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Entscheidung 3 W 13/23


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 3. Zivilsenat Entscheidungsdatum 29.11.2023
Aktenzeichen 3 W 13/23 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2023:1129.3W13.23.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

1. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts Zossen vom 24.10.2022 - 60 VI 26/22 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

2. Der Beschwerdewert wird auf 3.125,02 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Erblasserin war mit W… F… verheiratet, der am XX.XX.1991 vorverstorben ist. Beide Ehegatten hatten keine Kinder.

Am 01.03.1986 errichteten die seinerzeit in der DDR lebenden Eheleute handschriftlich ein „Gemeinschaftliches Testament“, das von beiden unterzeichnet ist und folgenden Inhalt hat:

„Wir, die Eheleute [...] bestimmen:

1. Im Falle des Ablebens eines Partners den verbleibenden zum Alleinerben des gesamten unbeweglichen und beweglichen Vermögens einschließlich Geldvermögens

2. Im Falle des gemeinsamen Todes beider Eheleute ist folgende Vermögensaufteilung vorzunehmen:

2.1 C… L… [...] vererben wir das Haus und Grundstück in (PLZ, Ort), Im Gehölz … einschließlich des gesamten Mobiliars und aller anderen Vermögensgegenstände (einschließlich Pkw, Schmuck- und anderer Wertgegenstände) mit Ausnahme des Geldvermögens.

2.2 Das Geldvermögen (Bargeld und das auf den Konten

a) Postsparkonto [...]

b) Spar-Girokonto [...]

befindliche Geldvermögen)

sollen zu gleichen Teilen erhalten:

· C… L… [...]

· Ch… L… [...]

· S… B… [...]

· D… B… [...]

2.3 Der Grundstück auf Blatt … des Grundbuchheftes von (Ort), (Anschrift) sollen die Geschwister S… und D… B… erben.“

Nach dem Tod der Erblasserin eröffnet das Amtsgericht Zossen ein handschriftliches Testament mit folgendem Inhalt:

„Testament

Mein letzter Wille

Ich hinterlasse mein gesamtes Vermögen meiner Nichte D… B…-T… [...].

(Ort), den 10.8.2018

J… F… geb. B…“.

Die Antragstellerin hat mit notarieller Erklärung vom 10.01.2022 beantragt, ihr einen Erbschein zu erteilen, der sie als Erbin zu 50%, den Beteiligten zu 4 zu 10% und die Beteiligten zu 2 und 3 zu je 20% ausweist. Zur Begründung beruft sie sich auf die Regelung unter Punkt 2 in dem Testament vom 01.03.1986, die eine bindende Schlusserbeneinsetzung beinhalte. Die Erbquoten ergäben sich aus den seinerzeitigen Werten der im Einzelnen zugewandten Vermögenswerte.

Die Beteiligte zu 5 - eine Schwester der Erblasserin - wird auf ihren Antrag am Verfahren beteiligt.

Das Amtsgericht hat den Antrag der Beteiligten zu 1 vom 10.01.2022 mit Beschluss vom 24.10.2022 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, das Testament vom 01.03.1986 enthalte keine Schlusserbeneinsetzung. Denn die unter Punkt 2 getroffene Regelung sei nur für ein zeitnahes Versterben der Testierenden getroffen worden. Zwar könne mit dem Ausdruck „gemeinsames“ Ableben auch eine Schlusserbeneinsetzung gemeint und damit ausreichend angedeutet sein. Die Testamentsauslegung ergebe aber nicht, dass die hier in Rede stehende Erbeinsetzung auch für den Fall des in zeitlich größerem Abstand aufeinander folgenden Versterbens der Ehegatten gewollt gewesen sei. Schon sprachlich knüpfe die Formulierung des gemeinsamen Todes beider Eheleute“ eher an den Umstand des zeitnahen Versterbens der Eheleute an. Maßgeblich sei aber, dass die Testierenden mit der Regelung unter Punkt 2 des Testaments vom 01.03.1986 konkrete Vermögenswerte auf der Grundlage der aktuellen Vermögenssituation hätten übertragen wollen, die eine spätere Vermögensentwicklung nicht erfasst habe. Es sei nicht anzunehmen, dass die Eheleute eine Bindung des Überlebenden an die unter Punkt 2 vorgenommene Vermögensverteilung beabsichtigt hätten. Auch sonst lägen keine Umstände vor, die für eine Schlusserbeneinsetzung sprächen. Dass der Ehemann zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung schon schwer krank gewesen sei, müsse nicht zwingend eine Schlusserbeneinsetzung motiviert haben. Vielmehr sei für den Fall des krankheitsbedingten baldigen Versterbens gerade die Einsetzung zur Alleinerbin der überlebenden Ehegattin erfolgt.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin, der das Amtsgericht mit Beschluss vom 23.01.2023 unter Bezugnahme auf die angefochtene Entscheidung nicht abgeholfen hat.

