Gericht | OLG Brandenburg 4. Zivilsenat | Entscheidungsdatum | 29.11.2023 | |
---|---|---|---|---|
Aktenzeichen | 4 U 63/23 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2023:1129.4U63.23.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 06.03.2023, Az. 15 O 7/23, abgeändert:
Der Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Hagen vom 23.02.2022, Az. 22-1739068-0-7 wird aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 16.000 € festgesetzt.
I.
Die Klägerin verlangt aus abgetretenem Recht vom Beklagten die Rückzahlung eines gekündigten Darlehens. Die Parteien streiten darüber, ob die Forderung verjährt ist bzw. ob die Verjährung durch Zustellung des Vollstreckungsbescheids rechtzeitig gehemmt wurde.
Der Beklagte schloss mit der (X) Bank (im Folgenden nur: X) am 30.10.2015 einen Darlehensvertrag über rund 28.000 €, der der Finanzierung des Kaufs eines Citroen Jumper für das Gewerbe des Beklagten diente. Gemäß Ziffer 5g) des Darlehensvertrages war der Beklagte verpflichtet, eine Änderung seiner Anschrift umgehend der Bank mitzuteilen. Nachdem der Beklagte mit der Rückzahlung der vereinbarten Raten mehrfach in Verzug geraten war, kündigte die Bank den Darlehensvertrag mit Schreiben vom 19.09.2018. Das Darlehen valutierte nach Abzug des Verwertungserlöses für das Fahrzeug zum Zeitpunkt der Kündigung noch in Höhe von 13.071,19 €. Die Bank trat den Rückzahlungsanspruch an die Klägerin ab, die ihrerseits das Inkasso durch die (Y) GmbH (im Folgenden nur: „Y“) durchführen ließ.
Bei Abschluss des Darlehensvertrages hatte der Beklagte als Voranschrift die B…straße 21 in F… und als aktuelle Anschrift den L…weg 17 in F… angegeben, in dem der Beklagte bis zum 15.10.2018 gemeldet war. Dorthin wurden ihm die Kündigung sowie ein von der Bank erwirkter Mahnbescheid wegen der streitgegenständlichen Forderung vom 21.11.2018 übersandt. Gegen diesen Mahnbescheid legte der Beklagte Widerspruch ein und das Mahnverfahren wurde nicht weiter betrieben. Die Post der Bank und der Klägerin an den Beklagten wurde dann bis Januar 2021 an die P…straße 1a in R… übersandt. Mit Schreiben vom 24.01.2021 an die Klägerin wies der Beklagte (unter der Anschrift in R…) die Forderung zurück und bot eine Zahlung von 3.194 € an. Der Beklagte war seit dem 16.10.2018 in der W…-G…-Str. 10 in B… und seit dem 01.09.2019 an seiner aktuellen Anschrift im E…weg 5 in B… gemeldet.
Bei Beantragung des hier streitgegenständlichen Mahn- bzw. Vollstreckungsbescheids gab die Klägerin (durch die Y) die B…straße 21 in F… als Zustelladresse an; dort wurden die Bescheide ausweislich der elektronisch dokumentierten Zustellungsurkunden durch Einlegung in den Briefkasten am 11.02.2022 bzw. 02.03.2022 zugestellt.
Mit Schriftsatz vom 13.01.2023 hat der Beklagte Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid mit der Begründung eingelegt, dieser sei ihm nicht zugestellt worden. Er habe von der Existenz des Vollstreckungsbescheids erstmals am 12.01.2023 durch ein Schreiben der Gerichtsvollzieherin Kenntnis erhalten.
Mit dem angefochtenen Urteil hat das Landgericht den Einspruch mit der Begründung als unzulässig verworfen, der Vollstreckungsbescheid sei wirksam zugestellt worden, so dass Einspruch verfristet sei.
