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Entscheidung 7 W 66/23


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 7. Zivilsenat Entscheidungsdatum 02.01.2024
Aktenzeichen 7 W 66/23 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2024:0102.7W66.23.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Antragstellerinnen wird die Zwischenverfügung des Amtsgerichts Neuruppin vom 15.05.2023 - HRB 9780 NP - aufgehoben.

2. Gerichtsgebühren für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben.

3. Der Geschäftswert für die Beschwerdeinstanz wird auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Gesellschafter der Antragstellerin zu 1. waren die Antragstellerin zu 2. mit einem Geschäftsanteil von 12.250 € und R… R… mit einem Geschäftsanteil von 12.750 €. R… R… war auch allein vertretungsberechtigter Geschäftsführer der Antragstellerin zu 1.. Er ist zwischen dem 13. und 14.03.2023 verstorben. Die Erben sind nicht bekannt. Die Antragstellerin zu 2. beschloss als Gesellschafterin in einer Gesellschafterversammlung am 04.05.2023 unter Verzicht auf alle gesetzlichen und /oder satzungsrechtlich vorgeschriebenen Formen und Fristen der Einberufung, Ankündigung und Durchführung einer Gesellschafterversammlung, dass sie zur allein vertretungsberechtigten Geschäftsführerin unter Befreiung von § 181 BGB bestellt wird. Mit Antrag vom selben Tag begehrt sie die Löschung von R… R… als Geschäftsführer und ihre Eintragung als Geschäftsführerin.

Sie beruft sich auf § 13 des Gesellschaftsvertrages, der die Folgen des Todes eines Gesellschafters regelt. Die Vorschrift lautet:

„§ 13 Tod eines Gesellschafters

1. Beim Tod eines Gesellschafters sind nur Mitgesellschafter nachfolgeberechtigt. Geht ein Geschäftsanteil auf eine nicht nachfolgeberechtigte Person über, ist er an eine nachfolgeberechtigte Person zu übertragen, wenn die Gesellschaft dies innerhalb einer Frist von sechs Monaten ab dem Zeitpunkt, zu dem der Gesellschaft ein Erbschein über die Erbfolge vorgelegt worden ist, verlangt.

Das Verlangen ist an einen der im Erbschein ausgewiesenen Erben durch Einschreibebrief oder gegen schriftliches Empfangsbekenntnis zu richten. Die Frist ist durch die Aufgabe zur Post gewahrt.

2. Die Übertragung hat innerhalb von sechs Monaten zu erfolgen und muss auch innerhalb dieser Frist der Gesellschaft angezeigt werden. Für die Berechnung des Fristbeginns ist bei Übersendung des Abtretungsverlangens durch Einschreibebrief der Tag maßgeblich, an dem dieser zur Post aufgegeben wurde. Gleiches gilt für die Wahrung der Frist zur Anzeige der Übertragung, soweit die Aufgabe zur Post im Inland erfolgt.

3. Nach fruchtlosem Verstreichen der Frist stellt die Gesellschaft mittels eingeschriebenen Briefes an die nicht nachfolgeberechtigten Erben fest, dass der Geschäftsanteil des verstorbenen Gesellschafters gegen Entgelt eingezogen wird oder die entgeltliche Abtretung des Geschäftsanteils an sie oder an eine dritte Person zu erfolgen hat. Die Einziehungsverfügung regelt sich nach § 12 des Gesellschaftsvertrages.

4. Bis zur Übertragung und Anzeige bei der Gesellschaft ruhen die Gesellschafterrechte mit Ausnahme des Gewinnnbezugsrechts.“

Das Registergericht hat mit Zwischenverfügung vom 15.05.2023 angeordnet, dass die Antragstellerin zu 1. eine Nachlasspflegschaft anregen und den Nachlasspfleger zur Versammlung zu laden habe. Dies gelte unabhängig davon, dass § 13 Abs. 4 des Gesellschaftsvertrages das Ruhen der Gesellschafterrechte im Fall des Todes eines Gesellschafters vorsehe. Das Teilnahmerecht an der Gesellschafterversammlung sei - anders als das Stimmrecht - nicht entziehbar.

Gegen diese Zwischenverfügung wenden sich die Antragstellerinnen und tragen zur Begründung vor, dass ihrer Auffassung nach auch das Teilnahmerecht an Gesellschafterversammlungen wirksam entzogen werden könne, wenn dafür ein sachlicher Grund gegeben sei. In diesem Fall dürfe auch die Ladung des Gesellschafters unterblieben. Der sachliche Grund für das Ruhen des Teilnahmerechts an Gesellschafterversammlungen sei hier die zügige Fortführung des Geschäfts der Gesellschaft ohne Beeinträchtigung durch die Erben oder deren Vertreter. Dies sei sachgerecht, weil die verbleibende Gesellschafterin ohnehin ein Übernahme- bzw. Bestimmungsrecht für die Übertragung der Geschäftsanteile habe und anderenfalls die Geschäftsanteile des verstorbenen Gesellschafters eingezogen würden. Die Erben selbst seien nicht zur Übernahme berechtigt. Das Registergericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

II.

Die gemäß § 382 Abs. 4 Satz 2 FamFG zulässige Beschwerde gegen die Zwischenverfügung vom 15.05.2023 ist begründet und führt zur Aufhebung der Zwischenverfügung.

