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Wirtschaftlichkeitsprüfung; Zahnarzt; Prüfung in besonderen Fällen; Verstoß gegen Behandlungsrichtlinien; Parodontosebehandlung; Mitwirkungsobliegenheit im Prüfverfahren


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 7. Senat Entscheidungsdatum 31.08.2011
Aktenzeichen L 7 KA 157/07 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 106 Abs 2 Nr 2 SGB 5

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 5. September 2007 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen eine vom Beklagten im Wege der Wirtschaftlichkeitsprüfung verfügte Kürzung seines Honorars wegen nicht richtliniengemäßer Parodontosebehandlung bei 15 Versicherten im Zeitraum Mai bis Dezember 2000 in der Höhe von insgesamt noch 8.221,28 Euro.

Der Kläger ist seit April 1998 als allgemein tätiger Zahnarzt in einer Einzelpraxis im Bezirk B niedergelassen und zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen.

Am 20. November 2001 stellten die Beigeladenen zu 1) bis 3) einen „vorsorglichen“ Prüfantrag, weil die „Par-Abrechnungen“ des Klägers nicht den vertraglichen Bestimmungen bzw. Richtlinien für die systematische Befunderhebung und Behandlung von Parodontopathien entsprächen. Mit Schreiben vom 22. Januar 2002 spezifizierten die Beigeladenen zu 1) bis 3) ihren vorsorglichen Prüfantrag. Nunmehr werde gebeten, eine Überprüfung vorzunehmen. Betroffen seien die Abrechnungsmonate Mai bis Dezember 2000 bei insgesamt 15 Patienten.

Der Antrag wurde mit folgenden Feststellungen begründet:

- in den meisten Fällen gleichlautende Diagnose

- teilweise keine oder keine abgeschlossene Vorbehandlung

- teilweise konservative Behandlungen noch während der laufenden Parodontosebehandlung

- teilweise Falschansatz der Gebührennummern Ä 1, 105, 107

- Modellrechnungen ohne Datum

- teilweise P 200 für antagonistenlose Zähne

- teilweise keine Einzeichnung marktoter Zähne

- teilweise Parodontose nicht nachgewiesen

- häufig erfolgt nur einmal die Abrechnung der Gebührennummer 111

- teilweise Zahnersatz vor und während der Parodontosebehandlung

Am 10. Oktober 2002 brachte der Kläger im Rahmen seiner Anhörung schriftlich vor, eine Stellungnahme sei nicht möglich, weil ihm keine Einzelheiten bekannt seien. Er habe versucht, die wesentlichen Aspekte der Verträge einzuhalten.

