm mit einer "Begutachtung nach § 6 Waffengesetz" beauftragt worden war.

Der Antragsgegner hatte auch allen Anlass zu Bedenken gegen die fortbestehende Eignung des Antragstellers im Hinblick auf den Umgang mit Waffen. Diesbezügliche Zweifel drängten sich auf, nachdem ihm bekannt geworden war, dass der Antragsteller am 17. Mai 2020 ein Kraftfahrzeug unter dem Einfluss von Amphetaminen geführt hatte. Die daraufhin durchgeführte rechtsmedizinische Untersuchung seines Blutes ergab eine Serumkonzentration von 610 ng/ml, die mithin den Entscheidungsgrenzwert für Amphetamin von lediglich 25 ng/ml, von dem an eine Verurteilung nach § 24a Abs. 2 des Straßenverkehrsgesetzes in Betracht kommt (vgl. dazu OLG München, 13. Januar 2006 – 4 St RR 199/05 –, ZfSch 2006, 290) um mehr als das 24fache überstieg und das rechtsmedizinische Institut zu der Einschätzung veranlasste, die Untersuchungsergebnisse belegten den aktuellen Gebrauch von Amphetamin. Dass das mit einem anderen Gegenstand, nämlich wegen des Besitzes von Betäubungsmitteln gegen den Antragsteller eingeleitete strafrechtliche Ermittlungsverfahren mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt worden ist, ändert an diesem Befund nichts.

Das geforderte Gutachten hat der Antragsteller nicht, erst recht nicht fristgemäß, beigebracht. Mit seinem Schreiben vom 17. Januar 2023 hat er lediglich darauf hingewiesen, er befinde sich in einem "Abstinenznachweis-Programm, um einen positiven Abschluss einer MPU zu erfüllen." Ferner hat er angekündigt, er werde die Unterlagen übersenden, sobald er Ende September ein positives Gutachten habe und hat um eine Verlängerung zur Abgabe bis zu diesem Zeitpunkt gebeten. Diese Bitte hat der Antragsgegner mit Schreiben vom 23. Januar 2023 abgelehnt. Binnen der daher am 24. Februar 2023 ablaufenden Frist oder danach bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt hat der Antragsteller weder ein Gutachten über seine waffenrechtliche Eignung noch auch nur den Befund einer für die Wiedererlangung seiner Fahrerlaubnis erstellten medizinisch-psychologischen Untersuchung beigebracht. Die von ihm stattdessen vorgelegte Abschlussbescheinigung über die Durchführung eines Drogenkontrollprogramms erreicht die Aussagekraft eines ärztlichen Gutachtens eines Spezialisten nicht ansatzweise. Ganz abgesehen davon, dass sie erst im Verlauf des vorliegenden gerichtlichen Verfahrens und damit deutlich nach Ablauf der Frist eingereicht worden ist, ist sie allenfalls geeignet, labortechnisch zu belegen, dass der Antragsteller über einen gewissen Zeitraum keine Drogen konsumiert hat, wobei auffällt, dass er die Teilnahme an dem Abstinenz-Programm erst im August 2022 begonnen hat, also mehr als zwei Jahre, nachdem er im Straßenverkehr ein Fahrzeug unter dem – erheblichen – Einfluss von Amphetaminen geführt hatte. Für die prognostisch zu beurteilende Frage, ob der Inhaber oder Bewerber um eine waffenrechtliche Erlaubnis die erforderliche Eignung aufweist, ist aber bei einer derartigen Vorgeschichte über die gegenwärtig bestehende Abstinenz hinaus entscheidend, ob die behauptete Änderung im Umgang mit berauschenden Substanzen stabil und motivational gefestigt ist (vgl. hierzu Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 1. Dezember 2021 – 3 M 185/21 –, Rn. 27; Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 26. Oktober 2018 – 1 S 1726/17 –, Rn. 69; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 29. Juni 2016 – 21 B 16.527 –, Rn. 40, alle zitiert nach juris).

c) Die in § 4 Abs. 6 AWaffV verwendete Formulierung, wonach die Behörde in Fällen einer verweigerten oder nicht rechtzeitigen Beibringung des Gutachtens auf die Nichteignung schließen "darf", ist nicht als Ermessen zu verstehen, in einem solchen Fall auf die entsprechende Schlussfolgerung zu verzichten, sondern dahin, dass dort, wo schon die Voraussetzungen für die Anordnung fehlten, auch kein Raum für eine solche Annahme ist (vgl. den zitierten Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 30. März 2020, a. a. O., Rn. 21; so wohl auch Bushart in: Apel/Bushart, Waffenrecht, 3. Aufl. Bd. 2 § 6 Abs. 2 WaffG, der darauf hinweist, dass die persönliche Eignung jedes Bewerbers um eine waffenrechtliche Erlaubnis zwingend gegeben sein muss, verbleibende Zweifel zu seinen Lasten gehen, entsprechendes auch dann gilt, wenn durch Tatsachen begründete Bedenken bei der Regelüberprüfung eines Inhabers auftreten und – wird das Gegenteil nicht durch ein Gutachten bezeugt – die Erlaubnis widerrufen werden "muss"). Liegen damit – wie hier wegen des Fortfalls der Eignung des Antragstellers zum Umgang mit Waffen – Tatsachen vor, die zur Versagung seiner waffenrechtlichen Erlaubnis hätten führen müssen, ist diese entgegen der Auffassung des Antragstellers nach dem Wortlaut des Gesetzes (§ 45 Abs. 2 S. 1 WaffG) zwingend zu widerrufen.

2. Erweist sich nach den vorstehenden Ausführungen der Widerruf der dem Antragsteller erteilten waffenrechtlichen Erlaubnis aller Voraussicht nach als rechtmäßig, gibt es vor dem Hintergrund der gesetzgeberischen Grundsatzentscheidung für die sofortige Vollziehbarkeit keine Rechtfertigung, davon aus Gründen des vorliegenden Einzelfalles abzuweichen und dem auf der Grundlage des gegenwärtigen Erkenntnisstandes waffenrechtlich ungeeigneten Antragsteller die diesbezügliche Erlaubnis zu belassen.

B. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung hat ihre Grundlage in §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 des Gerichtskostengesetzes - GKG -. Dabei orientiert sich das Gericht am Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (https://www.bverwg.de/user/ data/media/streitwertkatalog.pdf). Dieser sieht für eine Waffenbesitzkarte mit einer eingetragenen Waffe im Hauptsacheverfahren den Auffangwert von 5000,00 € (Nr. 50.2) und 750,00 € für jede weitere Waffe vor (vgl. insgesamt hierzu Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 21. April 2011 – OVG 11 L 1.11). Der sich daraus bei insgesamt 6 eingetragenen Waffen ergebende Wert von 8750,00 € ist im einstweiligen Rechtsschutzverfahren zu halbieren.