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Polizeimeister; Probebeamter; gesundheitliche Bewährung; epileptische Anfälle; Zulassung zum Laufbahnwechsel; Zustimmung; Widerruflichkeit der Zustimmung; Widerspruch gegen Zulassung; sofortige Vollziehung bei Verwendungsentscheidungen


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 4. Senat Entscheidungsdatum 22.01.2024
Aktenzeichen OVG 4 S 47/23 ECLI ECLI:DE:OVGBEBB:2024:0122.OVG4S47.23.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 23 Abs 3 S 1 Nr 2 BeamtStG, § 23 Abs 3 S 2 BeamtStG, § 26 Abs 2 BeamtStG, § 105 LBG BE

Leitsatz

Wird ein Probebeamter, dem die gesundheitliche Bewährung für den Polizeidienst fehlt, mit seiner Zustimmung zum Laufbahnwechsel zugelassen, kann er sich nicht auf die spätere Wiedererlangung der Polizeidienstfähigkeit berufen.

Tenor

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 26. September 2023 wird mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung geändert. Der Antrag des Antragstellers, die aufschiebende Wirkung der Klage VG 26 K 154/23 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 30. Mai 2022 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 27. März 2023 wiederherzustellen, wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Beschwerde ist begründet. Das Oberverwaltungsgericht prüft gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zunächst nur die vom Antragsgegner fristwahrend dargelegten Gründe der Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts. Erweisen sich die mit der Beschwerde dargelegten Gründe als berechtigt, setzt eine Stattgabe durch das Oberverwaltungsgericht voraus, dass sich die angefochtene Entscheidung nicht aus anderen Gründen als richtig erweist (ständige Rechtsprechung des Senats, siehe OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 20. Juni 2017 – OVG 4 S 17.17 – juris Rn. 2 ff. m.w.N.).

Bei dieser Prüfungsvorgabe erkennt der Senat keinen Grund, es bei der vom Verwaltungsgericht beschlossenen Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage VG 26 K 154/23 zu belassen, mit welcher der Antragsteller, ein Polizeimeister im Beamtenverhältnis auf Probe, gegen seine Zulassung zum Laufbahnwechsel in den nichttechnischen allgemeinen Verwaltungsdienst vorgeht.

Der Antragsgegner wendet sich zutreffend gegen die für die Entscheidung erhebliche Annahme des Verwaltungsgerichts, der Dienstherr hätte, wenn er dem Antragsteller die gesundheitliche Bewährung für den Polizeidienst abspricht, im Lichte der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts früher über die weitere Verwendung des Antragstellers entscheiden müssen. Das Verwaltungsgericht hält dem Antragsgegner vor, er habe die Entscheidung schuldhaft verzögert, weswegen die Bewährung des Polizeimeisters im Beamtenverhältnis auf Probe gleichsam feststehe und er die Umwandlung in ein Beamtenverhältnis auf Lebenszeit beanspruchen könne, sich folglich nicht auf den Laufbahnwechsel einlassen müsse.

Das Bundesverwaltungsgericht verlangt vom Dienstherrn aus Gründen der Fürsorgepflicht, die Entscheidung über die Bewährung des Beamten unverzüglich, ohne schuldhafte Verzögerung nach Ablauf der laufbahnrechtlichen Probezeit zu treffen (Beschluss vom 27. Dezember 2016 – 2 B 59.16 – juris Rn. 15). Es widerspreche der Fürsorgepflicht, den Beamten unangemessen lange – länger als für eine sorgfältige Abwägung aller Umstände erforderlich – in Ungewissheit über sein beamtenrechtliches Schicksal zu lassen. Andernfalls dürfe der Beamte von seiner Bewährung ausgehen und annehmen, dass der Dienstherr von der Möglichkeit der Entlassung absehen werde (BVerwG, Urteil vom 31. Mai 1990 – 2 C 35.88 – juris Rn. 22). Demgemäß kann ein schutzwürdiges Vertrauen nicht entstehen, wenn dem Beamten dessen Nichtbewährung rechtzeitig mitgeteilt wurde (vgl. von Roetteken, in: von Roetteken/Rothländer, BeamtStG, Stand Juni 2020, § 23 Rn. 666; Reich, in: Reich, BeamtStG, 3. Aufl. 2018, § 23 Rn. 19).

