Gericht | VG Frankfurt (Oder) 7. Kammer | Entscheidungsdatum | 09.11.2023 | |
---|---|---|---|---|
Aktenzeichen | VG 7 L 328/23 | ECLI | ECLI:DE:VGFRANK:2023:1109.7L328.23.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 212a BauGB, § 22 Abs 2 BauNVO, § 23 BauNVO, § 30 Abs 2 Nr 1 BauO BB, § 6 Abs 1 S 1 BauO BB 2016, § 80a Abs 3 VwGO, § 80 Abs 5 VwGO, § 30 Abs 4 S 1 BauO BB, § 30 Abs 8 S 1 BauO BB, § 6 Abs 3 BauO BB 2016, § 6 Abs 2 S 1 BauO BB 2016, § 6 Abs 2 S 3 bAUo bb 2016 |
Bei einem grenzständig geplanten Gebäude lässt das Erfordernis nach § 30 Abs. 2 Nr. 1 BbgBO, die Gebäudeabschlusswand als Brandwand auszubilden, keine Öffnungen für dreiseitig umschlossene Räume in der Art von Loggien zu, da äußere Brandwände grundsätzlich in allen Geschossen übereinander angeordnet sein müssen (§ 30 Abs. 4 Satz 1 BbgBO) und Öffnungen darin unzulässig sind (§ 30 Abs. 8 Satz 1 BbgBO). Der Umstand, dass die Außenwand in dem Bereich der Öffnungen von der Grenze weg versetzt angeordnet wird, führt nicht zu einer Staffelung des Gebäudes mit der Folge, dass insoweit keine Brandwand als Gebäudeabschlusswand erforderlich ist, weil das Gebäude als überdeckte bauliche Anlage nach § 2 Abs. 2 BbgBO auch in diesem Bereich weiterhin bis an die Grenze reicht.
1. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 24. Mai 2023 (Az. 00418-22-20) zur Errichtung eines Wohn- und Geschäftshauses mit 1 Büro- und 22 Wohnungseinheiten als Haus 9 des Quartiers „F ....“‘ mit der Straßenbezeichnung F ....wird angeordnet.
Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.
Von den Kosten des Verfahrens tragen die Beteiligten die Gerichtskosten jeweils zu einem Drittel. Daneben tragen der Antragsgegner und die Beigeladene die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin zu jeweils einem Drittel, während die Antragstellerin die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu einem Drittel trägt.
3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 7.500,- Euro festgesetzt.
I.
Die Antragstellerin ist Eigentümerin des Grundstücks mit der postalischen Anschrift F ....das mit einem denkmalgeschützten Wohn- und Geschäftsgebäude bebaut ist. Sie wendet sich gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung, die dieser zur Errichtung eines fünfgeschossigen Wohn- und Geschäftshauses auf dem östlich angrenzenden Grundstück mit der postalischen Anschrift F ....vom Antragsgegner erteilt wurde. Die Baugenehmigung verweist u.a. auf die bereits in dem zuvor erlassenen Vorbescheid erteilte Befreiung von der im Bebauungsplan B ....festgesetzten (höchstzulässigen) Geschosszahl „IV“, die durch das Vorhaben mit fünf Geschossen überschritten wird. Die Antragstellerin sieht hierdurch ihre zumindest durch das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot geschützten nachbarlichen Rechte verletzt und macht außerdem geltend, das grenzständig zu ihrem Grundstück geplante Gebäude ermögliche mit den in der dortigen Außenwand vorgesehenen Öffnungen und Austritten in den Obergeschossen sowie den im Dachgeschoss angeordneten Dachterrassen unzumutbare Einsichtnahmen. Des Weiteren rügt sie eine Verletzung des Umgebungsschutzes ihres Denkmals.
II.
