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Entscheidung 3 K 709/19


Metadaten

Gericht VG Potsdam 3. Kammer Entscheidungsdatum 06.12.2023
Aktenzeichen 3 K 709/19 ECLI ECLI:DE:VGPOTSD:2023:1206.3K709.19.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 48 Abs 1 S 1 VwVfG, § 48 Abs 2 S 3 Nr 3 VwVfG

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen die Rücknahme einer Zuwendung, die sie unter dem 19. Dezember 2016 nach der Richtlinie des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie von Zuschüssen an kleine und mittlere Unternehmen im Land Brandenburg zur Beschäftigung von Innovationsassistentinnen bzw. Innovationsassistenten vom 19. November 2014 (im Folgenden: Förderrichtlinie) beantragte. Gegenstand der Förderung war die Einstellung und Beschäftigung eines Innovationsassistenten im Bereich Technologiemarketing für den Zeitraum vom 1. Februar 2017 bis 31. Januar 2018. In Ziffer 3.1 des Antragsformulars erklärte die Klägerin, dass nicht vor Erlass des Zuwendungsbescheids durch die Beklagte mit der Maßnahme begonnen wird. Darunter fand sich im Antragsformular der folgende Hinweis: „Als Maßnahmenbeginn ist grundsätzlich jeder Abschluss eines Vertrages zu werten.“ In Ziffer 2.7 bestätigte die Klägerin, dass der Innovationsassistent nach seinem Hochschulabschluss in dem Unternehmen noch nicht sozialversicherungspflichtig beschäftigt war und kein anderes Personal im Unternehmen ersetzt bzw. ersetzen wird.

Dem Antrag der Klägerin war ein Entwurf eines mit „Einstellungsvertrag“ überschriebenen Dokuments beigefügt, wonach beabsichtigt war (vgl. Ziffer 1 „Vertragsbeginn/Tätigkeit“), Herrn ... ab dem 1. Februar 2017 als Mitarbeiter für das Technologiemarketing zu beschäftigen. Letzteres ergibt sich auch aus dem der Beklagten am 5. Januar 2017 eingereichten Maßnahmenkonzept der Klägerin (Seite 3) und ihrem Antrag auf vorzeitigen Maßnahmenbeginn vom 30. Januar 2017. Mit Bescheid vom 30. Januar 2017 genehmigte die Beklagte den vorzeitigen Maßnahmenbeginn und führte aus, dass mit der Maßnahme frühestens ab dem 30. Januar 2017 begonnen werden dürfe.

Mit Bescheid vom 21. Februar 2017 bewilligte die Beklagte die beantragte zweckgebundene Zuwendung in Höhe von 15.840 Euro auf der Grundlage der Förderrichtlinie und §§ 23, 44 der Landeshaushaltsordnung des Landes Brandenburg (LHO) mit den dazugehörigen Verwaltungsvorschriften. Unter Nr. 5.1.7 der Nebenbestimmungen des Bescheids wurde die Klägerin verpflichtet, einen neuen zusätzlichen Arbeitsplatz für den geförderten Innovationsassistenten zu schaffen.

Im Rahmen des Mittelabrufs reichte die Klägerin mit E-Mail vom 29. August 2018 ein mit „Einstellungsvertrag“ überschriebenes Dokument, von ihr darin als „unterschriebener Arbeitsvertrag“ bezeichnet, bei der Beklagten ein. Nach Ziffer 1 („Vertragsbeginn/Tätigkeit“) des „Einstellungsvertrags“ sollte Herr ... „ab dem 1. Januar oder spätestens ab 1. April 2017“ als Servicetechniker bei der Beklagten beschäftigt werden; in Ziffer 2 wird auf die hier streitgegenständliche Förderung hingewiesen. Der „Einstellungsvertrag“ wurde von ihrem Geschäftsführer und Herrn ... am 20. Dezember 2016 eigenhändig unterschrieben.

