Gericht | OLG Brandenburg 4. Zivilsenat | Entscheidungsdatum | 10.01.2024 | |
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Aktenzeichen | 4 U 68/23 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2024:0110.4U68.23.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 10.03.2023, Az. 12 O 107/22, wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung des Löschungstenors durch Sicherheitsleistung von 70.000 € abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Im Übrigen kann die Beklagte die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf bis zu 65.000 € festgesetzt.
I.
Die Klägerin ist Eigentümerin des – als Teileigentum im Grundbuch des Amtsgerichts Fürstenwalde unter Blatt … eingetragenen – Hotelappartements Nr. … im Hotel K… in Fürstenwalde (Flur …, Flurstück …). Die Beklagte betreibt die Zwangsversteigerung in das Teileigentum aus einer Grundschuld. Die Klägerin wehrt sich dagegen mit der vorliegenden Vollstreckungsabwehrklage, weil sie meint, die mit der Grundschuld gesicherte Forderung sei erloschen.
Das Hotel K.... wurde im Jahre 1996 neu gebaut. Zur Baufinanzierung war mit notarieller Urkunde vom 16.03.1995 eine brieflose Grundschuld von 7 Mio. DM zugunsten der …bank B… (…) an den entsprechenden Grundstücken bewilligt worden, die am 11.10.1995 im Grundbuch eingetragen wurde (im Folgenden „Erstgrundschuld“). Die damalige Sicherungsgeberin hatte sich in der Urkunde der sofortigen Zwangsvollstreckung in das Pfandobjekt unterworfen. Im Wege der Teilung nach § 8 WEG wurde das Eigentum an den Grundstücken danach in Miteigentumsanteile aufgeteilt, für die die Grundbuchblätter 8076 bis 8188 angelegt wurden.
Die Klägerin kaufte im Jahr 1996 insgesamt acht Hotelappartements, darunter auch das streitgegenständliche, zu einem Kaufpreis von insgesamt 1.180.000 DM. Diesen Kaufpreis finanzierte die Käuferin vollständig durch ein am 22.10.1996 aufgenommenes Darlehen bei der …bank; in dem Darlehensvertrag heißt es unter „3. Sicherheiten“:
„[…] Der …bank werden/wurden – unbeschadet der Haftung etwa bereits bestehender oder künftiger sonstiger Sicherheiten im Rahmen ihres Sicherungszweckes – in besonderen Urkunden folgende Grundschuld(en) nebst Nebenleistungen bestellt/ abgetreten:
Erstrangiger Teilbetrag von DM 1.180.000,00 der bereits zugunsten der …bank eingetragenen Gesamtgrundschuld in Höhe von DM 7.000.000,00 auf dem Grundbuch von Fürstenwalde, Bl. …-… und …-… nach Vorlast in Abteilung II: Rückauflassungsvormerkung für die Stadt Fürstenwalde“.
In der darüber hinaus abgegebenen „Zweckerklärung für Grundschulden/ Sicherung der Geschäftsverbindung“ heißt es unter der Überschrift „Sicherungsabrede, Sicherungszweck“:
„Die …bank ist/ wird Gläubigerin der auf dem Wohnungs-Grundbuch von Fürstenwalde Bl. …-…, …-… Bestandsverz. Nr. 1, … F…, E…str. …/ F…-Straße verzeichneten Pfandobjekt(en) der Firma R.. S… GmbH – nachstehend, auch bei mehreren, der Sicherungsgeber genannt – nebst Zinsen und Nebenleistung eingetragenen/ einzutragenden Grundschuld(en): 1.180.000,00 DM. Die Grundschuld(en) nebst Zinsen und Nebenleistung dient/ dienen zur Sicherheit für alle bestehenden und künftigen, auch bedingten oder befristeten Forderungen der …bank gegen die R…S… GmbH.“
[…] 1.6 Freigabe von Sicherheiten
Sobald die …bank wegen aller ihrer Ansprüche – auch bedingter und befristeter – gegen den Kreditnehmer befriedigt ist, ist sie – auf entsprechendes Verlangen – verpflichtet, ihre Rechte aus der/den Grundschuld(en) freizugeben. Sie ist schon vorher auf Verlangen zur Freigabe verpflichtet, soweit sie die Grundschulde(en) nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Kreditsicherung zur Sicherung der Ansprüche nicht mehr benötigt. […]“
Am 13.5.1998 wurde der Betrag der Erstgrundschuld gemäß § 1132 Abs. 2 BGB so auf die verschiedenen Teileigentumseinheiten aufgeteilt, dass auf dem streitgegenständlichen Teileigentum Nr. … nur noch eine Einzelgrundschuld von 117.000 DM (= 59.821,15 €) lastete.
