Toolbar-Menü
 
Sie sind hier: Gerichtsentscheidungen Sanierungsrechtlicher Ausgleichsbetrag - Abgabepflichtiger - Eigentümer...

Sanierungsrechtlicher Ausgleichsbetrag - Abgabepflichtiger - Eigentümer - "wirtschaftlicher Eigentümer" - Schuldübernahme - Schuldbeitritt - Bescheid an Voreigentümer - Bescheid an Nichteigentümer (Grundstückskäufer vor Eintragung) - Inhaltsadressat - Bekanntgabeadressat - Empfänger - Klagebefugnis - Vorverfahren - unrichtige Datumsangaben für Ausgangsbescheid im Widerspruchsbescheid - öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch - Höhe der Prozesszinsen - Beschränkung der vorläufigen Vollstreckbarkeit auf Kostenentscheidung bei Verbindung von Anfechtungs- und Leistungsklage


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 10. Senat Entscheidungsdatum 20.11.2023
Aktenzeichen OVG 10 B 7/23 ECLI ECLI:DE:OVGBEBB:2023:1120.OVG10B7.23.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 39 AO, § 48 Abs 2 AO, § 154 BauGB, § 42 Abs 2 VwGO, § 68 Abs 1 S 1 VwGO, § 113 Abs 1 S 1 VwGO, § 113 Abs 1 S 2 VwGO, § 113 Abs 4 VwGO, § 130a VwGO, § 167 Abs 2 VwGO

Leitsatz

1. "Eigentümer" im Sinne von § 154 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist der materiellrechtliche Eigentümer, nicht der "wirtschaftliche Eigentümer".
2. Im gesetzlich vorgegebenen ausgleichsbetragsrechtlichen Festsetzungsverhältnis nach § 154 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist eine den Abgabepflichtigen (Grundstückseigentümer) gegenüber dem Abgabegläubiger (der Gemeinde) befreiende Schuldübernahme durch einen Dritten (z.B. Grundstückskäufer) nicht möglich. In Betracht kommt allenfalls der Schuldbeitritt eines Dritten (vgl. § 48 Abs. 2 AO).

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 24. November 2022 teilweise geändert. Der Bescheid des Beklagten vom 20. März 2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 28. August 2019 wird aufgehoben und der Beklagte verpflichtet, an die Klägerin den von ihr entrichteten Teilbetrag in Höhe von 13.499,41 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 26. September 2019 zurückzuzahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Beteiligten tragen die Kosten beider Rechtszüge jeweils zur Hälfte.

Der Beschluss ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v.H. des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Klägerin begehrt die Aufhebung eines an die Voreigentümerin ihres Grundstücks und eines weiteren an sie selbst gerichteten Bescheides über die Heranziehung zu einem sanierungsrechtlichen Ausgleichsbetrag sowie die Rückzahlung eines von ihr bereits geleisteten Teilbetrages.

Sie hatte das Grundstück U... Allee 7... in 6... Berlin (Gemarkung Prenzlauer Berg, Flur 6..., Flurstück 8...) von der am 22. März 2000 im Grundbuch eingetragen Voreigentümerin, der Y... in Berlin, durch Auflassung vom 5. Mai 2011 erworben und wurde am 17. November 2011 als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen. Das Grundstück liegt im ehemaligen Sanierungsgebiet „Prenzlauer Berg – Winsstraße“. Das Sanierungsgebiet wurde mit Wirkung vom 4. Dezember 1994 förmlich festgelegt (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 und § 2 Abs. 1 Nr. 4 der Zehnten Verordnung über die förmliche Festlegung von Sanierungsgebieten vom 18. November 1994, GVBI. S. 472) und mit Wirkung vom 28. April 2011 aufgehoben (Art. 1 Nr. 1 Buchstabe a, Nr. 2 und Nr. 3 der Zwölften Verordnung zur Änderung von Verordnungen über die förmliche Festlegung von Sanierungsgebieten vom 12. April 2011, GVBI. S. 170).