Auf die Anhörung zu einer beabsichtigten Rücknahme wegen vorzeitigen Maßnahmenbeginns teilte die Klägerin mit am 25. September 2018 übersandtem Fax mit, der „Arbeitsvertrag“ vom 20. Dezember 2016 sei als „Vorvertrag“ geschlossen worden, da Herr ... im Dezember 2016 noch in fester Anstellung gewesen sei und diese erst nach Abschluss des „Vorvertrags“ habe kündigen wollen. Da sich kein passender Bewerber für die Stelle des Innovationsassistenten gefunden habe, sei Herrn ... diese Stelle im Februar 2017 angeboten worden. Die Stelle des Servicetechnikers sei durch interne Umstrukturierungen besetzt worden. Formal hätte der Arbeitsvertrag gekündigt und ein neuer schriftlich vereinbart werden können. Dies sei arbeitsrechtlich nicht für notwendig erachtet worden.

Mit Bescheid vom 30. Oktober 2018 nahm die Beklagte den Zuwendungsbescheid vom 21. Februar 2017 vollumfänglich zurück. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, mit der geförderten Maßnahme sei vor Genehmigung des vorzeitigen Maßnahmenbeginns begonnen worden, weil der Arbeitsvertrag bereits am 20. Dezember 2016 geschlossen worden sei. Die Zuwendung sei daher rechtswidrig erfolgt. Auf ein schutzwürdiges Vertrauen könne sich die Klägerin nicht berufen, da die Zuwendung durch unrichtige oder unvollständige Angaben erwirkt worden sei. Die Rücknahme entspreche der Verwaltungspraxis in gleichgelagerten Fällen.

