Gericht | VG Frankfurt (Oder) 3. Kammer | Entscheidungsdatum | 21.11.2023 | |
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Aktenzeichen | 3 L 289/23, 3 L 240/23 | ECLI | ECLI:DE:VGFRANK:2023:1121.3L289.23.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 123 VwGO, § 80 Abs 7 VwGO |
1. Der Beschluss der Kammer vom 23. August 2023 im Verfahren VG 3 L 240/23 wird mit Wirkung für die Vergangenheit aufgehoben.
2. Der Antrag des namentlich nicht bekannten Antragstellers zu 2), den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung zur Herausgabe mehrerer Pferde zu verpflichten, wird abgelehnt.
3. Der namentlich nicht bekannte Antragsteller zu 2) trägt die Kosten des Verfahrens VG 3 L 240/23 sowie die Kosten des Abänderungsverfahrens VG 3 L 289/23....
4. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Verfahren VG 3 L 240/23 auf 10.000,00 € und für das Abänderungsverfahren auf 400,00 € festgesetzt.
5. Die öffentliche Zustellung des Beschlusses wird hinsichtlich des Antragstellers zu 2) bewilligt.
A. Die Kammer hat das Rubrum des Verfahrens aus den nachstehend näher ausgeführten Gründen in der Weise ergänzt, dass auch der als Person nicht bekannte wahre Verfasser der im Verfahren VG 3 L 240/23 eingereichten Antragsschrift vom 31. Juli 2023 als Antragsteller (zu 2)) erfasst worden ist.
B. Auf den sinngemäßen Antrag des Antragstellers zu 1),
den Beschluss vom 23. August 2023 aus dem Verfahren VG 3 L 240/23 abzuändern,
ist dieser aufzuheben.
Grundlage der Änderung ist § 80 Abs. 7 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), wonach das Gericht der Hauptsache Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 (derselben Bestimmung) jederzeit ändern oder aufheben kann. Außerdem kann jeder Beteiligte die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen (Satz 2). Der vorliegend zu ändernde Beschluss ist zwar nicht in einem Verfahren gemäß § 80 Abs. 5 VwGO über die Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs, sondern in einem einstweiligen Anordnungsverfahren ergangen, für welches die insoweit einschlägige Vorschrift des § 123 VwGO keine vergleichbare Ermächtigung des Gerichts zur Änderung der ergangenen Entscheidung enthält. § 80 Abs. 7 Satz 1 VwGO ist in derartigen Verfahren aber entsprechend anwendbar (Schoch/Schneider in: Schoch, Verwaltungsrecht, Loseblattsammlung, Stand August 2022, § 123 VwGO Rn. 174 m. w. N.; vgl. auch Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 7. Januar 2011 – 5 S 33.10).
Darauf, ob im vorliegenden Fall "veränderte Umstände" im Sinne von Satz 2 der zitierten Vorschrift gegeben sind und ob der Antragsteller zu 1) diese Veränderung auch geltend gemacht hat, kommt es nicht an. Der genannte Beschluss ist nach
Satz 1 der Bestimmung von Amts wegen zu ändern; dafür bedarf es weder einer Veränderung der Umstände noch ihrer Geltendmachung durch einen der Beteiligten; vielmehr kommt ein Gebrauchmachen von der Änderungsbefugnis in den Grenzen des Willkürverbots auch dann in Betracht, wenn das Gericht bei der Beurteilung der Rechtslage oder der Interessenabwägung zu einem anderen Ergebnis gelangt ist (Schoch/Schneider, a. a. O. Rn. 177; Adelheid Puttler in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 123 Rn. 129; Kopp/Schenke, 23. Aufl. 2017, § 80 Rn. 192).
So ist es hier. Die Entscheidung der Kammer vom 23. August 2023 ist abzuändern und aufzuheben, weil sie von falschen Voraussetzungen ausgeht. Der ihr zugrundeliegende Antrag ist von der in der Antragsschrift genannten und so in das Rubrum des Beschlusses übernommenen Person, dem Antragsteller zu 1), nicht anhängig gemacht worden. Die Antragsschrift, die seine Unterschrift trägt, ist nach Überzeugung des Gerichts gefälscht.