Auf der Grundlage einer städtebaulichen Stellungnahme vom 4. Januar 2012 zum Zustand des Sanierungsgebietes und des Grundstücksumfelds vor Beginn und nach Ende der Sanierung und zur Bewertung der sanierungsbedingten Veränderung ermittelte der Fachbereich Vermessung des Stadtentwicklungsamtes des Bezirks Pankow am 12. März 2012 einen sanierungsrechtlichen Ausgleichsbetrag für das Grundstück in Höhe von 46.592,00 Euro.

Zur beabsichtigten Heranziehung hörte der Beklagte mit Schreiben vom 19. März 2012 die Voreigentümerin an. Dazu nahm die Klägerin unter Hinweis auf ihr Eigentum am Grundstück mit anwaltlichem Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 20. April 2012 als Vertreterin der Adressatin des Anhörungsschreibens Stellung und lehnte die Heranziehung aus mehreren Gründen ab.

Am 6. November 2013 schlossen die Voreigentümerin, die Klägerin und der Beklagte eine „Öffentlich-rechtliche Vereinbarung über die Schuldübernahme betreffend die Festsetzung und - teilweise - Stundung der Ausgleichsbeträge für Grundstücke in Berlin-Pankow“. Ziel der Vereinbarung war es u.a., dass der „aktuelle Eigentümer“ in das Rechtsverhältnis betreffend die Festsetzung und Stundung des Ausgleichsbetrages für die genannten Grundstücke zwischen Berlin und dem „ehemaligen Eigentümer“ mit schuldbefreiender Wirkung für den „ehemaligen Eigentümer“ eintrete. Nach § 1 Buchstabe a) der Vereinbarung nahm der Beklagte zur Kenntnis, dass der „aktuelle Eigentümer“ nach dem Grundstückskaufvertrag vom 5. Mai 2011 für alle genannten Grundstücke im Innenverhältnis zum „ehemaligen Eigentümer“ die Verpflichtung zur Zahlung der festgesetzten Ausgleichsbeträge in den Sanierungsgebieten des Bezirks Pankow ohne Rücksicht darauf übernehme, „ob die aktuellen Eigentümer im Zeitpunkt der Aufhebung eines der genannten Sanierungsgebiete bereits Eigentümer waren oder nicht“. Weiter heißt es in § 1 der Vereinbarung:

„b) Berlin und der aktuelle Eigentümer vereinbaren hiermit mit Zustimmung des ehemaligen Eigentümers, dass der aktuelle Eigentümer sämtliche Rechte und Pflichten des ehemaligen Eigentümers hinsichtlich der Rechtsverhältnisse bezüglich Festsetzung und Stundung der Ausgleichsbeträge der … genannten Grundstücke in vollem Umfang übernimmt.

c) Berlin ist berechtigt, die Bescheide über die Festsetzung und Stundung der Ausgleichsbeträge unmittelbar an den aktuellen Eigentümer zuzustellen. Der aktuelle Eigentümer ist als Adressat der Bescheide berechtigt, die Rechtmäßigkeit der Bescheide prüfen zu lassen und gegebenenfalls Rechtsmittel einzulegen.

d) Der ehemalige Eigentümer wird mit Wirksamwerden dieser Vereinbarung von der Pflicht zur Zahlung der Ausgleichsbeträge für die … genannten Grundstücke befreit.“

In § 5 Buchstabe a) der Vereinbarung bevollmächtigten die Voreigentümerin und die Klägerin den Prozessbevollmächtigten der Klägerin zur Entgegennahme aller einschlägigen Willenserklärungen und Zustellungen.

