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Entscheidung 9 UF 134/10


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 1. Senat für Familiensachen Entscheidungsdatum 05.09.2011
Aktenzeichen 9 UF 134/10 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts Cottbus vom 9. September 2010 – Az. 51 F 384/09 – wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Antragsteller zu tragen.

Der Wert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.000 EUR festgesetzt.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Gegenstand des Verfahrens ist eine behördliche Vaterschaftsanfechtung nach § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB durch den hierfür zuständigen Landkreis ….

Die Mutter der Antragsgegnerin zu 2., Frau N… A…, ist kamerunische Staatsangehörige. Ihr Asylantrag ist seit dem 20. Februar 2009 rechtskräftig abgelehnt.

Am 27. Dezember 2007 hatte sie das Kind E… A…, die Antragsgegnerin zu 2., geboren. Bereits vor der Geburt, nämlich mit notarieller Urkunde vom 1. Oktober 2007 des Notars … mit Amtssitz in B… (UR-Nr. 232/2007) hat der Antragsgegner zu 1., durch Einbürgerung am 7. März 2005 deutscher Staatsangehöriger kamerunischer Herkunft mit Wohnsitz in Südwestdeutschland, die Vaterschaft anerkannt. Der Antragsgegner zu 1. ist verheiratet und hat mit seiner Ehefrau inzwischen eine (weitere) Tochter.

Unter Vorlage dieser Vaterschaftsanerkennung beantragte die – allein sorgeberechtigte - Kindesmutter am 19. Februar 2008 die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis als Mutter eines deutschen Kindes. Der ablehnende Bescheid des hiesigen Antragstellers vom 23. September 2008 ist bislang nicht bestandskräftig (verwaltungsgerichtliches Verfahren beim VG Cottbus, Az. 5 K 186/09). Derzeit ist die Kindesmutter in der Bundesrepublik Deutschland geduldet.

Der Antragsgegner zu 1. hat jedenfalls mit der Antragsgegnerin zu 2. zu keiner Zeit in häuslicher Gemeinschaft gelebt.

Der klagende Landkreis hat behauptet, eine sozial–familiäre Beziehung zwischen der Kindesmutter bzw. dem Kind und dem Kindesvater habe zu keinem Zeitpunkt bestanden. Zudem bestünden erhebliche Zweifel an der Abstammung der Antragsgegnerin zu 2. von dem Antragsgegner zu 1. Zur Ausgestaltung der elterlichen und der Vater-Kind-Beziehung seien widersprüchliche Angaben gemacht worden, die sich zudem mit der ausländerrechtlichen Aktenlage bzw. sonstigen Umständen nicht in Einklang bringen ließen. Ein Zusammentreffen im Asylbewerberheim in F… hat es unstreitig vor wie nach der Geburt der Antragsgegnerin zu 2. nicht gegeben. Bestenfalls lose und seltene Besuchskontakte seien jedenfalls nicht geeignet, die Annahme oder gar Feststellung einer sozial-familiären Beziehung, die getragen sei von tatsächlich ausgeübter Elternverantwortung, zu rechtfertigen. Durch die Anerkennung der Vaterschaft hätten allein die rechtlichen Voraussetzungen für den erlaubten Aufenthalt der Antragsgegnerin zu 2. und ihrer Mutter geschaffen werden sollen.

In Bezug auf die Anfechtungsfrist hat der Antragsteller ausgeführt, dass es erst im Ergebnis der mit Beantragung der Aufenthaltserlaubnis im Februar 2008 einsetzenden Prüfungen und mit Abschluss des verwaltungsrechtlichen Widerspruchverfahrens am 28. Januar 2009 bei der Ausländerbehörde (nicht beim Fachbereich Recht, der die Erhebung einer Anfechtungsklage prüfe) einen hinreichend tragfähigen Verdacht der missbräuchlichen Erlangung eines Aufenthaltstitels gegeben habe, der die Anfechtungsfrist habe in Gang setzen können. Er verweist ferner darauf, dass die landesrechtliche Bestimmung der zuständigen Behörde zur Anfechtung der Vaterschaft erst nach dem 14. Januar 2009 erfolgt und vorher eine Anfechtung gar nicht möglich gewesen sei.

