Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 10. Senat | Entscheidungsdatum | 14.12.2023 | |
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Aktenzeichen | OVG 10 B 19.19 | ECLI | ECLI:DE:OVGBEBB:2023:1214.OVG10B19.19.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 172 Abs 1 S 1 Nr 2 BauGB, § 172 Abs 4 S 1 BauGB, § 172 Abs 4 S 2 BauGB, § 172 Abs 4 S 3 BauGB, § 71 Abs 1 S 1 BauO BE, § 16 Abs 2 S 1 GebBtrG BE, § 2 Abs 2 WoBauG BE |
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 31. Oktober 2019 geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 v.H. des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Die Klägerin begehrt die Erteilung einer Baugenehmigung für ein Vorhaben auf dem 763 m2 großen Grundstück P... in Berlin – Prenzlauer Berg (Flurstück , Flur der Gemarkung U...).
Das Grundstück ist im Baublock X.../ R.../ P.../ R... belegen, der die Freifläche des O... umgibt, und wurde im Jahr 6... straßenanliegend mit einem siebengeschossigen Wohngebäude mit einem zusätzlichen Staffelgeschoss bebaut. Die weiteren straßenanliegenden Gebäude entlang der P... weisen eine geschlossene Bauweise auf, wobei sich an viele (mit Ausnahme des klägerischen) im straßenabgewandten Grundstücksbereich (Hinterhof) zu der westlich bzw. nordwestlich gelegenen Freifläche des Friedhofs ein oder zwei grenzständig errichtete Seitenflügel anschließen.
Ferner liegt das klägerische Grundstück im Geltungsbereich der „Verordnung zur Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Baugesetzbuches für das Gebiet ‚Kollwitzplatz‘ im Bezirk Pankow von Berlin, Ortsteil Prenzlauer Berg“ vom 27. Mai 2014.
Bereits unter dem 27. November 2013, eingegangen beim Beklagten am 17. Dezember 2013, beantragte die Klägerin die Erteilung einer Baugenehmigung für den Anbau eines Seitenflügels an das Vorderhaus P... . Dieser Seitenflügel soll grenzständig entlang der gesamten nordöstlichen Grundstücksgrenze zum Grundstück P... errichtet werden. Ferner soll er sieben Voll- und ein Staffelgeschoss aufweisen, rein wohngenutzt und teilweise unterkellert sein. Im Zuge der Errichtung sollen die an den Seitenflügel angrenzenden Räume bis zum Dachgeschoss des Bestandsgebäudes in den Seitenflügel hinein erweitert werden. Dies umfasst im Erdgeschoss eine Erweiterung der gewerblich genutzten Einheit (Laden) um ein Lager von 8,2 m2. Im 1. und 2. Obergeschoss sollen die beiden derzeit ca. 44,5 m2 großen bestehenden Wohnungen nach den Angaben der Klägerin jeweils um ca. 13 m2 Wohnfläche (Erweiterung des Raums um 11,5 m2 Wohnfläche unter Wegfall der bisherigen Loggia sowie Anbau eines Balkons von 3 m2) und die ca. 57 m2 großen Wohnungen im 3. bis zum 6. Obergeschoss sowie im Dachgeschoss (insgesamt fünf) ebenfalls um jeweils ca. 13 m2 Wohnfläche (Erweiterung des Raums um 12 m2 Wohnfläche sowie Errichtung eines Anbaus an den vorhandenen Balkon von 2 m2) erweitert werden.
Als Reaktion auf die ablehnende Stellungnahme des Stadtentwicklungsamtes, Fachbereich Stadterneuerung, des Beklagten vom 16. Dezember 2014, die auch Gegenstand einer Anhörung zur Ablehnung des begehrten Bauantrags war, fand ein Schriftwechsel zwischen der Klägerin und dem Beklagten statt. Im Verlauf dessen erklärte die Klägerin unter dem 17. Dezember 2014, auf den Umbau der Bestandswohnungen zu verzichten und reichte im Folgenden entsprechende geänderte Bauunterlagen ein. Daraufhin sah das Stadtentwicklungsamt, Fachbereich Stadtplanung, des Beklagten unter dem 11. Februar 2015 das klägerische Vorhaben als bauplanungsrechtlich unzulässig an. Infolgedessen erklärte die Klägerin, alle seit dem 17. Dezember 2014 erfolgten Änderungen zurückzuziehen und den Bauantrag mit Stand der Unterlagen vom 12. November 2014 aufrecht zu erhalten.
Mit Bescheid vom 27. Mai 2015 lehnte der Beklagte die Erteilung der begehrten Baugenehmigung ab. Zur Begründung führte er an, das Einvernehmen gemäß § 173 Abs. 1 i.V.m. § 172 Abs. 4 des Baugesetzbuches werde nicht hergestellt, da die geplanten Grundrissänderungen nicht genehmigungsfähig seien.
Den hiergegen erhobenen Widerspruch der Klägerin wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18. Dezember 2015 zurück. Er führte aus, Ziel einer Verordnung nach § 172 Abs. 1 Nr. 2 des Baugesetzbuches sei es, das bestehende Mischungsverhältnis bestimmter Bevölkerungsgruppen bzw. -schichten zu erhalten. Für das Gebiet „P...“ sei der Erhalt des bestehenden Wohnungsangebots mit den aktuell erreichten durchschnittlichen Ausstattungsstandards und der Erhalt der Übereinstimmung von sozialer Infrastruktur, Wohnungsangebot und Zusammensetzung der Gebietsbevölkerung formuliert worden. Die mit Bekanntmachung vom 20. Dezember 2012 veröffentlichten Antragsprüfkriterien für die Beurteilung von Anträgen auf Rückbau, Änderung oder Nutzungsänderung baulicher Anlagen in den Erhaltungsgebieten des Bezirks Pankow dienten in Umsetzung dieser Ziele dazu, die Zielstellung des Erhaltungsrechts zu präzisieren. Hiernach sei die begehrte Grundrissveränderung nicht genehmigungsfähig. Eine konkret ausgelöste Verdrängung sei nicht erforderlich, ausreichend sei, dass eine Vielzahl solcher Maßnahmen hierzu führen könnten. Mithin reiche eine abstrakte Eignung zur Begründung einer Verdrängungsgefahr aus. Ferner gehe von einer Genehmigungserteilung eine präjudizierende Wirkung aus und ein Ausnahmetatbestand liege auch nicht vor.
Hiergegen hat die Klägerin am 20. Januar 2016 Klage beim Verwaltungsgericht Berlin erhoben. Während des sich hieran anschließenden verwaltungsgerichtlichen Verfahrens hat der Beklagte mit Bescheid vom 27. Juni 2016 den Widerspruchsbescheid hinsichtlich der in Ansatz zu bringenden Widerspruchsgebühr geändert und eine solche auf 943,67 EUR festgesetzt. Die Klägerin hat erklärt, diesen Bescheid in ihre Klage miteinzubeziehen.