Vor diesem Hintergrund stellt das Verwaltungsgericht zu Unrecht auf den Zeitraum zwischen Mai 2021 (Abschluss der medizinischen Sachverhaltsermittlung) und 30. Mai 2022 (Bescheid über die Zulassung zum Laufbahnwechsel) ab, den es für zu lang gehalten hat. Denn der Antragsgegner hatte dem Antragsteller, dessen laufbahnrechtliche Probezeit am 28. Februar 2021 endete, lange vor dem Mai 2022 die behördliche Entscheidung vermittelt, dass er sich in gesundheitlicher Hinsicht nicht für den Polizeidienst bewährt habe. Offen war nur noch die Frage, ob der Antragsteller zu entlassen war oder in eine andere Laufbahn genommen werden könnte, in welcher er nicht die erhöhten Anforderungen der Polizeidienstfähigkeit erfüllen müsste. Der Antragsteller unterzeichnete am 9. Juli 2021 eine Belehrung, wonach er über das Ergebnis der polizeiärztlichen Untersuchung vom 16. Februar 2021 und der ergänzenden Stellungnahme vom 28. Mai 2021, über die dabei festgestellte Polizeidienstunfähigkeit gemäß § 105 LBG und über die beamtenrechtlichen Konsequenzen informiert worden sei. Der Antragsteller stimmte mit seiner Unterschrift ausdrücklich seiner Umschulung in den allgemeinen nichttechnischen Verwaltungsdienst zur Vermeidung einer Entlassung zu und erklärte sich einverstanden, an Qualifizierungsmaßnahmen für den Erwerb der neuen Befähigung für die andere Laufbahn teilzunehmen.

Dem Antragsteller war spätestens mit seiner Erklärung vom 9. Juli 2021 bewusst, dass der Antragsgegner von der gesundheitlichen Nichtbewährung für den Polizeidienst ausging und dass es im Weiteren um den Laufbahnwechsel oder die Entlassung gehen würde. Die nachfolgende Verzögerung bis zum Erlass des Bescheides am 30. Mai 2022 war durch die Klärung der Voraussetzungen und Modalitäten des Laufbahnwechsels bedingt, wie der Antragsgegner im Einzelnen in der Beschwerdebegründung darlegt. Im Interesse des Antragstellers hätte diese Klärung zwar schneller erfolgen sollen. Hingegen gab der Antragsgegner dem Antragsteller nach dem Ende der laufbahnrechtlichen Probezeit nie Grund zu der Annahme, dass er nunmehr doch als Polizeibeamter in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit übernommen werden könnte. Sollte der Antragsteller nach den epileptischen Anfällen im Juli 2020 noch darauf vertraut haben, so wäre sein Vertrauen seit dem 9. Juli 2021 nicht mehr schutzwürdig gewesen.

Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als im Ergebnis richtig. Wie sich aus § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BeamtStG ergibt, können Beamte auf Probe, die sich in der Probezeit nicht bewährt haben, entlassen werden. Nach § 23 Abs. 3 Satz 2 mit § 26 Abs. 2 BeamtStG kann ihnen bei allein mangelnder gesundheitlicher Eignung stattdessen ein anderes Amt derselben oder einer anderen Laufbahn übertragen werden, wenn die weiteren Voraussetzungen des § 26 Abs. 2 BeamtStG erfüllt sind. Das Bundesverwaltungsgericht hat zu früheren Gesetzesbestimmungen, in denen der Laufbahnwechsel vom Gesetzgeber noch nicht vorgesehen war, entschieden, dass die Entlassung, die der Dienstherr aussprechen „kann“, bei feststehender Nichtbewährung nicht in dessen Ermessen stehe, sondern zwingend vorzunehmen sei; lediglich bei Zweifeln an der Bewährung dürfe die Probezeit im gesetzlichen Rahmen verlängert werden, um sich über Bewährung bzw. Nichtbewährung zu vergewissern (BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2013 – 2 C 16.12 – juris Rn. 11; ebenso Sauerland, in: Brinktrine/Schollendorf, BeckOK Beamtenrecht Bund, Stand 15. Juli 2023, § 23 BeamtStG Rn. 62 f.; Reich, in: Reich, BeamtStG, 3. Aufl. 2018, § 23 Rn. 16). Das hier anzuwendende Beamtenstatusgesetz räumt dem Dienstherrn mit gleichlautender Formulierung ebenfalls nicht das Ermessen ein, einen nichtbewährten Probebeamten in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit zu übernehmen. Nach dem jetzt geltenden Recht tritt neben die Entlassung bei allein mangelnder gesundheitlicher Eignung nur die Möglichkeit des Laufbahnwechsels.