Dagegen richtet sich die Berufung des Beklagten, mit der er weiterhin vorbringt, der Mahn- bzw. Vollstreckungsbescheid sei ihm nicht zugestellt worden und die Einrede der Verjährung erhebt. Bei der Adresse B…straße 21 in F… handele es sich um die Wohnanschrift seines Bruders D… S…; wegen einer alten Angelegenheit aus dem Jahr 2018 (die der Beklagte näher beschreibt) sei an dem dortigen Briefkasten auch ein Namensschild des Beklagten angebracht gewesen, dessen Entfernung sein Bruder vergessen habe. Er selbst - der Beklagte - habe dort nicht gewohnt. Den ersten Mahnbescheid vom 21.11.2018 habe seine frühere Lebensgefährtin an ihn weitergeleitet; mit dem Widerspruch dagegen habe er der Bank die neue Anschrift P…straße 1a in R… mitgeteilt. Dabei handele es sich um das Elternhaus seiner jetzigen Ehefrau, in dem er sich auch aufgehalten habe, bevor er gemeinsam mit seiner Ehefrau im September 2019 in den E…weg 5 in B… gezogen sei.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 06.03.2023, Az. 15 O 7/23, abzuändern, den Vollstreckungsbescheid aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Sie sei zunächst von der Anschrift des Beklagten in R… ausgegangen; ein dahin gerichtetes Schreiben vom 24.02.2021 sei als Postrückläufer zurückgekommen. Sie habe daraufhin eine Adressermittlung bei der „…auskunftei“ veranlasst, von der sie am 25.03.2021 die Anschrift B…straße 21 in F… mitgeteilt bekommen habe. Die Klägerin ist der Ansicht, dass der Beklagte dadurch, dass er seinen Namen am Briefkasten in der B…straße beließ, einen Irrtum über seinen tatsächlichen Lebensmittelpunkt herbeigeführt habe, so dass er sich weder auf die Unwirksamkeit der Zustellung noch auf die Einrede der Verjährung berufen könne.
II.
Die zulässige Berufung hat Erfolg und führt zur Aufhebung des Vollstreckungsbescheids sowie zur Abweisung der Klage.
1.
Der Einspruch des Beklagten vom 13.01.2023 gegen den Vollstreckungsbescheid war fristgerecht, so dass dieser nicht gemäß §§ 700 Abs. 1, 341 Abs. 1 S. 2 ZPO als unzulässig zu verwerfen war.
Gemäß §§ 700 Abs. 1, 339 Abs. 1 ZPO beträgt die Einspruchsfrist zwei Wochen und beginnt mit der Zustellung des Vollstreckungsbescheids. Dieser ist dem Beklagten wirksam nicht am 03.02.2022 zugestellt worden; vielmehr ist von einer Kenntnisnahme (oder einem tatsächlichen Zugang im Sinne des § 189 ZPO) frühestens für den 12.01.2023 auszugehen, so dass die Einspruchsfrist des § 339 Abs. 1 ZPO schon nicht in Gang gesetzt worden ist bzw. der Einspruch vom 13.01.2023 jedenfalls als fristgerecht anzusehen ist.
Ob die Zustellung des Vollstreckungsbescheids - hier in Gestalt einer Ersatzzustellung nach §§ 178 Abs. 1 Nr. 1 (Wohnung), 180 ZPO am 03.02.2022 - wirksam erfolgt ist, ist von Amts wegen zu klären (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 34, Aufl., § 339 Rn. 3), so dass insoweit Präklusionsvorschriften nicht greifen (§ 529 Abs. 2 ZPO, arg. e contrario; vgl. MüKoZPO/Rimmelspacher ZPO § 529 Rn. 28). Die Zustellungsurkunde erbringt dabei nur den Beweis für die Einlegung des Dokuments in den dortigen Briefkasten, nicht jedoch dafür, dass der Beklagte sich dort tatsächlich aufgehalten hat (vgl. Geimer/Zöller, § 418 Rn. 3 m.w.N.).
a)
Bei der Zustelladresse B…straße 21 in F… handelt es sich nicht um die Wohnung des Beklagten zum Zustellzeitpunkt.