Mit Bescheid vom 4. Februar 2014 zog der Beklagte die Voreigentümerin, die Y..., unter der Anschrift des Prozessbevollmächtigten der Klägerin für das in Rede stehende Grundstück zu einem sanierungsrechtlichen Ausgleichsbetrag in Höhe von 46.592 Euro heran. Mit Bescheid vom 20. März 2014 zog er die Klägerin – ebenfalls unter der Anschrift ihres Prozessbevollmächtigten – für ihr Grundstück zu einem sanierungsrechtlichen Ausgleichsbetrag in Höhe von 46.592 Euro heran. In beiden Bescheiden wies er auf die Fälligkeit eines Teilbetrages in Höhe von 13.499,41 Euro in einem Monat nach Bekanntgabe des Bescheides hin und setzte zugleich die Fälligkeit des Restbetrages in Höhe von 33.092,59 Euro gemäß Nr. 5.3 der AV Ausgleichsbeträge (Ausführungsvorschriften zur Ermittlung der sanierungsbedingten Bodenwerterhöhung und zur Festsetzung von Ausgleichsbeträgen nach §§ 152 bis 155 des Baugesetzbuchs vom 23. September 2008, ABl. 2009 S. 434 – „AV Ausgleichsbeträge“) für geförderte Flächen wegen sog. Förderungsmietenbindungen zins- und tilgungsfrei bis zum 31. August 2023 aus; nach Angaben des Beklagten wurden für das Grundstück öffentliche Fördermittel in Höhe von insgesamt 2.744.817,25 Euro eingesetzt.

Gegen „den Bescheid … vom 20. März 2014“ legte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin „namens und in Vollmacht“ der Klägerin mit Schreiben vom 11. April 2014 Widerspruch ein, den er mit einem weiteren Schreiben vom 28. Mai 2014 näher begründete.

Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 28. August 2019 zurück. Den Widerspruchsbescheid richtete er an die Klägerin unter der Anschrift ihres Prozessbevollmächtigten. Als Gegenstand des Widerspruchsbescheides gaben sowohl die letzte Betreffzeile vor der Anrede als auch der einleitende Satz jeweils den „Widerspruch vom 11.04.2014“ gegen den Bescheid „vom 04.02.2014“ an. In der Begründung zu I. nannte der Widerspruchsbescheid den „Festsetzungsbescheid – X... – vom 04.02.2014“ und führte weiter aus, gegen „den Festsetzungsbescheid“ habe die Klägerin „mit Schreiben vom 11.04.2014 fristgerecht Widerspruch“ eingelegt und in ihrer „Widerspruchsbegründung vom 28.05.2014“ ihre Kritik dargelegt. In der Begründung zu II. erläuterte der Beklagte u.a., Ausgleichsbetragspflichtiger gemäß § 154 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB sei der im Grundbuch zum Zeitpunkt des Abschlusses der Sanierung eingetragene Eigentümer. Zu diesem Zeitpunkt sei die Klägerin „laut Grundbuchblatt 7... von Prenzlauer Berg zwar noch nicht als Eigentümerin im Grundbuch des Grundstücks eingetragen“ gewesen, „gemäß Kaufvertrag vom 05.05.2011 jedoch bereit, finanzielle Verpf[l]ichtungen der Voreigentümerin zu übe[r]nehmen“. Sie sei „somit zutreffend zur Entrichtung des Ausgleichsbetrages für das Grundstück herangezogen worden“. Der Widerspruchsbescheid wurde der Klägerin unter der Anschrift ihres Prozessbevollmächtigten am 2. September 2019 zugestellt.

Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 24. September 2019, der beim Verwaltungsgericht Berlin am 26. September 2019 eingegangen ist, hat die Klägerin Klage erhoben. In der Klageschrift hat sie beantragt,

„den Festsetzungsbescheid des Bezirksamts Pankow von Berlin vom 4. Februar 2014 und 20. März 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides derselben Behörde vom 28. August 2019 aufzuheben bzw.

bei Stattgabe des Antrags zu 1. den Beklagten zu verpflichten, den von der Klägerin bereits geleisteten Teilausgleichsbetrag in Höhe von 13.499,41 Euro nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit dieser Klage an die Klägerin zurückzuzahlen“.

Im letzten Satz der Klageschrift hat die Klägerin ergänzt, dass sie „Kopien der drei genannten Bescheide … zur Kennzeichnung des Streitgegenstandes“ beifüge.

In der mündlichen Verhandlung von insgesamt 14 Klageverfahren vor dem Verwaltungsgericht hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin für das vorliegende Verfahren beantragt,

„den Bescheid des Bezirksamtes Pankow von Berlin vom 4. Februar 2014/ 20. März 2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheides derselben Behörde vom 28. August 2019 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, an die Klägerin den erhobenen sanierungsrechtlichen Ausgleichsbetrag nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zurückzuzahlen“.