Der klagende Landkreis hat eingehend beim Amtsgericht am 28. Dezember 2009 beantragt,

festzustellen, dass der Antragsgegner zu 1. nicht der Vater der Antragsgegnerin zu 2. ist.

Die Antragsgegner haben jeweils beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Die Antragsgegnerin zu 2. hat mit näherer Darlegung eingewandt, der Anfechtungsantrag sei von der zuständigen Behörde nicht fristgerecht eingereicht worden. Der Umstand, dass der Landesgesetzgeber sich mit der Zuständigkeitsregelung über ein Jahr Zeit gelassen hat, könne nicht zu Lasten der Antragsgegner gehen. Unabhängig davon bestehe trotz fehlender häuslicher Gemeinschaft eine sozial-familiäre Beziehung zwischen den Antragsgegnern, was im Einzelnen ausgeführt wurde.

Der Antragsgegner zu 1. ist seinen Angaben zufolge überzeugt, der Vater der Antragsgegnerin zu 2. zu sein. Er fühlt sich durch den – zumal ihm selbst gegenüber nie geäußerten - Vorwurf der Scheinvaterschaft beleidigt. Er hat behauptet, im Rahmen seiner Möglichkeiten persönliche Treffen in B… durchzuführen und Unterhaltszahlungen für die Antragsgegnerin zu 2. zu erbringen.

Mit Beschluss vom 9. September 2010 hat das Amtsgericht Cottbus den Antrag auf Feststellung des Nichtbestehens der Vaterschaft des Antragsgegners zu 1. für die Antragsgegnerin zu 2. zurückgewiesen, weil die Anfechtungsfrist nicht gewahrt sei. Die einjährige Frist habe am 9. Juli 2008 zu laufen begonnen; an diesem Tage sei nach Aktenlage der Ausländerbehörde festgestellt worden, dass der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis der Kindesmutter abzulehnen sei, weil eine Vater-Kind-Beziehung nicht festzustellen und die rechtliche (Schein-)Vaterschaft allein dadurch motiviert sei, Mutter und Kind einen Aufenthaltstitel zu verschaffen. Der Zeitpunkt der Zuständigkeitsregelung im Januar 2009 sei letztlich unerheblich, weil nach bereits vorhandener Kenntnis der die Anfechtung tragenden tatsächlichen Umstände bis zum Ablauf der Jahresfrist im Juli 2009 hinreichend Zeit verfügbar gewesen sei. Bei Eingang des Anfechtungsantrages am 28. Dezember 2009 sei die Frist deshalb abgelaufen gewesen.

Gegen diese ihm am 14. September 2010 zugestellte Entscheidung wendet sich der Antragsteller mit seiner am 12. Oktober 2010 eingegangenen und zugleich begründeten Beschwerde. Er hält unter Wiederholung und Vertiefung seines Vorbringens, insbesondere auch zum Lauf der Anfechtungsfrist, an seinem Verfahrensziel uneingeschränkt fest.

Die Antragsgegner verteidigen die angefochtene Entscheidung mit näherer Darlegung.

Der Senat hat den Antragsteller, den Antragsgegner zu 1. und die Kindesmutter im Termin am 9. Juni 2011 persönlich angehört. Zudem konnte im Verhandlungstermin die Begegnung zwischen den Antragsgegnern zu 1. und 2. beobachtet werden; eine Anhörung des Kindes war - altersbedingt - nicht möglich. Das Jugendamt hat sich schriftlich zum Sachverhalt geäußert und erklärt, sich nicht förmlich am Verfahren beteiligen zu wollen.