Die Nichtbewährung des Antragstellers für den Polizeidienst stand fest. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der gesundheitlichen Eignung eines Probebeamten ist der Ablauf der Probezeit, nicht der Zeitpunkt des Erlasses der letzten Verwaltungsentscheidung (so in ständiger Rechtsprechung BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2013 – 2 C 16.12 – juris Rn. 12, anders von Roetteken, in: von Roetteken/Rothländer, BeamtStG, Stand Juni 2020, § 23 Rn. 862). Zu diesem Zeitpunkt lagen die epileptischen Anfälle erst einige Monate zurück. Diese berechtigten nicht allein zu Zweifeln an der gesundheitlichen Eignung, sondern schlossen sogar die Polizeidienstfähigkeit (§ 26 Abs. 1 Satz 4 BeamtStG i.V.m. § 105 LBG) aus (vgl. zum Unterschied zwischen diesen Kategorien von Roetteken, in: von Roetteken/Rothländer, BeamtStG, Stand März 2023, § 26 Rn. 63). Zu der Polizeidienstfähigkeit gehören die Fähigkeiten zum Führen von Schusswaffen und von Fahrzeugen unter Inanspruchnahme von Sonderrechten. Diese Fähigkeiten schloss auch der vom Antragsteller selbst herangezogene Chefarzt des Instituts für Diagnostik der Epilepsien in dessen Fall aus. In der gutachterlichen Stellungnahme vom 30. April 2021 setzte er eine Frist von zwei Jahren seit den zwei epileptischen Anfällen, also bis zum Juli 2022, zu dem Zweck abzuwarten, ob es zu weiteren epileptischen Anfällen kommt.

Nach dem medizinischen Kenntnisstand bei Ablauf der laufbahnrechtlichen Probezeit war von einer andauernden Polizeidienstunfähigkeit auszugehen. Denn Polizeidienstunfähigkeit liegt gemäß § 105 LBG bei den vom Gesetz erfassten gesundheitlichen Einschränkungen vor, wenn „nicht zu erwarten ist“, dass die Polizeivollzugskraft ihre volle Verwendungsfähigkeit innerhalb zweier Jahre wiedererlangt. Eine volle Verwendungsfähigkeit ist zu erwarten, wenn nach ärztlicher Erfahrung die vollständige Genesung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist (vgl. Brockhaus, in: Schütz/Maiwald, Beamtenrecht, Stand Januar 2013, § 116 BBG Rn. 25); dabei können seltene Komplikationen im Heilungsverlauf außer Betracht bleiben.

Von einer ärztlich gesicherten Erwartung unterscheidet sich das ärztlich empfohlene Abwarten, ob sich in einem auf ärztlicher Erfahrung beruhenden Zeitraum die Krankheit erneut manifestiert oder ob die Phase der epileptischen Anfälle als überwunden angesehen werden kann. In einer solchen Konstellation ist eine gesicherte Prognose über die Heilung gerade nicht möglich. Das traf auf den Antragsteller am 28. Februar 2021 zu.