Der Antrag,
1. die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 24. Mai 2023 (Az. 00418-22-20) zur Errichtung eines Wohn- und Geschäftshauses mit 1 Büro- und 22 Wohnungseinheiten als Haus 9 des Quartiers „F ....“‘ mit der Straßenbezeichnung F ....anzuordnen und
2. der Antragsgegnerin aufzugeben, die Baustelle auf dem Grundstück F ....stillzulegen,
hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
1. Der Antrag zu 1 ist zulässig und insbesondere statthaft, da der von der Antragstellerin erhobene Widerspruch vom 13. Juli 2023 von Gesetzes wegen keine aufschiebende Wirkung hat, § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) in Verbindung mit § 212a Abs. 1 Baugesetzbuch (BauGB).
Der Antrag ist auch begründet.
Gemäß § 80a Abs. 3 Satz 2 i. V. m. § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung der Klage eines Dritten gegen eine gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO in Verbindung mit § 212a BauGB sofort vollziehbare Baugenehmigung anordnen, wenn das Aussetzungsinteresse des Dritten das öffentliche Interesse sowie das Interesse des Bauherrn an der sofortigen Ausnutzung der Baugenehmigung überwiegt. Ein überwiegendes Aussetzungssinteresse ist anzunehmen, wenn sich bei der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren allein gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage ergibt, dass der gegen die Baugenehmigung eingelegte Widerspruch und eine sich hieran anschließende Klage voraussichtlich erfolgreich sein werden, oder wenn atypische Gesichtspunkte vorliegen, die es gebieten, die Baugenehmigung ausnahmsweise – abweichend von der gesetzlichen Regel des § 212a Abs. 1 BauGB – vorerst nicht zu vollziehen. Sind bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung hingegen offen, so hängt die Entscheidung von einer Abwägung der widerstreitenden privaten und öffentlichen Interessen ab, bei der zu berücksichtigen ist, dass der Gesetzgeber mit § 212a Abs. 1 BauGB dem Interesse an der Verwirklichung des genehmigten Bauvorhabens den Vorrang vor der aufschiebenden Wirkung der Rechtsbehelfe des Dritten eingeräumt hat (vgl. zum Prüfungsmaßstab OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 19. August 2014 - 10 S 57.12 -, juris Rn. 3 m. w. N.).
Gegenstand der gerichtlichen Prüfung in einem von einem Dritten angestrengten Rechtsbehelfsverfahren ist dabei nicht die Frage, ob der Bescheid objektiv rechtmäßig ist. Maßgebend ist vielmehr, ob die Genehmigung gegen Normen verstößt, die zumindest auch dem Schutz des Dritten dienen, d.h. ihn in dessen eigenen subjektiven Rechten im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO verletzen (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 2. Juni 2015 - OVG 2 S 3.15 -, juris Rn. 8).
Daran gemessen wird der Widerspruch der Antragstellerin gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung voraussichtlich Erfolg haben, denn es ist nach der im vorliegenden Verfahren gebotenen summarischen Prüfung offensichtlich, dass die Baugenehmigung Nachbarrechte der Antragstellerin verletzt.
Dabei bedarf es keiner Entscheidung, ob der Bebauungsplan der Stadt F ....zur (Teil-)Unwirksamkeit führende Rechtsfehler aufweist bzw. ob und inwieweit eine inzidente Überprüfung des Bebauungsplans im vorläufigen Rechtsschutzverfahren überhaupt angezeigt ist. Denn soweit die Wirksamkeit des Bebauungsplans jedenfalls im Bereich des geplanten Vorhabenstandortes unterstellt wird, erweist sich die Baugenehmigung zumindest insoweit als rechtswidrig, als ein Verstoß gegen das nachbarschützende Abstandsflächengebot nach § 6 Abs. 1 und 2 Brandenburgische Bauordnung (BbgBO) vorliegt (a). Wird dagegen die Unwirksamkeit des Bebauungsplans im Bereich des Vorhabenstandortes unterstellt, verstößt die Baugenehmigung gegen das insoweit nachbarschützende Brandwanderfordernis nach § 30 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 4 Satz 1 BbgBO, wonach an der grenzständigen Außenwand des geplanten Hauses eine Brandwand als Gebäudeabschlusswand erforderlich ist (b). Auf die weiteren zwischen den Beteiligten streitigen Rechtsfragen bezüglich einer von der Antragstellerin geltend gemachten Verletzung ihrer Nachbarrechte in bauplanungsrechtlicher oder denkmalschutzrechtlicher Hinsicht kommt es danach nicht erheblich an.