Die Ersatzzustellung nach §§ 178 bis 181 ZPO setzt voraus, dass eine Wohnung an dem Ort, an dem zugestellt werden soll, tatsächlich von dem Adressaten genutzt wird, d.h. dass dieser dort lebt und insbesondere auch schläft (vgl. BGH, Urteil vom 14.09.2004 – XI ZR 248/03 –, Rn. 14, juris). Ob dies der Fall ist, ist nach den konkreten Umständen des jeweiligen Einzelfalles zu beurteilen, wobei auch Sinn und Zweck der Zustellungsvorschriften zu beachten sind. Die Wohnung verliert ihre Eigenschaft als Wohnung, wenn der Zustellungsempfänger sie nicht mehr zu Wohnzwecken nutzt, sondern den räumlichen Mittelpunkt seines Lebens an einen anderen Aufenthaltsort verlagert. Die Aufgabe setzt einen entsprechenden Willensentschluss voraus, der nach außen erkennbaren Ausdruck gefunden haben muss. Der Aufgabewille muss, wenn auch nicht gerade für den Absender des zuzustellenden Schriftstücks oder die mit der Zustellung betraute Person, so doch jedenfalls für einen mit den Verhältnissen vertrauten Beobachter erkennbar sein (vgl. BGH, Beschluss vom 22.10.2009 – IX ZB 248/08 –, Rn. 18, juris). Die Aufgabe erfordert nicht die Beseitigung aller Wohnmerkmale; insbesondere genügt allein die Existenz eines Namensschildes nicht, um noch von einer Wohnung auszugehen.
Es lässt sich nicht feststellen, dass der Beklagte zum Zustellzeitpunkt in der B…straße 21 in F… tatsächlich gewohnt hatte. Dafür gibt es weder konkrete Anhaltspunkte noch behauptet eine Partei dies konkret. Dabei kann es dahinstehen, ob der Beklagte zuvor - etwa im Jahr 2018 - dort tatsächlich gewohnt hatte oder ob es sich um die Wohnung seines Bruders handelte, die er allein zu Korrespondenzwecken angegeben hatte. Denn das Namensschild eines früheren (Mit)Bewohners ist – wie oben ausgeführt – für die Annahme einer Wohnung im Sinne des § 178 ZPO nicht ausreichend.
b)
Eine Zustellung, die ihre Wirksamkeit allein durch einen – fahrlässig begründeten – Rechtsschein erlangt, ist wegen der besonderen Bedeutung der Zustellung für die Rechtssicherheit und den notwendigerweise formalen Charakter der Zustellungsvorschriften abzulehnen (vgl. BGH, Urteil vom 16.06.2011 – III ZR 342/09 –, Rn. 14, juris). Allein das fahrlässige Belassen des Namensschildes des Beklagten am Briefkasten seines Bruders – sei es auch für mehrere Jahre – führt daher nicht zur Wirksamkeit der Zustellung. Daran ändert die lediglich vertragliche Pflicht, der Bank eine Änderung der eigenen Anschrift mitzuteilen, angesichts des zwingenden Charakters der Zustellungsvorschriften nichts.
c)
Es ist auch nicht als treuwidrig anzusehen, dass sich der Beklagte auf die Unwirksamkeit der Zustellung beruft. Dies wäre dann der Fall, wenn der Zustellungsempfänger einen Irrtum über seinen tatsächlichen Lebensmittelpunkt bewusst und zielgerichtet herbeigeführt hat, so dass es sich in engen Grenzen als unzulässige Rechtsausübung und Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben nach § 242 BGB darstellt, wenn der Zustellungsempfänger sich auf die Unwirksamkeit der Zustellung beruft (vgl. BGH, Urteil vom 16.06.2011 – III ZR 342/09 –, Rn. 15).
Eine derartige bewusste Irreführung durch den Beklagten lässt sich jedoch in Bezug auf die Anschrift B…straße 21 in F… zum Zustellzeitpunkt nicht feststellen. Diese Anschrift hatte der Beklagte lediglich als Voranschrift bei Abschluss des Darlehensvertrages angegeben und damit deutlich gemacht, dass er dort gerade nicht mehr wohnt. Es ist nicht ersichtlich, dass der Beklagte nach Vertragsschluss in irgendeiner Weise seine frühere Anschrift in der B…straße noch mitgeteilt, erwähnt oder auf andere Weise ins Spiel gebracht hätte. Auf das Namensschild am Briefkasten kann insofern nicht abgestellt werden, weil es schon im ersten Schritt an einer Mitteilung des Beklagten über diese Anschrift fehlt, über die sich das Namensschild überhaupt bei einer vom Beklagten intendierten Zustellung hätte auswirken können. Dass die Klägerin – wie sie behauptet – die Anschrift B…straße 21 im Rahmen einer Anschriftenermittlung gewonnen hätte, ist nicht dem Beklagten zuzurechnen. Auch eine wiederholte Bezeichnung der Zustellanschrift als eigene Adresse steht hier in Bezug auf die B…straße 21 in F… nicht im Raum (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 15.10.2009, 1 BvR 2333/09).