Dafür spricht zunächst der Umstand, dass sich die Unterschriften unter der Antragsschrift vom 31. Juli 2023 auf der einen Seite und dem Schriftsatz vom 13. September 2023, mit dem der sinngemäße Abänderungsantrag gestellt worden ist sowie der eidesstattlichen Versicherung, die der Antragsteller zu 1) im Erörterungstermin vor dem Berichterstatter abgegeben hat, auf der anderen Seite, wenn auch nicht auf den ersten Blick, so doch eindeutig unterscheiden. So ist von seinem Namen "H..." in der erstgenannten Unterschrift lediglich der vordere Namensbestandteil "H....." erkennbar, während der Rest des Namens aus einem fast geraden Strich besteht. In der wahren Unterschrift des Antragstellers zu 1) sind in der Unterschrift dagegen noch mehrere weitere Bögen und Schwünge vorhanden.
Ferner hat der Antragsteller zu 1) mit Schreiben vom 13. September 2023 der Sache nach erklärt, dass die Antragsschrift nicht von ihm stammt. Die Wahrhaftigkeit dieser Erklärung wird nicht durchgreifend deshalb in Zweifel gezogen, weil sie nicht unverzüglich nach Erhalt der gerichtlichen Mitteilung vom Eingang der Antragsschrift, sondern erst abgegeben worden ist, nachdem ihm der Beschluss vom 23. August 2023 zugestellt worden war. Denn er hat sich nach Kenntnisnahme von der Anlegung des Verfahrens alsbald, nämlich am 11. August 2023 und damit vor Erhalt des Beschlusses zur Polizei begeben und dort Anzeige mit der Angabe erstattet, ein solches Verfahren nicht anhängig gemacht zu haben. Auch wenn es zweckmäßiger gewesen wäre, dies stattdessen oder zusätzlich beim Verwaltungsgericht vorzutragen, verdeutlicht es doch, dass das Bestreiten der Antragstellung nicht erst durch die Kenntnisnahme von der Ablehnung des Antrages und von der damit verbundenen Kostenentscheidung motiviert ist. Ferner hat der Antragsteller zu 1) in dem genannten Erörterungstermin auf Befragen des Gerichts eindeutig und glaubhaft die Erklärung abgegeben, dass er die Antragsschrift nicht verfasst, nicht unterzeichnet und nicht bei Gericht eingereicht hat. Schließlich hat er trotz eindringlicher Belehrung über die Strafbarkeit einer falschen eidesstattlichen Erklärung eine solche mit demselben Inhalt abgegeben.
Die gebotene Abänderung des Beschlusses bezieht sich auf alle Teile der damaligen Entscheidung und auf die Vergangenheit; der vorliegende Beschluss stellt damit gegenüber dem Antragsteller zu 1) den Zustand her, der bestanden hätte, wenn der Antrag nicht gestellt worden wäre.
So kann zunächst der seinerzeit beschlossene Tenor zur Hauptsache über die Antragsablehnung nicht deshalb weiter Bestand haben, weil dem Antragsteller zu 1) – wie er im Erörterungstermin erklärt hat – tatsächlich nichts an der mit der Antragsschrift vorgeblich verlangten Herausgabe der Pferde liegt. Über einen gerichtlich nicht anhängig gemachten Antrag ist auch nicht zu entscheiden, eine abweichend von diesem Grundsatz ergangene Entscheidung ist mithin aufzuheben (OVG Bautzen Urteil vom 12. Dezember 2017 – 4 A 292/15, juris Rn. 42, 43; VGH BW, Urteil vom 20. Januar 1986 – 1 S 2008/85 –, VBlBW 86, 37, Leitsatz in juris; BGH, Beschluss vom 5. Dezember 2005 – II ZB 2/05 –, juris Rn. 11). Nichts Anderes gilt nach Auffassung der Kammer, wenn feststeht, dass der vermeintliche Urheber einer Antragsschrift diese nicht verantwortet, unterzeichnet und eingereicht hat und der wirkliche Urheber, also der Fälscher der Antragsschrift, nicht bekannt ist. Denn auch in einem solchen Fall ist der Antrag nicht, jedenfalls nicht durch den vermeintlichen Antragsteller gestellt worden.
