Gericht | OLG Brandenburg 1. Senat für Familiensachen | Entscheidungsdatum | 13.12.2023 | |
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Aktenzeichen | 9 WF 70/23 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2023:1213.9WF70.23.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Amtsgerichts Eberswalde vom 23. Januar 2023 - Az. 34 FH 85/22 – wird als unzulässig verworfen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Antragsgegner zu tragen.
Der Beschwerdewert wird auf 6.949 EUR festgesetzt.
1.
Eingehend am 8. Dezember 2022 beantragte der Antragsteller, der im Haushalt seiner Mutter betreute Sohn des Antragsgegners, unter Bezugnahme auf ein Auskunftsverlangen vom 29. Juli 2022 die Festsetzung von Kindesunterhalt im Umfang von 120 % des Mindestunterhalts der jeweiligen Altersstufe abzüglich des anzurechnenden Kindergeldes für die Zeit ab Januar 2023 sowie von rückständigem Kindesunterhalt in Höhe von insgesamt 2.149 EUR für die Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 2022.
Nachdem der Antragsgegner im Rahmen des Anhörungsverfahrens nach § 251 Fam-FG gegenüber dem Gericht keine Stellungnahme abgegeben hatte, hat das Amtsgericht Eberswalde mit Beschluss vom 23. Januar 2023, dem Antragsgegner zugestellt am 25. Januar 2023, den Kindesunterhalt im vereinfachten Verfahren antragsgemäß festgesetzt.
Mit am 31. März 2023 eingegangenem Schreiben vom 29. März 2023 hat der Antragsgegner „Einspruch“ eingelegt, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und behauptet, erst am 24. März 2023 „von diesem Schreiben“ Kenntnis erhalten zu haben. Dieses sei in einen - nicht mit seinem Namen versehenen - Briefkasten eingeworfen worden, der nicht zur Spedition B… K… noch zu T… K… gehöre.
2.
Der als - gemäß §§ 256 Abs. 1, 58 Abs. 1, 59 Abs. 1, 61 Abs. 1 FamFG grundsätzlich statthafte - Beschwerde zu behandelnde Einspruch des Antragsgegners gegen den Festsetzungsbeschluss vom 23. Januar 2023 ist aus verschiedenen Gründen unzulässig und unterliegt deshalb der Verwerfung.
Das Rechtsmittel ist bereits verspätet eingegangen.
Der Festsetzungsbeschluss ist dem Antragsgegner ausweislich der Postzustellungsurkunde am 25. Januar 2023 durch Einlegung in den zur Wohnung/zum Geschäftsraum gehörenden Briefkasten wirksam zugestellt worden (§§ 178 Abs. 1, 180 Abs. 1 ZPO), so dass die Monatsfrist zur Einlegung der Beschwerde (§ 63 Abs. 1 FamFG) in Lauf gesetzt worden ist. Diese Frist endete am Montag, den 27. Februar 2023; die Rechtsmittelschrift ist jedoch erst am 31. März 2023, also verspätet beim Amtsgericht eingegangen.
Der Antragsgegner macht mit seinem Wiedereinsetzungsgesuch im Kern geltend, es fehle schon an einer wirksamen Zustellung, weil die Sendung in einen Briefkasten eingeworfen worden sei, der weder zu seinem einzelkaufmännisch geführten Geschäft (Spedition B… K… e.K, Inhaber T… K…) noch zu ihm persönlich (seiner Wohnanschrift) gehöre. Mit diesem Vorbringen kann er keinen Erfolg haben.
Die Postzustellungsurkunde vom 25. August 2023 (wie auch diejenige über die Zustellung am 19. Dezember 2022 im vorausgegangenen Anhörungsverfahren nach § 251 FamFG) erbringt nach § 182 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 418 Abs. 1 ZPO den vollen Beweis für die in der Urkunde bezeugten Tatsachen. Die Beweiswirkung der Zustellungsurkunde erstreckt sich bei der Ersatzzustellung dabei auf den gesamten beurkundeten Vorgang in seinem äußeren Ablauf, also darauf, dass der Zusteller unter der angegebenen Anschrift weder den Adressaten persönlich noch eine zur Entgegennahme der Ersatzzustellung in Betracht kommende Person angetroffen hat, unter der angegebenen Anschrift ein Briefkasten oder eine ähnliche Vorrichtung existiert, die dem Antragsgegner eindeutig zugeordnet werden kann, für den Postempfang eingerichtet ist und sich in einem ordnungsgemäßen Zustand befindet und darauf, dass der Zusteller die Sendung in den dem Adressaten gehörenden Briefkasten an dem angegebenen Tag eingelegt hat (vgl. dazu BGH, Beschlüsse vom 25. August 2020, Az. VIII ZA 13/20, vom 17. Mai 2018, Az. V ZB 258/17, und vom 2. Dezember 2015, Az. I ZB 75/15; KG, Urteil vom 26. Mai 2005, Az.: 8 U 30/05; OLG Dresden, Beschluss vom 6. März 2019, Az. 4 U 163/19; Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 28. Juni 2018, Az. 12 U 180/17 - jeweils zitiert nach juris). Die Postzustellungsurkunde hat den Beweiswert einer öffentlichen Urkunde gemäß § 418 ZPO, auch wenn sie nicht von einer öffentlichen Stelle, sondern von einem Postdienstleistungsunternehmen ausgestellt worden ist (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Mai 2018, a.a.O.).