Die Berufung auf die Unwirksamkeit der Zustellung ist auch nicht mit Blick auf die Anschrift in R… als treuwidrig anzusehen. Zwar hatte der Beklagte diese Anschrift wiederholt gegenüber der Bank und der Klägerin angegeben, obwohl er dort nicht mehr wohnte. Gleichwohl hatte die an diese Anschrift gerichtete Post den Beklagten - mit einer von der Klägerin behaupteten Ausnahme - erreicht. Der Einwand der Treuwidrigkeit scheitert insofern jedenfalls an der (nötigen) Kausalität zwischen Falschangaben und Zustelladresse. Etwaige Falschangaben über eine bestehende Anschrift in R… können kausal sein für eine – hier nicht erfolgte – Zustellung nach R…, nicht jedoch für die tatsächlich erfolgte Zustellung an die B…straße 21 in F…. Auch mit Blick auf die Möglichkeit der Klägerin, eine Zustellung an die Meldeadresse oder die vom Beklagten bezeichnete Adresse in R… vorzunehmen, ist nicht von Treuwidrigkeit auf Seiten des Beklagten auszugehen.
2.
Der Rückzahlungsanspruch aus dem Darlehensvertrag ist verjährt.
a)
Die vom Beklagten erstmals in der Berufungsinstanz erhobene Verjährungseinrede scheitert nicht an § 531 Abs. 2 ZPO. Diese unterliegt – ungeachtet der Frage, ob die zugrunde liegenden Tatsachen nach § 529 ZPO zu berücksichtigen sind – nicht dem Novenausschluss des § 531 Abs. 2 ZPO (vgl. BGH, Beschluss vom 23.06.2008 – GSZ 1/08; Zöller/Heßler, ZPO, 34. Auflage 2022, § 531 ZPO, Rn. 21). Im Übrigen hat das Landgericht die Verjährungsfrage für unerheblich gehalten, so dass die Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 Nr. 1 ZPO vorliegen. Soweit der Sachvortrag des Beklagten überhaupt streitig ist, ist der neue Sachvortrag nach §§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zuzulassen.
b)
Die Verjährungsfrist beträgt gemäß § 195 BGB drei Jahre. Diese Frist beginnt gemäß § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Rückzahlungsanspruch der Bank aus § 488 Abs. 1 S. 2 BGB entstanden ist und diese von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen. Ansprüche, deren Fälligkeit eine Kündigung voraussetzt, sind erst entstanden, wenn die Kündigung erklärt und wirksam geworden ist (vgl. BGH, Urteil vom 13.07.2010 – XI ZR 27/10, Rn. 8, juris; Ellenberger/Grüneberg, BGB, 82. Aufl., § 199 Rn). Die Kündigung der Bank vom 19.09.2018 hat den Beklagten noch unter seiner damaligen Anschrift L…weg 17 in F… erreicht und ist damit wirksam geworden. Die Verjährung des Rückzahlungsanspruchs begann demnach mit dem Schluss des Jahres 2018.
c)
Der Lauf der Verjährungsfrist begann nicht deshalb neu, weil der Beklagte - nach Behauptung der Klägerin - unter der zuvor von ihm angegebenen Anschrift in R… seit Februar 2021 postalisch nicht mehr erreichbar war. Das Tatbestandsmerkmal der „Person des Schuldners“ erfasst zwar nicht nur den Namen, sondern auch dessen Anschrift (Grüneberg/Ellenberger, § 199 Rn. 35 m.w.N.). Verliert der Gläubiger seine Kenntnis von der aktuellen Anschrift des Schuldners, weil dieser zwischenzeitlich umzieht, ohne seine neue Anschrift mitzuteilen, entfällt das Tatbestandsmerkmal der Kenntnis im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB. Maßgeblich ist insoweit die Kenntnis des Gläubigers von der „richtigen“ (= aktuellen) Anschrift des Schuldners (vgl. Senat, Urteil vom 14.06.2023, 4 U 93/22; BGH, Urteil vom 28.02.2012, XI ZR 192/11, Rn. 16, juris).