a) Bei Unterstellung der Wirksamkeit des Bebauungsplans B ....im fraglichen Bereich sind nach § 6 Abs. 1 und 2 BbgBO vor der westlichen Außenwand des geplanten Gebäudes an der Grenze zum Grundstück der Antragstellerin Abstandsflächen von oberirdischen Gebäuden freizuhalten (§ 6 Abs. 1 Satz 1 BbgBO), die auf dem Grundstück selbst liegen müssen (§ 6 Abs. 2 Satz 1 BbgBO). Diese Voraussetzungen werden durch in diesem Bereich grenzständig geplante Gebäude ersichtlich nicht erfüllt, weil die Abstandsfläche in ihrer vollen Tiefe (§ 6 Abs. 4, Abs. 5 Satz 1 BbgBO) auf das Grundstück der Antragstellerin fällt.
aa) Die Abstandsfläche vor der westlichen Außenwand des geplanten Gebäudes ist auch nicht gemäß § 6 Abs. 1 Satz 3 BbgBO entbehrlich. Nach dieser Vorschrift ist eine Abstandsfläche nicht erforderlich vor Außenwänden, die an Grundstücksgrenzen errichtet werden, wenn nach planungsrechtlichen Vorschriften an die Grenze gebaut werden muss oder gebaut werden darf. Im Gebiet eines Bebauungsplans sind dies in erster Linie Festsetzungen über die Bauweise nach § 22 Baunutzungsverordnung (BauNVO – vgl. Jäde/Dirnberger/Förster/Bauer/Böhme/Michel/Radeisen, Bauordnungsrecht Brandenburg, 80. AL, § 6 BbgBO 2016 Rn. 51).
Hier setzt der Bebauungsplan in dem in Rede stehenden Plangebiet MI 2.2 eine offene Bauweise fest, was bedeutet, dass die Gebäude mit seitlichem Grenzabstand als Einzelhäuser, Doppelhäuser oder Hausgruppen errichtet werden (§ 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO). Mithin darf nicht an die Grenze gebaut werden. Dem steht nicht entgegen, dass der Bebauungsplan in diesem Bereich zugleich an der westlichen Grenze des Vorhabengrundstücks die überbaubare Grundstücksfläche durch eine Baugrenze (auch) auf der Grundstücksgrenze festgesetzt hat. Denn selbst wenn davon ausgegangen wird, dass sich auch aus den Regelungen über die überbaubaren Grundstücksflächen im Einzelfall die Rechtsfolge nach § 6 Abs. 1 Satz 3 BbgBO ergeben kann (vgl. Reimus/Semtner/Langer, Die neue Brandenburgische Bauordnung, 4. A. 2017, § 6 Rn. 20; a.A. Jäde/Dirnberger/Förster/Bauer/Böhme/Michel/Radeisen, Bauordnungsrecht Brandenburg, 80. AL, § 6 BbgBO 2016 Rn. 52 m.w.N.), folgt aus dieser weiteren Festsetzung kein zwingender Widerspruch zu der festgesetzten offenen Bauweise. Denn die Festsetzung der Baugrenze besagt lediglich, dass Gebäude und Gebäudeteile diese nicht überschreiten dürfen (§ 23 Abs. 3 Satz 1 BauNVO). In der Zusammenschau mit der im Hinblick auf den Abstand zur seitlichen Grenze spezielleren Festsetzung der offenen Bauweise folgt daraus, dass die durch die Baugrenze geregelte überbaubare Grundstücksfläche insofern nur eingeschränkt nach Maßgabe der festgesetzten Bauweise ausgenutzt werden kann.
