Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 6. Senat | Entscheidungsdatum | 16.01.2024 | |
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Aktenzeichen | OVG 6 N 5/24 | ECLI | ECLI:DE:OVGBEBB:2024:0116.OVG6N5.24.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 45 Abs 2 WaffG, § 5 Abs 2 Nr 3 WaffG |
Zur Frage eines Verstoßes des § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG gegen Artikel 3 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 GG
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 22. November 2023 wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird für die zweite Rechtsstufe auf 7.250 Euro festgesetzt.
Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf seiner waffenrechtlichen Erlaubnisse wegen mangelnder Zuverlässigkeit im waffenrechtlichen Sinn, die ihm der Beklagte u.a. wegen Unterstützungshandlungen zugunsten der NPD abspricht. Das Verwaltungsgericht hat die hiergegen gerichtete Klage abgewiesen. Der hiergegen gerichtete Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
1. Ernstliche Richtigkeitszweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind nicht den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechend dargelegt.
a) Der Kläger wendet sich nicht gegen die Auslegung und Anwendung des § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG i.V.m. § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchstabe c) WaffG als solche. Er meint allerdings, § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG sei verfassungswidrig, weil er eine objektiv willkürliche Ungleichbehandlung von Personen darstelle, die eine „falsche“ politische Meinung verträten bzw. die „falsche“ politische Partei unterstützten und verstoße daher gegen Artikel 3 Abs. 3 Satz 1 GG, wonach niemand wegen seiner politischen Anschauungen benachteiligt werden dürfe. Er macht geltend, § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchstabe c) WaffG, wonach die erforderliche Zuverlässigkeit in der Regel Personen nicht besitzen, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie in den letzten fünf Jahren eine Vereinigung unterstützt haben, die Bestrebungen verfolgt, die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet sind, behandle Personen je nach Parteizugehörigkeit bzw. politischer Ansicht ohne hinreichende Rechtfertigung ungleich. Die politischen Ansichten des Waffenbesitzes und der von ihm unterstützten Partei seien kein tauglicher Indikator für die Frage der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit. Es gebe keinen Erfahrungssatz und auch keinerlei empirische Belege für die Regelvermutung, der Unterstützer einer verfassungsfeindlichen Vereinigung weise eine erhöhte Neigung zur Zweckentfremdung von Schusswaffen auf. Das Vertreten und Unterstützten unliebsamer politischer Ansichten sei folglich kein Kriterium, welches auf eine erhöhte Gefährlichkeit des Betreffenden schließen ließe. Dies gelte jedenfalls solange, wie das Unterstützen verfassungsfeindlicher Bestrebungen seinerseits keine Affektivität zur Anwendung oder Billigung von Gewalt erkennen ließe. Ernstliche Richtigkeitszweifel sind damit nicht dargelegt.
Der Kläger verkennt, dass der Schutzbereich des Grundrechts schon nicht eröffnet ist, weil der Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnis tatbestandlich nicht unmittelbar an das Merkmal der politischen Anschauung anknüpft (VGH München, Beschluss vom 13. November 2019 - 21 CS 18.1290 -, juris Rn. 20 m.w.N.).
Soweit er meint, die Gefahrenprognose des Gesetzgebers sei nicht hinreichend durch Erfahrungssätze oder einschlägige Empirie belegt, versäumt er aufzuzeigen, dass und weshalb es dieser in waffenrechtlicher Hinsicht für eine entsprechende Prognose des Gesetzgebers bedürfen soll. Gegen diese Annahme spricht die Einschätzung des Bundesverwaltungsgerichts, das ausgeführt hat, die aus Artikel 2 Abs. 2 Satz 1 GG herzuleitende allgemeine staatliche Schutzpflicht für das Leben und die körperliche Unversehrtheit berechtige den Gesetzgeber, Gründe für eine regelmäßig anzunehmende waffenrechtliche Unzuverlässigkeit auch im Verhältnis zu Mitgliedern und Anhängern politischer Parteien aufzustellen und auszugestalten. Wegen der extremen Gefährlichkeit des Umgangs mit Waffen sei der Staat verfassungsrechtlich gehalten, die Allgemeinheit vor unzuverlässigen Waffenbesitzern wirksam zu schützen. Der Gesetzgeber sei im Einklang mit seiner Schutzverpflichtung aus Artikel 2 Abs. 2 Satz 1 GG zu der Einschätzung gelangt, dass das Verfolgen oder Unterstützen der in § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG näher bezeichneten verfassungsfeindlichen Bestrebungen im Regelfall dazu führe, dass die betreffende Person nicht die Gewähr dafür biete, in jeder Hinsicht ordnungsgemäß und verantwortungsbewusst mit der Waffe umzugehen. Die damit verbundene Vorverlagerung des Schutzes höchstrangiger Rechtsgüter halte sich im Rahmen des weiten Einschätzungs- und Prognosespielraums, der dem Gesetzgeber nicht nur bei der Festlegung der von ihm ins Auge gefassten Regelungsziele, sondern auch bei der Beurteilung dessen zustehe, was er zur Verwirklichung dieser Ziele für geeignet und erforderlich halten dürfe. Bei der Einschätzung von Gefahren, die der Allgemeinheit drohten, und bei der Beurteilung der Maßnahmen, die der Verhütung und Bewältigung dieser Gefahren dienen sollten, sei der Beurteilungsspielraum des Gesetzgebers erst überschritten, wenn die gesetzgeberischen Erwägungen so fehlsam seien, dass sie vernünftigerweise keine Grundlage für derartige Maßnahmen abgeben könnten (BVerwG, Urteil vom 19. Juni 2019 - 6 C 9.18 -, BVerwGE 166, 45 ff., juris Rn. 19 unter Hinweis auf BVerfG, Urteil vom 16. März 2004 - 1 BvR 1778/01 -, BVerfGE 110, 141 <157 f.>).