Zwar war der Klägerin - ihren Sachvortrag als zutreffend unterstellt - die aktuelle Anschrift des Beklagten ab Februar 2021 unbekannt, jedoch muss sie sich ab diesem Zeitpunkt grob fahrlässige Unkenntnis im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB vorwerfen lassen, weil sie in Kenntnis der fehlenden Anschrift des Beklagten keine geeigneten Maßnahmen zur Anschriftenermittlung ergriffen hatte. Grob fahrlässige Unkenntnis in diesem Sinne liegt vor, wenn dem Gläubiger die Kenntnis fehlt, weil er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich grobem Maße verletzt und auch ganz nahe liegende Überlegungen nicht angestellt oder das nicht beachtet hat, was jedem hätte einleuchten müssen (stRspr. BGH, Urteil vom 23.09.2008 – XI ZR 395/07 –, Rn. 14, juris). Dabei trifft den Gläubiger jedenfalls dann eine Obliegenheit, die Anschrift des Schuldners durch geeignete Maßnahmen - etwa in Gestalt einer Melderegisterauskunft nach § 44 BMG - zu prüfen, wenn sich die früher mitgeteilte Anschrift wegen zwischenzeitlichen Zeitablaufs geändert haben könnte (vgl. BGH, Urteil vom 23.09.2008 – XI ZR 395/07, Rn. 14, juris). Eine entsprechende Obliegenheit muss dann erst recht bestehen, wenn dem Gläubiger - wie hier der Klägerin nach ihrem eigenen Sachvortrag - positiv bekannt war, dass die ihr bekannte Anschrift unzutreffend ist. Denn andernfalls hätte es der Gläubiger durch Unterlassen der gebotenen Anschriftermittlung in der Hand, über den Lauf der Verjährungsfrist nach eigenem Gutdünken zu disponieren. Die Klägerin hatte unstreitig noch im Januar 2021 Post an den Beklagten nach R… übersandt. Aufgrund eines Postrückläufers kurz danach ging sie nach eigenen Angaben davon aus, dass der Beklagte umgezogen sei, so dass sich aus Sicht der Klägerin die Notwendigkeit einer Anschriftenermittlung aufdrängen musste.
Die von ihr daraufhin vorgenommene Art der Anschriftenermittlung war jedoch von vorneherein ungeeignet, die aktuelle Anschrift des Beklagten zu ermitteln. Nach der von der Klägerin vorgelegten Auskunft der „…auskunftei“ vom 25.03.2021 sei der Beklagte (zu einem aus der Auskunft nicht ersichtlichen Zeitpunkt) in die B…straße 21 in F… umgezogen. Dabei handelt es sich offensichtlich um eine einfache Auskunft aus einem Adressdatenbestand zu Kosten von lediglich 8,70 €, dem eigene Ermittlungen, insbesondere beim Melderegister, nicht zugrunde gelegen haben können (was die Klägerin auch nicht behauptet). Nachdem die Klägerin jedoch davon ausging, der Beklagte sei kurz zuvor umgezogen, war die Auskunft aus einer gewerblichen Adressdatenbank von vorneherein ungeeignet, die aktuelle Anschrift des Beklagten zu ermitteln. Denn es kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Adresseintrag in einer gewerblichen Datenbank, die sich aus Informationen über frühere geschäftliche Aktivitäten der betroffenen Person speist, kurz nach dem Umzug einer natürlichen Person noch zutreffend ist. Vielmehr drängt sich auf, dass die so erhaltene Information mit hoher Wahrscheinlichkeit veraltet ist. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die an die B…straße 21 in F… gerichtete Post nicht an die Klägeirn zurück gelangte. Im Übrigen ist die …auskunftei GmbH - wie die Klägerin - ein Mitglied der „…group“ mit demselben Geschäftssitz wie die Klägerin. Auch vor diesem Hintergrund und der offensichtlichen Diskrepanz der Auskunft gegenüber der Meldeanschrift des Beklagten kann die gewählte Form der Anschriftenermittlung nicht als geeignet angesehen werden.