In der Baugenehmigung ist auch keine Befreiung von der offenen Bauweise für die westliche Außenwand des geplanten Gebäudes erteilt worden. Soweit die Baugenehmigung auf eine bereits mit dem Vorbescheid vom 18. Juni 2022 erteilte Befreiung von der offenen Bauweise verweist, bezieht sich diese dem Wortlaut nach und dem betreffenden Antrag zufolge (vgl. Anlage A6 zur Antragsschrift) lediglich auf den geplanten einseitigen Anbau an das Gebäude F ....auf der anderen Seite des Vorhabengrundstücks.
Insoweit kann dahinstehen, ob eine Befreiung von der offenen Bauweise nach § 31 Abs. 2 BauGB hier mit Blick auf die wohl anzunehmende nachbarschützende Wirkung der Festsetzung der Bauweise (vgl. König/Petz in König/Roeser/Stock, BauNVO, 4. A., § 22 Rn. 34) unter Würdigung der nachbarlichen Interessen der Antragstellerin mit den öffentlichen Belangen vereinbar wäre.
bb) Soweit sich nach § 6 Abs. 2 Satz 3 BbgBO Abstandsflächen abweichend von Satz 1 ganz oder teilweise auf andere Grundstücke erstrecken dürfen, wenn öffentlich-rechtlich gesichert ist, dass sie nicht überbaut werden, liegt eine solche Sicherung nicht vor. Insoweit ist eine konkrete öffentlich-rechtliche Sicherung erforderlich, die etwa durch Erteilung einer Baulast nach § 84 BbgBO erfolgen kann.
Demgegenüber sind die Festsetzungen in einem Bebauungsplan, aus denen sich mittelbar eine Nichtbebaubarkeit in einem bestimmten Abstand von dem Gebäude ergeben kann, nicht ausreichend für eine rechtliche Sicherung im Sinne des § 6 Abs. 2 Satz 3 BbgBO. Abgesehen davon, dass die Gemeinde ihren Planungswillen jederzeit wieder abändern kann, besteht auch zumindest theoretisch immer die Möglichkeit, dass von den entsprechenden Festsetzungen nach § 31 Abs. 2 BauGB befreit wird (vgl. Jäde/Dirnberger/Förster/Bauer/Böhme/Michel/Radeisen, a.a.O., § 6 BbgBO Rn. 98).
b) Sofern die Unwirksamkeit des Bebauungsplans B ....im fraglichen Bereich unterstellt wird, erweist sich die erteilte Baugenehmigung als offensichtlich rechtswidrig, weil sie dem aus § 30 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 4 Satz 1 BbgBO folgenden Brandwanderfordernis nicht Rechnung trägt und die Errichtung eines Gebäudes ohne die an der Grenze zum Grundstück der Antragstellerin erforderliche durchgehende Gebäudeabschlusswand in Brandwandqualität zulässt.
Nach § 30 Abs. 2 Nr. 1 BbgBO sind – abgesehen von hier nicht einschlägigen Ausnahmen – Brandwände im Sinne von Abs. 1 erforderlich als Gebäudeabschlusswand, wenn diese Abschlusswände an oder mit einem Abstand von weniger als 2,50 Meter gegenüber der Grundstücksgrenze errichtet werden, es sei denn, dass ein Abstand von mindestens 5 Meter zu bestehenden oder nach den baurechtlichen Vorschriften zulässigen künftigen Gebäuden gesichert ist.
aa) Diese Voraussetzungen erfüllt das geplante Gebäude aufgrund der im 1. bis 3. Obergeschoss vorgesehenen Öffnungen in der westlichen grenzständigen Außenwand, die in Art von Loggien dreiseitig umschlossene Räume öffnen, in denen im Abstand von 2 Meter zur Grenze Austritte mit einer Tiefe von 1 Meter vor der Fensterwand angeordnet sind, nicht. Soweit dazu der Brandschutznachweis des Sachverständigen S ....vom 1. März 2023 (VV I, Bl. 273 ff.) – der nicht Bestandteil der Baugenehmigung selbst ist – auf Seite 7 ausführt, die westliche Gebäudeabschlusswand sei gestaffelt durch die mittig angeordneten Austritte und sei aufgrund des Abstands dort von mehr als 2,50 Meter zur Grundstücksgrenze nicht mehr als Abschlusswand auszubilden, beruht dies offensichtlich auf einer fehlgehenden Interpretation des § 30 BbgBO.