Mit Urteil vom 24. November 2022 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Im Tatbestand hat das Urteil den „zunächst an die Rechtsvorgängerin der Klägerin gerichteten Bescheid … vom 4. Februar 2014“ und den „an die Klägerin gerichteten Bescheid vom 20. März 2014“ sowie den „am 28. August 2019“ ergangenen Widerspruchsbescheid angeführt (EA S. 2) und den in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag der Klägerin wiedergegeben (EA S. 4). In der Einleitung der Entscheidungsgründe hat das Urteil im zweiten Satz ausgeführt, der „Bescheid des Bezirksamts Pankow von Berlin vom 25. Februar 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides derselben Behörde vom 5. September 2019“ sei rechtmäßig und verletze die Klägerin nicht in ihren Rechten (EA S. 6).

Gegen das ihr am 22. Dezember 2022 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 20. Januar 2023, der am 23. Januar 2023 (Montag) beim Verwaltungsgericht eingegangen ist, die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt und erklärt, dass sie die im Urteil wiedergegebenen „Anträge der ersten Instanz“ weiterverfolge.

Mit Schriftsatz vom 22. Februar 2023, der am selben Tag beim Oberverwaltungsgericht eingegangen ist, hat sie ihre Berufung näher begründet. Die Ausführungen des Widerspruchsbescheides zur Adressierung des Festsetzungsbescheides an sie beanstandet sie nicht. Zu den Prozesszinsen ab Rechtshängigkeit führt sie aus, sie stünden ihr gemäß § 291, § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB zu, weil keine vorrangige spezialgesetzliche Regelung bestehe und der Anspruch der Höhe nach bezifferbar sei (a.a.O., S. 101).

Einen ausdrücklichen Antrag stellt die Klägerin im Berufungsverfahren nicht, sondern nimmt in der Berufungsschrift Bezug auf die im Urteil wiedergegebenen Anträge, die sie mit der Berufung weiterverfolge.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung verweist er auf seine bisherigen Ausführungen, die er ergänzt, ohne weiter auf die unterschiedliche Adressierung der Bescheide vom 4. Februar 2014 und vom 20. März 2014 oder auf den von der Klägerin geltend gemachten Rückzahlungsanspruch einzugehen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte (zwei Bände) sowie auf die vom Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge (ein Hefter) ergänzend Bezug genommen.

II.

Der Senat entscheidet über die Berufung nach Anhörung der Beteiligten durch Beschluss nach § 130a der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), weil er die Berufung einstimmig für teilweise begründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind hierzu zweimal gehört worden (§ 130a Satz 2 i.V.m. § 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO).

Der Senat geht sinngemäß von dem – nicht ausdrücklich formulierten – Berufungsantrag der Klägerin aus,

den Bescheid des Beklagten vom 4. Februar 2014 sowie den Bescheid des Beklagten 20. März 2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 28. August 2019 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin den von ihr entrichteten Teilbetrag in Höhe von 13.499,41 Euro nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zurückzuzahlen.

Hinsichtlich des Zahlungsbegehrens ist wegen der Unklarheit des vom Verwaltungsgericht protokollierten und im Urteil wiedergegebenen Bezugs auf „den erhobenen sanierungsrechtlichen Ausgleichsbetrag“ klarzustellen, das nicht der insgesamt erhobene Festsetzungsbetrag, sondern nur der einen Monat nach Bekanntgabe des Bescheides fällige Zahlbetrag gemeint ist, den die Klägerin bereits vor Klageerhebung zu entrichten hatte. Insoweit ist der Antrag im Sinne seiner ursprünglichen Formulierung in der Klageschrift vom 24. September 2019 sachgerecht hinsichtlich des relevanten Betrages zu präzisieren.