In seiner Sitzung vom 16. April 2003 (schriftlicher Bescheid vom 5. Juni 2003) beschloss der Prüfungsausschuss bei der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Berlin, die Parodontosebehandlungen für 15 Patienten in den Abrechnungsmonaten Mai bis Dezember 2000 zu 100 Prozent in Höhe von 17.541,70 DM bzw. 8.968,93 Euro vom Honorar des Klägers abzusetzen. Die Parodontosebehandlung der 15 im Einzelnen aufgeführten Versicherten sei nicht vertragsgerecht erfolgt. Alle Patienten seien zum Zeitpunkt der Parodontoseantragstellung als Neupatienten anzusehen gewesen, weil sie zum Teil über einen langen Zeitraum nicht in Behandlung gewesen seien oder tatsächlich kurz vorher oder auch am Tag der Antragstellung erstmalig in der Praxis erschienen seien. Zum Teil seien auch bis über den Abschluss der Behandlungen hinaus unbehandelte Störfaktoren verblieben, zudem Lücken ohne Abstützung der angrenzenden Zähne, sodass häufig die Prognosen der Zähne nicht gesichert gewesen seien. Putzaufklärungen hätten grundsätzlich nicht stattgefunden. Die Leistungsinhalte der abgerechneten Bema-Nrn. Ä 925 a – d seien nicht erfüllt worden, weil die zur Abrechnungsberechtigung benötigten obligatorischen schriftlichen Befunddokumentationen gefehlt hätten. Zudem seien die vorgelegten Röntgenaufnahmen für eine vertragsgerechte Parodontosebehandlung nicht immer ausreichend gewesen. Es hätten sich erhebliche Unstimmigkeiten in den Abrechnungsunterlagen und Dokumentationen befunden. Häufig hätten Muss-Befunde und notwendige Zahnersatzplanungen auf den Par-Staten gefehlt. Teilweise seien die Anamnesen unvollständig geblieben. Die Par-Staten aller Patienten hätten die einheitliche Diagnose „Parodontitis marginalis“ aufgewiesen. Es seien Einschleifmaßnahmen nach Bema-Nr. 108 geplant gewesen, obwohl der Kläger angegeben habe, hiermit nie zu therapieren. Der Absatz „III. Befund“ in der Anamnese des Par-Status sowie die Frage nach Einartikulation des Beschleifens seien immer unberücksichtigt geblieben. Einige antagonistenlose Zähne seien mit der Bema-Nr. P 200 belegt worden. Die auf den Par-Staten angegebenen Taschentiefen hätten sich anhand der Röntgenaufnahme nicht immer nachvollziehen lassen. Alle abgerechneten physikalisch-chemischen Methoden nach Bema-Nr. 33 hätten sich als Falschabrechnungen erwiesen, weil der Kläger nach eigenen Angaben lediglich eine Spülung vorgenommen habe. Auch hätten die Mundbehandlungen nach Bema-Nr. 105 im Anschluss an die Zahnsteinentfernung lediglich Nachbehandlungen dargestellt. Die Tage der Par-Modellherstellungen hätten sich nicht datenmäßig nachvollziehen lassen. Nachbehandlungen der kürrettierten Gebiete hätten teilweise gefehlt. In keinem Fall seien die vertraglichen Richtlinien eingehalten worden; die Beanstandungen hätten sich in allen Fällen gleichermaßen wiederholt.

Wegen der auf die einzelnen Patienten bezogenen Beanstandungen wird auf die Darstellung im Bescheid vom 5. Juni 2003, Blatt 1 bis 15, Bezug genommen.

Hiergegen legte der Kläger am 3. Juli 2003 Widerspruch ein, den er lediglich damit begründete, dass der Beschluss sachlich und rechtlich nicht begründet sei. Die Prüfung und der Beschluss verstießen gegen die einschlägigen Verträge, die Verfahrensordnung, gegen den BMV-Z und EKV-Z sowie gegen übergeordnete Gesetze (Grundgesetz, BGB) und die Berufsordnung für Zahnärzte. Außerdem sei Verjährung eingetreten.

Mit Beschluss vom 16. Februar 2005 (schriftlicher Bescheid vom 20. April 2005) wies der Beschwerdeausschuss für die Wirtschaftlichkeitsprüfeinrichtungen der Zahnärzte im Land Berlin den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung heißt es in dem Bescheid im Wesentlichen: Mit der Antragstellung im November 2001 sei die Antragsfrist von 18 Monaten eingehalten worden. Wie bei der Behandlung von Parodontopathien eine dem Wirtschaftlichkeitsgebot entsprechende Versorgung durchzuführen sei, sei für den streitigen Zeitraum in den Richtlinien des Bundesausschusses der Zahnärzte und Krankenkasse für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche vertragszahnärztliche Versorgung einheitlich geregelt. Die 15 Parodontalbehandlungen seien nicht richtliniengemäß durchgeführt worden. Nach der Art und Weise, in der der Kläger seine zahnärztliche Tätigkeit ausübe, erscheine das auch nicht außergewöhnlich. So habe er eingeräumt, die Kiefermodelle, die nach Nr. 22 der Behandlungsrichtlinien zur Befunderhebung gehörten, weggeschmissen zu haben. Zudem habe er auch erklärt, nur „versucht“ zu haben, die Verträge einzuhalten. Die 15 fraglichen Fälle zeigten, dass er keine genauen Kenntnisse von einer richtliniengemäßen Behandlung habe. So habe er etwa im Fall der BEK-Versicherten R(Fall 1) nur eine unvollständige Befunderhebung vorgenommen. Es fehle eine Röntgenaufnahme für Zahn 26. Die Richtlinien zur Lokal- und zur Funktionsbehandlung seien nicht eingehalten worden. Die gleichen Mängel hätten sich in den 14 übrigen Behandlungsfällen gezeigt. Der Par-Status sei in keinem Fall vollständig ausgefüllt worden. Damit sei insgesamt keine ausreichende Behandlung durchgeführt worden. Auch im Übrigen zeigten die Behandlungsunterlagen, dass der Kläger mit der Dokumentation sorglos umgehe. Regelmäßig fehle die Befundung der Röntgenaufnahmen, die in den Bema-Nrn. Ä 925 a – d als obligatorisch vorgeschrieben sei. Angesichts der wenig sorgfältigen Behandlung in den 15 Fällen sei von vornherein ein Behandlungserfolg in Frage gestellt, sodass die gesamte Behandlung als unwirtschaftlich anzusehen sei. Daher fehle die Grundlage für eine Zahlung jeglicher Vergütung.