Diese Auffassung übersieht, dass hinsichtlich der Öffnungen mit Austritten in der Außenwand des Gebäudes keine Staffelung des Gebäudes selbst vorliegt. Denn das Gebäude als überdeckte bauliche Anlage (§ 2 Abs. 2 BbgBO) reicht ungeachtet der teilweise nach innen versetzten Wände weiterhin bis zur westlichen Grundstücksgrenze. In einem solchen Fall ergibt sich aus den Bestimmungen des § 30 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4 Satz 1 und Abs. 8 Satz 1BbgBO, dass die Gebäudeabschlusswand grundsätzlich durchgehend und übereinander sowie ohne Öffnungen als Brandwand auszubilden ist. Denn nach § 30 Abs. 4 Satz 1 BbgBO müssen Brandwände bis zur Bedachung durchgehen und in allen Geschossen übereinander angeordnet sein. Soweit Satz 2 der Vorschrift Abweichungen hiervon zulässt, betrifft dies nur innere Brandwände. Weiter sind Öffnungen in Brandwänden nach § 30 Abs. 8 Satz 1 BbgBO grundsätzlich unzulässig. Eine Staffelung des Gebäudes läge demgegenüber nur dann vor, wenn das Gebäude auch mit seinem Dach über eine bestimmte Breite und zumindest ab einem bestimmten Geschoss mehr als 2,50 Meter von der Grundstücksgrenze zurücktreten würde.
bb) Die als Brandwand ausgebildete Gebäudeabschlusswand ist hier auch nicht nach § 30 Abs. 2 Nr. 1 BbgBO entbehrlich, weil ein Abstand von mindestens 5 Meter zu bestehenden oder nach den baurechtlichen Vorschriften zulässigen künftigen Gebäuden gesichert ist. Eine diesbezügliche konkrete öffentlich-rechtliche Sicherung – etwa durch Eintragung einer Baulast nach § 84 BbgBO – liegt nicht vor.
Soweit in Betracht zu ziehen ist, dass die Sicherung mittelbar auch durch entsprechende Festsetzungen eines Bebauungsplanes insbesondere über die überbaubare Grundstücksfläche erfolgen kann, scheiden solche bei der hier unterstellten Unwirksamkeit des Bebauungsplanes im fraglichen Bereich gerade aus. Dabei ist beachtlich, dass das Nutzungsgebiet MI 2.2 sich auch auf einen grenznahen Streifen im östlichen Bereich des Grundstücks der Antragstellerin erstreckt. Jenseits dessen erscheint bei einer Beurteilung nach § 34 Abs. 1 BauGB eine Bebauung des Grundstücks der Antragstellerin im Bereich der Grenze zum Vorhabengrundstück nicht von vornherein aus baurechtlichen Gründen ausgeschlossen, zumal die vorhandene Bebauung im Straßenzug deutlich für eine zulässige geschlossene Bauweise spricht und im Übrigen zumindest die Errichtung von abstandsflächenrechtlich privilegierten Nebengebäuden nach § 6 Abs. 8 BbgBO möglich erscheint.