Die mit dem sinngemäßen Antrag zulässige Berufung der Klägerin hat teilweise Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Klage in Teilen zu Unrecht abgewiesen. Das betrifft den an die Klägerin selbst gerichteten Bescheid des Beklagten vom 20. März 2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 28. August 2019 und das Rückzahlungsbegehren hinsichtlich des von der Klägerin entrichteten Teilbetrages. Diese Anträge sind zulässig und im Wesentlichen begründet (2.). Im Übrigen, d.h. hinsichtlich des an die Voreigentümerin gerichteten Bescheides des Beklagten vom 4. Februar 2014, bleiben Klage und Berufung ohne Erfolg (1.).

1. Soweit sich die Klage gegen den an die Voreigentümerin gerichteten Festsetzungsbescheid vom 4. Februar 2014 richtet, ist sie aus zwei voneinander unabhängigen Gründen unzulässig.

Zum einen fehlt der Klägerin für den nicht an sie, sondern an die Voreigentümerin als Inhaltsadressatin gerichteten Abgabenbescheid die von § 42 Abs. 2 VwGO geforderte Klagebefugnis. Nach dieser Vorschrift muss der Kläger geltend machen, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung in seinen Rechten verletzt zu sein. Die Klägerin kann das insoweit nicht geltend machen, weil nicht sie, sondern eine andere Gesellschaft Inhaltsadressatin jenes Bescheides ist. Allein der Umstand, dass der Bevollmächtigte der Klägerin als Bevollmächtigter der Voreigentümerin auch Empfänger jenes Bescheides war, ändert nichts daran, dass der Bescheid die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzen kann, weil er sich inhaltlich nicht an sie als Abgabeschuldnerin richtet, sondern nur denselben Empfänger für die Bekanntgabe hat wie der spätere und inhaltlich an die Klägerin selbst gerichtete Bescheid vom 20. März 2014 (zur Unterscheidung von Inhaltsadressat, Bekanntgabeadressat und Empfänger vgl. Baer, in Schoch/Schneider, VwVfG, Stand: August 2022, § 41 Rn. 38 m.w.N.).

Am Fehlen der Klagebefugnis ändert auch die öffentlich-rechtliche Vereinbarung vom 6. November 2013 nichts. Der Klägerin erwächst aus ihrer etwaigen Schuldübernahme keine Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO für den an die Voreigentümerin gerichteten Bescheid (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. Juni 2014
– BVerwG 3 B 28.14 – juris Rn. 17 f.; SächsOVG, Beschluss vom 26. November 2013 – 5 A 726/10 – juris Rn. 10 m.w.N.).

Zum anderen fehlt hinsichtlich des Bescheides vom 4. Februar 2014 das von § 68 Abs. 1 Satz 1 VwGO geforderte Vorverfahren. Den einzigen in den Verwaltungsvorgängen dokumentierten Widerspruch mit Schreiben vom 11. April 2014 hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin nur in deren Namen und Vollmacht und ausdrücklich nur gegen den – an sie gerichteten – Bescheid „vom 20. März 2014“ erhoben. Der fehlende Widerspruch gegen den Bescheid vom 4. Februar 2014 an die Voreigentümerin wird auch nicht dadurch ersetzt, dass der Beklagte im Widerspruchsbescheid den angegriffenen Ausgangsbescheid dreimal auf den „04.02.2014“ datiert hat. Die inhaltliche Adressierung des Widerspruchsbescheides nur an die Klägerin und die Bezugnahme des Widerspruchsbescheides auf den anwaltlich nur in ihrem Namen und mit ihrer Vollmacht erhobenen und nur gegen den Bescheid vom 20. März 2014 gerichteten „Widerspruch vom 11.04.2014“ geben hinreichend deutlich zu erkennen, dass der Widerspruchsbescheid nur den an die Klägerin selbst gerichteten Festsetzungsbescheid vom 20. März 2014 erfasst und sich nicht auf den an die Voreigentümerin gerichteten Bescheid vom 4. Februar 2014 erstreckt. Insoweit handelt es sich bei den genannten drei Datumsangaben für den Ausgangsbescheid im Widerspruchsbescheid um offensichtliche Schreibfehler. Daran ändern auch die vom Tatbestand des Urteils (EA S. 2) abweichenden Datumsangaben in der Einleitung der Entscheidungsgründe (EA S. 6) nichts, die – ungeachtet ihres Abweichens von den Datumsangaben auf den hier in Rede stehenden Bescheiden – auch wegen der Abweichung vom Tatbestand des Urteils ebenfalls als offensichtliche Schreibfehler anzusehen sind.