Das Verwaltungsgericht Berlin hat der Klage mit Urteil vom 31. Oktober 2019 stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Grundrissänderungen des Bestandsgebäudes seien nach § 172 Abs. 1 Nr. 2 des Baugesetzbuches genehmigungsbedürftig. Die Wirksamkeit der Erhaltungsverordnung sei nicht zu beanstanden. Ferner fehle dem Vorhaben auch aufgrund der begehrten Veränderung der bestehenden Ein- und Zweizimmerwohnungen nicht die erforderliche erhaltungsrechtliche Relevanz. Auch liege der Genehmigungstatbestand des § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 des Baugesetzbuches nicht vor. Die Klägerin könne sich aber auf die Einschränkung nach § 172 Abs. 4 Satz 1 des Baugesetzbuches berufen. Die durch den Anbau des Seitenflügels bautechnisch bedingte Veränderung des Grundrisses der Bestandswohnungen sei generell nicht geeignet, die Gefahr einer Verdrängung der vorhandenen Wohnbevölkerung hervorzurufen. Die Behauptung des Beklagten, von den Baumaßnahmen ginge eine abstrakte Verdrängungsgefahr aus, sei nicht mit Erfahrungswerten substantiiert worden. Bei verständiger Würdigung seien die Baumaßnahmen nicht geeignet, sich potentiell negativ auf die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung auszuwirken. Selbst nach der Erweiterung der Wohnungen um 10 m2 bzw. 12 m2 handele es sich weiterhin um Wohnungen, die typischerweise für Alleinstehende oder kleinere Familien mit durchschnittlichem oder unterdurchschnittlichem Einkommen besonders wichtig seien. Zukünftige Mieterhöhungen seien mit Blick auf die Schutzrichtung des § 172 des Baugesetzbuches nicht relevant. Auch würden die Grundrissänderungen nicht dem Schutzzweck des Erhaltungsrechts unterfallen, sondern seien allein bautechnisch bedingt, um einen sinnvollen Anbau des Seitenflügels zu ermöglichen. Sie dienten weder dem Zweck, den Zuzug von Haushalten mit deutlich überdurchschnittlichem Einkommen zu befördern, noch dem Zweck der Veräußerung von Wohnraum zur Bildung von Wohneinheiten. Von dem Vorhaben gehe auch keine Vorbildwirkung aus. Diese erschöpfe sich darin, dass Grundrissveränderungen von Bestandswohnungen bei einem Neubau von Wohnungen möglich seien, wenn sie aus bautechnischen Gründen sinnvoll wären. Auch erscheine die Vorbildwirkung einer nicht bezweckten aber anlässlich eines Bauvorhabens notwendigen Grundrissveränderung fraglich. Die seitens des Beklagten herangezogenen Antragsprüfkriterien seien als norminterpretierende Verwaltungsvorschriften für das Gericht nicht bindend, würden dem Ergebnis aber auch nicht widersprechen, da sie nur festlegen würden, dass Grundrissänderungen grundsätzlich nicht genehmigungsfähig seien, eine Anwendung in Ausnahmefällen aber zuließen. Auch das Entstehen weiterer acht mittelgroßer bis großer Zweizimmerwohnungen (55 m2 bis 90 m2) im Seitenflügel stehe dem nicht entgegen, da § 172 des Baugesetzbuches nicht den Neubau baulicher Anlagen erfasse.
Der Beklagte hat die seitens des Verwaltungsgerichts zugelassene Berufung am 29. November 2019 eingelegt. Mit seiner am 4. März 2020 beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg eingegangenen Berufungsbegründung trägt er vor, aufgrund der Vergrößerung des Grundrisses der Bestandswohnungen im 1. und 2. Obergeschoss sowie der Wohnungen im 3. bis 6. Obergeschoss habe die Maßnahme im Unterschied zu einer reinen Neuerrichtung erhaltungsrechtliche Relevanz. Dementsprechend könnten an das Vorhaben keine anderen Anforderungen als an andere grundrissändernde bzw. wohnungsvergrößernde Maßnahmen gestellt werden. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sei allein entscheidend, ob das Vorhaben generell geeignet sei, eine Entwicklung in Gang zu setzen, die tendenziell eine Veränderung der Wohnbevölkerung nach sich ziehen könne. Das klägerische Vorhaben sei kein Ausnahmefall und habe eine erhebliche Vorbildwirkung zur Folge. Allein im Erhaltungsgebiet „Kollwitzplatz“ seien mindestens 25 gleichartige Flächen vorhanden, die den An- bzw. Neubau von weiteren Gebäudeflügeln zuließen. Dies betreffe etwa die Grundstücke R... bis , P... , M... bis , M... , U... bis und P... bis . In einigen dieser Fälle sei von Anfang an lediglich ein Vorderhaus errichtet worden, so dass bei einem Anbau eine Grundrissänderung der Bestandswohnungen erforderlich werden würde. Würde die Genehmigung bzw. das Einvernehmen in diesen Fällen erteilt werden müssen, hätte es eine signifikante Änderung der Wohnungsgrößen und Wohnungsstrukturen und somit eine Veränderung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung zur Folge. Erhaltungsrechtlich komme es nicht darauf an, ob die Änderung der Wohnungsgröße und -grundrisse bautechnisch sinnvoll, das primäre Ziel oder eine unerwünschte Nebenfolge der Baumaßnahmen sei. Denn auch dann könnten sie sich negativ auf die Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung auswirken. Daher gehe das Verwaltungsgericht fehl in der Annahme, die Maßnahmen unterfielen nicht dem Schutzzweck des Erhaltungsrechts. Entscheidend seien allein die Folgen. Dies sei eine Veränderung der Wohnungsgrößenstruktur einschließlich des Mietniveaus im gesamten Erhaltungsgebiet. Zu berücksichtigen sei, dass dem Wohnungsmarkt die kleineren Ein- und Zweizimmerwohnungen entzogen und durch größere Wohnungen ersetzt werden würden, was einen Eingriff in die Struktur darstelle. Dieser Unterschied sei erhaltungsrechtlich erheblich. Es könne nicht die Rede davon sein, dass diese Wohnungen Personen mit durchschnittlichem oder unterdurchschnittlichem Einkommen zur Verfügung stünden. Für eine alleinstehende Person mache eine Differenz von 10 m2 bzw. 15 m2 Wohnfläche in Anbetracht der um rund 100 EUR bis 150 EUR erhöhten Nettokaltmiete einen Unterschied aus und könne dazu führen, dass sie die Wohnung nicht anmieten oder das Mietverhältnis nicht fortsetzten könnte. Die städtebauliche Relevanz nicht nur geringfügiger Mieterhöhungen und der durch sie ausgelösten Gefahren für die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung sei offensichtlich. Ferner lägen auch die Voraussetzungen des § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 des Baugesetzbuches nicht vor, denn die Größe und Ausstattung der Bestandswohnungen sei nicht unzeitgemäß. Zudem sei auch kein atypischer Einzelfall anzunehmen. Ein solcher scheide bei der hier begehrten Vergrößerung von sieben Bestandswohnungen aus und sei etwa mit der geringfügigen Änderung nur einer einzelnen Wohnung nicht vergleichbar. Derartige Grundrissänderungen würden in Anwendung der normkonkretisierenden Antragsprüfkriterien von der Genehmigungserteilung ausgenommen.