Die vom Antragsteller zur Begründung seines Widerspruchs vom 12. Juli 2022 vorgetragene Erwägung, im Anschluss an die gutachterliche Stellungnahme vom 30. April 2021 sei er inzwischen wieder als voll polizeidienstfähig anzusehen, überzeugt nicht. Ist der Zeitpunkt gegen Ende der laufbahnrechtlichen Probezeit maßgeblich, darf die Bewertung der Rechtmäßigkeit des behördlichen Handelns nicht davon abhängig gemacht werden, ob bis zum Ende der ärztlich für notwendig gehaltenen Zeit des Abwartens die Krankheit wieder aufgetreten oder aber ausgeblieben ist (entsprechend von Roetteken, in: von Roetteken/Rothländer, BeamtStG, Stand März 2023, § 26 Rn. 439).

Die damalige Entscheidung des Antragsgegners, den polizeidienstunfähigen Antragsteller nicht zu entlassen, sondern ihn zum Laufbahnwechsel in das zweite Einstiegsamt der Laufbahngruppe 1 des allgemeinen Verwaltungsdienstes, Laufbahnzweig nichttechnischer Verwaltungsdienst, zuzulassen, steht im Einklang mit § 26 Abs. 2 BeamtStG. Danach dürfen den Beamten vor der Übertragung des neuen Amtes auch Qualifizierungsmaßnahmen zum Erwerb der Laufbahnbefähigung auferlegt werden. Der Bescheid des Antragsgegners ist nicht etwa dadurch rechtswidrig geworden, dass der Widerspruch des Antragstellers als Widerruf der Zustimmung zum Laufbahnwechsel verstanden werden kann. Denn bei Verwaltungsakten, die den Status von Beamten betreffen, ist die Zustimmung, wenn sich nichts anderes aus dem Gesetz ergibt, nur bis zur Bekanntgabe des Bescheides möglich (BVerwG, Beschluss vom 17. September 1996 – 2 B 98.96 – juris Rn. 8; Urteil vom 15. Mai 1997 – 2 C 3.96 – juris Rn. 23; ferner Beschluss vom 12. April 2000 – 1 WB 7.00 – juris Rn. 5; zustimmend Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 10. Aufl. 2023, § 35 Rn. 237). Wirkt die Zustimmung des Antragstellers vom 9. Juli 2021 fort, wird er durch den Bescheid des Antragsgegners nicht in eigenen Rechten verletzt (entsprechend BVerwG, Beschluss vom 17. September 1996 – 2 B 98.96 – juris Rn. 7 f.). Abgesehen davon ist die Übertragung eines anderen Amtes gemäß § 26 Abs. 2 Satz 2 BeamtStG sogar ohne Zustimmung zulässig, wenn das neue Amt zum Bereich desselben Dienstherrn gehört, es mit mindestens demselben Grundgehalt verbunden ist wie das bisherige Amt und wenn zu erwarten ist, dass die gesundheitlichen Anforderungen des neuen Amtes erfüllt werden.

Schließlich ist die Anordnung der sofortigen Vollziehung durch gesonderte Verfügung des Antragsgegners vom 21. Juli 2023 nicht zu beanstanden. Die Behörde genügte mit ihrer individuellen Begründung dem Erfordernis aus § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Der Bescheid über die Zulassung zum Laufbahnwechsel ist im Unterschied zu einer Abordnung oder Versetzung sowie einer Übernahme bei Umbildung einer Körperschaft (§ 54 Abs. 4 BeamtStG; § 93 Abs. 2 Satz 1 LBG) nicht ohne Weiteres sofort vollziehbar. Diese beiden Vorschriften verdeutlichen indes die Auffassung der Gesetzgeber, Verwendungsentscheidungen von Beamten sollten, um die Erfüllung öffentlicher Aufgaben nicht zu gefährden, während eines Rechtsstreits grundsätzlich nicht suspendiert sein. Angesichts dessen ist es in aller Regel und so auch hier gerechtfertigt, die behördliche Anordnung der sofortigen Vollziehung bestehen zu lassen, wenn die Verwendungsentscheidung vom Gericht als rechtmäßig erkannt wird.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 GKG (wegen des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes mit der Hälfte des gesetzlichen Auffangwertes).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).