2. Der Antrag zu 2 ist nach § 80a Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Nr. 2 VwGO statthaft, aber unbegründet. Der danach in das Ermessen des Gerichts gestellte Erlass von Sicherungsmaßnahmen setzt nach einhelliger und zutreffender Auffassung der Rechtsprechung ein besonderes Sicherungsinteresse voraus. Denn die Befugnis zum Erlass von Sicherungsmaßnahmen nach den genannten Vorschriften tritt ergänzend zu der Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung hinzu. Damit stellt es nicht den gesetzlichen Regelfall dar und setzt besondere Umstände des Einzelfalls voraus. Ein besonderes Sicherungsinteresse ist danach gegeben, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die angeordnete bzw. wiederhergestellte aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs missachtet werden könnte (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 1. April 2015 - 1 OA 38/15 -, juris Rn. 2 m.w.N.; VGH München, Beschluss vom 27. November 2014 - 22 CS 14.2378 -, juris Rn. 11).
Davon ausgehend liegen keine konkreten Anhaltspunkte dafür vor, dass die Beigeladene nach Erlass des Beschlusses der Kammer die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Beigeladenen gegen die Baugenehmigung missachten wird. Der vorherige Beginn der Bauarbeiten steht dem nicht entgegen, weil er bislang in Ausnutzung der vorläufigen Vollziehbarkeit der Baugenehmigung erfolgte. Auch der hohe wirtschaftliche Druck, den ein Stillstand der Baustelle für die Beigeladene bedeuten mag, lässt für sich genommen nicht den Schluss zu, dass er die Beigeladene zu einem rechtswidrigen Verhalten veranlassen wird. Im Übrigen ist der Antragsgegner gehalten, die Einhaltung der angeordneten aufschiebenden Wirkung, nachdem die Bauarbeiten begonnen wurden, zu überprüfen. Auch steht es der Antragstellerin frei, etwaige Verstöße in Zukunft zu einem Antrag auf Erlass von Sicherungsmaßnahmen bei dem Antragsgegner oder dem zuständigen Gericht zu machen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 154 Abs. 3 und 162 Abs. 3 VwGO. Die Quotelung entspricht dem wechselseitigen Obsiegen und Unterliegen der Beteiligten unter Berücksichtigung der Streitwertbemessung. Aufgrund dessen, dass die Beigeladene sich mit ihrem Abweisungsantrag einem eigenen Kostenrisiko ausgesetzt hat, entspricht es der Billigkeit, ihre außergerichtlichen Kosten teilweise der Antragstellerin aufzuerlegen, soweit diese unterliegt.
Die Streitwertfestsetzung ergeht nach §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 Gerichtskostengesetz (GKG) und entspricht der Summe der für die jeweiligen Anträge sich ergebenden Werte (§ 39 Abs. 1 GKG). Für den Antrag zu 1 wird insoweit die Hälfte des für die Hauptsache maßgeblichen Streitwerts angesetzt. Diesen setzt die Kammer in Anlehnung an den Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit und den dort aufgeführten Rahmen mit 10.000,00 Euro an (vgl. www.bverwg.de/informationen/streitwertkatalog.php; dort Nr. 9.7.1). Denn die Bedeutung ergibt sich hier aus dem Begehren der Antragstellerin, die bauliche Nutzung ihres Grundstücks zu Wohn- und Geschäftszwecken durch Abwehr des Vorhabens der Beigeladenen vor Beeinträchtigungen zu schützen. In ihrer neueren Praxis geht die Kammer aber abweichend von der bisherigen obergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 18. Juli 2018 – OVG 10 S 68.17 -, juris Rn. 20) in einem solchen Fall nicht mehr von dem die Untergrenze des Rahmens bildenden Wert aus, da dieser Begehren vorbehalten bleiben soll, bei denen Nutzungen unterhalb der Wohnnutzung, wie z.B. zu Erholungszwecken, vor Beeinträchtigungen geschützt werden sollen (vgl. Beschluss der Kammer vom 24. März 2023 - VG 7 L 6/23 -, EA. S. 8, n.v.). Für den Antrag zu 2 ist, da es sich um einen über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung hinausgehenden Streitgegenstand handelt, ein eigenständiger Streitwert beizumessen. Dieser wird hier für das Eilverfahren mit dem hälftigen Auffangwert nach § 52 Abs. 2 GKG angesetzt.