Der Beklagte und Berufungskläger beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 31. Oktober 2019 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die Entscheidung des Verwaltungsgerichts und führt aus, der Beklagte gehe fehl in der Annahme, das soziale Erhaltungsrecht schütze den vorhandenen baulichen Bestand, denn das Schutzobjekt sei allein die Bevölkerungsstruktur. Es komme darauf an, ob die konkret geplante Maßnahme dazu geeignet sei, die Struktur der Gesamtbevölkerung städtebaulich nachteilig zu verändern. § 172 Abs. 4 Satz 1 des Baugesetzbuches erfasse nur Veränderungen, die zu städtebaulich unerwünschten Folgen führten. Dies sei nicht der Fall. Hinsichtlich der besorgten Vorbildwirkung sei zu berücksichtigen, dass die seitens des Beklagten benannten Beispielfälle belegen würden, dass die Schaffung von dringend benötigtem Wohnraum in einer Innenstadtlage möglich sei, was einen positiven Befund darstelle. Für die Frage, ob eine Vorbildwirkung erwünscht oder unerwünscht sei, komme es entgegen der Ansicht des Beklagten darauf an, welchem Ziel die Maßnahme diene und für welche Intention sie als Vorbild tauge. Daher mache es einen Unterschied, ob die Grundrissänderung beabsichtigt sei oder nur als notwendiges Übel in Kauf genommen werden müsse. Erhaltungsrechtlich liege keine signifikante Veränderung der Wohnungsgrößen, sondern eine moderate Erhöhung ohne Änderung der Wohnungsstruktur vor. Hinsichtlich der besorgten Mieterhöhung übergehe der Beklagte den Umstand, dass sie, die Klägerin, mit den betroffenen Mietern eine Vereinbarung dahingehend geschlossen habe, dass die Vergrößerung der Wohnfläche nicht zu einer Erhöhung der Gesamtmiete führe. Komme es auf die Verhältnisse der konkreten Mieter an, müsse dies berücksichtigt werden. Wenn nicht, hätten die Wohnungen weiterhin übliche moderate Wohnungsgrößen. Ferner verringere sich der Quadratmeterpreis bei zunehmender Wohnungsgröße tendenziell, so dass nicht ersichtlich sei, dass die Wohnungen für die ansässige Bevölkerung nicht mehr bezahlbar seien. Es sei davon auszugehen, dass zu der geschützten Bevölkerungsstruktur auch solche Bewohner zählen würden, die Wohnungen dieser Größe wollen würden und bezahlen könnten. Hinsichtlich des Schutzzwecks des sozialen Erhaltungsrechts seien die Ausführungen des Beklagten nicht plausibel. Die Verdrängungsgefahr hänge auch maßgeblich vom Wohnungsangebot insgesamt ab, so dass Wohnungsneubauten auch der geschützten Wohnbevölkerung zugutekommen würden. In Bezug auf das dem Beklagten zustehende Versagungsermessen und die Atypik des Falles sei festzustellen, dass es nicht auf die atypische Situation einer einzelnen Wohnung innerhalb des Hauses, sondern nur auf die situationsbedingte Atypik ankomme. Dies liege vor, da die Veränderung der Wohnungsgrundrisse notwendig sei, um den Bau eines Seitenflügels überhaupt zu ermöglichen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten (1 Ordner) sowie den beigezogenen Ergebnisbericht über die Weiterentwicklung der Erhaltungsgebietskulisse gemäß § 172 Abs. 1 Nr. 2 des Baugesetzbuches im Bezirk Pankow, Ortsteil Prenzlauer Berg (Stand Oktober 2013) und den beigezogenen Ergebnisbericht über die Nacherhebung zur Überprüfung des Anwendungserfordernisses sechs bestehender Sozialer Erhaltungsverordnungen gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Baugesetzbuches in Berlin-Pankow (Stand April 2020) Bezug genommen, deren Inhalt zum Gegenstand des Verfahrens gemacht worden ist.
A. Die zulässige Berufung des Beklagten ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben.
Die Ablehnung der beantragten Baugenehmigung mit Bescheid vom 27. Mai 2015 und Widerspruchsbescheid vom 18. Dezember 2015 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 5 VwGO. Sie hat weder einen Anspruch auf die Erteilung der begehrten Baugenehmigung nach § 71 Abs. 1 Satz 1 BauO Bln (hierzu unter I.) noch auf die Verpflichtung des Beklagten zu einer Neubescheidung ihres Antrags unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts (hierzu unter II.). Zudem erweist sich die im Widerspruchsbescheid vom 18. Dezember 2015 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 27. Juni 2016 festgesetzte Widerspruchsgebühr als rechtmäßig und verletzt die Klägerin daher ebenfalls nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO (hierzu unter III.).
I. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung nach § 71 Abs. 1 Satz 1 BauO Bln. Ihrem Bauvorhaben, das dem Anwendungsbereich einer sozialen Erhaltungsverordnung unterfällt (hierzu unter 1.), stehen öffentlich-rechtliche Vorschriften in Gestalt des Versagungsgrunds des § 172 Abs. 4 Satz 1 BauGB entgegen, da dieser nicht aufgrund eines besonderen Genehmigungstatbestands nach § 172 Abs. 4 Satz 2 oder 3 BauGB ausgeschlossen (hierzu unter 2.) und ihr Vorhaben i.S.d. § 172 Abs. 4 Satz 1 BauGB geeignet ist, die Gefahr der Verdrängung der vorhandenen Bevölkerung hervorzurufen, und eine solche Verdrängung aus besonderen städtebaulichen Gründen nachteilige Folgen haben würde (hierzu unter 3.).
1. Die beantragten baulichen Maßnahmen am Bestandsgebäude (Vorderhaus) in Form einer Vergrößerung der Bestandswohnungen durch die Hinzunahme von Flächen des Neubaus (Seitenflügel), den Wegfall der Loggien und den Anbau von Balkonen und Eckbalkonen unterfallen dem Anwendungsbereich einer sozialen Erhaltungsverordnung.
a. Das Grundstück liegt im Geltungsbereich der Verordnung zur Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Baugesetzbuches für das Gebiet „Kollwitzplatz“ im Bezirk Pankow von Berlin, Ortsteil Prenzlauer Berg vom 27. Mai 2014 (GVBl. vom 1. Juli 2014, Nr. 16, S. 209 - Erhaltungsverordnung „Kollwitzplatz“), einer sozialen Erhaltungssatzung (auch „Milieuschutzsatzung“ genannt), die im Land Berlin gemäß § 246 Abs. 2 Satz 1 BauGB in Verbindung mit § 30 Satz 1 AGBauGB (in der zum Zeitpunkt des Erlasses der Rechtsverordnung gültigen Fassung des Gesetzes vom 3. November 2005, GVBl. vom 15. November 2005, Nr. 39, S. 692) als Rechtsverordnung erlassen wird. Anhaltspunkte für deren Unwirksamkeit sind nicht ersichtlich und wurden auch nicht geltend gemacht.