Die Beschwerde ist sowohl, soweit sie von der Gesellschaft eingelegt wurde, als auch, soweit sie von der Antragstellerin zu 2. als bestellter Geschäftsführerin eingelegt wurde, zulässig. Die Zulässigkeit der Beschwerde ist auch nicht dadurch entfallen, dass die Antragstellerin zu 2. während des Beschwerdeverfahrens zur Notgeschäftsführerin bestellt worden ist. Denn wie sie zu Recht geltend macht, reichen die Wirkungen der Bestellung als Geschäftsführerin durch die Gesellschafterversammlung wegen der Befreiung von § 181 BGB weiter, als die Bestellung als Notgeschäftsführerin.

1.

Die Beschwerde hat allein deshalb Erfolg, weil die Voraussetzungen für die Entscheidung durch eine Zwischenverfügung gemäß § 382 Abs. 4 Satz 1 FamFG nicht vorliegen. Der Umstand, dass in der Gesellschafterversammlung vom 04.05.2023 nicht wirksam über die Bestellung der Antragstellerin zu 2. als Geschäftsführerin beschlossen werden konnte, weil die Erben des verstorbenen Mitgesellschafters nicht zu der Versammlung geladen worden sind, ist nicht behebbar. Nach der Auffassung des Registergerichts ist vielmehr nach Bestellung eines Nachlasspflegers eine neue Gesellschafterversammlung einzuberufen und über die Bestellung eines Geschäftsführers in der dann wirksam einberufenen Gesellschafterversammlung zu beschließen. Die vom Registergericht aufgezeigten Mängel der Beschlussfassung vom 04.05.2023 sind danach nicht zu heilen, sondern bedürfen einer neuen Beschlussfassung und der erstmaligen Schaffung der einzutragenden Tatsachen (vgl. Schulte-Bunert/Weinreich, FamFG § 382 Rn. 15). Das Registergericht hätte mithin auf die Mängel der Beschlussfassung hinweisen und den Antrag nach Anhörung der Antragstellerinnen zurückweisen müssen.

2.

Die Rechtsauffassung des Registergerichts, wonach die Bestellung einer Geschäftsführerin nicht ohne Ladung eines Vertreters der unbekannten Erben zur Gesellschafterversammlung wirksam beschlossen werden kann, dürfte demgegenüber zutreffend sein. Gemäß § 241 Nr. 1 AktG analog ist die Nichtladung eines Gesellschafters ein Einberufungsmangel, der zur Nichtigkeit der in der Versammlung gefassten Beschlüsse führt. Das Recht zur Teilnahme an den Gesellschafterversammlungen ist auch bei Ruhen der Gesellschafterrechte nicht entziehbar (Henssler/Strohn - Hillmann, Gesellschaftsrecht, § 51 Rn. 27; MüKoGmbHG-Liebscher, § 51 GmbHG Rn. 72). Zulässig sind Beschränkungen des Teilnahmerechts durch die Anordnung der gemeinsamen Vertretung mehrerer an einem Geschäftsanteil Berechtigter. Das sich aus der Mitgliedschaft ergebende Teilnahmerecht ist aber unverzichtbar, soweit dem Gesellschafter die willensgetragene Wahrnehmung der Gesellschafterrechte insgesamt nicht mehr zugestanden wird (BGH, Urteil vom 17.10.1988 - II ZR 18/88, GmbHR 1989, 120, juris Rn. 5).

Diese Wirkung hat hier die von den Antragstellerinnen vertretene Auslegung des Gesellschaftsvertrages, da die Einberufung und Beschlussfassung über sämtliche die Gesellschaft betreffenden Angelegenheiten zulässig wäre, ohne dass die Erben oder vor deren Ermittlung ein zu ihrer Vertretung berufener Nachlasspfleger Kenntnis von den Beschlussfassungen erlangen. Der Antragstellerin zu 1. wäre es sogar möglich, längerfristig Beschlüsse zu fassen, die den Interessen der durch den Erbfall berufenen Gesellschafter zuwiderliefen, da sämtliche Fristen für die Übernahme des Geschäftsanteils erst zu laufen beginnen, wenn der Gesellschaft ein Erbschein vorgelegt worden ist.

Die Auffassung der Antragstellerinnen, dass die Rechtsnachfolge durch die Erben ausgeschlossen sei, ist schließlich dem Wortlaut des § 13 Abs. 1 der Satzung auch nicht zu entnehmen. Die Übertragung des Geschäftsanteils ist danach vielmehr nur für den Fall vorgesehen, dass die Gesellschaft dies verlangt. Welche Rechtsfolge gelten soll, wenn die Gesellschaft das Verlangen nicht erklärt, wird in § 13 nicht geregelt. Denkbar wäre, dass die Gesellschaft mit den Erben fortgeführt wird oder dass - entsprechend der Regelung in § 7 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrages für die Kündigung - die Gesellschaft in Liquidation tritt. In beiden Fällen ist für die zunächst kraft Erbfolge zur Rechtsnachfolge berufenen Gesellschafter von Interesse, welche Entscheidungen in der Gesellschaft bis zur endgültigen Klärung des Gesellschafterbestandes bzw. des Fortbestehens der Gesellschaft getroffen werden. Dies rechtfertigt die Unterrichtung und die Berechtigung zur Teilnahme an Gesellschafterversammlungen, auch wenn das Abstimmungsrecht durch § 13 Abs. 4 des Gesellschaftsvertrages wirksam zum Ruhen gebracht wird.

3.

Von der Erhebung von Gerichtsgebühren für die Beschwerdeinstanz wird gemäß § 81 Abs. 1 Satz 2 FamFG abgesehen, da die Beschwerde gegen die Zwischenverfügung erfolgreich ist.

Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, besteht nicht, § 70 Abs. 2 FamFG.

Die Festsetzung des Geschäftswertes folgt aus § 36 Abs. 3 GNotKG.