2. Die Klage gegen den an die Klägerin selbst gerichteten Festsetzungsbescheid vom 20. März 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. August 2019 ist zulässig und im tenorierten Umfang begründet.

Bedenken gegen die Zulässigkeit bestehen nicht. Insbesondere ist die Klägerin als Adressatin klagebefugt (§ 42 Abs. 2 VwGO). Auch ist mit Blick auf die Zustellung des Widerspruchsbescheides am 2. September 2019 die beim Verwaltungsgericht Berlin am 26. September 2019 eingegangene Klage innerhalb der Monatsfrist des § 74 Abs. 1 Satz 1 VwGO erhoben worden und zudem die Verbindung der Anfechtungsklage mit der Leistungsklage statthaft (§ 113 Abs. 1 Satz 2, Abs. 4 VwGO).

Die Klage ist im tenorierten Umfang begründet. Der Bescheid vom 20. März 2014 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO (a). Außerdem kann sie die Rückerstattung des bereits geleisteten Teilbetrages verlangen, § 113 Abs. 1 Satz 2, Abs. 4 VwGO, wobei ihr Prozesszinsen ab Rechtshängigkeit allerdings nur in der tenorierten Höhe zustehen (b).

a) Der Bescheid vom 20. März 2014 ist rechtswidrig, weil die Klägerin für den auf ihr Grundstück entfallenden Ausgleichsbetrag nicht abgabepflichtig ist, § 154 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB.

Maßgeblich für die Stellung als Eigentümer ist der Zeitpunkt des Abschlusses der Sanierung. Dieser Begriff ist förmlich zu verstehen und meint die rechtsförmliche Aufhebung der Sanierungssatzung oder die Erklärung, dass die Sanierung für ein Grundstück abgeschlossen ist (BVerwG, Urteil vom 10. September 2015 – 4 C 3.14 – juris Rn. 7 m.w.N.), hier also den 28. April 2011. Zu diesem Zeitpunkt stand das die hier in Rede stehende Grundstück im Eigentum der im Grundbuch eingetragenen Voreigentümerin. Unerheblich ist, dass das Eigentum an dem Grundstück vor Bekanntgabe des sanierungsrechtlichen Ausgleichsbetragsbescheides noch im Jahr 2011 auf die Klägerin als neue Eigentümerin übergegangen ist. Anders als im Erschließungsbeitragsrecht nach § 134 Abs. 1 Satz 1 BauGB kommt es nicht darauf an, wer im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Festsetzungsbescheides Eigentümer des Grundstücks ist. § 154 Abs. 1 Satz 1 BauGB bestimmt vielmehr abschließend, dass die Ausgleichspflicht im Zeitpunkt des Sanierungsabschlusses unabhängig davon entsteht, ob das Grundstück später weiterhin im Eigentum des Ausgleichsbetragspflichtigen steht (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. September 2015, a.a.O., Rn. 8 m.w.N.). Ebenso wie im Erschließungsbeitragsrecht und im Baurecht ist unter „Eigentümer“ im Sinne von § 154 Abs. 1 Satz 1 BauGB aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit nur der materiellrechtliche Eigentümer, d.h. der im Grundbuch eingetragene oder ihm kraft Gesetzes – z.B. infolge Erbschaft, Enteignung oder Zwangsversteigerung – nachfolgende Eigentümer zu verstehen (Kleiber/Fieseler, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand: August 2022, § 154 Rn. 40; Mathony, Von der Sanierungssatzung zum Ausgleichsbetrag, 2. Auflage 2014, S. 459; OVG Berlin-Brandenburg, Urteile vom 18. Juni 2015 – OVG 2 B 4.13 – juris Rn. 22 und – OVG 2 B 8.13 – juris Rn. 21; zum Erschließungsbeitragsrecht vgl. BVerwG, Urteil vom 4. Mai 1979 – BVerwG IV C 25.76 – juris Rn. 45; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 5. Dezember 2014 – OVG 5 N 1.14 – juris Rn. 6, und Beschluss vom 22. Juli 2008 – OVG 10 S 2.08 – juris Rn. 6 und 8).