II.

Die Beschwerde des Antragstellers ist gemäß §§ 58 Abs. 1, 59 Abs. 1, 63 Abs. 1, 64 und 65 Abs. 1 FamFG zulässig. In der Sache selbst bleibt das Rechtsmittel ohne Erfolg.

Abweichend von der Auffassung des Amtsgerichts scheitert die behördliche Vaterschaftsanfechtung im Streitfall allerdings nicht bereits an der Anfechtungsfrist (dazu 1.). Vielmehr konnte der Antragsteller nicht darlegen und nachweisen, dass zwischen dem Kind, der Antragsgegnerin zu 2., und dem Vater, dem Antragsgegner zu 1., zu den maßgeblichen Zeitpunkten, nämlich dem der Vaterschaftsanerkennung bzw. Geburt von E… bzw. der letzten mündlichen Verhandlung, keine sozial-familiäre Beziehung bestanden hat (dazu 2.).

1.

Die nach § 1600 b Abs. 1 a Satz 1 BGB einjährige Anfechtungsfrist war bei Antragseingang am 28. Dezember 2009 noch nicht verstrichen. Fristbeginn ist nicht – wie die Antragsgegnerin zu 2. und das Amtsgericht meinen – der 9. Juli 2008, sondern (frühestens) der 6. Februar 2009.

a)

Das Recht zur behördlichen Vaterschaftsanfechtung ist durch das am 1. Juni 2008 in Kraft getretene Gesetz zur Ergänzung des Rechts zur Anfechtung der Vaterschaft vom 13. März 2008 (BGBl. I S. 313) in die Vorschrift des § 1600 BGB aufgenommen worden. Nach § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB ist die zuständige Behörde berechtigt, die Vaterschaft in den Fällen des § 1592 Nr. 2 BGB anzufechten. Sie kann die aufgrund Anerkennung bestehende (rechtliche) Vaterschaft eines Mannes anfechten, sofern diesen Mann und das anerkannte Kind keine sozial-familiäre Beziehung verbindet und durch die Anerkennung die Voraussetzungen einer erlaubten Einreise oder eines erlaubten Aufenthalts geschaffen werden (§ 1600 Abs. 3 BGB). Mit dem behördlichen Anfechtungsrecht soll dem Missstand, dass zur Erlangung der deutschen Staatsangehörigkeit (§ 4 StAG) oder eines Aufenthaltstitels im Rahmen des Familiennachzugs (§§ 27 ff. AufenthG) nicht nur Scheinehen geschlossen, sondern auch in missbräuchlicher Weise Vaterschaften anerkannt werden, begegnet werden (BT-Drucks. 16/3291, S. 1 f.).

Der klagende Landkreis ist vorliegend zur Anfechtung der Vaterschaft nach § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB berechtigt.

Gemäß § 1600 Abs. 6 BGB obliegt es der jeweiligen Landesregierung zu bestimmen, welche Behörde für die Anfechtung nach § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB zuständig ist. Diese Bestimmung ist für das Land Brandenburg mit der Verordnung über die zuständige Behörde zur Anfechtung der Vaterschaft (AV-ZustV) vom 14. Januar 2009 (GVBl. II., S. 62) erfolgt, die am 6. Februar 2009 in Kraft getreten ist. Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 AV-ZustV sind die Landkreise und kreisfreien Städte zuständige Behörden im Sinne von § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB.

b)

Der klagende Landkreis hat mit dem am 28. Dezember 2009 eingegangenen Antrag vom 23. Dezember 2009 die Anfechtungsfrist gewahrt.

Nach § 1600 b Abs. 1 a Satz 1 BGB kann die Vaterschaft durch die zuständige Behörde binnen eines Jahres gerichtlich angefochten werden. Die Frist beginnt, wenn die anfechtungsberechtigte Behörde von den Tatsachen Kenntnis erlangt, die die Annahme rechtfertigen, dass die Voraussetzungen für ein Anfechtungsrecht vorliegen (Satz 2 der Vorschrift).