Zur Begründung seiner dagegen erhobenen Klage hat der Kläger im Wesentlichen vorgebracht: Der Prüfantrag vom 19. November 2001 entspreche nicht den Bestimmungen der Prüfvereinbarung, da nur die Prüfung von begründeten Anträgen zulässig sei, der Antrag aber ohne Begründung und lediglich fristwahrend gestellt worden sei. Zudem sei die Prüfung vom Umfang her unzulässig gewesen. Die einzelnen bemängelten Punkte lägen neben der Sache und hätten keinen Zusammenhang zu der in Rede stehenden Prüfung der Wirtschaftlichkeit der vom Kläger vorgenommenen Parodontosebehandlungen. Es seien lediglich Richtlinienverstöße festgestellt worden, die ohne Auswirkung auf das Therapieziel und ohne Auswirkung auf die Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise seien. Dies dürfe nicht zu Honorarkürzungen führen. In keinem Fall sei festgestellt worden, dass seine Leistungen gegenüber den Versicherten nicht ausreichend oder nicht zweckmäßig gewesen seien. Zudem sei die vollständige Honorarkürzung unverhältnismäßig. Eine Pflicht zur Vorlage der erstellten Modelle ergebe sich aus keiner Vorschrift. Der Vorwurf, die Röntgenbilder der einzelnen Patienten seien nicht befundet worden, sei absurd und unzutreffend. Auch der Vorwurf, eine obligatorische Vorbehandlung sei in keinem Fall vollständig vor Antragstellung abgeschlossen und dokumentiert worden, sei unzutreffend. Insoweit gebe es nämlich gar keine einschlägige Vorschrift. Auch in Bezug auf die Anleitung der Patienten zur korrekten Mundhygiene gebe es keine Pflicht zur Dokumentation. Unberechtigt sei zudem der Vorwurf, er habe nach Antragstellung noch Mundbehandlungen durchgeführt, denn auch insoweit gebe es keine entsprechende Vorschrift. Insgesamt verlange der Beklagte ein Maß an Dokumentation, das nirgendwo vorgeschrieben sei. Die vom Beklagten aufgeworfenen Fragen hätten nichts mit der Wirtschaftlichkeit der Behandlung der Patienten zu tun. Immerhin sei den Patienten von ihren Krankenkassen die Genehmigung für die Durchführung der Behandlung erteilt worden. Dass die Behandlungen nicht „richtliniengemäß“ erfolgt seien, rechtfertige keinen Rückschluss auf ihre Unwirtschaftlichkeit. Tatsächlich seien die Behandlungen alle erfolgreich gewesen.

Im Laufe der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht hat der Beklagte den Rückforderungsbetrag um 747,65 Euro auf 8.221,28 Euro reduziert und dabei den Auszahlungspunktwert berücksichtigt. Insoweit haben die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt.