Mit Schreiben vom 8. März 2019 erhob die Klägerin Widerspruch, zu dessen Begründung sie im Wesentlichen ausführte, das Schreiben vom 20. Dezember 2016 sei irrtümlich als Einstellungsvertrag bezeichnet worden. Dieses sei nur ein Anschreiben an Herrn ... und spiegele eine bloße Absichtserklärung wieder, in der die wesentlichen Rahmendaten einer angedachten Zusammenarbeit definiert worden seien. Bei der Bezeichnung „Einstellungsvertrag“ handele es sich um den Betreff des Anschreibens, auch die Anrede sei untypisch für einen Vertrag. Die beabsichtigte Einstellung des Herrn ... habe in keinem Zusammenhang mit der Förderung gestanden, vielmehr sei geplant gewesen, diesen als Servicetechniker einzustellen und zum 1. Februar 2017 einer zweiten Arbeitskraft die Stelle als Innovationsassistent zu übertragen. Mangels eines geeigneten Bewerbers sei dann schließlich Herr ... als Innovationsassistent eingestellt worden, dahingehende Gespräche seien aber erst im Februar 2017 geführt worden. Selbst wenn das Dokument vom 20. Dezember 2016 als Vertrag zu qualifizieren wäre, sehe Ziffer 4.5.1.1 der Förderrichtlinie vor, dass vor Maßnahmenbeginn kein Beschäftigungsverhältnis für die beantragte Förderung geschlossen werden dürfe. Dies schließe den Abschluss eines Beschäftigungsvertrags mit dem Arbeitnehmer in Tätigkeitsbereichen, die nicht von Förderung erfasst seien – wie vorliegend die Stelle des Servicetechnikers – nicht aus. Die – hier nicht erreichte – Grenze sei insoweit nur Ziffer 4.4.2 der Förderrichtlinie, wonach durch die Förderung kein anderes Personal ersetzt werden dürfe. Herr ... habe sich demgegenüber selbst ersetzt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 18. Februar 2019 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Rechtsgrundlage für die Rücknahme des Zuwendungsbescheids sei § 48 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 1 VwVfGBbg. Bei dem Zuwendungsbescheid handele es sich um einen rechtswidrigen begünstigten Verwaltungsakt, der eine Geldleistung gewähre. Die Rechtswidrigkeit folge hier aus einem Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit der Verwaltungspraxis. Nach Ziffer 7.6 der Förderrichtlinie gölten die Verwaltungsvorschriften zu § 44 LHO, die nach Ziffer 1.3 vorsähen, dass nur solche Projekte gefördert würden, mit denen noch nicht begonnen worden sei. Vorhabenbeginn sei nach Ziffer 1.3.2 der Verwaltungsvorschriften zu § 44 LHO grundsätzlich der Abschluss eines Lieferungs- und Leistungsvertrags zu werten. Ziffer 4.5.1.1 der Förderrichtlinie weise ergänzend darauf hin, dass vor Zugang des Zuwendungsbescheids kein Vertrags- oder Beschäftigungsverhältnis mit der Innovationsfachkraft geschlossen werden dürfe. Sie, die Beklagte, lehne Zuwendungsanträge ab, wenn der Antragsteller – wie die Klägerin – bereits zuvor einen Arbeitsvertrag mit den Innovationsassistenten geschlossen habe. Maßgeblich sei hierfür der Abschluss des Vertrags unabhängig davon, zu welchem Zeitpunkt das Arbeitsverhältnis beginnen solle. Ein Arbeitsvertrag könne formfrei geschlossen werden, untypisch sei vorliegend vielmehr, dass das angebliche Anschreiben auch vom Empfänger unterschrieben worden sei. Zudem habe sie, die Klägerin, in drei anderen Förderverfahren gleichlautende Arbeitsverträge eingereicht, dort sei auch keine Rede von bloßen Absichtserklärungen gewesen. Die eingereichten Unterlagen belegten, dass von Anfang an beabsichtigt gewesen sei, Herrn ... als Innovationsassistenten einzustellen: Dies ergebe sich aus dem den Antragsunterlagen als Entwurf beigefügten „Einstellungsvertrag“ (Ziffer 1 „Vertragsbeginn/Tätigkeit“), dem am 5. Januar 2017 eingereichten Maßnahmenkonzept der Klägerin (Seite 3) und ihrem Antrag auf vorzeitigen Maßnahmenbeginn vom 30. Januar 2017, wonach Herr ... ab dem 1. Februar 2017 als Mitarbeiter für das Technologiemarketing beschäftigt werden sollte. Soweit die Klägerin vortrage, der „Vorvertrag“ beziehe sich auf die Tätigkeit als Servicetechniker und stünde in keinem Bezug zu der geförderten Maßnahme, führten nach ihrer ständigen Verwaltungspraxis nicht nur Verträge für die Innovationsassistententätigkeit, sondern (mit Ausnahme von Minijobs) jegliche bestehende Arbeitsverträge zu einem Förderausschluss. Die Klägerin könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen, weil ihr der vorzeitige Maßnahmenbeginn und damit die Rechtswidrigkeit des Zuwendungsbescheides bekannt gewesen seien bzw. eine etwaige Unkenntnis der Klägerin auf grobe Fahrlässigkeit beruhe, denn sie habe unter Ziffer 3.1 des Antrags bestätigt, nicht vor Antragseingang mit der Maßnahme begonnen zu haben. Der Zuwendungsbescheid sei auch durch unrichtige Angaben erwirkt worden, da die Klägerin erklärt habe, noch nicht mit der Maßnahme begonnen zu haben. Seien die Tatbestandsvoraussetzungen von § 48 Abs. 1 und Abs. 2 VwVfG erfüllt, stehe die Rücknahme des Zuwendungsbescheids im Ermessen der Bewilligungsbehörde. Sie mache von ihrem Ermessen in der Weise Gebrauch, dass sie den Zuwendungsbescheid vollständig mit Wirkung für die Vergangenheit zurücknehme. Ihr Ermessen sei gemäß der Ziffer 7.6 der Förderrichtlinie, die die Verwaltungsvorschriften zur Landeshaushaltsordnung auch für den Fall der ggf. erforderlichen Aufhebung des Zuwendungsbescheides für anwendbar erkläre, aufgrund des Gleichheitssatzes gebunden. Ziffer 8.2.2 der Verwaltungsvorschriften zu § 44 LHO bestimme, dass die Bewilligungsbehörde regelmäßig einen Zuwendungsbescheid zurückzunehmen habe, insbesondere, wenn der Zuwendungsempfänger den Bescheid durch Angaben erwirkt habe, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gewesen seien. Es entspreche der Verwaltungspraxis, Zuwendungsbescheide vollständig zurückzunehmen, wenn nachträglich davon Kenntnis erlangt worden sei, dass der Zuwendungsempfänger bereits vor Antragstellung mit der geförderten Maßnahme begonnen habe.