Insbesondere hat der Beklagte bei Aufstellung der Erhaltungsverordnung „Kollwitzplatz“ die zu schützende Wohnbevölkerung bestimmt und besondere städtebauliche Gründe für deren Erhaltung formuliert. Ausweislich der an die Bezirksversammlungsverordnung gerichteten Beschlussvorlage über die Erhaltungsverordnung „Kollwitzplatz“ (Drs. VII-0663, abrufbar unter https://www.berlin.de/ba-pankow/politik-und-verwaltung/bezirksverordnetenversammlung/online/vo040.asp, zuletzt abgerufen am 13. Dezember 2023), die auf den Ergebnisbericht über die Weiterentwicklung der Erhaltungsgebietskulisse gemäß § 172 Abs. 1 Nr. 2 des Baugesetzbuches im Bezirk Pankow, Ortsteil Prenzlauer Berg mit Stand Oktober 2013 (Beiakte - nachfolgend: Ergebnisbericht 2013) Bezug nimmt, legt er zugrunde, dass eine Veränderung der gebietsansässigen Bevölkerungsstruktur hin zu einer demographischen Verjüngung und einem hohen Anteil an wirtschaftlich leistungsfähigen Haushalten sowie einer Aufwertung des Wohnungsbestands eingetreten sei. Zum Zeitpunkt 2013 habe dennoch eine Ausgewogenheit zwischen den Wohnverhältnissen, der Wohnungsstruktur, der Bevölkerungsstruktur, der sozialen Infrastruktur, der Versorgung mit Grün- und Freiflächen, der Freizeitmöglichkeiten und der verkehrlichen Bedingungen bestanden, welche durch weitere bauliche Aufwertungs- und Veränderungsmaßnahmen bedroht wäre, da bestimmte gebietsansässige Bevölkerungsgruppen verdrängungsgefährdet seien (vgl. Drs. VII-0663, S. 5 ff.). Insbesondere eine Verdrängung der im Gebiet vorhandenen Haushalte unter der Armutsgrenze, von Bewohnern, die Transferleistungen bezögen, und von Haushalten mit mittlerem Einkommen und hoher Mietbelastung, würde dazu führen, dass an anderer Stelle im Stadtgebiet zusätzlicher preisgünstiger Wohnraum geschaffen werden müsste. Für die Kinder und Jugendlichen in diesen Bevölkerungsgruppen müsste darüber hinaus eine entsprechende öffentlich bereitgestellte Infrastruktur entstehen (vgl. Drs. VII-0663, S. 7; Ergebnisbericht 2013, S. 98). Bei einer Verdrängung von Haushalten mit Kindern würden ferner die im Rahmen des Sanierungszeitraums geschaffenen Infrastruktureinrichtungen nicht ausgelastet seien. Insgesamt sei die Erhaltung der heterogenen Bevölkerungszusammensetzung Grundlage einer stabilen sozialen Gebietsentwicklung (vgl. Ergebnisbericht 2013, S. 87, 99).
Es kann offen bleiben, ob nicht nur bei Satzungserlass, sondern auch zum Zeitpunkt der Einzelfallentscheidung besondere städtebauliche Gründe für die Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung sprechen müssen (vgl. Hessischer VGH, Beschluss vom 25. Oktober 2022 - 3 A 247/21.Z -, juris Rn. 9 unter Bezugnahme auf Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, Werkstand: 150. EL Mai 2023, BauGB § 172 Rn. 175). Denn auch Letzteres ist vorliegend gegeben. Ausweislich des Ergebnisberichts über die Nacherhebung zur Überprüfung des Anwendungserfordernisses sechs bestehender Sozialer Erhaltungsverordnungen gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Baugesetzbuches in Berlin Pankow mit Stand April 2020 (Beiakte – nachfolgend: Ergebnisbericht 2020) besteht weiterhin ein ausgewogenes Verhältnis zwischen den lokalen sozialen Infrastrukturangeboten und der ansässigen Bevölkerung. Der Ergebnisbericht 2020 führt aus, dass der Zuzug einkommensstarker Familien zu einer Erhöhung der Nachfrage der derzeit stark ausgelasteten Infrastruktureinrichtungen führen und eine Anpassung der sozialen Infrastruktur erfordern würde. Eine Verdrängung bestimmter Bevölkerungsgruppen hätte ferner den Verlust preiswerten Wohnraums zur Folge, dem zur Vermeidung und Minderung öffentlicher Investitionen in Ersatzwohnraum entgegenzuwirken sei. Ferner würde dies zu einer Verstärkung von Segregationsprozessen und in der Folge zu einer besonderen sozialen Belastung einzelner anderer städtischer Wohnquartiere führen, die wiederum Folgekosten und insbesondere öffentliche Investitionen erfordern würden (S. 19, 49, 64).
b. Die klägerseits mit Blick auf das Bestandsgebäude geplanten baulichen Maßnahmen stellen Änderung einer baulichen Anlage i.S.v. § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB i.V.m. § 2 Satz 1 der Erhaltungsverordnung „Kollwitzplatz“ dar. Mit der Vergrößerung der Bestandswohnungen durch Hinzunahme von Flächen des Neubaus (Seitenflügel), dem damit verbundenen Eingriff in die Außenwände des Gebäudes und dem Anbau von Eckbalkonen wird in die bauliche Substanz des vorhandenen Wohngebäudes eingegriffen. Im vorliegenden Fall sind mit Blick auf das zur Genehmigung gestellte gesamte Bauvorhaben lediglich die aufgeführten baulichen Maßnahmen an dem Bestandsgebäude erhaltungsrechtlich relevant, nicht hingegen die Errichtung des Seitenflügels einschließlich der hiermit bewirkten Schaffung neuen Wohnraums, da § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB i.V.m. § 2 Satz 1 der Erhaltungsverordnung „Kollwitzplatz“ allein den Rückbau, die Änderung und die Nutzungsänderung baulicher Anlagen erfasst, nicht hingegen den Neubau.
c. Die an dem Bestandsgebäude vorgesehenen baulichen Maßnahmen sind auch erhaltungsrechtlich relevant.
Nicht den erhaltungsrechtlichen Anforderungen nach § 172 Abs. 1, Abs. 4 BauGB unterfallen lediglich solche Maßnahmen, die von vornherein nicht geeignet sind, die Ziele der Erhaltungssatzung zu berühren, die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung aus besonderen städtebaulichen Gründen zu erhalten (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Juni 1997 - 4 C 2.97 -, juris Rn. 17; Beschluss vom 17. Dezember 2004 - 4 B 85,04 -, juris Rn. 3; OVG Berlin, Urteil vom 10. Juni 2004 - 2 B 3.02 -, juris Rn. 34 f.; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13. März 2014 - OVG 2 B 7.12 -, juris Rn. 21). Dieses schließt allenfalls solche Vorhaben aus, denen eine erhaltungsrechtliche Relevanz offensichtlich fehlt (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 15. März 2019 - OVG 2 S 59.18 -, juris Rn. 5).
Dies ist hier nicht der Fall. Die mit der Erweiterung der sieben Bestandswohnungen sowie der Erweiterung der Balkone in den Wohnungen ab dem 3. Obergeschoss einhergehende Vergrößerung der Wohnfläche um jeweils ca. 13 m2 ist jedenfalls prinzipiell mit Blick auf die hiervon ausgehende Vorbildwirkung mietpreisrelevant (siehe hierzu näher unter I.3.b.aa.). Es ist somit nicht von vornherein ausgeschlossen, dass damit eine Gefahr der Verdrängung der ansässigen Wohnbevölkerung einhergehen kann.
2. Das zur Genehmigung gestellte Vorhaben unterfällt nicht einem besonderen Genehmigungstatbestand nach § 172 Abs. 4 Satz 2 oder 3 BauGB.
a. Die Voraussetzungen des § 172 Abs. 4 Satz 2 BauGB i.V.m. § 2 Satz 3 der Erhaltungsverordnung „Kollwitzplatz“, wonach die Genehmigung zu erteilen ist, wenn auch unter Berücksichtigung des Allgemeinwohls die – unveränderte – Erhaltung der baulichen Anlage wirtschaftlich nicht mehr zumutbar ist, liegen nicht vor.
Für den Eigentümer ist unter Berücksichtigung seines Grundrechts aus Art. 14 Abs. 1 GG eine wirtschaftliche Belastung dann unzumutbar, wenn die Kosten der Erhaltung und Bewirtschaftung nicht durch Erträge oder den Gebrauchswert des Gebäudes aufgewogen werden können. Wirtschaftliche Unzumutbarkeit liegt hingegen nicht bereits dann vor, wenn der Eigentümer an einer einträglicheren Nutzung seines Grundstücks gehindert wird (vgl. Hamburgisches OVG, Urteil vom 12. Dezember 2007 - 2 Bf 10/02 -, juris Rn. 49).