Mit Urteil vom 5. September 2007 hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Zu Recht habe der Beklagte den Regress wegen der 15 fraglichen Parodontosebehandlungen festgesetzt. Der Prüfantrag sei ordnungsgemäß gestellt worden, nämlich innerhalb von 18 Monaten nach Eingang der Abrechnung. Dass der Antrag ursprünglich nicht begründet worden sei, sei unerheblich. Der Wirtschaftlichkeitsprüfung stehe auch nicht entgegen, dass die jeweilige Krankenkasse die Parodontosebehandlung genehmigt habe. Denn die der Genehmigung vorausgehende Prüfung umfasse nicht die Einhaltung der Wartefristen und die tatsächliche Durchführung der Vorbehandlung. Der Kläger habe im Sinne von § 70 Abs. 1 SGB V unwirtschaftlich gehandelt. Die von den Bundesausschüssen der Ärzte und Krankenkassen (heute: Gemeinsamer Bundesausschuss) erlassenen Behandlungsrichtlinien nach § 92 SGB V seien Bestandteile der Bundesmantelverträge und damit für jeden zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassenen Zahnarzt bindend. Eine Verletzung des Wirtschaftlichkeitsgebotes liege vor, sobald ein Vertragszahnarzt sich im Rahmen einer Parodontosebehandlung nicht an diese Richtlinien halte. Auf den Behandlungserfolg im Einzelfall oder die konkrete Durchführung der Behandlung durch den Vertragszahnarzt komme es dabei nicht an. Dementsprechend sehe § 8 Abs. 1 der Prüfvereinbarung auch vor, dass die Prüfung sich nicht nur auf einen Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot, sondern auch auf einen Verstoß „gegen Richtlinien“ beziehe. Der Kläger habe gegen die Richtlinien für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche vertragszahnärztliche Versorgung vom 7. Dezember 1962 in der Fassung der Bekanntmachung vom 24. Juli 1998 verstoßen. Wegen der Einzelheiten werde auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide verwiesen. Der Kläger habe die Richtlinienverstöße selbst eingeräumt, als er ausgeführt habe, gegen die Feststellungen des Prüfungsausschusses in Bezug auf die mangelhafte Durchführung sachlich nichts vorbringen zu können und den Widerspruch nur wegen rechtlicher Bedenken eingelegt zu haben. Im Übrigen räume der Kläger auch in seiner Klagebegründung Verstöße gegen die Richtlinien ein, wenn er nur darauf abstelle, dass ein Verstoß gegen die Richtlinien nicht zur Feststellung der Unwirtschaftlichkeit tauge. Gegen die inhaltlichen Beanstandungen des Beklagten wende er sich nicht. Er irre in seiner Rechtsauffassung, dass die Richtlinien nicht den Abschluss einer obligatorischen Vorbehandlung vorschrieben. Nach Nr. 21 Satz 1 der Richtlinien gehe die Vorbehandlung der systematischen Behandlung voraus. Zwei bis drei Wochen nach Abschluss der Vorbehandlung sei zu entscheiden, ob eine systematische Parodontosebehandlung noch angezeigt sei. Zwangsläufig könne erst nach dieser positiven Entscheidung der Antrag bei den Krankenkassen gestellt werden. Wie der Kläger schon vorher die Erfolgsaussichten der systematischen Parodontosebehandlung beurteilen und damit die verfrühte Antragstellung rechtfertigen wolle, sei nicht nachvollziehbar. Die Richtlinien jedenfalls ließen die vorherige Antragstellung nicht zu. Schließlich sei der Sachvortrag bezüglich der einzelnen Behandlungen im Klageverfahren als verspätet einzustufen. Im Widerspruchsverfahren habe der Kläger eine besondere Mitwirkungspflicht, wie sie immer dann bestehe, wenn ein Arzt sich auf günstige Tatsachen berufen wolle, die nur ihm bekannt seien und nur durch seine Mithilfe aufgeklärt werden könnten. Komme er dem nicht nach, könne er eine darauf beruhende Unvollständigkeit der Sachaufklärung nicht den Prüfgremien anlasten. Der Kläger hätte also seinen inhaltlich-fachlichen Vortrag zur Wirtschaftlichkeit seines Handels bereits im Verwaltungsverfahren vor den mit Mitgliedern mit besonderem Fachwissen besetzten Prüfgremien einbringen müssen. Unterlasse er dies, könne er entsprechendes Vorbringen nicht in einem gerichtlichen Verfahren nachholen. Nicht zu beanstanden sei auch die Absetzung der unwirtschaftlich erbrachten Behandlungen zu 100 %. Sein Kürzungsermessen habe der Beklagte ordnungsgemäß ausgeübt. Bereits die Nichteinhaltung der Wartefrist nach Nr. 21 der Richtlinien sei für den Ausspruch einer vollständigen Kürzung ausreichend. Denn gerade wegen der Schwierigkeit, im Nachhinein die Wirtschaftlichkeit einer Parodontosebehandlung festzustellen, sei in den Richtlinien ein bestimmtes Verfahren mittels Vorabgenehmigung festgelegt worden. Nur die strikte Einhaltung dieses Verfahrens biete hinreichende Sicherheit vor unwirtschaftlichen Behandlungen, die im Hinblick auf den hohen Kostenaufwand bei Parodontosebehandlungen in besonderem Maße zu vermeiden seien. Die unwirtschaftliche Vorgehensweise des Klägers rechtfertige daher die Absetzung des gesamten Honorars.

