Gericht | OLG Brandenburg 6. Zivilsenat | Entscheidungsdatum | 09.01.2024 | |
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Aktenzeichen | 6 W 105/23 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2024:0109.6W105.23.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Die weitere Beschwerde der Landeskasse Brandenburg wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.
I.
Die Landeskasse Brandenburg wendet sich gegen den Kostenansatz der Obergerichtsvollzieherin vom 03.03.2021 zu Az.: DR II 129/21, in dem diese für einen Versuch der gütlichen Einigung vor Vollstreckung eines Haftbefehls eine Gebühr nach § 9 GvKostG i.V.m. Anlage 1 Nr. 208 KV GvKostG (in der bis zum 31.10.2021 geltenden Fassung, im Folgenden: a.F.) in Höhe von 8,00 € eingestellt hat. Die Landeskasse hat die Auffassung vertreten, die veranschlagte Gebühr dürfe nicht erhoben werden, weil die Obergerichtsvollzieherin bereits zuvor im Zusammenhang mit dem Versuch, eine Vermögensauskunft einzuholen, eine Gebühr nach derselben Nummer des Kostenverzeichnisses angesetzt habe und der Antrag zur Vollziehung des Haftbefehles innerhalb von drei Monaten eingegangen sei.
Die Landeskasse hat unter dem 19.11.2022 gegen den Kostenansatz die Erinnerung eingelegt, die das Amtsgericht Bernau bei Berlin mit Beschluss vom 30.03.2023 (Az.: 30 M 458/22) unter Zulassung der Beschwerde zurückgewiesen hat. Das von der Landeskasse eingelegte Rechtsmittel hat das Landgericht Frankfurt (Oder) mit Beschluss vom 16.05.2023 (Az.: 19 T 94/23) zurückgewiesen. Mit ihrer hiergegen gerichteten, vom Landgericht zugelassenen weiteren Beschwerde verfolgt die Landeskasse ihre Rechtsauffassung weiter.
II.
Die gemäß § 5 Abs. 2 Satz 2 GvKostG i.V.m. § 66 Abs. 4 Satz 1 GKG zulässige weitere Beschwerde, über die der Senat in der Besetzung nach § 122 Abs. 1 GVG zu entscheiden hat, § 66 Abs. 6 Satz 1 GKG, hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht hat das Landgericht die Beschwerde der Landeskasse gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 30.03.2023 zurückgewiesen. Dieser Beschluss, mit dem die Erinnerung der Landeskasse gegen den Kostenansatz der Obergerichtsvollzieherin zurückgewiesen worden ist, ist nicht zu beanstanden, denn die Kostenrechnung vom 03.03.2021 berücksichtigt berechtigt eine Gebühr in Höhe von 8,00 € gemäß § 9 GvKostG i.V.m. Nr. 208 KV GvKostG a.F.
Der Tatbestand der Nr. 208 KV GvKostG a.F. ist erfüllt: Nach Nr. 207 KV GvKostG a.F. erhält der Gerichtsvollzieher für den Versuch einer gütlichen Erledigung (§ 802b ZPO) eine Gebühr von 16,00 €, die sich nach Nr. 208 KV GvKostG a.F. auf 8,00 € ermäßigt, wenn der Gerichtsvollzieher gleichzeitig mit einer auf eine Maßnahme nach § 802a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 oder 4 ZPO gerichteten Amtshandlung beauftragt war. Diese Voraussetzungen waren gegeben. Die Obergerichtsvollzieherin hatte den Schuldner vor der Vollstreckung des durch das Amtsgericht erlassenen Haftbefehls angeschrieben und ihm die Möglichkeit gegeben, zur Vermeidung der Vollstreckung des Haftbefehls die Forderung im Rahmen einer gütlichen Erledigung durch freiwillige Zahlung zu begleichen. Zuvor war die Obergerichtsvollzieherin mit der Abnahme der Vermögensauskunft (§ 802a Abs. 2 Nr. 2, § 802c ZPO) beauftragt worden.