Die Klägerin wurde am 7.6.2000 als Eigentümerin des streitgegenständlichen Teileigentums im Grundbuch eingetragen.
Die Klägerin geriet mit der Zahlung der vereinbarten Darlehensraten in Rückstand. Nach Kündigung des Darlehens am 07.06.2006 erhob die …bank vor dem Landgericht München Klage gegen die Klägerin (und deren Geschäftsführer als Bürgen) auf Zahlung von Zinsen und Rückzahlung des noch offenen Saldos. Die Klägerin machte im Gegenzug Schadenersatzansprüche wegen einer vermeintlichen Falschberatung im Zusammenhang mit der Darlehensgewährung geltend. Die Klage wurde vom Landgericht mit Urteil vom 04.10.2010 abgewiesen. Nach Berufung gegen das Urteil durch die …bank wurde das Berufungsverfahren wegen zwischenzeitlicher Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Klägerin unterbrochen und in der Folgezeit nicht weiter betrieben.
Über das Vermögen der Klägerin war bereits am 30.12.2009 das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Dabei meldete die …bank eine Darlehensforderung von 615.410,26 € zur Insolvenztabelle an. Der Insolvenzverwalter gab am 11.01.2010 (u.a.) das streitgegenständliche Teileigentum aus dem Insolvenzbeschlag frei.
Es kam zu Verhandlungen zwischen der …bank und dem Insolvenzverwalter. Mit Schreiben vom 22.01.2014 teilte die …bank dem Insolvenzverwalter mit:
„Wir konkretisieren unsere Bereitschaft zum Abschluss einer Vereinbarung dahingehend, dass wir bereit sind, unsere Forderungsanmeldung im Insolvenzverfahren der R…S… GmbH zurückzunehmen, sofern Dr. A… als Insolvenzverwalter über das Vermögen der R…S… GmbH und Herr St… auf Schadenersatzansprüche uns gegenüber verzichten.
Einen Verzicht auf die zu unseren Gunsten eingetragenen Grundpfandrechte werden wir nicht erklären.“
Der Insolvenzverwalter schloss am 31.01.2014 mit der …bank die folgende Vereinbarung (im Folgenden: Verzichtsvereinbarung):
„[…]
Vorbemerkung
Das Amtsgericht – Insolvenzgericht München hat mit Beschluss vom 30.12.2009 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der R… S… GmbH eröffnet und Herrn RA Dr. A… zum Insolvenzverwalter bestellt.
Die …bank B… AG hat im laufenden Insolvenzverfahren eine Darlehensforderung in Höhe von 615.410,26 € zur Insolvenztabelle angemeldet, die in voller Höhe festgestellt wurde. Das Darlehen wurde zum Erwerb von Immobilien ausgereicht und durch die Eintragung von Grundschulden auf den Immobilien sowie eine Bürgschaft durch Herrn St.. besichert.
Vor dem Hintergrund des Beschlusses des OLG München vom 11.07.2011 und etwaiger Schadenersatzansprüche vereinbaren die Parteien was folgt:
§ 1 Verzicht der …bank B… AG
(1) Die …bank B… AG erklärt den Verzicht auf die Geltendmachung der zur Insolvenztabelle angemeldeten und festgestellten Darlehensforderung gegenüber dem Insolvenzverwalter und nimmt die Forderung schriftlich binnen zwei Wochen nach Unterzeichnung dieser Vereinbarung zurück.
(2) Der Insolvenzverwalter nimmt diesen Verzicht an.
§ 2 Verzicht auf Schadenersatz
(1) Herr Dr. A… als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Firma R…S… GmbH erklärt den Verzicht auf die Geltendmachung von etwaigen Schadenersatzansprüchen gegen die …bank B… AG auf Grund einer möglichen Falschberatung im Zusammenhang mit dem ausgereichten Darlehen.
(2) Die …bank B… AG nimmt diesen Verzicht hiermit an.