Auf den „wirtschaftlichen Eigentümer“ kommt es nicht an. Dieser im Abgabenrecht gebräuchliche Begriff bezeichnet gerade nicht den Eigentümer, sondern den vom Regelfall eines dem Eigentümer zuzurechnenden Wirtschaftsgutes (§ 39 Abs. 1 AO) abweichenden Ausnahmefall, in dem ein Wirtschaftsgut einer anderen Person zuzurechnen ist (§ 39 Abs. 2 AO) und es für die Abgabepflicht gerade darauf ankommt. Einen vom privatrechtlichen Eigentumsbegriff abweichenden selbständigen abgabenrechtlichen Eigentumsbegriff gibt es nicht (Drüen, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, Stand: September 2023, § 39 AO Rn. 21). Die Anwendung des Ausnahmefalls nach § 39 Abs. 2 AO setzt eine entsprechende normative Vorgabe zur Bestimmung des Abgabepflichtigen durch die Zurechnung des Wirtschaftsgutes voraus, wie z.B. in § 10 GrStG. Daran fehlt es in § 154 Abs. 1 Satz 1 BauGB. Die Vorschrift bestimmt allein den Eigentümer eines im förmlich festgelegten Sanierungsgebiet gelegenen Grundstücks zum Abgabepflichtigen. Das schließt diejenigen aus, die erst nach Aufhebung der förmlichen Festlegung des Sanierungsgebiets Eigentümer des Grundstücks geworden sind.

Ohne Bedeutung sind daher die Vereinbarungen in einem privatrechtlichen Grundstückskaufvertrag, wie hier in dem – im Übrigen ebenfalls erst nach Aufhebung des Sanierungsgebiets geschlossenen – Vertrag vom 5. Mai 2011, mit dem die Klägerin das Grundstück von der Voreigentümerin erworben hat. Für eine Bestimmung des Abgabepflichtigen nach der wirtschaftlichen Zurechnung des Grundstücks gibt schon der Wortlaut des § 154 Abs. 1 Satz 1 BauGB nichts her. Zudem sprechen Gründe der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit für die formale Betrachtungsweise, nach der nur der materiellrechtliche Eigentümer gemeint sein und es auf eine wirtschaftliche Betrachtungsweise nicht ankommen kann (so zum Erschließungsbeitragsrecht BVerwG, Urteil vom 4. Mai 1979, a.a.O., Rn. 45; OVG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom 5. Dezember 2014, a.a.O., und vom 22. Juli 2008, a.a.O., jeweils Rn. 6 und 8).

Daran ändert auch die öffentlich-rechtliche Vereinbarung vom 6. November 2013 nichts.

Denn die gesetzlichen Vorgaben über den (Inhalts-)Adressaten des Festsetzungsbescheides nach § 154 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 BauGB sind zwingend und stehen nicht zur Disposition der Vertragsparteien. Die Rechtsstellung des gesetzlich Abgabepflichtigen (hier: der Voreigentümerin) im abgabenrechtlichen Festsetzungsverfahren kann wegen des besonderen öffentlich-rechtlichen Charakters des Abgabeschuldverhältnisses nicht auf Dritte übergehen. Sie ist so eng mit der Person des Abgabepflichtigen verbunden, dass ein Übergang der Rechte und Pflichten aus dem Abgabeschuldverhältnis im Wege der Abtretung, Pfändung oder sonstigen (befreienden) Schuldübernahme – anders als z.B. im Privatrecht nach § 414 BGB – ausgeschlossen ist (vgl. SächsOVG, Urteil vom 14. Mai 2013 – 5 A 648/10 – juris Rn. 40 m.w.N. und Beschluss vom 26. November 2013 – 5 A 726/10 –, juris Rn. 10; BFH, Urteil vom 18. August 1998 – VII R 114/97 – juris Rn. 12; Drüen, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, Stand: September 2023, § 48 AO Rn. 7).