Dies zugrunde gelegt ist nicht ersichtlich, dass die Kosten der Erhaltung und Bewirtschaftung des Bestandsgebäudes die aus der Vermietung der dortigen Wohnungen fließenden Einnahmen übersteigen würden und lediglich durch eine Grundrisserweiterung eines Teils der Bestandswohnungen oder durch den Anbau des Seitenflügels die wirtschaftliche Rentabilität wiederhergestellt werden könnte. Es existieren keine Anhaltspunkte dafür, dass die derzeit vorhandenen Wohnungen nicht oder nur unter wirtschaftlich unzumutbaren Bedingungen vermietbar wären. Vielmehr streitet alles dafür, dass der durch die Grundrissänderung bewirkte und begehrte Anbau eines Seitenflügels entsprechend der aktuellen Planung allein einer profitableren Ausnutzbarkeit des Grundstücks dient.
b. Auch liegen die Voraussetzungen des § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 ff. BauGB i.V.m. § 2 Satz 4 f. der Erhaltungsverordnung „Kollwitzplatz“ nicht vor.
Dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 2 bis 6 BauGB gegeben wären, ist nicht ersichtlich. Entgegen der erstinstanzlich vorgetragenen Auffassung der Klägerin dient ihr Vorhaben auch nicht der Herstellung des zeitgemäßen Ausstattungszustands einer durchschnittlichen Wohnung unter Berücksichtigung der bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen i.S.d. § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 BauGB. Dieser Tatbestand dient dazu, in der Sache zu vermeiden, dass in Gebieten mit sozialen Erhaltungsverordnungen ein bauordnungsrechtlicher „Substandard“ festgeschrieben wird. Die zum maßgeblichen (aktuellen) Zeitpunkt geltenden bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen umschreiben insoweit einen Standard, für den die Genehmigung nach § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 BauGB grundsätzlich zu erteilen ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Dezember 2004, a.a.O. Rn. 10). Vorliegend ist – wie das Verwaltungsgericht bereits zutreffend ausgeführt hat – nicht ersichtlich, dass allein durch die Vergrößerung der Wohnfläche um 13 m2 der zeitgemäße Ausstattungszustand der betroffenen und mit Bad, Küche und Balkonen bzw. Loggien ausgestatteten Wohnungen hergestellt wird.
3. Dem klägerischen Vorhaben steht ferner der Versagungsgrund des § 172 Abs. 4 Satz 1 BauGB entgegen, da die beabsichtigen baulichen Maßnahmen geeignet sind, die Gefahr der Verdrängung der vorhandenen Bevölkerung hervorzurufen und eine solche Verdrängung aus besonderen städtebaulichen Gründen nachteilige Folgen haben würde.
a. Im Umkehrschluss ist der Formulierung des § 172 Abs. 4 Satz 1 BauGB zu entnehmen, dass die nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB erforderliche erhaltungsrechtliche Genehmigung versagt werden darf, wenn die bauliche Maßnahme geeignet ist, die Gefahr der Verdrängung der vorhandenen Bevölkerung hervorzurufen und wenn eine solche Verdrängung aus den besonderen städtebaulichen Gründen nachteilige Folgen haben würde (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Juni 1997, a.a.O. Rn. 18). Liegt diese Eignung vor, so steht das begehrte Bauvorhaben auch im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften i.S.d. § 71 Abs. 1 Satz 1 BauO Bln. Es kommt nicht entscheidend darauf an, ob durch das konkrete Vorhaben die davon betroffene Wohnbevölkerung verdrängt wird. Vielmehr reicht es aus, wenn die Baumaßnahme generell geeignet ist, eine solche Verdrängungsgefahr auszulösen. Da eine einzelne Baumaßnahme innerhalb eines größeren Satzungsgebiets kaum jemals zu einer städtebaulich ins Gewicht fallenden Änderung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung führen wird, darf eine solche Maßnahme auch nicht isoliert gesehen werden. Entscheidend ist, ob die einzelne Maßnahme aufgrund ihrer Vorbildwirkung geeignet ist, eine Entwicklung in Gang zu setzen, die tendenziell die Veränderung der Zusammensetzung der vorhandenen Wohnbevölkerung nach sich zieht. Die Frage, ob eine einzelne genehmigungspflichtige Baumaßnahme zu einer solchen allgemeinen Verdrängungsgefahr führt, ist in den meisten Fällen nur aufgrund einer Prognose der künftigen Entwicklung zu beantworten (vgl. grundlegend BVerwG, Urteil vom 18. Juni 1997, a.a.O. Rn. 18 f.).
b. Nach diesen Maßstäben sind die verfahrensgegenständlichen baulichen Maßnahmen aufgrund der von ihnen ausgehenden Vorbildwirkung geeignet, die Gefahr der Verdrängung der im Gebiet vorhandenen Bevölkerung hervorzurufen.
aa. Entgegen den Ausführungen der Klägerin ist die Vergrößerung von Bestandswohnungen in Gestalt einer Erhöhung der Grundfläche (sowohl durch die Schaffung zusätzlichen Wohnraums im Innenbereich als auch durch die Erweiterungen von Balkonen) mietpreislich relevant und kann somit auch dazu führen, tendenziell die Veränderung der Zusammensetzung der vorhandenen Wohnbevölkerung nach sich zu ziehen (vgl. bereits OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 26. Mai 2020 - OVG 10 N 47/20 -, n.v. EA S. 6 f. im Fall des Anbaus eines weiteren Balkons). Es liegt auf der Hand, dass die Wohnungsgröße ein maßgeblicher Faktor für die Bestimmung der zu entrichtenden Miete ist. Das folgt unter anderem auch aus dem Umstand, dass Mieterhöhungen nach § 558 BGB bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete sich in Berlin an dem als einfachen Mietspiegel gemäß § 558c Abs. 1 BGB zu qualifizierendem Berliner Mietspiegel berechnen. Grundlage dieser Berechnung ist die monatliche Netto-Kaltmiete je Quadratmeter, so dass die Wohnungsgröße ein maßgeblicher Faktor und eine Erhöhung derselbigen prinzipiell mietzinsrelevant ist. Im vorliegenden Fall ist eine Erweiterung der zwei Wohnungen im 1. und 2. Obergeschoss von ca. 44,5 m2 auf ca. 57,5 m2 und der fünf Wohnungen ab dem 3. Obergeschoss von ca. 57 m2 auf ca. 70 m2 beabsichtigt. Die damit einhergehende Erhöhung der Grundfläche um ca. 29 % (im Fall der Wohnungen im 1. und 2. Obergeschoss) und um ca. 23 % (im Fall der anderen Wohnungen) verdeutlicht, dass es sich in Relation zum Bestand nicht um eine unwesentliche Vergrößerung handelt. Bezogen auf die potenzielle Mieterhöhung folgt unter Zugrundelegung des Berliner Mietspiegels 2023 (https://www.stadtentwicklung.berlin.de/wohnen/mietspiegel/, zuletzt abgerufen am 13. Dezember 2023) näherungsweise Folgendes: Ausgehend von der Fertigstellung des Gebäudes im Jahr 6... und unter Außerachtlassung wohnwertmindernder oder -erhöhender Merkmale liegt die vergleichbare ortsübliche Nettokaltmiete derzeit bei 10,39 EUR/m2 (Wohnfläche 40 m² bis unter 60 m²) und bei 9,69 EUR/m2 (Wohnfläche 60 m² bis unter 90 m²). Dies bedeutet, dass allein die Wohnraumerweiterung um 13 m2 zu einer um ca. 126 bis 135 EUR erhöhten Nettokaltmiete führen kann. Ferner ist zu berücksichtigen, dass es sich bei den Bestandswohnungen allesamt um Wohnungen handelt, die derzeit 44,5 m2 bis 57 m2 groß sind, so dass sich eine Mieterhöhung um 126 bis 135 EUR in Relation zu der derzeit auf Basis der Wohnungsgrößen errechenbaren Nettokaltmiete nicht nur geringfügig auswirkt.