§ 3 Abgeltung
Mit dieser Vereinbarung sind sämtliche Ansprüche zwischen den Beteiligten hinüber und herüber, gleich aus welchem Rechtsgrund, gleich ob bekannt oder unbekannt abgegolten. […]“
Das über das Vermögen der Klägerin eröffnete Insolvenzverfahren wurde durch Beschluss des Amtsgerichts München vom 21.05.2015 nach Schlussverteilung aufgehoben.
Mit Vertrag vom 19./26.10.2018 trat die …bank die Darlehensforderung gegenüber der Klägerin sowie die dazugehörige Grundschuld an die Beklagte ab. In dem Vertrag heißt es:
„[…] § 1
Kaufgegenstand
Der Verkäuferin steht per 31.10.2018 aus der Geschäftsverbindung mit der Firma R… S… GmbH eine fällige Gesamtforderung in Höhe von
EUR 873.539,17 (i.W. […])
Zuzüglich 5 % Zinsen […] seit dem 01.11.2018 zu. Die Forderung resultiert aus dem zwischen der Verkäuferin und der Firma R… […] geschlossenen folgend genannten Darlehensvertrag:
IBAN […] vom 22.10.1996 über ursprünglich DEM 1.180.000,00 […]
Zur Absicherung der oben bezeichneten Forderung sind zu Gunsten der Verkäuferin folgenden Grundschulden eingetragen:
Amtsgericht Fürstenwalde, Grundbuch von Fürstenwalde Blatt …: Grundschuld Abt. III lfd. Nr. 1 über DM 117.000,00, Teileigentum Nr. …[…]
§ 3
Abtretung Forderung
Die Verkäuferin tritt hiermit unter der aufschiebenden Bedingung der vollständigen Bezahlung des Gesamtkaufpreises die Kreditforderung zum Stichtag an den Käufer ab. Der Käufer nimmt die Abtretung an. […]
§ 4
Abtretung Grundschulden
Die zur Absicherung der oben bezeichneten Forderung bestellten brieflosen Grundschulden (s. § 1) des Vertrages werden mit allen rückständigen, laufenden und künftigen Zinsen, beginnend mit dem Tag der Beurkundung der Grundschuldbestellungsurkunden, nach Eingang des Kaufpreises an den Käufer, in notariell beglaubigter Form abgetreten. […]
Der Käufer übernimmt die jeweiligen Verpflichtungen der Verkäuferin aus den Sicherungsabreden und verpflichtet sich, die Sicherungsrechte unter Beachtung und im Rahmen der bestehenden Sicherungsabreden zu verwerten, zu übertragen und insbesondere die nicht akzessorischen Sicherungsrechte nach Erreichen des Sicherungszwecks abredegemäß an die Kreditnehmerin bzw. den Sicherungsgeber zurück zu übertragen oder freizugeben.[…]“
Am 03.12.2018 wurde die Beklagte als Gläubigerin der streitgegenständlichen Grundschuld im Grundbuch eingetragen. Aufgrund der der Beklagten erteilten vollstreckbaren Ausfertigung betreibt diese nunmehr die Zwangsvollstreckung.
Die Klägerin meint, sie habe einen Anspruch auf Löschung der Grundschuld, da die abgesicherte Forderung aufgrund der Verzichtsvereinbarung zwischen dem Insolvenzverwalter und der …bank erloschen sei.
Die Beklagte meint, die …bank habe in der Vereinbarung mit dem Insolvenzverwalter der Klägerin weder auf ihre Forderungen noch auf die eingetragenen Grundpfandrechte verzichtet. Dies folge aus dem Schreiben vom 22.1.2014 an den Insolvenzverwalter. Hinzu komme die Freigabe des belasteten Teileigentums aus dem Insolvenzbeschlag. Die Grundschuld nebst Forderung sei bereits vor dem Erwerb des Eigentums des Teileigentums durch die Klägerin eingetragen worden bzw. entstanden.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und die Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde für unzulässig erklärt sowie die Beklagte verurteilt, die Löschung der Grundschuld herbeizuführen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin könne der Beklagten gemäß § 1192 Abs. 1a BGB das Erlöschen der gesicherten Forderung entgegen halten. Diese sei nämlich infolge der Verzichtsvereinbarung und der darin enthaltenen Abgeltungsklausel erloschen. Wegen der weiteren tatsächlichen Feststellungen wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.
Mit der Berufung verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Sie wiederholt und vertieft ihre erstinstanzliche Argumentation, wonach sie Forderung und Grundschuld erworben habe, die Forderung noch bestehe und § 1192 Abs. 1a BGB nicht anwendbar sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 10.03.2023, Az. 12 O 107/22, abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
II.