Insofern kann die Vereinbarung vom 6. November 2013 ihr Ziel aus der Präambel, „dass der aktuelle Eigentümer in das Rechtsverhältnis betreffend der Festsetzung und Stundung des Ausgleichsbetrages für die … genannten Grundstücke zwischen Berlin und dem ehemaligen Eigentümer mit schuldbefreiender Wirkung für den ehemaligen Eigentümer eintritt“, im Verhältnis zum an das Gesetz gebundenen Beklagten nicht im Sinne eines Austauschs des ihm gesetzlich vorgegebenen Inhaltsadressaten für den Ausgleichsbetragsbescheid erreichen.

Stattdessen kann sie ihm gegenüber allenfalls als vertragliche Schuldmitübernahme im Sinne eines Schuldbeitritts, wie ihn § 48 Abs. 2 AO vorsieht, wirksam sein (zur Umdeutung einer unzulässigen befreienden Schuldübernahme in einen Schuldbeitritt vgl. Drüen, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, a.a.O., § 48 AO Rn. 7).

Allerdings enthält das nach § 155 Abs. 5 BauGB ergänzend anwendbare Gesetz über Gebühren und Beiträge des Landes Berlin im Gegensatz zu den Kommunalabgabengesetzen anderer Länder keine Verweisung auf § 48 Abs. 2 AO. Als „Bestärkung“ des Abgabeanspruchs (vgl. Boeker, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, Stand: August 2023, § 48 AO Rn. 4) dürfte ein solcher Schuldbeitritt aber erlaubt und mit dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung vereinbar sein.

Auf die Zulässigkeit eines solchen Schuldbeitritts der Klägerin kommt es indessen hier nicht an. Denn die Klägerin wird dadurch ggf. nicht zur Ausgleichsabgabepflichtigen, an die der Beklagte einen Festsetzungsbescheid richten könnte. Vielmehr könnte er sie allenfalls gesamtschuldnerisch aus einer (Mit-)Schuld nach der öffentlich-rechtlichen Vereinbarung – und damit nicht durch Bescheid, sondern lediglich im Wege einer Leistungsklage – zur Zahlung bis in Höhe des im Bescheid vom 4. Februar 2014 an die Voreigentümerin festgesetzten Betrages in Anspruch nehmen (vgl. SächsOVG, Urteil vom 14. Mai 2013, a.a.O., Rn. 39).

b) Der Rückzahlungsanspruch ergibt sich aus dem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch, welcher der Klägerin infolge der Aufhebung des Festsetzungsbescheides zusteht. Die Möglichkeit des Beklagten, diesen Betrag ggf. auf der vertraglichen Grundlage der Schuldübernahme der Klägerin zu fordern, bleibt davon unberührt. Der Zinsanspruch für den vor Klageerhebung und damit vor Rechtshängigkeit (§ 90 Abs. 1 Satz 1 VwGO) gezahlten Teilbetrag folgt aus der entsprechenden Anwendung von § 291 i.V.m. § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB auf öffentlich-rechtliche Erstattungsansprüche. Der von der Klägerin begehrte höhere Zinssatz (9 Prozentpunkte) in entsprechender Anwendung von § 288 Abs. 2 BGB kommt bei einem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch – und so auch hier – nicht in Betracht (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. März 2004 – 3 C 23.03 – juris Leitsatz 4 und Rn. 50 m.w.N.). Danach bleibt es bei der Zinshöhe nach § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB, der von der Klägerin selbst angegebenen Vorschrift (Berufungsbegründung, Schriftsatz vom 22. Februar 2023, S. 101).

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10, § 711 ZPO und ist bei der vorliegenden Verbindung von Anfechtungs- und Leistungsklage – ungeachtet der Verurteilung zur Rückzahlung – auf die Kostenentscheidung zu beschränken, um eine Umgehung von § 167 Abs. 2 VwGO zu vermeiden (vgl. Pietzner/Möller, in: Schoch/Schneider, VwGO, Stand: März 2023, § 167 Rn. 134; ausführlich OVG Berlin-Brandenburg, Teilurteil vom 15. Juli 2015 – OVG 6 B 61.15 – juris Rn. 13 m.w.N.).

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.