Gemäß Art. 229 § 16 EGBGB wird die Anfechtungsfrist allerdings keinesfalls vor dem 1. Juni 2008 in Lauf gesetzt. Dem Gesetz lässt sich aber nicht entnehmen, dass die Anfechtungsfrist in jedem Fall am 1. Juni 2008 anläuft, was sich schon daraus ergibt, dass es sich um eine kenntnisabhängige Frist handelt. Daraus wird allerdings zugleich deutlich, dass die zuständige Behörde denknotwendig bestimmt sein muss, bevor die Anfechtungsfrist zu laufen beginnen kann. Ansonsten fehlt es an der juristischen Person, der die Kenntnis der nach § 1600 b Abs. 1 a Satz 2 BGB maßgebenden Umstände zugerechnet werden könnte. Solange die Regierung des Landes Brandenburg ihr Bestimmungsrecht nach § 1600 Abs. 6 BGB nicht ausgeübt hatte, wurde die einjährige Anfechtungsfrist des § 1600 b Abs. 1 a Satz 1 BGB nicht in Lauf gesetzt.

Wie bereits oben ausgeführt, ist diese Bestimmung für das Land Brandenburg mit der Verordnung über die zuständige Behörde zur Anfechtung der Vaterschaft (AV-ZustV) vom 14. Januar 2009 (GVBl. II. S. 62) vorgenommen worden. Die Verordnung ist am Tag nach ihrer Verkündung im Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Brandenburg Teil II – Nr. 4 vom 5. Februar 2009, mithin am 6. Februar 2009 in Kraft getreten (§ 2 AV-ZustV).

Festzuhalten bleibt, dass vor dem 6. Februar 2009 die behördliche Anfechtungsfrist nicht in Lauf gesetzt werden konnte, weil die zuständige Behörde nach § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB nicht feststand (so auch der 3. Familiensenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts, Beschluss vom 16. September 2010, Az. 15 UF 76/10).

Der Umstand, dass im Land Brandenburg die zur Anfechtung berechtigte Behörde erst mehr als acht Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Ergänzung des Rechts zur Anfechtung der Vaterschaft vom 13. März 2008 (BGBl. I S. 313) bestimmt war, rechtfertigt keine andere rechtliche Beurteilung. Den von der Anfechtung betroffenen Personen erwächst aus dieser zeitlichen Verzögerung kein Nachteil. Unabhängig von der einjährigen Frist des § 1600 b Abs. 1 a Satz 1 BGB sieht das Gesetz eine absolute Ausschlussfrist von fünf Jahren vor, die von der Kenntnis der zuständigen Behörde und damit deren Einrichtung unabhängig ist. Nach § 1600 b Abs. 1 a Satz 3 BGB ist eine behördliche Anfechtung in jedem Fall ausgeschlossen, wenn seit der Wirksamkeit der Vaterschaftsanerkennung für ein im Bundesgebiet geborenes Kind bzw. seit der Einreise des Kindes fünf Jahre vergangen sind. Die Anfechtungshöchstfrist von fünf Jahren dient dem Vertrauensschutz ebenso wie § 17 Abs. 2 StAG. Nach dieser Vorschrift verliert ein Kind - etwa im Fall der Rücknahme einer durch Täuschung erwirkten Einbürgerung ihrer Eltern - die deutsche Staatsangehörigkeit nicht, sofern es das fünfte Lebensjahr vollendet hat. Die absolute Anfechtungsfrist des § 1600 b Abs. 1a Satz 3 BGB war hier aber bei Einreichung des Anfechtungsantrages (und ist bis heute) noch nicht abgelaufen.

Es bleibt danach festzuhalten, dass die Vaterschaftsanfechtung im Streitfall nicht schon an der (Nicht-)Einhaltung der Anfechtungsfrist scheitert.