Gegen das am 5. Oktober 2007 zugestellte Urteil hat der Kläger am 24. Oktober 2007 Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor: Die fraglichen Richtlinien seien als untergesetzliche Normen nicht verbindlich für den Zahnarzt. Es könne gute Gründe geben, ihnen im Interesse der Wirtschaftlichkeit gerade nicht zu folgen. Entscheidend komme es auf die konkrete Durchführung der Behandlung an. Der Zahnarzt habe einen Anspruch auf Rechtssicherheit in der Gestalt, dass genehmigte Anträge auch genehmigt blieben und nicht hinterher quasi zurückgenommen würden. Deshalb könne hier etwa nicht angeführt werden, Par-Staten seien nicht vertragsgerecht ausgeführt worden. Gerade dies habe die Kasse prüfen müssen. Wenn die Krankenkasse die ihr obliegenden Pflichten nicht erfülle, könne dies nicht zu Lasten des Vertragszahnarztes gehen. Unrichtig sei die Auffassung, es müsse eine mindestens 14-tägige Wartefrist zwischen Beantragung des Parodontalstatus und der eigentlichen Parodontosebehandlung liegen. Der Zahnarzt dürfe den Parodontoseantrag stellen, sobald er die Befundung durchgeführt und eine entsprechende Diagnose gestellt habe. Er müsse nicht erst den Erfolg der Vorbehandlung abwarten. Er sei jedoch verpflichtet, vor Beginn der eigentlichen Parodontosebehandlung zu überprüfen, ob eine solche noch angezeigt sei.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 5. September 2007 sowie den Beschluss des Beklagten vom 16. Februar 2005 (Bescheid vom 20. April 2005) aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hat ausgeführt: der Kläger habe im Verfahren vor dem Beschwerdeausschuss das Prüfverfahren generell für unzulässig gehalten und erklärt, gegen die vom Prüfungsausschuss festgestellten Mängel nichts vorbringen zu können. Gleichwohl habe der Ausschuss eine eigene Prüfung vorgenommen und dabei festgestellt, dass der Kläger in allen 15 Fällen gegen mehrere Vorschriften in den Behandlungsrichtlinien verstoßen habe. Hinsichtlich der rechtlichen Bedeutung der Behandlungsrichtlinien werde auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts und des erkennenden Senates Bezug genommen: Diese seien als Konkretisierung des Wirtschaftlichkeitsgebots für den Vertragszahnarzt bindend. Er stütze seine Entscheidung ausschließlich auf diejenigen Gesichtspunkte unter den im Bescheid angegebenen, die nicht der Genehmigung der Krankenkassen unterlegen hätten; er halte die getroffene Kürzungsentscheidung schon allein aus diesen Gründen für angemessen.

Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf den Inhalt des Verwaltungsvorganges und der Gerichtsakte Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung war.

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist zulässig, hat aber keinen Erfolg. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

I.

Rechtsgrundlage der verfügten Honorarkürzung ist § 106 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 Satz 4 und Abs. 5 Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch (SGB V) in der vom 1. Januar 2000 bis zum 30. Dezember 2001 geltenden Fassung, der gemäß § 72 Abs. 1 Satz 2 SGB V entsprechend für Vertragszahnärzte gilt. Danach überwachen die Krankenkassen und die Kassenärztlichen Vereinigungen die Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung (Abs. 1); die Landesverbände der Krankenkassen und die Verbände der Ersatzkassen können gemeinsam und einheitlich mit den Kassenärztlichen Vereinigungen besondere arztbezogene Prüfungsarten vereinbaren (Abs. 2 Nr. 2 Satz 4); der Prüfungsausschuss führt die Prüfungen nach Absatz 2 durch; er entscheidet, ob der Vertragsarzt gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen hat und welche Maßnahmen zu treffen sind. Dabei sollen gezielte Beratungen weiteren Maßnahmen in der Regel vorangehen. Gegen die Entscheidungen der Prüfungsausschüsse können die betroffenen Ärzte die Beschwerdeausschüsse anrufen (Abs. 5).

Nach § 8 Abs. 1 der Prüfvereinbarung zwischen der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Berlin (KZV) und den Landesverbänden der Krankenkassen vom 18. Dezember 1995 („Prüfung in besonderen Fällen“) prüft der Prüfungsausschuss auf begründeten Antrag der KZV oder der Verbände auch, ob der Vertragszahnarzt im Einzelfall gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot oder gegen Richtlinien verstoßen hat.

II.

Den Prüfgremien steht bei der Ermittlung des unwirtschaftlichen Mehraufwandes ein Beurteilungsspielraum und bei der Festsetzung des Umfangs der Honorarkürzung ein Ermessensspielraum zu. Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit sind wegen der besonderen medizinischen und abrechnungstechnischen Sachkunde der Prüfgremien in der Rechtskontrolle eingeschränkt: In Bezug auf den Beurteilungsspielraum beschränkt sich die gerichtliche Überprüfung darauf, ob das Verwaltungsverfahren ordnungsgemäß durchgeführt worden ist, ob der Verwaltungsentscheidung ein richtig und vollständig ermittelter Sachverhalt zugrunde liegt, ob die durch Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs „Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise“ ermittelten Grenzen eingehalten und ob die Subsumtionserwägungen so verdeutlicht und begründet wurden, dass im Rahmen des Möglichen die zutreffende Anwendung der Beurteilungsmaßstäbe erkennbar und nachvollziehbar ist (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 28. Oktober 1992, 6 RKa 38/91, zitiert nach juris, dort Rdnr. 18; Urteil vom 30. November 1994, 6 RKa 16/93, zitiert nach juris, dort Rdnr. 15; Landessozialgericht Berlin, Urteil vom 21. Juni 2000, L 7 KA 85/98, veröffentlicht bei www.sozialgerichtsbarkeit.de; Beschluss vom 13. Februar 2004, L 7 B 55/03 KA ER, zitiert nach juris, dort Rdnr. 6). Die Kürzung selbst ist nur daraufhin zu überprüfen, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens eingehalten sind und von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist (vgl. § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG).

III.

Bei Zugrundelegung dieser Anforderungen und Maßstäbe erweist sich die angefochtene Honorarkürzung als rechtmäßig, denn der Kläger hat in den 15 zur Prüfung gestellten Fällen gegen die Richtlinien des Bundesausschusses der Zahnärzte und Krankenkassen für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche vertragszahnärztliche Versorgung vom 7. Dezember 1962 (zuletzt geändert durch Bekanntmachung vom 24. Juli 1998, BAnz. Nr. 177) verstoßen. Diese Verstöße rechtfertigen die Annahme der Unwirtschaftlichkeit und eine 100prozentige Honorarkürzung.