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
1.
Soweit die Klägerin begehrt, die Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde für unzulässig zu erklären, handelt es sich um eine zulässige Vollstreckungsabwehrklage. Gemäß § 767 Abs. 1 ZPO ist eine Vollstreckungsabwehrklage zulässig, soweit der Vollstreckungsschuldner Einwendungen geltend macht, die den „durch das Urteil“ festgestellten Anspruch betreffen. Die Klageart ist aber auch (u.a.) gegen vollstreckbare Titel nach § 794 Nr. 5 ZPO zulässig (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 31. Aufl., § 767 Rn. 7, vollstreckbare Urkunden) und richtet sich hier gegen die Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde, mit der die Grundschuld bewilligt wurde und in der sich der Sicherungsgeber der sofortigen Zwangsvollstreckung aus der Urkunde unterworfen hatte.
Die Klägerin macht auch Einwendungen im Sinne des § 767 Abs. 1 ZPO geltend, nämlich das vollständige Erlöschen der gesicherten Forderung vor Übertragung der Grundschuld auf die Beklagte (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 31. Aufl., § 767 Rn. 12, Erlöschen; BGH, Urteil vom 20.04.2018 – V ZR 106/17 –, Rn. 26, juris).
Die Klägerin hat ein Rechtsschutzbedürfnis für die Abwehrklage, nachdem die Beklagte eine vollstreckbare Ausfertigung der notariellen Urkunde erhalten hat und daraus die Zwangsvollstreckung in das Eigentum der Klägerin betreibt.
2.
Die Zwangsvollstreckung aus der streitgegenständlichen Grundschuld ist unzulässig. Der Grundschuld steht die dauerhafte Einrede des Erlöschens der gesicherten Forderung entgegen, die sich aus dem zwischen der Klägerin und dem …bank geschlossenen Darlehensvertrag vom 22.10.1996 (unter dem Abschnitt „Sicherungsabrede, Sicherungszweck“) ergibt.
a)
Diese Einrede kann die Klägerin gemäß § 1192 Abs. 1a BGB auch der Beklagten als Erwerberin der Grundschuld entgegenhalten. § 1192 Abs. 1a BGB gilt gemäß Art. 229 § 18 Abs. 2 EGBGB für Gläubiger, deren Grundschulderwerb nach dem 19.08.2008 dinglich wirksam geworden ist (vgl. Herrler/Grüneberg, § 1192 Rn 2). Im vorliegenden Fall wurde die Abtretung der Grundschuld an die Beklagte am 03.12.2018 in das Grundbuch eingetragen und damit gemäß §§ 873, 1192 Abs. 1, 1115 BGB dinglich wirksam, d.h. nach dem o.g. Stichtag, so dass § 1192 Abs. 1a BGB anwendbar ist. Entgegen der Ansicht der Beklagten kommt es für den Anwendungsbereich des § 1192 Abs. 1a BGB nicht auf den Zeitpunkt der Ersteintragung der Grundschuld, sondern denjenigen der Eintragung des Zweiterwerbs der Grundschuld an. Mit „Erwerb“ ist in § 1192 Abs. 1a BGB und in Art. 229 § 18 Abs. 2 EGBGB die Übertragung einer schon bestehenden Grundschuld auf einen nachfolgenden Gläubiger gemeint. Der Fall der Weiterübertragung einer bis zum 19.08.2008 gutgläubig erworbenen Grundschuld, die die bis dahin entstandenen Einreden in Wegfall bringen kann (vgl. BGH, Urteil vom 25.10.2013 – V ZR 147/12 ), liegt hier nicht vor, da die hier maßgebliche Einrede erst im Jahr 2014 entstanden ist.
b)
Bei der in Rede stehenden Grundschuld handelt es sich um eine Sicherungsgrundschuld im Sinne des § 1192 Abs. 1a BGB. Eine Sicherungsgrundschuld ist eine Fremdgrundschuld, die den Erwerber der Grundschuld (oder einen Dritten) wegen einer Forderung gegen den Eigentümer (oder einen Dritten) sichert, indem sie bei Nichterfüllung zu deren Befriedigung verwertet werden darf. Der Sicherungscharakter einer Grundschuld kann auch nachträglich begründet werden (vgl. Grüneberg/Herrler, BGB 82. Aufl., § 1191 Rn. 13). Der Sicherungscharakter der Grundschuld wurde hier – im Verhältnis der Klägerin zur …bank – mit der Sicherungsabrede vom 22.10.1996 begründet. Danach dient die Grundschuld der Sicherung „für alle bestehenden und künftigen, auch bedingten oder befristeten Forderungen“ der …bank gegen die Klägerin.