2.

Die Anfechtung der zuständigen Behörde setzt ferner nach § 1600 Abs. 3 BGB voraus, dass zwischen dem Kind und dem Anerkennenden keine sozial-familiäre Beziehung besteht oder im Zeitpunkt der Anerkennung oder seines Todes bestanden hat. Dies stellt – wie beim Anfechtungsrecht des biologischen Vaters (§ 1600 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 BGB) – sicher, dass durch die Anfechtung keine von Art. 6 Abs. 1 GG geschützte soziale Familie auseinander gerissen wird (BT-Drucks. 16/3291, S. 13). Die Abstammung wie die sozial-familiäre Verantwortungsgemeinschaft machen gleichermaßen den Gehalt von Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG aus (vgl. BVerfG FamRZ 2003, 816/820).

Eine sozial-familiäre Beziehung im Sinne von § 1600 Abs. 4 BGB, die die behördliche Vaterschaftsanfechtung gemäß § 1600 Abs. 3 BGB ausschließen würde, muss gemäß § 1600 Abs. 3 BGB entweder im Zeitpunkt der Anerkennung vorgelegen haben oder im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bestehen. Im Fall einer – wie hier - vorgeburtlichen Anerkennung –ist auf den Zeitpunkt der Wirksamkeit der Anerkennung und damit den Zeitpunkt der Geburt abzustellen (BT-Drucks. 16/3291, S. 13).

Für die Annahme einer sozial-familiären Beziehung ist entscheidend, dass der Anerkennende für das Kind zum maßgeblichen Zeitpunkt tatsächliche Verantwortung trägt oder getragen hat (§ 1600 Abs. 4 Satz 1 BGB). Sie wird dann vermutet, wenn der Vater mit der Mutter des Kindes verheiratet ist oder mit dem Kind längere Zeit in häuslicher Gemeinschaft zusammengelebt hat (§ 1600 Abs. 4 Satz 2 BGB), setzt allerdings eine solche häusliche Gemeinschaft nicht notwendig voraus. Auch der sozial-familiäre Verbund eines Vaters mit seinem mit ihm nicht zusammenlebenden Kind ist gemäß Art. 6 Abs. 1 GG geschützt, sofern der Vater für das Kind die tatsächliche Verantwortung trägt (vgl. BVerfG FamRZ 2003, 816/822; BGH FamFR 2010, 154). Die Übernahme tatsächlicher Verantwortung kann sich auch aus der Wahrnehmung weiterer typischer Elternrechte und -pflichten ergeben. Dazu zählen z.B. der regelmäßige Umgang mit dem Kind, seine Betreuung und Erziehung sowie die Leistung von Unterhalt (BT-Drucks. 16/3291 S. 13; BVerfG, FamRZ 2006, 187, 189). Die Übernahme und das – auf Dauer angelegte - Tragen der Verantwortung ist aufgrund einer prognoseähnlichen Beurteilung aus den objektiven Lebensumständen zu erschließen (BGH FamRZ 2008, 1821; OLG Stuttgart, Urteil vom 23. September 2010, Az. 16 UF 107/10 – Rdnr. 32 bei juris). Für diese Beurteilung ist auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen (BGH NJW 2008, 2985).

Die Darlegungs- und Beweislast für das negative Tatbestandsmerkmal des Nichtbestehens einer sozial-familiären Beziehung trägt die anfechtende Behörde. Daraus folgt zwar nicht, dass der Antragsteller alle denkbaren Gründe dafür nennen und notfalls beweisen müsste, dass eine solche sozial-familiäre Bindung nicht besteht. Vielmehr gelten hier die allgemeinen Grundsätze für die Fälle, in denen eine negative Tatsache behauptet und bewiesen werden muss, nämlich die Grundsätze der sekundären Darlegungslast. Dies bedeutet, dass zunächst die Antragsgegner die Voraussetzungen einer sozial-familiären Bindung darlegen müssen und der Antragsteller dann darzulegen und zu beweisen hat, dass dieser Vortrag mindestens unzureichend ist oder jedenfalls nicht zutrifft.