Auf das von dem Kläger angeführte Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Januar 2017 - 2 BvB 1/13 - zum NPD-Verbotsverfahren kommt es hierbei nicht an. Der dargelegte weite Einschätzungs- und Prognosespielraum des waffenrechtlichen Gesetzgebers ist durch diese Entscheidung, die sich mit einem Parteiverbot anhand der Maßstäbe des Artikels 21 Abs. 2 GG befasst hat, nicht tangiert.
b) Auch soweit der Kläger geltend macht, die aktuelle gesetzgeberische Konstruktion der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit führe zu schwerwiegenden Wertungswidersprüchen und verstoße dadurch gegen Artikel 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Gebot der Folgerichtigkeit, zeigt er keine ernstlichen Richtigkeitszweifel auf.
Er bezieht sich hierbei auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Nichtraucherschutzgesetz eines Landesgesetzgebers. In der Entscheidung ist insoweit ausgeführt: Hat sich der Gesetzgeber aufgrund des ihm zukommenden Spielraums zu einer bestimmten Einschätzung des Gefahrenpotenzials entschlossen, auf dieser Grundlage die betroffenen Interessen bewertet und ein Regelungskonzept gewählt, so muss er diese Entscheidung auch folgerichtig weiterverfolgen. Gefahreinschätzungen sind nicht schlüssig, wenn identischen Gefährdungen in demselben Gesetz unterschiedliches Gewicht beigemessen wird (BVerfG, Urteil vom 30. Juli 2008 - 1 BvR 3262/07 u.a. -, BVerfGE 121, 317 ff., juris Rn. 135).
Der Kläger meint, es sei nicht folgerichtig, dass der Gesetzgeber Straftätern, die zu einer Geldstrafe von weniger als 60 Tagessätzen verurteilt worden seien, die waffenrechtliche Zuverlässigkeit nicht regelmäßig abspreche (vgl. § 5 Abs. 2 Nr. 1 WaffG), während dies bei Personen, die Vereinigungen unterstützten, die verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgten, der Fall sei (vgl. § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG). Denn Straftäter verhielten sich nicht rechtskonform, während Unterstützer einer verfassungsfeindlichen Partei keinen Rechtsbruch begingen und sich „vollends im Einklang mit der Rechtsordnung“ befänden.
Der Kläger verkennt, dass der Gesetzgeber in § 5 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 3 WaffG nicht „identische Gefährdungen“ behandelt, denen er unterschiedliches Gewicht beimisst, sondern unterschiedliche Fallgruppen und damit Gefährdungen mit identischer Rechtsfolge belegt. Der Sache nach beruft sich der Kläger daher auf eine Ungleichbehandlung, die er damit zu begründen sucht, in einem Fall (Straftäter) sei die Gefährdungslage größer einzuschätzen als im anderen Fall (Unterstützer einer verfassungsfeindlichen Partei). Damit wendet er lediglich eigene Maßstäbe für die Ausübung des dem Gesetzgeber zustehenden weiten Einschätzungs- und Prognosespielraums an, ohne aufzuzeigen, weshalb der Beurteilungsspielraum durch den Gesetzgeber überschritten sei.
2. Eine entscheidungserhebliche grundsätzlich bedeutsame Rechts- oder Tatsachenfrage, die zu ihrer Klärung der Durchführung eines Berufungsverfahrens bedarf, zeigt der Kläger ebenfalls nicht auf. Er hält für klärungsbedürftig,
„ob § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 GG verfassungswidrig und nichtig ist.“
Der Kläger legt nicht dar, dass die aufgeworfene Rechtsfrage, soweit sie vorliegend relevant ist, zu ihrer Klärung der Durchführung eines Berufungsverfahrens bedarf. Vielmehr ergibt sich aus den Ausführungen unter 1., dass dies nicht der Fall ist.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 in Verbindung mit § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).