Gericht | OLG Brandenburg 3. Zivilsenat | Entscheidungsdatum | 04.12.2023 | |
---|---|---|---|---|
Aktenzeichen | 3 W 64/23 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2023:1204.3W64.23.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
1. Auf die Beschwerde des Nachlasspflegers werden der Beschluss des Amtsgerichts Senftenberg vom 09.06.2023 sowie der Nichtabhilfebeschluss vom 24.06.2023 aufgehoben und die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Senftenberg zurückverwiesen.
2. Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben, außergerichtliche Kosten nicht erstattet.
I.
Der verwitwete Erblasser hatte keine Kinder. Seine Eltern sind vorverstorben, seine Schwester hat die Erbschaft ausgeschlagen, weitere Geschwister hatte der Erblasser nicht.
Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 01.12.2021 für die unbekannten Erben des Erblassers Nachlasspflegschaft angeordnet und den Beschwerdeführer zum Nachlasspfleger mit dem Wirkungskreis „Sicherung und Verwaltung des Nachlasses“ bestellt. Er wurde am 05.01.2022 unter Aushändigung der Bestallungsurkunde zur treuen und gewissenhaften Führung des Amtes verpflichtet.
Der Erblasser war alleiniger Eigentümer des Hausgrundstücks S.-straße …1 in …5 H.. Unter dem 03.07.2022 hat der Nachlasspfleger ein Verkehrswertgutachten eingereicht, nach dem das Grundstück zum Wertermittlungsstichtag einen unbelasteten Verkehrswert von 86.000 € habe. Der Nachlasspfleger ließ am 12.09.2022 einen notariellen Kaufvertrag beurkunden, mit dem er handelnd für die unbekannten Erben das Hausgrundstück zu einem Kaufpreis von 200.000 € an C. L. verkauft, wobei der Käufer die eingetragenen Belastungen (u. a. Grundschulden) nicht übernimmt, diese sollten vielmehr aus dem Kaufpreis abgelöst werden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beglaubigte Abschrift der Kaufvertragsurkunde des Notars Dr. jur. F. C. vom 13.09.2022 - UVZNr. …6 für 2022 - Bezug genommen, Bl. 217 f.). Der Nachlasspfleger hat zugleich über den Notar das Amtsgericht mit Schreiben vom 13.09.2022 ersucht, die nachlassgerichtliche Genehmigung für den Kaufvertrag und im Zusammenhang damit für eine Grundschuldbestellung zu erteilen. Unter dem 07.02.2023 wies der Nachlasspfleger darauf hin, dass eine zwangsweise Verwertung des Grundbesitzes durch die Bausparkasse S. drohe, die aber einen Verzicht darauf für den Fall eines freihändigen Verkaufs in Aussicht stelle. Der Verkauf sei auch erforderlich, um die noch bestehenden Verbindlichkeiten abzulösen. Ausweislich der letzten Rechnungslegung über die Nachlassverwaltung vom 19.03.2023 beläuft sich der Wert des Vermögens auf 199.931,71 €, während die Summe der Verbindlichkeiten 165.561,87 € beträgt (Bl. 255 f.).