Im Streitfall hat der Antragsgegner zu 1., nachdem für die Zeit zuvor mangels eigenen Kontos der Kindesmutter lediglich Barzahlungen in unregelmäßigen Abständen vorgetragen worden waren, nachweislich seit Januar 2009 – mithin deutlich vor Anfechtung seiner Vaterschaft – und fortlaufend bis heute Kindesunterhalt in Höhe von monatlich 150 EUR gezahlt. Er hat – gleichfalls lange vor Beginn dieses Verfahrens - dafür Sorge getragen, dass für die Antragsgegnerin zu 2. Kindergeld gezahlt wird, und dieses Kindergeld sodann an die Kindesmutter weitergeleitet. Darüber hinaus hat er gewährleistet, dass E… über ihn im Wege der Familienversicherung Krankenversicherungsschutz hat. Diesen Darlegungen ist der Antragsteller zu keiner Zeit konkret entgegen getreten. Der Antragsgegner zu 1. hat ferner angegeben, dass er für die Antragsgegnerin zu 2. in B… einen Kinderarzt „organisiert“ hat und E… (und ihre Mutter) auch zuweilen bei solchen Arztterminen begleitet habe.

Diese im Grunde unstreitigen Umstände belegen, dass der Antragsgegner zu 2. in finanziellen Angelegenheiten und im Zusammenhang mit der Gesundheitsfürsorge tatsächliche Verantwortung übernommen hat, und zwar durchaus für einen inzwischen recht langen Zeitraum und – der Zeitablauf erlaubt diesen Rückschluss zwanglos – ersichtlich nicht mit Blick auf das zunächst gar nicht absehbare Anfechtungsverfahren. Dies gilt umso mehr, als der Antragsgegner zu 2. persönlich erst durch Zustellung der Antragsschrift am 27. Januar 2010 überhaupt von dem beim Antragsteller bestehenden Verdacht einer missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung Kenntnis erlangt hat. Der Senat vermag bei dieser Sachlage entgegen der Darstellung im Schriftsatz des Antragstellers vom 26. Februar 2010 (dort Seite 2 unten, Bl. 46 GA) nichts Auffälliges oder gar Verdächtiges aus dem Umstand abzuleiten, dass der Kindergeldantrag erst unmittelbar nach Erlass des Widerspruchsbescheides gestellt worden sein soll. Im Übrigen ist anzumerken, dass unstreitig zuvor die Kindesmutter sich um den Bezug von Kindergeld bemüht hatte, diese aber aufgrund ihres ausländerrechtlichen Status’ gescheitert ist. Dass der Antragsgegner zu 1. mit den Unterhaltszahlungen hinter seinen Möglichkeiten zurückbleibt, behauptet der Antragsteller selbst nicht. Im Übrigen hat der Landkreis … – Fachbereich Soziales - nach eingehender Überprüfung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Antragsgegners zu 1. ausdrücklich festgestellt, dass dieser jedenfalls nicht in der Lage ist, Betreuungsunterhalt nach § 1615 l BGB zu leisten.