1. Die genannten Richtlinien sollen gerade auch die Wirtschaftlichkeit der Behandlung sichern. Die Richtlinien enthalten u.a. Regelungen zur „Systematischen Behandlung von Parodontopathien (PA-Behandlung)“, Nr. 19 bis 26. Sie wurden aufgrund der gesetzlichen Ermächtigung erlassen, „die zur Sicherung der kassenärztlichen Versorgung erforderlichen Richtlinien über die Gewähr für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Kranken“ zu beschließen (§ 92 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Soweit Richtlinienverstöße erwiesen sind, ist sowohl die Aufklärungs- und Beweispflicht des Beklagten als auch der Gerichte verkürzt. Es braucht dann auch unter Geltung des Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 20 SGB X; § 103 SGG) nicht in jedem Einzelfall bewiesen zu werden, dass die Behandlungsweise des Klägers unwirtschaftlich war. Die Prüfungsgremien sind bei dieser Sachlage insbesondere nicht verpflichtet, in jedem Einzelfall zahnärztliche Nachuntersuchungen durchzuführen. Gerade wegen der Schwierigkeit, im Nachhinein die Unwirtschaftlichkeit einer Parodontosebehandlung festzustellen, haben die Vertragspartner die Einhaltung eines bestimmten Verfahrens mit einer Vorabgenehmigung durch die Krankenkasse vereinbart. Die strikte Einhaltung dieses Verfahrens bietet die größte Sicherheit vor unwirtschaftlichen Behandlungen, die im Hinblick auf den hohen Kostenaufwand bei Parodontosebehandlungen in besonderem Maße vermieden werden müssen (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 16. Juni 1993, 14a RKa 4/92, zitiert nach juris, dort Rdnr. 25). An die Richtlinien ist der Arzt grundsätzlich gebunden. Das hindert ihn zwar grundsätzlich nicht einzuwenden, dass die Richtlinien ganz oder teilweise dem Gesetz widersprechen, dem gegenwärtigen Kenntnisstand der medizinischen Wissenschaft nicht mehr entsprechen oder ein Ausnahmefall vorgelegen hat, der ein Abweichen von den Richtlinien rechtfertigt. Hierzu hat der Kläger aber nichts von Substanz vorgebracht.

2. Aus den dem Senat vorliegenden Verwaltungsakten der Prüfgremien, die die Parodontose-Behandlung des Klägers betreffen und eine vollständige Sachaufklärung dokumentieren, ist unzweifelhaft zu erkennen, dass er in allen streitigen Fällen gegen verschiedene Richtlinienbestimmungen verstoßen hat, so dass die Parodontose-Behandlungen in vollem Umfange unwirtschaftlich waren. Der Beklagte hat insoweit zu Recht auch nur auf Richtlinienverstöße Bezug genommen, deren Umstände nicht zuvor der Genehmigung durch die Krankenkassen unterlagen, sondern unabhängig von der jeweiligen Genehmigung erst im Laufe der konkreten genehmigten Behandlung entstanden sind. Dies hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung auch noch einmal klargestellt; die Rüge des Klägers, er habe auf die einmal erfolgte Genehmigung durch die Krankenkassen gleichsam vertrauen dürfen, ohne sich der Gefahr einer späteren Beanstandung ausgesetzt zu sehen, geht daher ins Leere.

Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat wegen der weiteren Begründung auf den Inhalt des angefochtenen Bescheides, des Bescheides des Prüfungsausschusses und auf das sozialgerichtliche Urteil Bezug, denen er nach erneuter Sachprüfung in vollem Umfange folgt (vgl. §§ 153 Abs. 2, 136 Abs. 3 SGG).