d)
Die Verjährung war infolge der (wirksamen) Zustellung des Mahnbescheids vom 21.11.2018 für einen Zeitraum von nicht mehr als sieben Monaten gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BGB gehemmt. Das genaue Datum der Zustellung des Mahnbescheids vom 21.11.2018 lässt sich zwar nicht mehr feststellen, jedoch muss der Widerspruch des Beklagten vor dem 27.12.2018 erfolgt sein. Mangels entgegen stehender Umstände ist davon auszugehen, dass der Widerspruch innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des § 692 Abs. 1 Nr. 3 ZPO erfolgt ist. Offenbar haben weder die Bank noch der Beklagte die Durchführung des streitigen Verfahrens nach § 696 Abs. 1 S. 1 ZPO beantragt, so dass das Verfahren nicht weiter betrieben worden ist. In solchen Fällen tritt – mit der Verfügung des Mahngerichts über die Unterrichtung des Antragstellers vom Widerspruch – der Stillstand des Verfahrens ein; sechs Monate danach endet die Hemmung nach § 204 Abs. 2 S. 2 BGB (vgl. MüKoZPO/Schüler ZPO § 696 Rn. 15). Insgesamt kann die zwischenzeitliche Hemmung jedenfalls nicht länger als sieben Monate angedauert haben.
Eine Hemmung nach § 497 Abs. 3 S. 3 BGB kommt hier nicht in Betracht, da es sich bei dem streitgegenständlichen Vertrag nicht um einen Verbraucherdarlehensvertrag im Sinne des § 491 BGB handelt. Denn ausweislich Ziffer VII. Nr. 1 des Vertrages war das Darlehen „für eine bereits ausgeübte gewerbliche oder selbständige Tätigkeit“ des Darlehensnehmers bestimmt.
Durch den Einwurf des (zweiten) Mahnbescheids in den Briefkasten an der Anschrift B…straße 21 in F… konnte eine (nochmalige) Hemmung der Verjährung nicht bewirkt werden. Denn diese Zustellung war - wie bereits oben unter 1. erörtert - nicht wirksam.
e)
Die dreijährige Verjährungsfrist begann mit dem Schluss des Jahres 2018 und war unter Berücksichtigung der siebenmonatigen Hemmung am 01.08.2022 abgelaufen. Eine erst danach - frühestens am 12.01.2023 - erfolgte wirksame Zustellung des Vollstreckungsbescheids konnte demnach eine erneute Hemmung nicht mehr bewirken.
3.
Die Berufung des Beklagten auf die Einrede der Verjährung ist hier schließlich auch nicht als rechtsmissbräuchlich zu qualifizieren.
Die Berufung auf die Einrede der Verjährung kann treuwidrig sein, wenn der Schuldner seine vertragliche Verpflichtung zur Mitteilung eines Wohnungswechsels schuldhaft verletzt und dadurch eine wirksame Zustellung des Mahn- und Vollstreckungsbescheids vereitelt hat (vgl. BGH, Urteil vom 14.09.2004 – XI ZR 248/03, Rn. 21, juris).
Im vorliegenden Fall war der Beklagte zwar nach dem Darlehensvertrag verpflichtet, eine Änderung seiner Anschrift der Bank unverzüglich mitzuteilen. Ungeachtet der Frage, ob und wie lange diese Verpflichtung auch noch nach der Kündigung des Vertrages und ob diese Verpflichtung auch gegenüber der Klägerin (als Zessionarin) bestand, muss sich der Beklagte jedenfalls eine Zustellung an die Anschrift B…straße 21 in F… nicht entgegen halten lassen. Denn diese Anschrift hatte er als geeignete Zustellanschrift weder gegenüber der Bank noch gegenüber der Klägerin angegeben. Insofern handelt der Beklagte nicht widersprüchlich, wenn er sich auf die Unwirksamkeit der Zustellung und die sich daraus ergebende Einrede der Verjährung beruft. Die Klägerin konnte - wie bereits oben unter 2. c) erörtert - objektiv schon nicht darauf vertrauen, dass die von ihr angenommene Zustellanschrift zutreffend war. Insbesondere beruhte diese Annahme der Klägerin nicht auf einem dem Beklagten zurechenbaren Verhalten. Zudem ist zu berücksichtigen, dass der Beklagte sowohl der Bank als auch der Klägerin die Anschrift in R… mitgeteilt hatte, unter der den Beklagten Post jedenfalls bis Januar 2021 erreicht hatte. Ob sich der Beklagte auf die Verjährungseinrede berufen könnte, wenn der Mahn- bzw. Vollstreckungsbescheid nach R… zugestellt worden wäre, bedarf hier keiner Klärung.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.