Greifbare Anhaltspunkte dafür, dass diese gelebte Elternverantwortung den Abschluss dieses Verfahrens nicht überdauern werde, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Die Antragsgegner haben ferner ausgeführt, dass sie in unregelmäßigen Abständen – abhängig auch von den Einsatzzeiten seiner im Schichtdienst zu absolvierenden Erwerbstätigkeit - persönlichen Umgang pflegen, und zwar jeweils in B…, weil – so der Antragsgegner zu 1. durchaus plausibel – die kostengünstige Variante einer Mitfahrgelegenheit aus Südwestdeutschland wohl in die Hauptstadt, nicht aber nach F… oder C… besteht. Diese Umgangskontakte erfolgten in der nicht nur jüngeren Vergangenheit in einem Abstand von längstens zwei Monaten, nach Möglichkeit von Freitag bis Sonntag. Die Umgangskontakte, die kurzfristig telefonisch abgesprochen würden, seien ausgefüllt von Besuchen in Parks, auf dem Spielplatz, gelegentlich auch bei McDonalds; manchmal nutze man die Gelegenheit zum gemeinsamen Einkauf. Zwischen den Umgangskontakten erfolgten sehr häufige Telefonate zwischen dem Antragsgegner zu 1. und der Kindesmutter, aber auch mit der Antragsgegnerin zu 2. Die Kindesmutter informiere den Antragsgegner zu 1. über alle wichtigen E… betreffenden Angelegenheiten. Der Antragsgegner zu 1. wusste zu berichten, dass E… zwischenzeitlich die Kita in F… besucht und im Frühjahr dieses Jahres im Krankhaus gewesen ist; er zeigte sich auch informiert über die Hintergründe dieser stationären Unterbringung.

Soweit der Antragsteller den behaupteten persönlichen Umgangskontakten unter Hinweis auf den Umstand entgegentritt, dass die Kindesmutter nur eine Handvoll sogenannte Verlassenserlaubnisse beantragt habe, ist dies zur Widerlegung persönlicher Begegnungen in B… im angegebenen Umfang nicht geeignet. Es ist (nicht nur gerichts-)bekannt, dass Asylsuchende bzw. abgelehnte Asylbewerber tatsächlich nicht allein dann den Ort/Kreis ihres erlaubten Aufenthalts verlassen, wenn hierfür die vorgeschriebene Erlaubnis vorliegt. Insoweit findet das Verwaltungsrecht in der Lebenswirklichkeit nur sehr eingeschränkt eine Entsprechung. Dabei ist es auch gänzlich unerheblich, ob die von der Mutter im Anhörungstermin angegebenen Gründe für das Unterlassen der Antragstellung tatsächlich zutreffen.

Richtig ist (wohl - die vielzitierten Angaben der Kindesmutter in verschiedenen Stadien des Verwaltungsverfahrens wurden vom Antragsteller nicht überprüfbar dargelegt), dass jedenfalls die Kindeseltern hinsichtlich der Besuchsintervalle und der Intensität der Kontaktpflege nicht durchgehend dieselben inhaltlichen Angaben gemacht haben. Dem misst der Senat allerdings aus unterschiedlichen Gründen keine herausragende Bedeutung bei: Zum einen erscheint es nicht fernliegend, dass es – gerade mit Blick auf die der deutschen Sprache kaum mächtige Kindesmutter – hier auch Kommunikationsprobleme gegeben hat. Das in die Überprüfung involvierte Jugendamt des antragstellenden Landkreises hat unter dem 17. Dezember 2010 ausdrücklich ausgeführt, dass sich das Gespräch mit ihr „aufgrund sprachlicher Verständigungsprobleme schwierig“ gestaltet habe. In diesem Bericht ist im Übrigen auch ausdrücklich aufgeführt, dass „ein Gespräch mit dem Kind (…) aus gleichem Grund und dessen jungen Alters nicht zustande (kam). Mutter und Tochter verständigten sich untereinander auf Englisch.“ Die vom Antragsteller ausgemachten erheblichen Unterschiede in der Wahrnehmung der sprachlichen Kompetenz des Kindes vermag der Senat vor diesem Hintergrund nicht zu erkennen, zumal der Antragsgegner zu 1. nicht angegeben hat, dass seine Tochter nicht deutsch sprechen könne, sondern dies ihm gegenüber nicht wolle. Letztlich liegt es im Auge des Betrachters, ob jemand gut in der Lage ist, sich in einer ihm zunächst fremden Sprache auszudrücken.