Auch ist die Kostenentscheidung nicht deshalb aufrechtzuerhalten, weil der Antragsteller zu 1) nach Erhalt der gerichtlichen Eingangsmitteilung zunächst versäumt hat, die beschließende Kammer darauf hinzuweisen, dass er einen solchen Antrag nicht gestellt hatte. Gemäß § 154 Abs. 1 VwGO trägt der unterliegende Beteiligte die Kosten des Verfahrens. Nach Aufhebung des Beschlusses vom 23. August 2023 mit Wirkung für die Vergangenheit steht indes fest, dass er im Ausgangsverfahren nicht unterlegen ist.
Schließlich hat aus Gründen der Klarstellung auch die Streitwertfestsetzung im Beschluss vom 23. August 2023 keinen Bestand, weil der wahre, durch die gebotene Kostenentscheidung belastete Urheber der Antragsschrift mangels Erfassung im Rubrum nicht von ihr betroffen ist.
C. Der – nach Aufhebung des Beschlusses vom 23. August 2023 unbeschiedene – Antrag des vorliegend als Antragsteller zu 2) bezeichneten wahren, wenn auch weiter unbekannten Urhebers der Antragsschrift aus dem Verfahren VG 3 L 240/23,
den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Pferde "Nike" und "Wiko" an den Antragsteller zu 1) herauszugeben,
ist unzulässig.
Dem Antragsteller zu 2) fehlt das Rechtsschutzbedürfnis. Das ist der Fall, wenn der jeweilige Rechtsmittelführer offensichtlich und eindeutig keinerlei schützenswertes Interesse an der Rechtsverfolgung hat. Vor dem Hintergrund, dass der Antragsteller zu 2) unter Vorspiegelung einer fremden Identität, nämlich derjenigen des Antragstellers zu 1) und unter Fälschung von dessen Unterschrift aus Gründen, die ersichtlich nicht redlicher Natur sind, den Antrag anhängig gemacht hat, ist dies hier der Fall.
D. Die sowohl auf das Ausgangs- als auch auf das Abänderungsverfahren bezogene Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, wobei die Kammer den Antragsteller zu 2) auch im Abänderungsverfahren als Unterlegenen betrachtet.
E. Die Streitwertfestsetzung hat ihre Grundlage in § 52 Abs. 1 bzw. Abs. 3, 53 Abs. 2 Nr. 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG).
Hinsichtlich des Ausgangsverfahrens orientiert sich das Gericht bei der für die Streitwertbestimmung maßgebenden Bedeutung der Streitsache am Wert der herausverlangten Tiere. Der Wert, den der ursprüngliche Halter der Tiere in dem die Veräußerungsanordnung betreffenden Verfahren (VG 3 L 143/23) für die streitbefangenen Tiere angegeben hat (Nike: 6000,00 €; Wiko: 6000,00 €) ist allerdings nicht in voller Höhe, sondern lediglich in Höhe des Regelstreitwerts von 5.000,00 € anzusetzen, weil Zweifel an der Richtigkeit seiner Einschätzung bestehen. Eine weitere Minderung des Betrages in dem auf die Herausgabe der Tiere gerichteten einstweiligen Anordnungsverfahren ist nicht geboten, weil mit dem Antrag die Vorwegnahme der Hauptsache begehrt wird.
Bei der Streitwertfestsetzung für das Abänderungsverfahren orientiert sich das Gericht stattdessen an den nach Maßgabe des vorstehend ausgeführten Streitwerts überschlägig berechneten Kosten für das Ausgangsverfahren (400,00 €), deren Abwendung für den Antragsteller zu 1) im Vordergrund steht.
F. Die Bewilligung der öffentlichen Zustellung des vorliegenden Beschlusses hinsichtlich des Antragstellers zu 2) beruht auf § 56 Abs. 2 VwGO in Verbindung mit §§ 185, 186 der Zivilprozessordnung (ZPO). Seine Identität und sein Aufenthaltsort sind unbekannt (§ 185 Abs. 2 ZPO).