Mit Beschluss vom 09.06.2023 hat das Amtsgericht die beantragten nachlassgerichtlichen Genehmigungen versagt (Bl. 273 f.). Zur Begründung hat es ausgeführt, Kernaufgabe des Nachlasspflegers sei es, die Vermögensinteressen der noch festzustellenden Erben dadurch wahrzunehmen, dass er den Nachlass erhalte. Deshalb scheide ein Verkauf von Grundbesitz nur dann nicht aus, wenn der potentielle oder bereits festgestellte Erbe oder der Nachlasspfleger zustimme. Zwar sei ein Grundstück nicht unbedingt zu halten, bis sämtliche Erben ermittelt seien, damit diese nach Erteilung des Erbscheins selbst über die Verwertung entscheiden könnten. Da aber nach Auffassung des Gesetzgebers vorhandenes Grundeigentum als besonders wertständige Vermögensart möglichst erhalten bleiben solle, bedürfe es besonderer sachlicher Gründe, um bei einer Gesamtabwägung zu dem Ergebnis zu gelangen, dass das Rechtsgeschäft trotz des mit ihm verbundenen Vermögensverlustes im Interesse der Betroffenen liege. Die nur angedeutete, aber mit Schreiben der Gläubiger-Bausparkasse vom 17.05.2023 nicht bestätigte Drohung der Zwangsversteigerung könne nicht als Genehmigungsgrund dienen. Der Erbe sei am Genehmigungsverfahren zu beteiligen. Das parallel laufende Ausschlagungsverfahren sei noch nicht abgeschlossen, so dass potentielle Erben vorhanden seien. Ein Übergehen potentieller Erben sowie die bloße Bestellung eines Verfahrenspflegers scheide aus.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Nachlasspflegers, der an seinem Antrag festhält, die nachlassgerichtlichen Genehmigungen zum Kaufvertrag inklusive Auflassung des Notars Dr. C. mit Amtssitz in S. vom 02.11.2022 - UVZNr. …8/2022 - und zur Grundschuldbestellung gemäß Urkunde des Notars Dr. C. vom 12.09.2022 - UVZNr. …4/2022 zu erteilen. Er macht geltend, im Zuge der Nachlassermittlung sei frühzeitig erkennbar geworden, dass es mangels anderer Mittel im Nachlass der Veräußerung des Grundbesitzes bedürfe, um die erheblichen Verbindlichkeiten zu begleichen. Mit Schreiben vom 02.02.2022 (Bl. 286) habe die Bausparkasse S. als im Grundbuch eingetragene Gläubigerin den Verzicht auf eine zwangsweise Verwertung des Grundbesitzes in Aussicht gestellt, wenn ein Verkauf der Immobile angestrebt werde. Da bereits Erben mehrerer Ordnungen ermittelt worden seien und das Erbe ausgeschlagen hätten, sei nicht damit zu rechnen, dass in absehbarer Zeit Erben ermittelt werden könnten. Die Genehmigungsversagung wäre für die unbekannten Erben mit einem erheblichen finanziellen Schaden verbunden. In einer Zwangsversteigerung, die die Bausparkasse mit Schreiben vom 12.09.2022 (Bl. 287) unter Fristsetzung angedroht habe, könne der aktuelle vereinbarte Kaufpreis von 200.000 € nicht erzielt werden.
Das Amtsgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 24.06.2023 aus den im angefochtenen Beschluss genannten Gründen nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
Der Senat hat die Akte des Amtsgerichts S. - … VI …6/21 - beigezogen.
II.
Die gemäß §§ 58 ff. FamFG zulässige Beschwerde des Nachlasspflegers führt zur Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidungen und zur Zurückverweisung der Sache von Amts wegen an das Nachlassgericht.
1.
Nach § 69 Abs. 1 S. 2 FamFG kann das Beschwerdegericht die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und des Verfahrens an das Gericht des ersten Rechtszuges auch ohne Antrag eines Beteiligten zurückverweisen, wenn dieses in der Sache noch nicht entschieden hat. Ein solcher Fall liegt auch dann vor, wenn eine Sachentscheidung nicht in der gebotenen Weise umfassend getroffen ist (Sternal/Sternal, FamFG, 21. Aufl., § 69 Rn. 119), insbesondere wenn das Gericht verfahrensfehlerhaft einen Beteiligten im Sinne des § 7 FamFG nicht hinzugezogen hat (OLG Köln, FGPrax 2011, 104; OLG Düsseldorf, FamRZ 2020, 531; OLG Frankfurt, Beschluss vom 08.06.2021 - 6 UF 79/21, BeckRS 2021, 114984; OLG Rostock, FamRZ 2022, 279; Sternal/Sternal, a. a. O.; Zöller/Feskorn, ZPO, 35. Aufl., § 69 FamFG Rn. 8; Prütting/Helms, FamFG, 6. Aufl., § 69 Rn. 9 m. w. N.). Denn dann kann die Entscheidung gegen den fehlerhaft nicht hinzugezogenen Beteiligten nicht wirksam werden, so dass ihm gegenüber auch keine Entscheidung in der Sache getroffen ist (OLG Köln, a. a. O.). Die Zurückverweisung ist auch sachgerecht, dient sie doch dazu, den Verlust einer Tatsacheninstanz für den nicht hinzugezogenen Betroffenen zu vermeiden (Sternal/Sternal, a. a. O.).