Neben den vorstehend angeführten Aspekten ist aus Sicht des Senates entscheidend für die Annahme einer hier gewachsenen sozial-familiären Beziehung zwischen den Antragsgegnern die Tatsache, wie sich Vater und Tochter am 9. Juni 2011 begegnet sind. Nachdem das Kind in den Sitzungssaal und eine für E… sicherlich sehr befremdliche Situation gebracht worden ist, hat es – ohne weiteres nachvollziehbar – zunächst auf dem Schoß der Mutter Platz genommen. E… war zunächst auch für eine Ansprache der Vorsitzenden nicht erreichbar. Nach kurzer Zeit machte sie sich von sich aus - und ausdrücklich ohne jedes Zutun des deutlich räumlich von der Mutter entfernt platzierten Antragsgegners zu 1. oder der Mutter – los und lief auf den Vater zu. E… setzte sich vertrauensvoll zunächst auf den Schoß des Vaters, der sich sodann seiner Tochter liebevoll zuwandte und dabei tatsächlich auch eine Nascherei anbot, und verblieb schließlich neben ihm, um den Rest der Sitzung abzuwarten.

Dieser vertrauensvolle und durch nichts und niemanden konkret motivierte Umgang des Kindes mit seinem Vater belegt nach Überzeugung des Senates eindrucksvoll, dass hier eine tragfähige sozial-familiäre Vater-Tochter-Beziehung besteht, die auf der Bindungsebene kaum besser funktionieren könnte, wenn diese gemeinsam in einer häuslichen Gemeinschaft leben würden. Soweit der Antragsteller die Schilderung dieser Begegnung dadurch abzuwerten sucht, dass behauptet wird, dass der Vater das Kind mittels einer vorgehaltenen Bonbontüte in seiner unmittelbaren Nähe gehalten hat, wird der tatsächliche Hergang der gerichtsseitig herbeigeführten Situation dadurch massiv verzerrt.

Nachdem sich im Streitfall also offenkundig ein nachhaltig verwurzeltes persönliches Vertrauensverhältnis zwischen dem Antragsgegner zu 1. und der Antragsgegnerin zu 2. entwickelt, augenscheinlich ein regelmäßiger Austausch über Belange des Kindes zwischen den Eltern stattfindet, der Antragsgegner zu 1. darüber hinaus in finanzieller Hinsicht nachweislich, auch über einen inzwischen sehr erheblichen Zeitraum, und in gesundheitlichen Angelegenheiten zumindest unbestritten Elternverantwortung tatsächlich übernommen hat und schließlich keine belastbaren Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sich daran künftig etwas ändern wird, besteht eine tragfähige Grundlage für die Annahme einer sozial-familiären Beziehung; zumindest erscheint diese jedenfalls nicht ausgeschlossen, was schon für sich betrachtet einer erfolgreichen Anfechtung entgegensteht (vgl. dazu auch OLG Naumburg, Beschluss vom 25. August 2010, Az. 3 UF 106/10 – zitiert nach juris).

Auf die in der Rechtsprechung zwischenzeitlich – auch kontrovers - diskutierte Frage einer etwaigen Verfassungswidrigkeit der behördlichen Vaterschaftsanfechtung (vgl. Vorlagebeschlüsse des Amtsgerichts Hamburg-Altona vom 15. April 2010, Az. 350 F 118/09, und ferner des OLG Bremen vom 7. März 2011, Az. 4 UF 76/10, dagegen OLG Stuttgart, Beschluss vom 25. Juli 2011, Az. 16 UF 284/10 – jeweils zitiert nach juris) kommt es danach entscheidungserheblich nicht mehr an.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG.

Die Festsetzung des Beschwerdewertes folgt aus § 47 Abs. 1, 1. Alt. FamGKG.

Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 70 Abs. 2 FamFG liegen nicht vor.