Die Belastung mit der Erstgrundschuld setzte sich nach der Aufteilung zunächst an sämtlichen Miteigentumsteilen als Gesamtgrundschuld fort (vgl. BGH, Beschluss vom 09.02.2012 – V ZB 95/11, Rn. 8, juris; Müller in BeckOGKWEG, § 2 Rn. 40, 42). Die anschließende Verteilung nach § 1132 Abs. 2 BGB ändert an der Zuordnung der Grundschuld als Sicherungsobjekt für das Darlehen nichts. Denn die Gesamtgrundschuld zerfällt in selbständige Einzelgrundschulden im Rang der Gesamtgrundschuld (vgl. Herrler/Grüneberg, BGB, 82. Aufl., § 1132 Rn. 10). Die Sicherungsabrede im Darlehensvertrag ist so auszulegen, dass diese sich nach der Verteilung auf die dann entstandenen Einzelgrundschulden bezieht, so dass sich insbesondere der Charakter als Sicherungsgrundschuld im Sinne des § 1192 Abs. 1a BGB durch die Verteilung nicht ändert.
c)
Forderungen, die noch von der Sicherungsabrede erfasst sein könnten, sind mit der Verzichtsvereinbarung zwischen der …bank und dem Insolvenzverwalter der Klägerin gemäß § 397 Abs. 1 BGB erloschen. Die gebotene Auslegung der Verzichtserklärung führt zum Erlöschen der gesicherten Forderung.
In § 1 der Verzichtsvereinbarung verzichtet die …bank ausdrücklich auf den Rückzahlungsanspruch aus dem Darlehen, jedenfalls soweit die …bank diese Forderung zur Insolvenztabelle angemeldet hatte. Soweit darüber hinaus noch Forderungen der …bank gegenüber der Klägerin bestanden haben sollten, sind diese von der umfassenden Abgeltungsklausel in § 3 der Verzichtsvereinbarung erfasst, die ausdrücklich „sämtliche Ansprüche zwischen den Beteiligten hinüber und herüber, gleich aus welchem Rechtsgrund, gleich ob bekannt oder unbekannt“ betrifft. Die Verzichtsvereinbarung lässt den unmissverständlichen rechtsgeschäftlichen Willen der …bank erkennen, auf sämtliche Forderungen gegen die Klägerin zu verzichten. Eine solche Vereinbarung ist als Erlassvertrag im Sinne des § 397 Abs. 1 BGB anzusehen, der als verfügender Vertrag zum unmittelbaren Wegfall der betroffenen Forderungen führt (vgl. Grüneberg, BGB, 82. Aufl., § 397 Rn. 2).
Der Insolvenzverwalter war gemäß § 80 InsO zur Verfügung über das Vermögen der Klägerin befugt und konnte daher die Verzichtsvereinbarung mit Wirkung für und gegen die Klägerin abschließen. Mit Ausnahme der Eigenverwaltung (§§ 270 ff. InsO) tritt mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Insolvenzverwalter in sämtliche vermögensrechtliche Positionen des Insolvenzschuldners ein mit der Folge, dass ihm die gleichen Rechte zustehen und die gleichen Pflichten obliegen wie dem Insolvenzschuldner selbst (vgl. Uhlenbruck/Mock, 15. Aufl. 2019, InsO § 80 Rn. 71). Rechtsgeschäftliche Erklärungen des Insolvenzverwalters binden den Insolvenzschuldner unmittelbar. Der Verwalter tritt zwar in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter auf und gibt die Willenserklärung im eigenen Namen ab, verpflichtet wird jedoch unmittelbar die Insolvenzmasse bzw. der Insolvenzschuldner (vgl. Uhlenbruck/Mock InsO § 80 Rn. 64). Dies hat zur Folge, dass die Verzichtsvereinbarung sämtliche Forderungen der …bank gegenüber der Klägerin unmittelbar zum Erlöschen gebracht hat.