Hier fehlt es an einer Sachentscheidung, weil das Amtsgericht vor seiner Entscheidung die unbekannten Erben nicht angehört hat, die gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 1 FamFG als durch das Verfahren unmittelbar Betroffene hinzuzuziehen sind. Vor der Entscheidung über eine durch das Nachlassgericht gemäß §§ 1850 Nr. 1, 1888 BGB zu erteilende Genehmigung sind die Erben anzuhören (vgl. BVerfG, NJW 2000, 1709) bzw. ist über die Aufhebung der Nachlasspflegschaft zu entscheiden, wenn der Erbe bekannt ist und er die Erbschaft bereits angenommen hat (Staudinger/Mesina, BGB, Stand: 23.11.2022, § 1960 Rn. 42). Sind die Erben hingegen - wie hier - unbekannt, muss das Nachlassgericht einen Verfahrenspfleger bestellen, der für diese das rechtliche Gehör ausübt (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 07.09.2010 - 15 Wx 111/10, ZEV 2011, 191, Staudinger/Mesina, a. a. O., m. w. N.). Diese unter dem Gesichtspunkt des fairen Verfahrens gebotene Anhörung ist auch nicht etwa deshalb entbehrlich, weil der Nachlasspfleger als gesetzlicher Vertreter der unbekannten Erben bereits am Genehmigungsverfahren beteiligt ist. Denn das rechtliche Gehör kann nicht durch denjenigen vermittelt werden, dessen Handeln - wie hier - im Genehmigungsverfahren überprüft werden soll (BVerfG, NJW 2000, 1709, 1710). Vor diesem Hintergrund überzeugt die vereinzelt in der Literatur vertretene Gegenansicht nicht, wonach die unbekannten Erben mangels Möglichkeit nicht zu beteiligen seien (MüKo/Ulrici, FamFG, 3. Aufl., § 41 Rn. 14) bzw. es für die Bestellung eines Verfahrenspflegers keine Rechtsgrundlage gebe (MüKo/Leipold, BGB, 9. Aufl., § 1960 Rn. 129).
Für das weitere Verfahren sei noch auf Folgendes hingewiesen: Als besonderer Grund für den Verkauf einer zum Nachlass gehörenden Immobilie ist anerkannt, dass liquide Mittel benötigt werden, um Verbindlichkeiten des Nachlasses decken zu können (OLG Frankfurt, ZEV 2020, 351 Rn. 14). Bei der vorzunehmenden Gesamtabwägung der Vor- und Nachteile des zu prüfenden Rechtsgeschäfts ist außerdem zu berücksichtigen, dass eine (für die Erben nachteilige) Zwangsversteigerung droht, wie sich aus den Schreiben der Bausparkasse S. vom 02.02.2022 (Bl. 286) und vom 12.09.2022 (Bl. 287) ergibt, auf die das Amtsgericht in seinen Beschlüssen nicht eingeht. Hingegen ist in absehbarer Zeit nicht damit zu rechnen, dass potentielle Erben ermittelt werden können, die die Erbschaft annehmen und alsbald selbst über die Verwertung des Grundstücks entscheiden können. Denn ausweislich der beigezogenen Akte des Amtsgerichts S. - … VI …6/21 - liegen bereits 26 Ausschlagungserklärungen entfernter Verwandter vor (zu der vorzunehmenden Abwägung vgl. auch OLG München, Beschluss vom 10.04.2014 - 31 WX 18/14, juris).
2.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 20, 81 Abs. 1 FamFG.
3.
Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 70 Abs. 2 FamFG sind nicht gegeben.