Zur Begründung ihrer Beschwerde macht die Antragstellerin geltend, im Rahmen der Auslegung sei der Wissens- und Kenntnisstand der Testierenden zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung maßgeblich. Sie hätten seinerzeit davon ausgehen müssen, dass nach § 370 Zivilgesetzbuch der DDR (ZGB-DDR) ohne Testamentserrichtung die gesetzliche Erbfolge eintrete und gegebenenfalls der Staat erben werde, was sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht gewollt hätten. Sie hätten sich dabei an § 389 ZGB orientiert. Der Verwendung des Begriffs „gemeinsam“ oder „gemeinschaftlich“ komme nicht dieselbe Bedeutung zu wie unter damaligen Verhältnissen. Die Erblasserin habe nach § 374 ZGB die Möglichkeit gehabt, das Testament anzufechten, was sie nie getan habe.

II.

Die nach §§ 58 ff FamFG zulässige Beschwerde ist aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung unbegründet.

Der beantragte Erbschein ist nicht zu erteilen, weil das Testament vom 01.03.1986 keine Schlusserbeneinsetzung für den Fall des Todes des länger lebenden Ehegatten enthält.

1.

Das gemeinschaftliche Ehegattentestament vom 01.03.1986 ist gemäß §§ 388, 391 Abs. 2, 385 ZGB-DDR wirksam. Da das Testament vor dem Beitritt errichtet wurde, gilt - soweit es die Wirksamkeit des Testaments und die Bindung der nachverstorbenen Erblasserin hieran betrifft - gemäß Art. 235 § 2 EGBGB das Recht des ZGB-DDR (vgl. OLG Rostock, Beschluss vom 25.10.2021 - 3 W 147/20, NJOZ 2022, 651 Rn. 15). Soweit es hingegen um Inhalt, Auslegung und materielle Wirkung der letztwilligen Verfügung geht, unterliegen diese nicht Art. 235 § 2 EGBGB, sondern dem Erbstatut, bei Erbfällen nach dem 03.10.1990 - wie hier - also dem BGB (BGH, NJW 2003, 2095, OLG Rostock, aa. Aa. O., Rn. 18 m. w. N.).

2.

Das Testament enthält keine ausdrückliche und allgemeine Schlusserbeneinsetzung. Soweit es neben der wechselseitigen Einsetzung der Ehegatten zum Alleinerben eine Regelung für den Fall des gemeinsamen Todes beider Eheleute enthält, ist diese für die Frage, ob die Eheleute damit auch den Fall regeln wollten, dass sie im zeitlichen Abstand ohne gemeinsame Todesursache versterben, auslegungsbedürftig.

3.

Bei der Auslegung eines gemeinschaftlichen Testaments kommt es auf den Willen beider Ehegatten an. Entscheidend ist jedoch nicht der Empfängerhorizont; die Auslegung darf auch nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks haften. Vielmehr ist zu fragen, was die Testierenden mit ihren Worten haben sagen wollen (BGH, NJW-RR 2002, 292). Die Auslegung ist dabei nicht auf eine Analyse des Wortlauts beschränkt: Vielmehr ist zur Ermittlung des Inhalts einer testamentarischen Verfügung der gesamte Inhalt der Testamentsurkunde einschließlich aller Nebenumstände, auch solcher außerhalb des Testaments, heranzuziehen und zu würdigen (BGH, NJW 1993, 256). Mit Blick auf die Formerfordernisse des § 2247 BGB bzw. hier der §§ 391 Abs. 2, 385 ZGB-DDR müssen sich allerdings für einen entsprechenden Willen des Erblassers in der letztwilligen Verfügung, wenn auch nur andeutungsweise, Anhaltspunkte finden lassen (BGH, NJW 1983, 672; BGH, ZEV 2002, 20; Horn/Kroiß, Testamentsauslegung, 2. Aufl., § 7 Rn. 73).