Der dem Beklagten im maßgeblichen Zeitpunkt seiner Entscheidung vorliegende Sachverhalt rechtfertigte ohne Weiteres und in jedem Behandlungsfall die Annahme relevanter Richtlinienverstöße. Beurteilungsfehler sind insoweit nicht ansatzweise zu erkennen. Es wäre Sache des Klägers gewesen, im Verwaltungsverfahren den sachkundig besetzten Prüfungsgremien gegebenenfalls einen Sachverhalt zu unterbreiten und zu belegen, der den Schluss zuließ, dass die jeweilige Behandlung entgegen dem bestehenden Anschein sachgerecht und richtlinienkonform erfolgte; nur er hätte die dafür erforderlichen Tatsachen vortragen und Nachweise vorlegen können. Von dieser Möglichkeit hat er jedoch keinen Gebrauch gemacht und sich im Laufe des Verwaltungsverfahrens nur auf Allgemeinplätze zurückgezogen, etwa sich nicht an Einzelheiten zu erinnern, versucht zu haben, die wesentlichen Aspekte der Verträge einzuhalten oder das Vorgehen der Prüfgremien für gesetzeswidrig zu halten. Sofern er im Laufe des Gerichtsverfahrens erstmals Angaben zur Behandlung einzelner Patienten gemacht hat, kann er damit nicht gehört werden. Seiner Mitwirkungsobliegenheit hatte er im Verwaltungsverfahren zu genügen.Der Senat darf seiner Entscheidung keinen anderen Sachverhalt zugrunde legen als denjenigen, von dem die Prüfgremien richtigerweise ausgegangen sind. Die Gerichte prüfen nämlich nur, ob die Prüfgremien ihrer Entscheidung einen richtig und vollständig ermittelten Sachverhalt zugrunde gelegt haben.

Ein Sachverhalt ist dann richtig und vollständig ermittelt, wenn der Beklagte zum Zeitpunkt seiner Entscheidung unter Beachtung des Amtsermittlungsgrundsatzes alle entscheidungsrelevanten Gesichtspunkte ermittelt und diese in seine Entscheidung eingestellt hat. Versäumt es der Kläger, den Beklagten auf nur ihm – dem Kläger – bekannte, ihm günstige Gesichtspunkte hinzuweisen, wird die Entscheidung des Beklagten, die diese Gesichtspunkte nicht berücksichtigt, schon deshalb nicht unvollständig und fehlerhaft, weil der Beklagte diese Gesichtspunkte nicht berücksichtigen konnte. Daraus folgt, dass der Kläger mit dem Vortrag der ausschließlich ihm schon im Verwaltungsverfahren bekannten Umstände im Klageverfahren ausgeschlossen ist. Andernfalls liefe die Sachentscheidungskompetenz des Beklagten, die in seinem Beurteilungs- und Ermessensspielraum besteht, leer, weil der Kläger es in der Hand hätte, durch ein Zurückhalten relevanten Tatsachenvortrags bis zum sozialgerichtlichen Verfahren jede Entscheidung des Beklagten rechtswidrig werden zu lassen. Nur diese strenge Sichtweise garantiert, dass der (bewusst) möglichst spät substantiiert vortragende Arzt nicht dadurch privilegiert wird, dass das (ver)späte(te) Vorbringen wegen fehlender Berücksichtigung in den Prüfbescheiden regelmäßig zu deren Aufhebung und der Verurteilung zur Neubescheidung führt (vgl. BSG, Urteil vom 15. November 1995, 6 RKa 58/94, zitiert nach juris, dort Rdnr. 26; SG Marburg, Urteil vom 25. November 2009, S 12 KA 137/09, zitiert nach juris, dort Rdnr. 71; diese Entscheidung bestätigend: Hess. LSG, Urteil vom 07. Juli 2010, L 4 KA 99/09, zitiert nach juris, dort Rdnr. 37).

3. Soweit der Beklagte eine Honorarkürzung um 100 Prozent verfügt hat, sind Ermessensfehler nicht zu erkennen.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Absatz 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe nach § 160 Absatz 2 SGG nicht vorliegen.