bb. Die nicht nur unerhebliche Veränderung der Wohnungsgröße ist auch geeignet, aufgrund der von ihr ausgehenden negativen Vorbildwirkung eine Verdrängungsgefahr mit Blick auf die von der Erhaltungsverordnung als schutzwürdig angesehene ansässige Bevölkerung zu begründen. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts unterfallen die baulichen Maßnahmen dem Schutzzweck des Erhaltungsrechts und insbesondere der Erhaltungsverordnung „Kollwitzplatz“, auch unter Berücksichtigung des Ergebnisberichts 2020.
Die baulichen Maßnahmen betreffen eine nicht nur geringfügige und mietpreisrelevante Grundrissvergrößerungen von Wohnungen mit einer Größe von 44,5 m2 bis 57 m2, mithin von Ein- bis Zweizimmerwohnungen, die eine besondere Relevanz für die verdrängungsgefährdete Wohnbevölkerung entfalten und weisen insbesondere hinsichtlich Wohnungen dieser Größe eine Vorbildwirkung auf. Von den in dem betroffenen Gebiet vorhandenen Wohneinheiten entfielen bei Aufstellung der Verordnung 44% auf Ein- bis Zweizimmerwohnungen (Drs. VII-0663, S. 6; Ergebnisbericht 2013, S. 25). Dieser Wert hat sich bis 2020 auf 42,4 % verringert (Ergebnisbericht 2020, S. 50). Für 22,7 % dieser Ein- bis Zweizimmerwohnungen bestanden öffentlich-rechtlich vereinbarte Miet- und Belegungsbindungen (Drs. VII-0663, a.a.O. Ergebnisbericht 2013, S. 81, 102). Diese Wohnungen sind für die von der Erhaltungsverordnung „Kollwitzplatz“ als schutzwürdig erachteten Teile der Wohnbevölkerung von besonderer Bedeutung. Dies betrifft aufgrund der Wohnungsgröße die in dem Gebiet vorhandenen Haushalte mit unterdurchschnittlichem Einkommen. Nach den Feststellungen des Ergebnisberichts 2013 lebten in den geförderten Wohnungsbeständen überproportional viele armutsgefährdete Haushalte, insbesondere Alleinerziehende mit Kindern und junge Singles, die aufgrund kostenträchtiger Veränderungen besonders verdrängungsbedroht sind und kaum Möglichkeiten haben, durch Umschichten bei den Ausgaben steigende Mieten aufzufangen (Drs. VII-0663, S. 6 f.; Ergebnisbericht 2013, S. 91, 95, 102). Verdrängungsgefährdet sind ebenfalls Arbeitslose und Personen mit Transferbezug (Ergebnisbericht 2013, S. 88). Im Rahmen des Ergebnisberichts 2020 wurde festgestellt, dass zwar der Anteil der armutsgefährdeten Haushalte von 11,1 % auf 9 % und der Bezieher von Transferleistungen von 6,5 % auf 5% gesunken ist, aber weiterhin einen nennenswerten Anteil darstellt (S. 60 f.). Verdrängungsgefährdet sind ferner diejenigen Haushalte mit niedrigem bis mittlerem Einkommen, welche ebenfalls in Ein- bis Zweizimmerwohnungen leben, wobei es sich vor allem um Alleinerziehende und kleinere Familien handelt. Derartige Haushalte sind aufgrund des hohen Mietniveaus in dem Gebiet durch Verteuerungen von Wohnraum betroffen, da der finanzielle Spielraum zum Abfangen von Mietsteigerungen knapp ist (vgl. Ergebnisbericht 2013 S. 89 f., 102; Ergebnisbericht 2020, S. 61), was wiederum insbesondere die beleg- und mietpreisgebundenen Wohnungen betrifft (Ergebnisbericht 2013, S. 95,).
Ferner ist zu berücksichtigen, dass eine Vergrößerung der Wohnfläche neben den mietzinsbezogenen Auswirkungen auch andere Folgen für die als schutzwürdig angesehenen Personengruppen haben kann. Nach Anlage 1 Nr. 2 der Ausführungsvorschriften zur Gewährung von Leistungen gemäß § 22 SGB II und §§ 35 und 36 SGB XII (AV-Wohnen) für Berlin in der Fassung vom 13. Dezember 2022 (ABl. für Berlin vom 23. Dezember 2022, Nr. 53, S. 3732) und des Rundschreibens vom 4. September 2023 (Soz Nr. 3/2023) sowie § 2 Abs. 2 des Gesetzes über den Sozialen Wohnungsbau in Berlin vom 1. Juli 2011 (GVBl. vom 9. Juli 2011, Nr. 17, S. 319, zuletzt geändert durch das Gesetz vom 19. September 2023, GVBl. vom 30. September 2023, Nr. 27, S. 326 - Wohnraumgesetz Berlin - WoG Bln) beträgt die angemessene Wohnungsgröße, die Relevanz für die dem entsprechenden Personenkreis zu gewährenden Leistungen entfaltet, für eine Person 50 m2 und für zwei Personen 65 m2. Dementsprechend kann sich die Vergrößerung einer zuvor unterhalb der benannten Schwelle befindlichen Wohnfläche dahingehend auswirken, dass eine solche Wohnung dem Personenkreis nicht mehr oder nur erschwert zur Verfügung steht, da es sich nach den rechtlichen Vorgaben nicht mehr um einen angemessenen Wohnraum handelt. So liegt es hier: Die Vergrößerung der Wohnungen im 1. und 2. Obergeschoss von ca. 44,5 m2 auf ca. 57,5 m2 und der fünf Wohnungen ab dem 3. Obergeschoss von ca. 57 m2 auf ca. 70 m2 führt dazu, dass solche Wohnungen für einen Ein- respektive Zweipersonenhaushalt nicht mehr als angemessen anzusehen sein könnten.