Die Klägerin hat am 19. März 2019 Klage erhoben, zu deren Begründung sie ergänzend vorbringt, die Rücknahme der Zuwendung sei bereits aus formellen Gründen rechtswidrig, weil diese erst nach Ablauf der Jahresfrist des § 48 Abs. 4 VwVfG erfolgt sei, denn sie habe sämtliche Unterlagen, auf die die Rücknahme gestützt werde, bereits im Dezember 2016 eingereicht. Herr ... habe zum Zeitpunkt des Kennenlernens noch in einem anderen Arbeitsverhältnis gestanden und sei nicht bereit gewesen, dieses aufgrund einer bloßen Zusage zu kündigen. Daher habe sie die Absichtserklärung abgegeben. Gegen einen Vertragsschluss spreche bereits, dass als Zeitpunkt für den Arbeitsbeginn der „1. Januar oder 1. April 2017“ angegeben sei; ohne konkretes Datum sei ein Arbeitsvertrag ohnehin unwirksam. Mit Herrn ... sei schließlich ein mündlicher Arbeitsvertrag für die Stelle des Innovationsassistenten geschlossen worden. Jedenfalls genieße sie Vertrauensschutz, da sie die Leistungen verbraucht habe.

Die Klägerin beantragt,

den Rücknahmebescheid der Beklagten vom 30. Oktober 2018 in Gestalt des Widerspruchbescheids vom 18. Februar 2019 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie trägt ergänzend vor, die Rücknahmefrist des § 48 Abs. 4 VwVfG sei nicht abgelaufen, weil der unterschriebene „Einstellungsvertrag“ erst mit E-Mail vom 13. August 2018 eingereicht worden sei, zuvor habe nur ein nicht unterzeichneter Entwurf vorgelegen. Die von Herrn ... gewünschte Absicherung sei durch eine bloße Absichtserklärung gerade nicht gewährleistet; ebenso sei nicht nachvollziehbar, dass schließlich nur ein mündlicher Arbeitsvertrag geschlossen worden sein soll, sodass auch unter diesem Gesichtspunkt von einem Vertragsschluss am 20. Dezember 2016 auszugehen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage hat keinen Erfolg.

Der Rücknahmebescheid vom 30. Oktober 2018 in Gestalt des Widerspruchbescheids vom 18. Februar 2019 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 VwGO.

Rechtsgrundlage für die Rücknahme des Zuwendungsbescheids ist § 48 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 1 VwVfGBbg (auf den landesrechtlichen Zusatz wird im Folgenden verzichtet). Danach kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden, soweit nicht der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsakts vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Diese Voraussetzungen liegen vor.

a) Der Zuwendungsbescheid vom 21. Februar 2017 ist rechtswidrig. Rechtswidrig ist ein Verwaltungsakt, wenn die Behörde bei seinem Erlass gegen Rechtsnormen mit Außenwirkung verstößt. Hier ist die Zuwendung unter Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes des Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. mit der ständigen Verwaltungspraxis der Beklagten bewilligt worden. Grundlage der Förderung war die Förderrichtlinie sowie §§ 23, 44 LHO mit den einschlägigen Verwaltungsvorschriften. Dagegen hat die Beklagte bei Erlass des Zuwendungsbescheids verstoßen.