Der Berücksichtigung der Gebühr für den Versuch einer gütlichen Einigung nach Nr. 208 KV GvKostG a.F. im Kostenansatz der Obergerichtsvollzieherin steht § 10 Abs. 1 Satz 1 GvKostG nicht entgegen. Danach wird bei Durchführung desselben Auftrags eine Gebühr nach derselben Nummer des Kostenverzeichnisses nur einmal erhoben. Die Obergerichtsvollzieherin hat entgegen der Ansicht der Landeskasse vorliegend nicht die Durchführung desselben Auftrags unternommen, vielmehr liegen mit ihrer Beauftragung zur Abnahme der Vermögensauskunft einerseits und zur Vollstreckung des Haftbefehls andererseits - kostenrechtlich - mehrere Aufträge vor. Dies ergibt sich aus der Regelung in § 3 Abs. 1 Satz 4 GvKostG, wonach unbeschadet des Grundsatzes in Abs. 1 Satz 1, dass ein Auftrag alle Amtshandlungen erfasst, die zu seiner Durchführung erforderlich sind, die Vollziehung eines Haftbefehls jedenfalls einen besonderen Auftrag darstellt (vgl. LG Kassel, Beschluss vom 08.12.2017 - 3 T 433/17, juris). Dass die Anträge auf Vermögensauskunft und auf Vollstreckung eines Haftbefehls im Gegensatz zu der kostenrechtlichen Regelung verfahrensrechtlich als ein einheitlicher Auftrag zu qualifizieren sind, weil der Haftbefehl nur subsidiär der Verwirklichung des Auskunftsanspruches des Gläubigers durch Abnahme der Vermögensauskunft dient und jeder Haftauftrag einen Antrag auf Abnahme der Vermögensauskunft impliziert, führt nicht zu einer abweichenden Entscheidung (a.A.: LG Osnabrück, Beschluss vom 16.02.2021 - 9 T 18/21, DGVZ 2021, 94; BeckOK, KostR/Herrfurth, 43. Ed. 01.10.2023 § 3 Rn. 35; KV 208 Rn. 17). Denn der Gesetzgeber hat mit § 3 Abs. 1 Satz 4 GvKostG bewusst eine von der verfahrensrechtlichen Dogmatik abweichende Kostenregelung gewählt, mit der Folge, dass für den Bereich des Kostenrechts und damit auch für die nach § 10 Abs. 1 Satz 1 GvKostG zu bestimmende Frage, ob für mehrere Amtshandlungen auch mehrere - ggf. gleiche - Gebühren entstehen und Auslagen mehrfach abgerechnet werden können, die Regelung in § 3 Abs. 1 Satz 4 GvKostG maßgeblich ist (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 20.01.2022 - I-17 W 136/21, juris Rn. 11; LG Lüneburg, Beschluss vom 17.08.2021 - 5 T 28/21 juris). Dass sich der Wirkungsbereich des § 3 Abs. 1 Satz 4 GvKostG auf Auslagen oder diejenigen Gebühren beschränken soll, die gerade wegen der Verhaftung des Schuldners anfallen (so BeckOK, KostR/Herrfurth a.a.O.), lässt sich der Vorschrift nicht entnehmen und ergibt sich auch aus der Systematik der Gebührentatbestände im 2. Abschnitt des Kostenverzeichnisses zum GvKostG nicht. Ebenso wenig bietet der Wortlaut der Norm oder die Systematik des Gesetzes, das sich ausschließlich mit Regelungen zu den von Gerichtsvollziehern zu erhebenden Kosten befasst, Anlass für ein verfahrensbezogenes Verständnis des Begriffes „Auftrag“ im Zusammenhang des § 3 Abs. 1 Satz 4 GvKostG (vgl. OLG Köln, a.a.O. Rn. 11).
Eine andere Sichtweise rechtfertigt sich auch nicht aus der Überlegung, die Verhaftung gehöre nicht zu den Regelbefugnissen des Gerichtsvollziehers nach § 802a ZPO, deshalb könne aus dem Haftauftrag selbst keine Beauftragung zur gütlichen Erledigung fingiert werden (so: BeckOK, KostR/Herrfurth a.a.O.). Denn nach § 802b ZPO soll der Gerichtsvollzieher in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Einigung bedacht sein, unabhängig davon, ob der Gläubiger den Gerichtsvollzieher ausdrücklich isoliert oder für den Fall der Erfolglosigkeit gemeinsam mit weiteren Vollstreckungsmaßnahmen mit dem Versuch einer gütlichen Einigung beauftragt oder eine entsprechende Beauftragung ganz unterlassen hat (§ 802a Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Auf den Zusammenhang mit einer konkreten, gesetzlich normierten Vollstreckungshandlung im Sinne des § 802a Abs. 2 ZPO stellt § 802b ZPO dabei nicht ab (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 20.01.2022 – I-17 W 136/21, juris; AG Gernsbach, Beschluss vom 05.03.2015 - 1 M 19/15, juris; AG Darmstadt, Beschluss vom 23.10.2019 – 63 M 34427/19, juris).
Entgegen der Ansicht der Landesjustizkasse ergibt sich ein abweichendes Ergebnis auch nicht aus der Begründung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz zur „Beschlussempfehlung zum Entwurf des Gesetzes zur Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 655/2014 sowie zur Änderung sonstiger zivilprozessualer Vorschriften (EuKoPfVODG)“. Dort heißt es (BT-Drs. 18/9698, S. 25): „Nach geltendem Recht fällt eine Gebühr für den Versuch einer gütlichen Erledigung der Sache nur an, wenn der Gerichtsvollzieher nicht gleichzeitig mit einer Maßnahme nach § 802a Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 oder Nummer 4 ZPO beauftragt ist. Diese Regelung lässt unberücksichtigt, dass der Versuch einer gütlichen Erledigung der Sache zum Teil mit einem erheblichen Arbeitsaufwand des Gerichtsvollziehers verbunden ist, und zwar grundsätzlich unabhängig davon, ob der Gerichtsvollzieher ausschließlich mit dem Versuch einer gütlichen Erledigung beauftragt wurde oder ob der Auftrag gleichzeitig noch auf die Einholung einer Vermögensauskunft oder die Vornahme einer Pfändung gerichtet ist. Der Versuch einer gütlichen Erledigung soll daher stets eine Gebühr auslösen.“ Soweit daraus abgeleitet wird, aus der Differenzierung zwischen isoliertem Auftrag zum Versuch einer gütlichen Einigung (Nr. 207 KV GvKostG a.F.) und Auftrag zu Vermögensauskunft/Pfändung, bei dem der Gerichtsvollzieher auch ohne Auftrag eine Einigung herbeizuführen versuchen müsse (Nr. 208 KV GvKostG a.F.) folge, dass in allen anderen Fällen, wie z.B. bei der Verhaftung, nach Nr. 207, 208 KV GvKostG a.F. keine Gebühren entstünden, verkennt dies, dass auch die Vorgängerfassung des Nr. 207 KV GvKostG a.F. nicht davon ausging, dass die Gebühr für den Versuch einer gütlichen Erledigung nur im Falle einer isolierten Beauftragung entstand. Vielmehr sollte die Gebühr nur dann wieder wegfallen bzw. nicht zur Entstehung gelangen, wenn gleichzeitig eine Maßnahme nach § 802a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 4 ZPO beauftragt worden war. Diese Rechtslage wollte der Gesetzgeber durch die Neufassung dahin verändern, dass der Gerichtsvollzieher fortan auch dann eine Gebühr für den Versuch einer gütlichen Einigung erhalten soll, wenn er gleichzeitig mit einer Maßnahme nach § 802a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 oder 4 ZPO beauftragt worden ist. Aus der Gesetzesbegründung geht ausdrücklich hervor, dass der Versuch einer gütlichen Erledigung stets eine Gebühr auslösen soll (OLG Celle, Beschluss vom 13.07.2020 - 4 W 37/20, juris Rn. 3; LG Kassel, Beschluss vom 08.11.20117 – 3 T 433/17, juris). Sie lässt deshalb gerade nicht den Rückschluss zu, dass im Fall des Versuchs einer gütlichen Einigung im Zusammenhang mit der Vollziehung eines Haftbefehls eine Gebühr nach Nr. 208 KV GvKostG nicht in Ansatz gebracht werden darf.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 66 Abs. 8 GKG, § 5 Abs. 1 Satz 2 GvKostG.