4.

Der Wortlaut der Verfügung ist mehrdeutig. Denn „gemeinsamer Tod“ kann als gleichzeitiger Tod verstanden werden, aber auch den Zeitpunkt bezeichnen, in dem beide Eheleute „gemeinsam“, d. h. beide tot sind (Senat, Beschluss vom 31.01.2019 - 3 W 37/18, ZEV 2019, 278 Rn. 22 m. w. N.). Die Formulierung reicht als Andeutung für eine generelle Schlusserbeneinsetzung aus, ist aber auslegungsbedürftig (Palandt/Weidlich, BGB, 82. Aufl., § 2269 Rn. 9a), wobei die Auslegung als gleichzeitiger Tod sprachlich näher liegt (BeckOGK/Braun, BGB, Stand: 01.10.2023, § 2269 Rn. 28.2). Unter Beachtung der allgemeinen Feststellungslast ist daher zu klären, ob es sich nur um eine Verfügung für den Fall des zeitnahen Versterbens beider Ehegatten oder wegen Vorliegens ausreichender Anhaltspunkte um eine allgemeine Schlusserbeneinsetzung auch für das Ableben in größerem zeitlichen Abstand handelt (Palandt/Weidlich, a. a. O., m. w. N.).

5.

Anhaltspunkte für eine allgemeine Schlusserbeneinsetzung gibt es hier nicht. Der weitere Wortlaut des Testaments enthält solche Anhaltspunkte nicht. Dass der testierende Ehegatte im Jahr 1985 schwer erkrankt ist, mag Anlass dafür gewesen sein, dass die Ehegatten überhaupt ein Testament errichtet haben. Eine Notwendigkeit für die allgemeine Einsetzung von Schlusserben bestand aber angesichts der wechselseitigen Einsetzung der Ehegatten zu ihren jeweiligen Alleinerben nicht. Entgegen der Ansicht der Antragstellerin mussten die Ehegatten ohne eine allgemeine Schlusserbeneinsetzung auch nicht befürchten, dass der Staat erben werde. Denn das Erbrecht der DDR sah in § 367 ZGB auch ein gesetzliches Erbrecht der Eltern des Erblassers und deren Nachkommen in zweiter Ordnung vor. Unabhängig davon war der längere lebende Ehegatte aber auch frei, ohne allgemeine Schlusserbeneinsetzung neu zu testieren.

6.

„Gemeinsamer Tod“ ist hier mangels gegenteiliger Anhaltspunkte demnach lediglich als „gleichzeitiger Tod“ zu verstehen. Insofern unterscheidet sich der vorliegende Fall von dem Sachverhalt, der der Senatsentscheidung vom 31.01.2019 - 3 W 37/18 - zugrunde lag. Dort gab es nicht nur Hinweise im Testament selbst, sondern auch Zeugenaussagen, die den Beweis erbracht haben, dass die dortigen Ehegatten eine allgemeine Schlusserbeneinsetzung gemeint haben.

7.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG. Der Beschwerdewert wurde gemäß §§ 40 Abs. 1 Nr. 2, 61 GNotKG entsprechend dem wirtschaftlichen Interesse der Beschwerdeführerin auf die Hälfte des Nachlasswertes festgesetzt, wobei der Nachlass - weil die Erblasserin bereits zu Lebzeiten die Immobilien verkaufte und erhebliche Geldgeschenke machte - nach übereinstimmendem Vortrag der Beteiligten nur noch aus dem Guthaben auf dem Girokonto in Höhe von 6.250,04 € besteht.