aa) Die der Klägerin gewährte Zuwendung ist rechtswidrig, weil sie mit der Maßnahme entgegen den Fördergrundsätzen der Beklagten frühzeitig begonnen hatte. Gemäß Ziffer 4.5.1.1 der Förderrichtlinie darf vor Zugang des Zuwendungsbescheids mit der Innovationsfachkraft kein Vertrags- oder Beschäftigungsverhältnis für die beantragte Förderung geschlossen werden. Gemäß Ziffer 7.6 der Förderrichtlinie gelten für die Bewilligung, Auszahlung und Abrechnung der Zuwendung sowie für den Nachweis und die Prüfung der Verwendung und die gegebenenfalls erforderliche Aufhebung des Zuwendungsbescheides und die Rückforderung der gewährten Zuwendung u.a. die Verwaltungsvorschriften zu § 44 LHO, soweit nicht in dieser Richtlinie beziehungsweise im Zuwendungsbescheid Abweichungen zugelassen worden sind. In den Verwaltungsvorschriften zu § 44 LHO ist unter Nr. 1.3 geregelt, dass Zuwendungen nur für solche Vorhaben bewilligt werden, die noch nicht begonnen worden sind. Abweichend hiervon kann nach Nr. 3.1.1 der Verwaltungsvorschriften zu § 44 LHO eine Ausnahme zugelassen werden. Nach Nr. 1.3.2 ist als Vorhabenbeginn grundsätzlich der Abschluss eines der Ausführung zuzurechnenden Lieferungs- oder Leistungsvertrages zu werten. Diese zunächst nur rein verwaltungsintern wirkenden Vorgaben entfalten Außenwirkung über ihre ständige Anwendung durch die Beklagte in ihrer Förderpraxis. Sinn und Zweck des Verbots des vorzeitigen Maßnahmenbeginns ist die Wahrung des im Subventionsrecht geltenden Subsidiaritätsgrundsatzes, wonach aus haushaltsrechtlichen Gründen Zuwendungen grundsätzlich nur für solche Vorhaben bewilligt werden dürfen, die noch nicht begonnen wurden. Wenn ein Zuwendungsempfänger vor Bewilligung der Zuwendung mit einer Maßnahme beginnt, gibt er zu erkennen, dass er auch ohne die Bewilligung willens und in der Lage ist, die Maßnahme aus eigenen Kräften durchzuführen, sodass er einer Förderung nicht bedarf (vgl. Urteile der Kammer vom 11. September 2020 – VG 3 K 4018/17 –, S. 6 EA; vom 26. Februar 2013 – 3 K 1414/10 –, juris Rn. 21 m.w.N.). Zudem hat die Beklagte unwidersprochen vorgetragen, dass sie in Ansehung der obigen Maßgaben in ständiger Verwaltungspraxis Förderanträge bei einem vorzeitigen Maßnahmenbeginn ablehnt, und hierzu jeder Vertragsschluss gehört. Beleg für die ständige Verwaltungspraxis sind die Umstände der Anmeldung, insbesondere der im Antragsformular enthaltene Hinweise in Ziffer 3.1.

Von einem solchen frühzeitigen Maßnahmenbeginn ist hier auszugehen. Die Klägerin hatte mit der geförderten Maßnahme bereits begonnen, bevor ihr die Beklagte die Zuwendung bzw. den vorzeitigen Maßnahmenbeginn bewilligt hatte, indem sie mit Herrn ... den Arbeitsvertrag für dessen Tätigkeit als Innovationsassistent bereits am 20. Dezember 2016 schloss.

(1) Nach Überzeugung der Einzelrichterin handelt es sich bei dem Dokument vom 20. Dezember 2016 um einen Arbeitsvertrag und nicht nur um eine bloße Absichtserklärung, wie von der Klägerin vorgetragen. Dafür spricht zunächst die äußere Gestaltung des Dokuments, das mit „Einstellungsvertrag“ überschrieben ist, eine Aneinanderreihung von Vertragsregelungen sowie am Ende die Unterschrift der Klägerin und insbesondere die des Herrn ... enthält. Es ist für eine einseitige Absichtserklärung absolut unüblich, dass diese auch vom Empfänger unterzeichnet wird. Vielmehr weisen die angebrachten Unterschriften auf einen bindenden Vertragsschluss hin. In inhaltlicher Hinsicht sind solche Regelungen getroffen worden, die typischerweise Bestandteil eines Arbeitsvertrags sind (u.a. Vergütung, Arbeitszeit, Urlaub, Pflichten). Zudem wird das Dokument an mehreren Stellen ausdrücklich als „Vertrag“ bezeichnet. So heißt es etwa einleitend, dass für den Vertrag folgende Regelungen „gelten“ und nicht „gelten werden“. In Ziffer 12 heißt es, dass der Personalbogen Bestandteil „dieses Vertrags“ sei. Darüber hinaus hat die Klägerin auf die Anhörung zur beabsichtigten Rücknahme des Zuwendungsbescheids mit Schreiben vom 28. August 2019 das Dokument mehrfach selbst als „Arbeitsvertrag“ bezeichnet, der als „Vorvertrag“ abgeschlossen worden sei. Erst mit Widerspruchsschreiben änderte die Klägerin ihren Vortrag dahingehend, dass das Dokument eine bloße Absichtserklärung darstellen solle. Zudem hat die Klägerin in drei anderen Förderverfahren gleichlautende Dokumente eingereicht, dort war nach den unwidersprochenen Angaben der Beklagten auch keine Rede von bloßen Absichtserklärungen gewesen. Soweit die Klägerin zu den Hintergründen der „Absichtserklärung“ erläutert, diese sei auf Wunsch des Herrn ... erfolgt, der ohne eine solche Erklärung sein zum damaligen Zeitpunkt noch bestehendes Anstellungsverhältnis nicht habe kündigen wollen, wendet die Beklagte zutreffend ein, dass eine bloße Absichtserklärung ohne Rechtsanspruch auf Beschäftigung die gewünschte Sicherheit gerade nicht gewährleisten kann; ebenso ist nicht nachvollziehbar und zum klägerischen Vorbringen auch widersprüchlich, dass schließlich nur ein mündlicher Arbeitsvertrag mit Herrn ... geschlossen worden sein soll.

(2) Der Annahme eines frühzeitigen Maßnahmenbeginns steht nicht entgegen, dass nach Ziffer 1.3.1 der Verwaltungsvorschriften zu § 44 LHO der Abschluss eines Vertrags nur „grundsätzlich“ als Vorhabenbeginn zu werten ist. Ungeachtet dessen, dass Ziffer 4.5.1.1 der Förderrichtlinie ohne einen solchen Zusatz ausnahmslos regelt, dass vor Zugang des Zuwendungsbescheids kein Beschäftigungsverhältnis für die beantragte Förderung geschlossen werden darf, sind keine Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Ausnahmefalls ersichtlich. Insbesondere war der vorzeitige Abschluss des Arbeitsvertrags mit Herrn ... zur Durchführung des Projekts gerade nicht zwingend erforderlich, was der Vortrag der Klägerin, der Vertrag sei mit diesem erst im Februar 2017 mündlich geschlossen worden, untermauert. Auch der Wunsch des Herrn ..., sich vor Kündigung seines damaligen Arbeitsverhältnisses absichern zu wollen, begründet keinen Ausnahmefall. Vielmehr dürfte ein solches Bedürfnis nach Sicherheit bei einem Arbeitsplatzwechsel die Regel sein.

(3) Etwas Anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass Herr ... nach Ziffer 1 des am 20. Dezember 2016 geschlossenen Arbeitsvertrags als – von der geförderten Maßnahme nicht erfasster – Servicetechniker beschäftigt werden sollte. Die Unterlagen der Klägerin belegen in der Zusammenschau, dass von Anfang an beabsichtigt gewesen ist, Herrn ... als Innovationsassistenten einzustellen: So heißt es in dem Entwurf des Einstellungsvertrags, der dem Förderantrag der Klägerin beigefügt war (vgl. Ziffer 1 „Vertragsbeginn/Tätigkeit“), ihrem am 5. Januar 2017 eingereichten Maßnahmenkonzept (Seite 3) und ihrem Antrag auf vorzeitigen Maßnahmenbeginn vom 30. Januar 2017, dass Herr ... als Mitarbeiter für das Technologiemarketing beschäftigt werden soll. Ferner heißt es in dem Arbeitsvertrag vom 20. Dezember 2016 in Ziffer 2, dass das Arbeitsverhältnis im Rahmen des Innovationsassistentenprogramms gefördert wird. Dieser Hinweis ergibt nur Sinn, wenn auch tatsächlich eine Einstellung des Herrn ... als Innovationsassistent erfolgen sollte.

bb) Ungeachtet dessen wäre der Zuwendungsbescheid auch dann rechtswidrig, wenn Herr ... tatsächlich zunächst als Servicetechniker eingestellt wurde. Denn nach der Verwaltungspraxis der Beklagten wird nur eine Zuwendung gewährt, wenn hierdurch ein neuer Arbeitsplatz geschaffen wird. Ziffer 4.4.1 der Förderrichtlinie regelt, dass förderfähig die Beschäftigung von neu einzustellenden Personen als Innovationsassistenten in einem Unternehmen ist (Satz 1). Diese Personen dürfen nach ihrem Abschluss noch nicht in dem antragstellenden Unternehmen sozialversicherungspflichtig beschäftigt gewesen sein (Satz 2). Nach Ziffer 4.4.2 der Förderrichtlinie darf durch die Förderung kein anderes Personal ersetzt werden (Satz 1). Das heißt, es muss ein neuer, zusätzlicher Arbeitsplatz geschaffen werden (Satz 2). Ausgehend davon, dass Herr ... zum 1. Februar 2017 zunächst als Servicetechniker eingestellt worden ist und sich die Klägerin mit diesem erst im Februar 2017 dahin geeinigt hat, ihn als Innovationsassistenten zu beschäftigen, liegt ein Verstoß gegen die vorgenannte Förderpraxis der Beklagten vor. Denn in diesem Fall wurde kein neuer, zusätzlicher Arbeitsplatz geschaffen, weil der bereits in dem Unternehmen der Klägerin als Servicetechniker beschäftigte Herr ... auf die Stelle als Innovationsassistenten versetzt und die Stelle des Servicetechnikers durch interne Umstrukturierungen im Unternehmen besetzt worden ist.

Soweit die Klägerin einwendet, es läge deshalb kein Verstoß gegen Ziffer 4.4.2 der Förderrichtlinie vor, weil Herr ... kein anderes Personal, sondern allenfalls sich selbst ersetzt habe, greift der Einwand nicht. Denn die Förderrichtlinie ist keiner Auslegung zugänglich. Maßgeblich ist ausschließlich die Förderpraxis der Beklagten, die für Inhalt und Umfang der Bindung an den Gleichheitsgrundsatz entscheidend ist. Die Beklagte hat ausgeführt, dass nur solche Vorhaben gefördert werden, in denen ein zusätzlicher Arbeitsplatz geschaffen wird. Hinreichend belegt wird diese Verwaltungspraxis neben Ziffer 4.4.2 Satz 2 auch durch Ziffer 4.4.1 der Förderrichtlinie, der ausdrücklich klarstellt, dass nur die Beschäftigung neu eingestellter Personen, die nach ihrem Hochschulabschluss noch nicht in dem Unternehmen sozialversicherungspflichtig beschäftigt gewesen waren, förderfähig ist.

b) Da der Zuwendungsbescheid vom 21. Februar 2017 rechtswidrig war, durfte ihn die Beklagte nach § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG zurücknehmen. Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes stehen einer Rücknahme nicht entgegen. Die Klägerin kann sich nach der Regelung des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 VwVfG nicht auf ein schutzwürdiges Vertrauen berufen. Danach kann sich der Begünstigte nicht auf Vertrauen berufen, wenn er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder in Folge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Zumindest ist hier von grob fahrlässiger Unkenntnis der Klägerin über die Rechtswidrigkeit der Zuwendung auszugehen. Aufgrund der von ihr abgegebenen Erklärung unter Ziffer 3.1 des Antragsformulars und des dortigen Hinweises der Beklagten hätte ihr auch in einer Parallelwertung in der (juristischen) Laiensphäre bekannt sein müssen, dass sie erst nach Erlass des Zuwendungsbescheids einen Vertrag schließen darf, ohne dass ein förderschädlicher vorzeitiger Maßnahmenbeginn vorliegt. Vor dem Hintergrund dieses Hinweises hätte es sich der Klägerin aufdringen müssen, dass der Abschluss des Arbeitsvertrags mit Herrn ... am 20. Dezember 2016 als förderschädlicher vorzeitiger Maßnahmenbeginn anzusehen ist. Ebenso hätte ihr angesichts ihrer getätigten Angaben in Ziffer 2.7 des Antragformulars klar sein müssen, dass nur ein neuer, zusätzlicher Arbeitsplatz förderfähig ist.

c) Die Rücknahme des Zuwendungsbescheids erweist sich als ermessensfehlerfrei, § 114 Satz 1 VwGO. Nach § 48 Abs. 2 Satz 4 VwVfG wird der Verwaltungsakt in den Fällen des § 48 Abs. 2 Satz 3 VwVfG in der Regel für die Vergangenheit zurückgenommen. Die Beklagte hat sich zu Recht auf ihre allgemeine Verwaltungspraxis und die Notwendigkeit der einheitlichen Praxis berufen. Für einen vom Regelfall des § 48 Abs. 2 Satz 4 VwVfG abweichenden Ausnahmefall hat die Klägerin nichts Durchgreifendes vorgetragen. Soweit sie geltend macht, die vollständige Rücknahme der Zuwendung sei unverhältnismäßig, weil eine Auflage, noch nachträglich einen zusätzlichen Arbeitsplatz zu schaffen, ausreiche, widerspräche dies den übrigen Regelungen des Zuwendungsbescheids, wonach der Arbeitsplatz ab dem 1. Februar 2017 zu schaffen war.

d) Die Rücknahme des Zuwendungsbescheids ist innerhalb der Jahresfrist des § 48 Abs. 4 VwVfG erfolgt. Diese Frist wird als Entscheidungsfrist erst in Gang gesetzt, wenn der Behörde die für die Rücknahmeentscheidung erheblichen Tatsachen vollständig bekannt sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Januar 2019 – 10 C 5.17 –, juris Rn. 32). Die Klägerin hat den Arbeitsvertrag vom 20. Dezember 2016 nach den unwidersprochenen Angaben der Beklagten erst mit E-Mail vom 13. August 2018 vorgelegt. Die Rücknahme erfolgte sodann mit Bescheid vom 30. Oktober 2018, mithin innerhalb von zweieinhalb Monaten.

e) Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

BESCHLUSS

Der Streitwert wird auf 15.840 Euro festgesetzt.

Gründe:

Der Streitwert entspricht dem streitbefangenen Geldbetrag, § 52 Abs. 3 GKG.