Die Verzichtsvereinbarung ist nicht so auszulegen, dass die Forderung nur im Rahmen des Insolvenzverfahrens nicht geltend gemacht werden sollte und im Übrigen noch mit der Grundschuld als Sicherungsmittel bestehen bleibt. Zwar ist es grundsätzlich gemäß § 201 Abs. 1 InsO möglich, dass ein Insolvenzgläubiger seine Forderung gar nicht erst im Insolvenzverfahren geltend macht, sondern erst nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens. Bei nicht-natürlichen Personen – wie hier – findet auch keine Restschuldbefreiung nach den §§ 286 ff. InsO statt, so dass eine Forderung gegen den Insolvenzschuldner auch nach Abschluss des Insolvenzverfahrens weiter bestehen kann.
Im vorliegenden Fall lässt sich jedoch weder dem Wortlaut noch der Systematik der Verzichtsvereinbarung entnehmen, dass sie eine solche - nur auf das Insolvenzverfahren beschränkte - Wirkung entfalten sollte. Der gewählten Formulierung eines „Verzichts auf die Geltendmachung der … Darlehensforderung“ lässt sich eine Beschränkung auf das Insolvenzverfahren nicht entnehmen. Der Begriff „Verzicht“ entspricht der Terminologie des Gesetzes in § 306 ZPO und wird häufig synonym bei der Vereinbarung eines Erlassvertrages im Sinne des § 397 BGB verwendet (vgl. Grüneberg, BGB, 82. Aufl., § 397 Rn. 4). Dies ist insbesondere juristisch geschulten Personen bekannt, so dass davon auszugehen ist, dass die beschriebene Wortbedeutung den vertragsschließenden Personen sowohl auf Seiten der …bank als auch auf Seiten des Insolvenzverwalters bekannt war. Für eine juristisch korrekte Verwendung des Wortes „Verzicht“ spricht auch die zusätzliche Formulierung „…nimmt diesen Verzicht an“, die deutlich macht, dass es sich um eine vertragliche, d.h. zweiseitige, Erklärung handelt. Aus der Wahl des Wortes „Geltendmachung“ lässt sich eine den Verzicht auf das Insolvenzverfahren beschränkende Wirkung nicht herleiten, insbesondere heißt es nicht „Geltendmachung im Insolvenzverfahren“. Hinzu kommt, dass die Abgeltungsklausel in § 3 umfassend ist und damit „sämtliche Ansprüche [...] abgegolten“ sein sollten. Auch diese Formulierung entspricht dem üblichen juristischen Sprachgebrauch für eine endgültige Beilegung.
Schließlich spricht auch die Interessenlage der Vertragsparteien zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses für einen endgültigen Erlass der Forderungen der …bank gegen die Klägerin. Denn im Gegenzug für den Forderungserlass der …bank verzichtete der Insolvenzverwalter (mit Wirkung gegen die Klägerin) auf etwaige Schadenersatzansprüche gegen die …bank wegen Falschberatung im Zusammenhang mit dem Darlehensvertrag. Da der Insolvenzverwalter zur Wahrung der Gesamtinteressen der Insolvenzgläubiger verpflichtet ist (vgl. Uhlenbruck/Mock, 15. Aufl. 2019, InsO § 80 Rn. 92), wäre er auch verpflichtet gewesen, etwaigen Schadenersatzansprüchen der Insolvenzschuldnerin gegenüber der …bank im Insolvenzverfahren nachzugehen. Ohne die Verzichtsvereinbarung wäre die …bank der Schadenersatzforderung des Insolvenzverwalters in voller Höhe ausgesetzt gewesen. Ein solcher Anspruch gegen die …bank wäre in voller Höhe der Insolvenzmasse zugeflossen, während die …bank im Gegenzug nur eine quotale Befriedigung ihrer Forderung hätte erwarten können. Dass die Schadenersatzforderung der Insolvenzschuldnerin von vorneherein nicht werthaltig war, liegt angesichts des klageabweisenden Urteils des Landgerichts München fern. Auch der (spätere) Eintritt der Verjährung des Schadenersatzanspruches wäre für die …bank ohne Nutzen gewesen, weil eine Verjährung wegen § 215 BGB eine bereits bestehende Aufrechnungslage nicht zum Wegfall gebracht hätte - ungeachtet der (naheliegenden) Möglichkeit, dass eine Aufrechnung bereits im Verfahren vor dem Landgericht München erklärt worden war. Unter Berücksichtigung dieser Umstände lag eine endgültige Regelung der gegenseitigen Forderungen auch im Interesse der …bank. Eine auf das Insolvenzverfahren beschränkte Wirkung der Verzichtsvereinbarung hätte einerseits die übrigen Insolvenzgläubiger (möglicherweise) wegen des Wegfalls eines werthaltigen Anspruchs aus der Insolvenzmasse benachteiligt, während sich andererseits die wirtschaftliche und rechtliche Lage der …bank - insbesondere vor dem Hintergrund der Möglichkeit der Klägerin, das Berufungsverfahren wieder aufzunehmen - gar nicht wesentlich verbessert hätte. Gemäß § 157 BGB sind Verträge so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern, so dass die beschriebenen Umstände eine Auslegung der Verzichtsvereinbarung im Sinne eines endgültigen Erlasses gebieten.