Zudem ist über die Vorbildwirkung hinsichtlich der noch im Gebiet vorhandenen Ein- bis Zweizimmerwohnungen hinaus eine nicht nur unerhebliche und mietpreisrelevante Grundrissvergrößerung auch mit Blick auf weitere – nicht zwangsläufig in derartigen Wohnungen lebende, aber von der Erhaltungsverordnung „Kollwitzplatz“ als schutzwürdig angesehene – Bevölkerungsgruppen geeignet, eine Verdrängungsgefahr auszulösen. Da insoweit – wie ausgeführt – bereits die generelle Eignung zur Auslösung einer Verdrängungsgefahr ausreicht und mithin ein von dem konkreten Bauvorhaben abstrahierter Maßstab zugrunde zu legen ist, erstreckt sich eine von dem klägerischen Vorhaben ausgehende Vorbildwirkung nicht nur auf die Erweiterung der Wohnfläche von Ein- bis Zweizimmerwohnungen, sondern vielmehr auf jede nicht nur unerhebliche Erweiterung einer Bestandswohnung, unabhängig davon, aus welchem konkreten baulichen Anlass diese vorgenommen worden ist, und ohne Berücksichtigung der Größe der Bestandswohnung. Die Intentionen des Bauherren, die konkrete Ausgestaltung und seine Gründe für die Vornahme von Wohnungserweiterungen mögen im Einzelfall in Form einer atypischen Fallgestaltung die erhaltungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens im Rahmen einer möglicherweise eröffneten Ermessensentscheidung begründen (siehe hierzu unter I.3.c und II.), sie bestimmen aber nicht die von den baulichen Maßnahmen ausgehende und nach einem abstrakten Maßstab zu beurteilende Vorbildwirkung. Auch ist eine nicht unter § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 BauGB fallende Grundrisserweiterung unabhängig von der vorherigen Größe der Wohnung geeignet, in dem betreffenden Erhaltungsgebiet den Wunsch nach einer baulichen Nachahmung nach sich zu ziehen. Die Eignung zur Begründung einer Verdrängungsgefahr liegt insoweit hinsichtlich der im Gebiet (und nicht notwendigerweise in Ein- bis Zweizimmerwohnungen) wohnenden armutsgefährdeten Haushalte auf der Hand (vgl. Ergebnisbericht 2020, S. 60 f.), betrifft aber aufgrund der vorhandenen hohen Mietbelastungsquote ebenfalls Haushalte mit Kindern, deren wirtschaftliche Handlungsfähigkeit begrenzter ist und deren relativ höheres Einkommen durch ein höheres Mietniveau ausgeglichen wird (Ergebnisbericht 2013, S. 88 ff., 95; Ergebnisbericht 2020, S. 61).
Ferner handelt es sich bei dem Gebiet, das der Erhaltungsverordnung „Kollwitzplatz“ zugrunde liegt, aufgrund der vorhandenen Infrastruktur und der Nähe zur östlichen Innenstadt Berlins um ein begehrtes Wohngebiet, was sich bis 2020 durch den Zuzug einkommensstarker zu Lasten weniger leistungsfähiger Haushalte mit geringeren Mietzahlungsfähigkeiten ausgewirkt hat (Ergebnisbericht 2020, S. 58; siehe auch Ergebnisbericht 2013, S. 85). Auch dies verstärkt die Gefahr einer Verdrängung der als schutzwürdig angesehenen weniger leistungsstarken Bevölkerungsgruppen.
cc. Entgegen der Auffassung der Klägerin scheidet eine solche Vorbildwirkung bzw. die Eignung zur Begründung einer Verdrängungsgefahr auch nicht deswegen aus, weil davon auszugehen wäre, dass zu der geschützten Bevölkerungsstruktur auch solche Bewohner gehören würden, die eine Wohnung in der entsprechenden Größe bezahlen könnten, zumal Wohnungen mit vergleichbaren Größen – bezogen auf die geplante Größe der Wohnungen von 57,5 m2 und 70 m2 – in größerer Zahl in dem Gebiet anzutreffen seien.
Die Klägerin verkennt den zuvor aufgezeigten Maßstab. Ausreichend ist, dass die Vergrößerung der Wohnung geeignet ist, eine Entwicklung in Gang zu setzen, die tendenziell die Veränderung der Zusammensetzung der vorhandenen Wohnbevölkerung nach sich zieht, was aufgrund einer Prognose der künftigen Entwicklung zu beurteilen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Juni 1997, a.a.O.). Insoweit ist es nicht entscheidend, ob zu der betroffenen Wohnbevölkerung auch (besserverdienende) Haushalte zählen würden, welche den Mietpreis für eine um 13 m2 (23% bis 29%) größere Wohnung zahlen könnten. Ausreichend ist im Rahmen der zu treffenden Prognoseentscheidung, dass zu der geschützten Bevölkerungsstruktur auch (insbesondere armutsgefährdete oder auf Transferleistungen angewiesene) Haushalte zählen können, deren finanzieller Spielraum eine solche Erhöhung nicht hergibt, die sich also allenfalls die momentan bestehende Wohnungsgröße leisten können. Dies ist nach dem zuvor Ausgeführten aufgrund hinreichender tatsächlicher Umstände anzunehmen und reicht zur Begründung einer generellen Eignung zum Hervorrufen einer Verdrängungsgefahr aus.
dd. Unerheblich ist, dass – wie die Klägerin anführt – mit den derzeitigen Mietern vereinbart sei, dass die Grundrissänderungen nicht zu einer Erhöhung ihrer Miete führen würden. Bei der zu treffenden Prognoseentscheidung bleiben derartige Umstände außer Betracht. So ist es in der Rechtsprechung anerkannt, dass es für die Feststellung, ob eine Baumaßnahme geeignet ist, eine Verdrängungsgefahr auszulösen, nicht etwa darauf ankommt, ob die betroffene Wohnung leer steht oder ob die Mieter mit den geplanten Maßnahmen einverstanden sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Juni 1997, a.a.O.; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 15. März 2019, a.a.O. Rn. 6). Auch der Ausschluss einer Mieterhöhung im Fall der aktuellen Mieter ist nach diesem Maßstab nicht relevant, da sich die Eignung zur Annahme einer Verdrängungsgefahr generell bestimmt.
ee. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts erschöpft sich die Vorbildwirkung des Vorhabens auch nicht darin, dass lediglich Grundrissänderungen von Bestandswohnungen zulässig seien, wenn diese aus „bautechnischen“ Gründen sinnvoll wären.
Es kann offen bleiben, ob aufgrund der baulichen Gegebenheit der Wohnungen im 1. und 2. Obergeschoss allein die Erweiterung des Wohnraums in den Seitenflügel es zuließe, diesen überhaupt erst errichten zu können, und es sich somit um eine „bautechnisch bedingte Grundrissvergrößerung“ handeln würde, die – zutreffender verortet – allenfalls im Rahmen einer Ermessensentscheidung das Vorliegen eines atypischen Einzelfalls begründen könnte.
Denn zum einen hat der Beklagte ausgeführt, dass allein im Erhaltungsgebiet „Kollwitzplatz“ ca. 25 Grundstücke vorliegen, auf denen der Anbau eines Seitenflügels an ein bestehendes Vorderhaus in Frage kommen könnte. Bereits dies zeigt, dass insoweit kein Einzelfall vorliegt, der eine Ermessensreduzierung auf Null rechtfertigen könnte.
Zum anderen und unabhängig hiervon hat das Verwaltungsgericht übersehen, dass sich diese Erwägungen nicht auf die ebenfalls zu vergrößernden Wohnungen ab dem 3. Obergeschoss übertragen lassen: Diese würden selbst bei einem direkten Anschluss des neu geplanten Seitenflügels an das Bestandsgebäude ohne Grundrissvergrößerung und dem damit verbundenen Wegfall des sich nahe der Brandwand befindenden Fensters weiterhin über zwei Fenster und Türen, die auf den vorhandenen Balkon führen, verfügen. Dass der dahinter liegende nicht unterteilte Wohnbereich auf das Vorhandensein des dritten Fensters bauordnungsrechtlich angewiesen wäre, ist nicht ersichtlich. Nach § 47 Abs. 2 Satz 2 BauO Bln müssen – um eine ausreichende Belichtung zu gewährleisten – Aufenthaltsräume Fenster mit einem Rohbaumaß der Fensteröffnungen von mindestens einem Achtel der Netto-Grundfläche des Raumes einschließlich der Netto-Grundfläche verglaster Vorbauten und Loggien haben. Anhand der seitens der Klägerin eingereichten Bauzeichnungen zu den Wohnungen vom 3. bis zum 6. Obergeschoss sowie im Dachgeschoss ist ersichtlich, dass aufgrund des Rohbaumaßes der beiden zum Bestandsbalkon hinausführenden Fenster/Flügeltüren (ca. 9,66 m2) unter Berücksichtigung des dahinter liegenden Aufenthaltsraums diese Anforderungen erfüllt werden. Gegenteiliges folgt nicht aus der Stellungnahme des Stadtentwicklungsamtes, Fachbereich Stadtplanung, des Beklagten vom 11. Februar 2015. Dieser ist lediglich zu entnehmen, dass bei einem unmittelbaren Anschluss des Seitenflügels die Anforderungen an gesunde Wohnverhältnisse hinsichtlich der Eckwohnungen im 1. und 2. Obergeschoss des Vorderhauses nicht mehr gewahrt werden könnten und sich das Vorhaben bezüglich dieser Wohnungen als rücksichtslos erweise. Eine „bautechnisch bedingte“ oder vielmehr bautechnisch zwingende Grundrissvergrößerung hinsichtlich der Wohnungen ab dem 3. Obergeschoss liegt daher nicht vor.
c. Die erhaltungsrechtlichen Belange sind auch nicht im Rahmen einer Ermessensreduzierung auf Null ausgeschlossen.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts schließt § 172 Abs. 4 Satz 1 BauGB es trotz Vorliegens eines Versagungsgrundes nicht aus, dass die begehrte erhaltungsrechtliche Genehmigung nach pflichtgemäßem Ermessen erteilt werden kann, etwa wenn bei Annahme einer Verdrängungsgefahr im Einzelfall eine atypische Fallgestaltung vorliegt (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Juni 1997, a.a.O. Rn 23). Liegen die Voraussetzungen einer auf die Genehmigungserteilung gerichteten Ermessensreduzierung auf Null vor, schließt dies auch aus, dass im Rahmen einer beantragten Baugenehmigung einem Vorhaben der Versagungsgrund des § 172 Abs. 4 Satz 1 BauGB entgegengehalten werden kann. Insoweit handelt es sich, anders als die Klägerin formuliert, nicht um ein „Versagungsermessen“, sondern im Gegenteil um die Erteilung einer Genehmigung im Ermessensweg (siehe auch BVerwG, Urteil vom 30. Juni 2004 - 4 C 1.03 -, juris Rn. 51).
Eine solche atypische Fallgestaltung scheidet jedoch nach dem zuvor ausgeführten aus. Es kann dahinstehen, ob eine solche dann anzunehmen wäre, wenn der Anbau eines Seitenflügels zwangsläufig aus bauordnungsrechtlichen Gründen eine Grundrissänderung der Bestandswohnungen bedingen würde. Diese Voraussetzung liegt hinsichtlich der fünf Wohnungen ab dem 3. Obergeschoss nicht vor. Eine im Rahmen des Ermessens vorzunehmende Differenzierung zwischen der erhaltungsrechtlichen Zulässigkeit der Grundrissvergrößerung der Wohnungen im 1. und 2. Obergeschoss und der übrigen Bestandswohnungen scheidet aus. Gegenstand des Verfahrens ist allein das durch den Genehmigungsantrag nach dem Willen des Bauherren umrissene konkrete Bauvorhaben (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. August 1992 - 4 C 57.89-, juris Rn. 21; zur Nichtberücksichtigung von Alternativstandorten im Rahmen eines Drittanfechtungsverfahrens vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. November 2010 - 7 B 58.10 -, juris Rn. 5). Damit korrespondiert auch die Einschränkung, dass die Erteilung von Auflagen zur Sicherstellung der Genehmigungsfähigkeit eines Vorhabens nur zulässig ist, wenn die Auflagen den Genehmigungsgegenstand unverändert lassen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. Juli 1972 - IV B 49.72 -, juris Rn. 9). So hat der Senat kürzlich entschieden, dass es nicht der Genehmigungsbehörde im Wege einer Nebenbestimmung obliegt, den Umfang oder gar den Gegenstand des begehrten Bauvorhabens zu bestimmen bzw. auf das (gerade noch) genehmigungsfähige Maß zu reduzieren (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28. Juli 2023 - OVG 10 N 67.19 -, juris Rn. 20). Der Grundriss einer Wohnung und die damit verbundenen Ausstattungsmöglichkeiten betreffen in Mehrparteienwohngebäuden in Anbetracht der unmittelbaren mietrechtlichen Relevanz den Kern des zur Genehmigung gestellten Bauvorhabens. Es ist daher allein Sache der Klägerin – und nicht der Bauaufsichtsbehörde oder des Gerichts –, die Bauvorstellungen entsprechend anzupassen.
II. Vor diesem Hintergrund steht der Klägerin auch kein Anspruch auf Neubescheidung ihres Bauantrags im Rahmen einer Ermessensentscheidung über das ausnahmsweise Nichtvorliegen erhaltungsrechtlicher Versagungsgründe zu.
Eine solche Ermessensentscheidung ist im Rahmen des § 172 Abs. 4 Satz 1 BauGB erst dann eröffnet, wenn eine atypische Fallgestaltung vorliegt (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Juni 1997, a.a.O. Ls. 4 und Rn. 23; Urteil vom 30. Juni 2004, a.a.O. Rn. 51 f.; Bayerischer VGH, Beschluss vom 14. April 2020 - 2 ZB 17.1411 -, juris Rn. 3 ff.; wohl auch OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28. März 2018 - OVG 2 N 64.15 -, juris Rn. 22 ff.; zu § 172 Abs. 3 Satz 1 BauGB VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 13. Oktober 1998 - 5 S 2134/98 -, NVwZ-RR 1999, 565). Hieraus folgt, dass der Beklagte erst dann gehalten ist, überhaupt Ermessenserwägungen anzustellen, wenn eine solche atypische Fallgestaltung festzustellen ist. Dies ist – wie aufgezeigt – nicht der Fall.
III. Die Klage hat auch keinen Erfolg, soweit sich die Klägerin gegen die im Widerspruchsbescheid vom 18. Dezember 2015 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 27. Juni 2016 festgesetzte Widerspruchsgebühr in Höhe von 943,67 EUR wendet.
Die Festsetzung beruht auf § 16 Abs. 2 Satz 1 GebBtrG BE. Nach dieser Norm ist dann, wenn durch den angefochtenen Verwaltungsakt eine Amtshandlung gebührenpflichtig versagt oder vorgenommen worden ist, für den Widerspruch eine Gebühr in der für den Verwaltungsakt vorgesehenen Höhe zu entrichten, soweit die Entscheidung aufrechterhalten wird.
Für die Versagung der beantragten Baugenehmigung mit Ablehnungsbescheid vom 27. Mai 2015 hat der Beklagte ausweislich des Gebührenbescheids vom gleichen Tag ausgehend von Herstellungskosten in Höhe von EUR gemäß § 2 Abs. 1 GebBtrG BE sowie § 1 BauGebO und Tarifstelle 2.1 der Anlage zur BauGebO eine Gebühr in Höhe von 943,67 EUR in Ansatz gebracht. Anhaltspunkte dafür, dass diese Berechnung fehlerhaft wäre, sind nicht ersichtlich und auch nicht geltend gemacht worden.
B. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10, § 711 der Zivilprozessordnung.
C. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.