Der durch die Postzustellungsurkunde erbrachte Beweis kann nur durch den Gegenbeweis der Unrichtigkeit der in der Zustellungsurkunde bezeugten Tatsachen entkräftet werden. Dies erfordert den vollen Beweis eines anderen als des beurkundeten Geschehens in der Weise, dass die Beweiswirkung der Zustellungsurkunde vollständig entkräftet und jede Möglichkeit der Richtigkeit der in ihr niedergelegten Tatsachen ausgeschlossen ist (vgl. BGH NJW 2006, 150 f.; 1990, 2125). Zur Führung des Gegenbeweises bedarf es einer konkreten, plausiblen und schlüssigen Darlegung von Umständen, die – wenn sie nicht schon jede Möglichkeit der Richtigkeit des beurkundeten Geschehensablaufes ausschließen – zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die Unrichtigkeit der Beurkundung begründen müssen (vgl. BVerfG NJW 1992, 224; OLG Düsseldorf NJW 2000, 2831; OLGR Köln 2008, 469, Brandenburgisches Oberlandesgericht a.a.O.). Daran fehlt es hier.
Die pauschale und im Kern inhaltsleere Behauptung eines Einwurfs „in einen Briefkasten (...), der nicht zur Spedition B… K… oder zu T… K… gehört“, reicht hierfür erkennbar nicht aus. Es geht aus dem Vorbringen nämlich nicht einmal hervor, in wessen - neben dem Antragsgegner sonst noch in B…, A… H… … wohn- oder geschäftsansässigen Dritten zugehörigen und wie beschrifteten - Briefkasten die Sendung(en) eingeworfen worden sein sollen. Zudem fehlt es an einem Beweisantritt für das behauptete und - das Vorhandensein eines ordnungsgemäß beschrifteten Briefkastens jedenfalls auch des Antragsgegners persönlich und/oder des von ihm einzelkaufmännisch geführten Speditionsgewerbes unterstellt - auch nicht sonderlich wahrscheinliche Fehlverhalten des Postzustellers, sich einen Fehlwurf geleistet zu haben.
Dem Antragsgegner ist auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Einlegung der Beschwerde zu gewähren, weil es insoweit an einer ausreichenden Begründung des Wiedereinsetzungsantrages fehlt, was bereits zur Unzulässigkeit des Antrages führt.
Innerhalb der 2-Wochen-Frist des gemäß § 113 Abs. 1 FamFG Anwendung findenden § 234 ZPO müssen in dem Wiedereinsetzungsantrag alle tatsächlichen Voraussetzungen für dessen Zulässigkeit und Begründetheit angeführt werden, also insbesondere die versäumte Frist, das Hindernis für deren Einhaltung, die für die Rechtzeitigkeit des Wiedereinsetzungsantrages erforderlichen Angaben (Wegfall des Hindernisses) sowie fehlendes Verschulden. Dem genügt das in jeder Hinsicht substanzlose und lückenhafte Vorbringen in der „Einspruchsschrift“ vom 29. März 2023 erkennbar nicht. Auf die vorstehenden Ausführungen zu offenkundigen Auslassungen in der gebotenen Darstellung der Ereignisse wird zunächst Bezug genommen. Der Antragsgegner legt auch nicht dar, auf welche Weise und durch wen er konkret und vor allem warum auch erst am 24. März 2023 - nach vermeintlichem Einwurf der Postsendung in den falschen Briefkasten bereits am 25. Januar 2023 - Kenntnis von „diesem Schreiben“ (welchem eigentlich ?) erhalten haben will.
Nachdem die Zustellung des Festsetzungsbeschlusses am 25. Januar 2023 wirksam war, der Antragsgegner die Beschwerdefrist versäumt hat und sein Gesuch auf Wiedereinsetzung in die versäumte Beschwerdefrist unzureichend begründet ist und deshalb erfolglos bleiben muss, war die Beschwerde schon wegen Verfristung gemäß § 117 Abs. 1 FamFG in Verbindung mit § 522 Abs. 1 Satz 2 FamFG als unzulässig zu verwerfen.
Unabhängig davon ist das Rechtsmittel des Antragsgegners auch deshalb unzulässig, weil es bis zum Ablauf der hier am Montag, den 27. März 2023 endenden Beschwerdebegründungsfrist (und tatsächlich anhaltend bis heute über weitere mehr als sieben Monate) nicht begründet worden ist.
Für die Beschwerde im vereinfachten Verfahren über den Unterhalt Minderjähriger gelten die Frist- und Formbestimmungen des § 117 Abs. 1 Sätze 1 bis 3 FamFG. Die Beschwerde ist mit einem bestimmten Sachantrag binnen zwei Monaten nach der Bekanntgabe des angefochtenen Beschlusses gegenüber dem Beschwerdegericht zu begründen. Dies entspricht herrschender - vom Senat geteilter - Auffassung (OLG Saarbrücken, Beschluss vom 29. Oktober 2020 - 6 WF 140/20; OLG Brandenburg, 4. Familiensenat, FamRZ 2017, 230 und FamRZ 2016, 1804; OLG Jena, FamRZ 2015, 1513; erkennender Senat, Beschluss vom 3. Februar 2022, Az. 9 WF 261/21; Maier in Johannsen/Henrich, Familienrecht, 6. Aufl., § 256 FamFG Rz. 5; Keidel/Giers, FamFG, 20. Aufl., § 256 Rz. 11; Zöller/Lorenz, ZPO, 34. Aufl., § 256 FamFG Rz. 3; Prütting/Helms/Bömelburg, FamFG, 5. Aufl., § 256 Rz. 10; Frank, FamRB 2020, 177; a.A. OLG Frankfurt, FamRZ 2020, 766; Wendl/Dose/Schmitz, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 10. Aufl., § 10 Rz. 681; MüKo-FamFG/Macco, 3. Aufl., § 256 Rz. 2).
Die von der Gegenansicht vorgebrachten Gründe überzeugen nicht. Es entspricht allgemeiner Ansicht, dass das vereinfachte Verfahren über den Unterhalt Minderjähriger (§§ 249 ff. FamFG) als Unterhaltssache (§ 231 Abs. 1 Nr. 1 FamFG) und damit als Familienstreitsache (§ 112 Nr. 1 FamFG) einzuordnen ist (vgl. hierzu OLG Brandenburg, FamRZ 2017, 230 m.w.N.). In einer Familienstreitsache gilt der Begründungszwang nach § 117 Abs. 1 Satz 1 FamFG. Wie das OLG Saarbrücken in seiner Entscheidung vom 29. Oktober 2020 (Az. 6 WF 140/20) zutreffend ausgeführt hat, sprechen weder der Gesetzeswortlaut noch die Regelungssystematik des FamFG für eine einschränkende Auslegung des § 117 Abs. 1 FamFG. Auch die historische Betrachtung lässt einen Willen des FamFG-Gesetzgebers, die Beschwerde gegen eine Endentscheidung im vereinfachten Unterhaltsverfahren von dem für alle Familienstreitsachen geltenden Begründungserfordernis freizustellen, nicht erkennen (OLG Saarbrücken, a.a.O.). Ebenso wenig verfängt das Argument, eine Pflicht zur Beschwerdebegründung laufe dem Ziel des vereinfachten Unterhaltsverfahrens zuwider, dem Gläubiger schnell zu einem Unterhaltstitel zu verhelfen. Denn das erstinstanzliche Gericht soll in diesen Verfahren gemäß § 116 Abs. 3 Satz 2 FamFG die sofortige Wirksamkeit anordnen, die dem Gläubiger insoweit ausreichenden Schutz bietet (Frank, FamRB 2020, 177). Schließlich ist auch der Hinweis, das Verfahren nach §§ 249 ff. FamFG sei mit dem vereinfachten Klauselerteilungsverfahren gemäß §§ 36 ff. AUG vergleichbar, auf das § 117 Abs. 1 FamFG nach höchstrichterlicher Rechtsprechung keine Anwendung finde (BGH, FamRZ 2017, 1705), nicht überzeugend. Der BGH hat § 117 Abs. 1 FamFG in einem Verfahren auf Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Titels nach § 64 AUG für anwendbar gehalten, weil das Verfahren schon in erster Instanz - in Abgrenzung zur Beschwerde nach § 43 AUG im vereinfachten Klauselerteilungsverfahren - kontradiktorisch geführt wird (BGH, FamRZ 2018, 1347). Im vereinfachten Unterhaltsverfahren verhält es sich nicht anders (so auch OLG Saarbrücken, a.a.O.). Denn dem Schuldner wird gemäß § 251 FamFG schon in erster Instanz rechtliches Gehör gewährt.
Mit seinem insgesamt schon aus formellen Gründen als unzulässig zu verwerfenden Rechtsmittel kann der Antragsgegner daher keine inhaltliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit des erlassenen Festsetzungsbeschlusses im vereinfachten Verfahren erreichen. Er wird deshalb darauf verwiesen sein, die Überprüfung und ggf. Neufestsetzung der Unterhaltsansprüche des Antragstellers im Abänderungsverfahren nach § 240 FamFG zu erreichen. Für ein solches - in einem ordentlichen gerichtlichen Verfahren erster Instanz neu einzuleitendes Unterhaltsabänderungsverfahren - besteht allerdings Anwaltszwang (§ 114 FamFG).
3.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 243, 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG in Verbindung mit dem Rechtsgedanken aus § 97 ZPO.
Die Festsetzung des Gegenstandswertes folgt aus §§ 40 Abs. 1, 51 Abs. 1 und 2 FamGKG.