Die von der Beklagten angeführten Begleitumstände ändern an der Auslegung im Ergebnis nichts. Die vorherige Freigabe der Teileigentumseinheiten aus dem Insolvenzbeschlag durch den Insolvenzverwalter erfolgte bereits unmittelbar nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Jahr 2010 und steht schon zeitlich nicht im Zusammenhang mit den Vertragsverhandlungen im Jahr 2014. In sachlicher Hinsicht diente die Freigabe ersichtlich dem Ziel, die Insolvenzmasse nicht unnötig mit (vermeidbaren) Verbindlichkeiten zu belasten. Denn angesichts der den Wert der Immobilie übersteigenden dinglichen Belastung und der vorrangigen abgesonderten Befriedigung daraus nach § 49 InsO sowie der laufenden Kosten für die Immobilie, war mit einem Vermögenszufluss aus der Immobilie zugunsten der Insolvenzmasse nicht zu rechnen. Soweit die …bank im Schreiben vom 22.01.2014 geäußert hat, auf die bestellten Grundpfandrechte nicht verzichten zu wollen, hat die Verzichtsvereinbarung hinsichtlich der Darlehensforderung jedoch – wie dargelegt – eine deutlich weitreichendere Formulierung erhalten und beschränkt sich gerade nicht auf den Verzicht der Forderungsanmeldung. Soweit die …bank davon ausgegangen ist, trotz Wegfalls der Darlehensforderung noch isoliert aus der Grundschuld vorgehen zu können, handelt es sich um einen Rechtsirrtum, der nicht die Auslegung berührt, sondern allenfalls im Rahmen einer – hier nicht erklärten – Anfechtung nach § 119 BGB wegen Inhaltsirrtums relevant werden könnte. Auf die - unter Beweis gestellten - subjektiven Vorstellungen der auf Seiten der …bank handelnden Mitarbeiter bei Vertragsschluss kommt es daher nicht an. Soweit die Beklagte schließlich offene Wohngeldschulden der Klägerin ins Feld führt, sind diese jedenfalls nicht durch die streitgegenständliche Grundschuld gesichert.
3.
Die Klägerin kann auch die Löschung der Grundschuld verlangen.
Schuldrechtlich stand der Klägerin aufgrund der Sicherungsabrede (Ziffer 1.6) nach Erlöschen der gesicherten Forderung zunächst ein durch den Wegfall des Sicherungszwecks aufschiebend bedingter Rückgewähranspruch gegen die …bank zu (vgl. Herrler/Grüneberg, BGB, 82. Aufl., § 1191 Rn. 26). Dieser in der Sicherungsabrede als „Freigabe“ bezeichnete Anspruch richtet sich nach Wahl des Gläubigers auf Übertragung, Verzicht oder Aufhebung. Die Beklagte hat in § 4 des Forderungskaufvertrages vom 19./26.10.2018 die Rückübertragungsverpflichtung als eigene Verpflichtung übernommen. Dieser zwischen der Beklagten und der …bank geschlossene Vertrag ist im Verhältnis zur Klägerin als (echter) Vertrag zugunsten Dritter im Sinne des § 328 BGB anzusehen, so dass die Klägerin berechtigt ist, den Rückgewährsanspruch unmittelbar gegenüber der Beklagten geltend zu machen (vgl. BGH, Urteil vom 25.10.1984 – IX ZR 142/83 –, Rn. 29, juris).
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen. Streitentscheidend ist hier die Auslegung der individualvertraglichen Verzichtsvereinbarung, der keine grundsätzliche Bedeutung zukommt. Im Übrigen ist die Zulassung der Revision weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten.