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Individualbudget - Diverse Änderungen in der Zusammensetzung einer Gemeinschaftspraxis - Regelleistungsvolumen - Honorarverteilungsmaßstab Berlin - Bewertungsausschuss


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 7. Senat Entscheidungsdatum 30.11.2011
Aktenzeichen L 7 KA 45/08 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 85 Abs 4 SGB 5

Leitsatz

Sofern ein Vertrag über den Honorarverteilungsmaßstab ab dem 1. April 2005 noch die Bildung eines Individualbudgets vorsieht, verstößt dies gegen § 85 Abs. 4 SGB V und die Vorgaben des Bewertungsausschusses; Individualbudgets stellen kein Steuerungsinstrument dar, das den gesetzlich vorgegebenen Regelleistungsvolumen in seinen Auswirkungen vergleichbar ist.

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 27. Februar 2008 sowie der Bescheid der Beklagten vom 21. Januar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Februar 2006 aufgehoben.

Die Beklagte wird verpflichtet, das Individualbudget der Klägerin für das Quartal I/05 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu festzusetzen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte nicht berechtigt war, das Honorar der Klägerin für die Zeit ab dem Quartal II/05 durch ein Individualbudget zu begrenzen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens zu ¾, die Klägerin zu ¼.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Festsetzung eines höheren Individualbudgets ab dem Quartal I/05 sowie (hilfsweise) die Feststellung, dass die Beklagte nicht berechtigt war, ihr Honorar ab dem Quartal II/05 durch ein Individualbudget zu begrenzen.

Die Klägerin besteht als orthopädische Berufsausübungsgemeinschaft (Gemeinschaftspraxis) seit dem 1. Januar 2005 aus den Ärzten Dr. L und Dr. M S.

Dem war folgender Geschehensablauf vorausgegangen:

-seit 1. Oktober 1993: vertragsärztliche Tätigkeit Dr. L
-seit 2. Januar 1991: vertragsärztliche Tätigkeit Dr. S
-1. April 1994 bis 30. September 2001: Einzelpraxis Dr. L
-1. Oktober 2001 bis 30. Juni 2003: Gemeinschaftspraxis Dr. L / Dr. W
-Quartal III/03: Einzelpraxis Dr. L
-1. Oktober 2003 bis 30. Juni 2004: Gemeinschaftspraxis Dr. L / Dr. S (Nachfolger Dr. W)
-Quartal III/04: Einzelpraxis Dr. L
-Quartal IV/04: Gemeinschaftspraxis Dres. L / S / Pankow (Nachfolger Dr. S; erstmalige Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung, bislang ohne eigenes Individualbudget), Ausscheiden Dr. P zum 31. Dezember 2004

In der Zeit vom Quartal III/03 bis zum Quartal IV/04 setzte die Beklagte das auf die Praxis entfallende Individualbudget insgesamt wie folgt fest (jeweils unter Berücksichtigung des Gewichtungsfaktors):

Quartal

Primärkassen, Punktzahl

Ersatzkassen, Punktzahl

III/03
Einzelpraxis Dr. L, entsprechend Widerspruchsbescheid vom 23. August 2004, 92 Prozent des Umsatzes der zuvor bestehenden Gemeinschaftspraxis, gem. § 9 Abs. 6 Buchst. c) HVM

1.309.794

764.099

IV/03
Gemeinschaftspraxis Dr. L / Dr. S

1.613.104

981.358

I/04
Gemeinschaftspraxis Dr. L / Dr. S

1.552.870

926.413

II/04
Gemeinschaftspraxis Dr. L / Dr. S

1.418.732

928.349

III/04
Einzelpraxis Dr. L, Bescheid vom 4. Januar 2005, 100 Prozent des Individualbudgets der vormaligen Gemeinschaftspraxis im Quartal III/02

1.423.689

830.542

IV/04
Gemeinschaftspraxis Dr. L / Dr. S / Dr. P

1.828.146
(Gemäß Darstellung der
Beklagten: Addition der auf
Dr. L, Dr. P und Dr. S ent-
fallenden Werte: 806.552 [L] +
806.552 [P] + 215.042 [S])

1.310.344
(Gemäß Darstellung der
Beklagten Addition der auf
Dr. L, Dr. P und Dr. S ent-
fallenden Werte: 478.623 [L] +
502.735 [P] + 328.986 [S])

Mit Bescheid vom 21. Januar 2005 setzte die Beklagte für die jetzt nur noch aus den Ärzten Dr. L und Dr. S bestehende Klägerin für die Zeit ab 1. Januar 2005 ein neues Individualbudget fest. Die für die Bemessung relevanten Umsätze ermittelte die Beklagte, indem sie die Umsätze von Dr. L im Jahre 2002 (50 Prozent der Gemeinschaftspraxis L / W) mit denen von Dr. S im Jahre 2002 addierte. Als Individualbudget errechnete die Beklagte auf dieser Grundlage eine ungewichtete Punktmenge pro Quartal in Höhe von 951.294 im Primär- und von 758.674 im Ersatzkassenbereich, während die Fachgruppengrenzwerte für die Gemeinschaftspraxis 1.026.096 Punkte im Primär- und 944.546 Punkte im Ersatzkassenbereich betrugen:

        

2002, durchschnittliche
IB-Punkte pro Quartal,
Primärkassen

2002, durchschnittliche
IB-Punkte pro Quartal,
Ersatzkassen

Gemeinschaftspraxis Dr. L / Dr. W

1.502.099

899.245

Hiervon 50 Prozent, entfallend auf Dr. L

751.049

449.622

Einzelpraxis Dr. S

200.244

309.052

Summe Dr. L / Dr. S - ungewichtet -

951.294

758.674

Summe Dr. L / Dr. S - unter Berücksichtigung des Gewichtungsfaktors -

983.448

762.392

Fachgruppengrenzwerte für Gemeinschaftspraxis

1.026.096

944.546

Zur Begründung ihres gegen den Bescheid vom 21. Januar 2005 erhobenen Widerspruchs führte die Klägerin an: Weil die Ärztin Dr. S bei Eintritt in die Gemeinschaftspraxis über ein unterdurchschnittliches Individualbudget verfügt habe, müsse ihr – auch in der Gemeinschaftspraxis – ein Aufwachsen bis zum Fachgruppendurchschnitt möglich sein. Das Ausscheiden von Dr. P zum 31. Dezember 2004 dürfe gleichzeitig nicht zu einer Absenkung des Individualbudgets der Gemeinschaftspraxis führen, denn er habe kein Individualbudget in die Gemeinschaftspraxis eingebracht und könne somit auch keines mit „herausnehmen“. Er habe nämlich die Nachfolge von Dr. S angetreten, der seinerseits über kein Individualbudget verfügt habe; dementsprechend habe die Beklagte dem Arzt Dr. L für das Quartal III/04 auch das gesamte Individualbudget der ehemaligen Gemeinschaftspraxis Dr. L / Dr. S zugeschrieben. Im Quartal IV/04 habe Dr. P kein Individualbudget „realisiert“, zumal er auch keinen Anteil am Gesellschaftsvermögen innegehabt habe. Der Honorarrückgang im Quartal I/05 gegenüber dem Quartal I/04 betrage 34 Prozent; angesichts der Tatsache, dass in beiden Zeiträumen eine zweiköpfige Gemeinschaftspraxis bei gleich bleibendem Leistungsangebot und Patientenaufkommen gewirtschaftet habe, sei dies nicht hinnehmbar.

Den Widerspruch wies die Beklagte mit Bescheid vom 21. Februar 2006 zurück. Das Individualbudget sei zutreffend berechnet worden, nämlich entsprechend § 9 Abs. 6c des Honorarverteilungsmaßstabes (HVM) unter Berücksichtigung der Einzelbudgets der Praxismitglieder. Den Teilnehmern der Gemeinschaftspraxis Dr. L / Dr. S / Dr. P lasse sich jeweils ein individuelles Punktzahlvolumen zuordnen. Der Arzt Dr. P habe über ein eigenes und bestimmbares Individualbudget verfügt, das ihm beim Ausscheiden aus der Gemeinschaftspraxis zugeordnet worden sei. Maßgeblich sei insoweit, dass Dr. P die Nachfolge des Arztes Dr. S angetreten und deshalb auch dessen Individualbudget übernommen habe. Die Entscheidung, Dr. L für das Quartal III/04 eine Anhebung des Individualbudgets auf der Basis desjenigen der vormaligen Gemeinschaftspraxis zu gewähren, sei eine Übergangslösung ausschließlich für das Quartal III/04 bis zur Neubildung einer Gemeinschaftspraxis gewesen. Es habe nämlich die Aussicht bestanden, dass der Nachfolger von Dr. S auch dessen Individualbudget übernehmen würde, entsprechend der Regelung in § 9 Abs. 4e HVM. Mit seinem Eintritt in die Gemeinschaftspraxis zum Quartal IV/2004 habe Dr. P dann auch das vormals auf Dr. S entfallende Individualbudget übernommen und mit seinem Ausscheiden zum 31. Dezember 2004 umgekehrt auch wieder mitgenommen.

Zur Begründung ihrer dagegen erhobenen Klage hat die Klägerin im Wesentlichen ausgeführt: Für das Quartal III/03 sei Dr. L ein individuell auf ihn entfallendes Budget von 92 Prozent der zuvor bestehenden Gemeinschaftspraxis mit Dr. W zugeordnet worden. Weder durch den Zusammenschluss mit Dr. S noch durch den mit Dr. P habe sich dieses Individualbudget verringert. Im Gegenteil habe die Beklagte Dr. L für das Quartal III/04 sogar ein Individualbudget von 100 Prozent der vormaligen Gemeinschaftspraxis zugeordnet. Dabei müsse es bleiben. Der Bescheid des Beklagten habe insoweit keine Begrenzung enthalten. Für die Zeit ab dem Quartal I/05 hätte die Beklagte daher das vormalige arztindividuelle Budget des Dr. L nicht verringern dürfen, ihm aber das von Dr. S eingebrachte Individualbudget hinzurechnen müssen. Insgesamt gehe es um ein Honorarvolumen von etwa 47.300 Euro pro Quartal.

Das Sozialgericht Berlin hat die Klage mit Urteil vom 27. Februar 2008 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Beklagte habe Dr. L in den Quartalen III/03 und III/04 auf der Grundlage von § 9 Abs. 4e) HVM nur übergangsweise ein höheres Individualbudget zugebilligt. Hieraus sei kein Besitzstand erwachsen. Mit seinem Weggang aus der Gemeinschaftspraxis habe Dr. P das auf ihn entfallende Individualbudget mitgenommen. Für die Zeit danach seien die individuellen Werte der Ärzte Dr. L und Dr. S zu addieren gewesen.

Gegen das ihr am 27. Mai 2008 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 23. Juni 2008 Berufung eingelegt. Ergänzend bringt sie vor: Die Beklagte müsse sich an der Entscheidung festhalten lassen, Dr. L ab dem Quartal III/03 ein bestimmtes Individualbudget zugeordnet zu haben. Es stehe fest, dass auf den vormaligen Partner Dr. W nur etwa acht Prozent der Praxis entfallen seien. Im Zuge des Zusammenschlusses mit Dr. S habe Dr. L auch seine 92 Prozent in das Individualbudget der neuen Gemeinschaftspraxis eingebracht. Nach dem Ausscheiden des Dr. S sei das Individualbudget von Dr. L dann sogar auf 100 Prozent der Gemeinschaftspraxis L/W erhöht worden. Dr. P habe in dem einen Quartal seiner Tätigkeit nicht etwa die Hälfte des auf Dr. L entfallenden Individualbudgets übernommen. Vielmehr habe sich das Individualbudget der Gemeinschaftspraxis L / S / P aus den jeweils eingebrachten Einzel-Individualbudgets errechnet. Die erhebliche Schlechterstellung ab dem Quartal I/05 sei mit dem Gebot der Honorarverteilungsgerechtigkeit nicht zu vereinbaren. Tatsächlich müsse das Individualbudget für die Zeit ab dem Quartal I/05 errechnet werden aus einer Addition des vormaligen Individualbudgets der Frau Dr. S und 92 Prozent des Individualbudgets der ehemaligen Gemeinschaftspraxis Dr. L / Dr. W. Im Übrigen bestünden Bedenken, ob die Beklagte berechtigt gewesen sei, das Honorar der Klägerin ab dem Quartal II/05 durch ein Individualbudget zu begrenzen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 27. Februar 2008 sowie den Bescheid der Beklagten vom 21. Januar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Februar 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, das Individualbudget der Klägerin ab dem Quartal I/05 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu festzusetzen,

hilfsweise,

festzustellen, dass die Beklagte in den Quartalen II/05 bis IV/08 nicht berechtigt war, das Honorar der Klägerin durch ein Individualbudget zu begrenzen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen und die Revision zuzulassen.

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Die Entscheidungen zum Individualbudget der übergangsweise bestehenden Einzelpraxis Dr. L für die Quartale III/03 und III/04 seien nicht zu verallgemeinern. Dr. L könne daher nicht beanspruchen, dauerhaft 92 Prozent des Individualbudgets der früheren Gemeinschaftspraxis Dr. L / Dr. W zu erhalten.

Die Beteiligten haben mitgeteilt, dass die Honorarbescheide der Klägerin seit dem Quartal I/2005 nicht bestandskräftig seien.

Das Sozialgericht Berlin (S 71 KA 701/07) hat mit Urteil vom 6. April 2011 entschieden, dass die Beklagte über den Honoraranspruch der Klägerin für die Quartale III/06 und IV/06 neu zu entscheiden habe; in seinem Urteil hat das Sozialgericht u.a. ausgeführt, dass die Klägerin ab dem Quartal I/05 so hätte gestellt werden müssen, als hätte Dr. L 92 Prozent des Individualbudgets der ehemaligen Gemeinschaftspraxis Dr. L / Dr. W eingebracht. Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt, die beim Senat anhängig ist (L 7 KA 59/11).

Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte, des Verwaltungsvorgangs der Beklagten sowie der Akte zum Verfahren L 7 KA 59/11 nebst dortigem Verwaltungsvorgang Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung war.

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, aber nur teilweise begründet. Die Klägerin hat Anspruch auf Neufestsetzung ihres Individualbudgets für das Quartal I/05, nicht aber für die Zeit danach; außerdem hat sie Anspruch auf die Feststellung, dass die Beklagte nicht berechtigt war, ihr Honorar ab dem Quartal II/05 durch ein Individualbudget zu begrenzen.

I. Die Klägerin ist ohne Einschränkung rechtsschutzbedürftig. Die Höhe des maximal abrechenbaren individuellen Punktzahlvolumens (Individualbudget) ist einer eigenständigen Klärung auch losgelöst von der Anfechtung eines konkreten Honorarbescheids zugänglich. Weil sämtliche der Klägerin erteilten Honorarbescheide ab dem Quartal I/05 noch nicht bestandskräftig geworden sind, ist für einen Rechtsstreit über das Individualbudget grundsätzlich noch Raum, denn dieser kann einen höheren Honoraranspruch nach sich ziehen (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 3. Februar 2010, B 6 KA 31/08 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 12 und 14).

II. Für das Quartal I/05 – also für das erste Quartal der nur noch aus Dr. L und Dr. S bestehenden Gemeinschaftspraxis – hat die Klägerin Anspruch auf Neufestsetzung ihres Individualbudgets. Der angefochtene Bescheid ist insoweit rechtswidrig, das Sozialgericht hat die Klage insoweit zu Unrecht abgewiesen.

1. Grundsätzlich gilt für das Individualbudget bei – wie hier vorliegender – Änderung der personellen Zusammensetzung einer Gemeinschaftspraxis gemäß § 9 Abs. 6 Buchst. c) HVM i.d.F. vom 1. Oktober 2004 Folgendes:

Bei Ausscheiden eines Partners – mit Ausnahme des Job-Sharing-Partners – erhält der Ausscheidende bei Fortführung der ärztlichen Tätigkeit dasjenige Individualbudget, welches er in die Gemeinschaftspraxis eingebracht hat bzw. während der Zusammensetzung realisiert hat. Lässt sich ein maximal abrechenbares Punktzahlvolumen nicht einem Teilnehmer konkret zuordnen, erhält er den nach Köpfen bemessenen arithmetischen Durchschnittswert. Der Vorstand kann auf Antrag eine abweichende Festsetzung vornehmen, wenn der Antragsteller darlegt, dass ihm nachweislich ein höherer Anteil zusteht. Zum Nachweis geeignet ist in der Regel der Gemeinschaftspraxisvertrag in seiner zuletzt gegenüber dem Zulassungsausschuss vorgelegten Fassung, die Gewinnverteilung bzw. Teilungserklärung.

2. Hieran gemessen ist der Bescheid der Beklagten vom 21. Januar 2005 rechtswidrig. Zu Unrecht hat sie das Ausscheiden des Arztes Dr. P aus der Gemeinschaftspraxis zum Ende des Quartals IV/04 mit einer erheblichen Verringerung des Individualbudgets der Gemeinschaftspraxis Dr. L / Dr. S für die Zeit ab 1. Januar 2005 verbunden.

a) Hierfür ist maßgeblich, dass Dr. P bei Eintritt in die Gemeinschaftspraxis zum 1. Oktober 2004 kein eigenes Individualbudget mit einbrachte, sondern nur den Vertragsarztsitz des Vorgängers Dr. S übernahm. Das Individualbudget der Gemeinschaftspraxis errechnete sich im Quartal IV/04 ausschließlich anhand der auf Dr. L und Dr. S entfallenden Punktwerte. Die Beklagte ist insoweit daran festzuhalten, dass sie Dr. L mit Widerspruchsbescheid vom 23. August 2004 ab dem Quartal III/03 dauerhaft 92 Prozent des Individualbudgets der vormaligen Gemeinschaftspraxis Dr. L / Dr. W zugeordnet hatte. Dieser Wert wurde in den Quartalen IV/03 bis II/04 während des Bestehens der Gemeinschaftspraxis Dr. L / Dr. S wieder auf 100 Prozent der vormaligen Gemeinschaftspraxis Dr. L / Dr. W erweitert, was sich aufgrund des Bescheides vom 4. Januar 2005 dann auch auf das Quartal III/04 erstreckte, in dem Dr. L in Einzelpraxis tätig war.

Diese Prämisse hat sich zur Überzeugung des Senats im Quartal IV/04 fortgesetzt, denn gemäß § 9 Abs. 6 Buchst. b) HVM hat Dr. L sein Budget in diesem erheblichen Umfange in die im vierten Quartal 2004 bestehende Gemeinschaftspraxis eingebracht. Klarzustellen bleibt aber, dass Dr. L nur 92 Prozent und nicht etwa 100 Prozent der vormaligen Gemeinschaftspraxis Dr. L / Dr. W in die ab dem Quartal IV/04 bestehende Gemeinschaftspraxis einbringen durfte. Denn nur dieser Wert von 92 Prozent war ihm persönlich durch den Widerspruchsbescheid vom 23. August 2004 dauerhaft zuerkannt worden. Die Entscheidung beruhte darauf, dass Dr. L den Patientenstamm der vormaligen Gemeinschaftspraxis Dr. L / Dr. W allein weiter betreut hatte. Es ist indes nicht ersichtlich, aus welchen Gründen die von der Beklagten hier im Rahmen eines Widerspruchsverfahrens vorgenommene Aufteilung des Individualbudgets in den folgenden Quartalen, in denen sowohl die gleichen Rechtsgrundlagen galten, als auch die gleichen Tatsachen vorlagen, zu einem anderen Ergebnis als der Aufteilung des Individualbudgets im Verhältnis von 92 zu 8 führen sollte. Es gibt keine Rechtsgrundlage für die Auffassung der Beklagten, dass mit Beginn der Gemeinschaftspraxis Dr. L / Dr. S oder in der Folgezeit die Höhe des Individualbudgets von Dr. L gemindert werden oder ein Teil des Individualbudgets von Dr. L auf andere Gemeinschaftspraxispartner „überspringen“ konnte. Dr. S ist zwar in zulassungsrechtlicher Hinsicht an die Stelle von Dr. W getreten. Diese Nachfolgezulassung kann jedoch nicht dazu führen, dass Dr. S ein Individualbudget erlangt hätte, das Dr. W nicht mehr innehatte. Nur das von Dr. W zum Ende der Gemeinschaftspraxis mit Dr. L erlangte Individualbudget in Höhe von 8% des ursprünglichen Individualbudgets der Gemeinschaftspraxis konnte auch auf Dr. S mit seiner Zulassung übergehen. Dr. L brachte daher auch zum Quartal IV/2004 einen Anteil von 92% des Individualbudgets der ehemaligen Gemeinschaftspraxis Dres. L und W in die Gemeinschaftspraxis Dres. L, S und P ein. Als diese Gemeinschaftspraxis zum Ende des Quartals IV/04 aufgelöst wurde, musste das Individualbudget gemäß § 9 Absatz 6 c) HVM in dem Verhältnis aufgeteilt werden, in dem Individualbudgetanteile in die Gemeinschaftspraxis eingebracht worden waren. Da Dr. L 92% des Individualbudgets der ehemaligen Gemeinschaftspraxis Dres. L / W in die Gemeinschaftspraxis mit Dr. P und Dr. S einbrachte, musste er dieses Individualbudget auch bei der Auflösung dieser Gemeinschaftspraxis erhalten (ebenso: SG Berlin, Urteil vom 6. April 2011, S 71 KA 701/07, zitiert nach juris, dort Rdnr. 72, Berufung beim Senat anhängig zu L 7 KA 59/11).

Jede andere Sichtweise verbietet sich angesichts der Tatsache, dass Dr. P gemäß den ausdrücklichen Bekundungen der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat gerade kein eigenes Individualbudget „besaß“, das er hätte in die Gemeinschaftspraxis einbringen können. Dementsprechend ist kein Grund ersichtlich, warum Dr. P einen Teil desjenigen Budgets hätte „mitnehmen“ dürfen, das Dr. L am 1. Oktober 2004 in die Gemeinschaftspraxis eingebracht hatte.

b) Gleichzeitig kann auch nicht die Rede davon sein, dass Dr. P während des Bestehens der Gemeinschaftspraxis mit Dr. L und Dr. S einzig im Quartal IV/04 ein eigenes Individualbudget realisiert hätte. Seine Tätigkeit in der Gemeinschaftspraxis war mit nur drei Monaten denkbar kurz. Seine gesellschaftsrechtliche Stellung war zugleich sehr schwach; im Sinne des oben zitierten § 9 Abs. 6 Buchst. c) Satz 4 HVM ergibt sich gerade aus dem Gemeinschaftspraxisvertrag, dass Dr. P in dem einen Quartal seiner Tätigkeit in der Gemeinschaftspraxis kein eigenes Individualbudget realisierte: Nach § 3 Abs. 3 des im August 2004 geschlossenen Gemeinschaftspraxisvertrages erwarb Dr. P keine Beteiligung am materiellen und immateriellen Gesellschaftsvermögen; nach § 10 Abs. 1 standen ihm 50 Prozent des von ihm erbrachten Umsatzes, höchstens jedoch 10 Prozent des zu verteilenden Gewinns zu; nach § 17 Abs. 3 sollte Dr. P bei seinem Ausscheiden aus der Gemeinschaftspraxis keine Abfindung erhalten. Das Gesamtbild der auf ein Quartal begrenzten Tätigkeit von Dr. P in der Gemeinschaftspraxis stellt sich danach so dar, dass er – in Bezug auf das Individualbudget – mit leeren Händen eingetreten war, wirtschaftlich eher die Rolle eines Angestellten bekleidete und mit ebenso leeren Händen wieder aus der Gemeinschaftspraxis ausschied.

III. Für die Zeit ab dem Quartal II/05 hat die Klägerin indessen keinen Anspruch auf Festsetzung eines anders bemessenen Individualbudgets, denn das Regelungskonzept der Individualbudgets in den HVM (ab 1. Juli 2005: „Vertrag über den Honorarverteilungsmaßstab“) der Beklagten war von diesem Zeitpunkt an rechtswidrig.

Die ab dem Quartal II/05 maßgeblichen Honorarverteilungsregelungen entsprechen weder den gesetzlichen Vorgaben in § 85 Abs. 4 Sozialgesetzbuch / Fünftes Buch (SGB V) (unten a) noch der am 29. Oktober 2004 beschlossenen Übergangsregelung des Bewertungsausschusses (unten b). Dementsprechend gibt es (ab dem Quartal II/2005) keine gesetzliche Grundlage mehr, aufgrund derer eine Erhöhung des Individualbudgets beansprucht werden kann.

a) Gemäß § 85 Abs. 4 SGB V in der ab 1. Januar 2004 geltenden Fassung des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung vom 19. November 2003 (GKV-Modernisierungsgesetz, GMG, BGBl. I S. 2190) verteilt die Beklagte die Gesamtvergütungen an die Vertragsärzte, und zwar getrennt für die Bereiche der hausärztlichen und der fachärztlichen Versorgung (Satz 1). Sie wendet dabei ab dem 1. Juli 2004 den mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Verbänden der Ersatzkassen erstmalig bis zum 30. April 2004 gemeinsam und einheitlich zu vereinbarenden Verteilungsmaßstab an. Bei der Verteilung der Gesamtvergütungen sind Art und Umfang der Leistungen der Vertragsärzte zugrunde zu legen; dabei ist jeweils für die von den Krankenkassen einer Kassenart gezahlten Vergütungsbeträge ein Punktwert in gleicher Höhe zugrunde zu legen (Satz 3, 1. Halbsatz). Der Verteilungsmaßstab hat Regelungen zur Verhinderung einer übermäßigen Ausdehnung der Tätigkeit des Vertragsarztes entsprechend seinem Versorgungsauftrag nach § 95 Abs. 3 Satz 1 SGB V vorzusehen (Satz 6). Insbesondere sind arztgruppenspezifische Grenzwerte festzulegen, bis zu denen die von einer Arztpraxis erbrachten Leistungen mit festen Punktwerten zu vergüten sind (Regelleistungsvolumina [RLV], Satz 7). Im Fall der Überschreitung der Grenzwerte ist die den Grenzwert überschreitende Leistungsmenge mit abgestaffelten Punktwerten zu vergüten (Satz 8). Nach § 85 Abs. 4 a Satz 1 SGB V bestimmt der Bewertungsausschuss Kriterien zur Verteilung der Gesamtvergütungen nach § 85 Abs. 4 SGB V, unter anderem erstmalig bis zum 29. Februar 2004 auch den Inhalt der nach § 85 Abs. 4 Satz 4, 6, 7 und 8 SGB V zu treffenden Regelungen. Die nach § 85 Abs. 4 a SGB V zu beschließenden bundeseinheitlichen Vorgaben für die regionalen Honorarverteilungsmaßstäbe sind nach § 85 Abs. 4 Satz 10 SGB V Bestandteil der an die Stelle der bisherigen Beschlussfassung durch die Kassenärztlichen Vereinigungen tretenden HVM-Vereinbarungen nach § 85 Abs. 4 Satz 2 SGB V, was in seiner rechtlichen Bindungswirkung der Vereinbarung des Bundesmanteltarifvertrages als „allgemeiner Inhalt der Gesamtverträge“ nach § 82 Abs. 1 SGB V entspricht.

Der Bewertungsausschuss ist seinen Regelungsverpflichtungen nach § 85 Abs. 4 a SGB V u. a. durch den Beschluss vom 29. Oktober 2004 zur Festlegung von Regelleistungsvolumen durch die Kassenärztlichen Vereinigungen gemäß § 85 Abs. 4 SGB V mit Wirkung zum 1. Januar 2005 (Deutsches Ärzteblatt 101, Ausgabe 46 vom 12. November 2004, Seite A-3129) nachgekommen (im Folgenden: BRLV). Darin bestimmt er, dass Regelleistungsvolumen gemäß § 85 Abs. 4 SGB V arztgruppenspezifische Grenzwerte sind, bis zu denen die von einer Arztpraxis oder einem medizinischen Versorgungszentrum (Arzt-Abrechnungsnummer) im jeweiligen Kalendervierteljahr (Quartal) erbrachten ärztlichen Leistungen mit einem von den Vertragspartnern des Honorarverteilungsvertrages (ggf. jeweils) vereinbarten, festen Punktwert (Regelleistungspunktwert) zu vergüten sind. Für den Fall der Überschreitung der Regelleistungsvolumen ist vorzusehen, dass die das Regelleistungsvolumen überschreitende Leistungsmenge mit abgestaffelten Punktwerten (Restpunktwerten) zu vergüten ist (III. 2.1 BRLV). Für die Arztpraxis oder das medizinische Versorgungszentrum, die bzw. das mit mindestens einer der in Anlage 1 genannten Arztgruppen zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen ist, sind im Honorarverteilungsvertrag nachfolgende Regelleistungsvolumen zu vereinbaren, für die dieser Beschluss die Inhalte der Regelungen vorgibt (III. 3.1 Abs. 1 BRLV). Die in 4. aufgeführten Leistungen, Leistungsarten und Kostenerstattungen unterliegen nicht den Regelleistungsvolumen (III. 3.1 Abs. 4 BRLV).

Diesen Vorgaben wird der im streitigen Zeitraum geltende HVM der Beklagten nicht gerecht, weil er das Honorar der Vertragsärzte wie die schon seit dem 1. Juli 2003 geltenden Honorarverteilungsmaßstäbe durch ein Individualbudget begrenzt; hierin liegt ein Verstoß gegen das nach § 85 Abs. 4 SGB V verbindlich vorgegebenen System der Regelleistungsvolumen.

Grundsätzlich steht den Kassenärztlichen Vereinigungen und den Krankenkassen bei der Vereinbarung der Honorarverteilungsverträge Gestaltungsfreiheit zu, dies jedoch nur, soweit und solange ein höherrangiger Normgeber – insbesondere der Gesetzgeber, aber auch der Bewertungsausschuss – innerhalb der ihm übertragenen Kompetenzen die Materie nicht selbst geregelt hat (vgl. Urteil des BSG vom 18. August 2010, B 6 KA 27/09 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 24). Im vorliegenden Fall wird der Gestaltungsspielraum der Vertragspartner bei den Honorarverteilungsregelungen durch die genannten gesetzlichen Vorgaben in § 85 Abs. 4 Satz 7 und 8 SGB V und ferner dadurch maßgeblich eingeschränkt, dass der Bewertungsausschuss durch Beschluss vom 29. Oktober 2004 nach § 85 Abs. 4 a Satz 1, 2. Halbs. SGB V in der ab dem 1. Januar 2004 geltenden Fassung Vorgaben zum Inhalt der Regelungen nach § 85 Abs. 4 Satz 6 bis 8 SGB V getroffen hat. Mit dem GMG hat der Gesetzgeber die bisher als Soll-Vorschrift ausgestaltete Regelung zu den Regelleistungsvolumina (§ 85 Abs. 4 Satz 7 SGB V a.F.) verbindlich vorgegeben (nunmehr: „… sind Grenzwerte festzulegen, bis zu denen die Leistungen … mit festen Punktwerten zu vergüten sind…“). Dadurch soll erreicht werden, dass die von den Ärzten erbrachten Leistungen bis zu einem bestimmten Grenzwert mit festen Punktwerten vergütet werden und ihnen dadurch Kalkulationssicherheit hinsichtlich ihrer Praxisumsätze und Einkommen gewährt wird. Leistungen, die den Grenzwert überschreiten, sollen mit abgestaffelten Punktwerten vergütet werden; damit soll zum einen der Kostendegression bei steigender Leistungsmenge Rechnung getragen werden und zum anderen soll der ökonomische Anreiz zur übermäßigen Mengenausweitung begrenzt werden (vgl. BT-Drs. 15/1170, S. 79).

Die Honorarverteilungsregelungen, die die Beklagte und die Krankenkassen für den hier streitbefangenen Zeitraum vereinbart haben, berücksichtigen die zwingenden gesetzlichen Vorgaben in ihren „Kernpunkten“ (so Bundessozialgericht, a.a.O., Rdnr. 40) nicht, denn sie sehen weder die Festlegung von arztgruppenspezifischen Grenzwerten vor, bis zu denen die von einer Arztgruppe erbrachten Leistungen mit festen Punktwerten zu vergüten sind, noch sehen sie vor, dass die darüber hinaus abgerechneten Punktmengen mit abgestaffelten Punktwerten zu vergüten sind. Die Regelungen des hier angewandten HVM sehen vielmehr für alle an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte und Psychotherapeuten die Bildung eines individuellen Punktzahlvolumens (Individualbudget) vor, innerhalb dessen die Leistungen mit einem im HVM festgelegten Punktwert vergütet werden sollen, vgl. § 9 Abs. 2 Satz 1 HVM vom 10. April 2006.

Das Individualbudget wird bei einer Praxis, die wie die der Klägerin als Altpraxis einzustufen ist, nach Abzug bestimmter Leistungen aus den individuellen Umsätzen des Durchschnitts des Bemessungszeitraums (Quartale I/02 bis IV/02) und getrennt nach Primär- und Ersatzkassen gebildet. Die um diese Leistungen geminderten Umsätze werden mit dem Faktor 10/0,0511292 multipliziert. Daraus ergibt sich, nach Division durch die Anzahl der Quartale, ein Individualbudget je Arzt bzw. Praxis und Quartal. Dieses durchschnittliche Individualbudget je Quartal wird zum Ausgleich der Quartalsschwankungen der pauschalierten Gesamtvergütung mit einem Gewichtungsfaktor (Anlage 1 des HVM) versehen. Im Ergebnis erhält jeder Arzt bzw. jede Praxis ein quartalsbezogenes Individualbudget für all jene Leistungen, die – vorbehaltlich der Regelungen in § 9 Abs. 3 HVM – mit einem festen Punktwert zu vergüten sind, der im HVM als Individualbudgetpunktwert von 4,15 Cent genannt wird, vgl. § 9 Abs. 1 Satz 3 HVM. Nach § 9 Abs. 4 HVM wird ferner eine Fachgruppenquote ermittelt, die Auswirkungen auf die Vergütung der im Individualbudget erbrachten Leistungen hat. Zur Ermittlung der je Fachgruppe maximal zu einem festen Punktwert zu vergütenden Leistungen (Abs. 2) werden die nach Abs. 3 verringerten Honorarfonds der Fachgruppen durch den Faktor 0,0415 dividiert. Somit ergibt sich je Fachgruppe das maximal zu 4,15 Cent zu vergütende Punktvolumen. Dieses Punktvolumen je Fachgruppe wird durch die Summe der nach Abs. 2 gebildeten Individualbudgets je Fachgruppe dividiert. Der daraus resultierende Quotient ist die Fachgruppenquote. Die vom Arzt angeforderten Punkte – maximal bis zur Höhe des ermittelten Individualbudgets – werden mit der jeweiligen Fachgruppenquote multipliziert. Das so ermittelte Punktvolumen wird mit 4,15 Cent vergütet, vgl. § 9 Abs. 5 HVM. Die über dieses Punktvolumen hinaus abgerechneten Leistungen werden mit einem floatenden Punktwert vergütet.

Aufgrund dieser HVM-Regelungen ist es grundsätzlich möglich, dass für die Vergütung der Leistungen mit einem Punktwert von 4,15 Cent nicht allein das nach § 9 Abs. 2 HVM ermittelte individuelle Punktzahlvolumen des Arztes maßgeblich war, sondern das Abrechnungsverhalten der übrigen Ärzte der Fachgruppe. Daraus ergibt sich, dass anders als bei den Regelungen über RLV, bei denen ein zuvor festgelegter Punktwert bis zu einer bestimmten oder bestimmbaren Obergrenze der vom Arzt erbrachten Leistungen gilt, bei den Honorarregelungen der Beklagten nicht im Vorfeld bestimmbar ist, welches Punktzahlvolumen mit einem festen Punktwert vergütet wird. Zudem sieht der HVM der Beklagen auch keine Abstaffelung des Punktwertes für die über das Budget hinaus erbrachten Leistungen vor, wie dies § 85 Abs. 4 Satz 8 SGB V vorgibt. Die Abstaffelung von Vergütungen, die ihr Vorbild in den Maßnahmen zur Verhütung einer übermäßigen Ausdehnung der Kassenpraxis hat, trägt der Tatsache Rechnung, dass eine Arztpraxis wesentlich auf der fachlichen Qualifikation und Leistungsfähigkeit des freiberuflich tätigen Vertragsarztes beruht und daher in ihrer Kapazität ohne Qualitätseinbußen nicht erweiterungsfähig ist, wobei auch gleichzeitig der Einspareffekt berücksichtigt wird, der durch eine starke Auslastung der medizinisch-technischen Geräte genutzt wird (vgl. Engelhard in: Hauck/Noftz, SGB V, Stand II/10, § 85 RdNr. 262 b).

Schließlich fehlt es in dem HVM der Beklagten auch an arztgruppenspezifischen Festlegungen. Wie das Bundessozialgericht in seiner Entscheidung vom 17. März 2010 (B 6 KA 43/08 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 17) ausgeführt hat, erfordert das Merkmal der arztgruppenspezifischen Grenzwerte (§ 85 Abs. 4 Satz 7 SGB V n.F.), dass in die Regelung jedenfalls auch ein Element arztgruppeneinheitlicher Festlegung einfließt, wobei es nicht ausreicht, dass jeder Arztgruppe ein gemeinschaftliches Honorarkontingent („Honorartopf“) zugeordnet ist. Vielmehr müsse die Regelung z. B. jedenfalls auf arztgruppenspezifischen Fallpunktzahlen aufbauen. Der den in dem streitbefangenen Zeitraum gebildeten Individualbudgets zugrunde gelegte HVM der Beklagten enthält indessen keine Elemente arztgruppeneinheitlicher Festlegung, sondern legt der Honorarabrechnung Punktzahlgrenzen zugrunde, die für jede Arztpraxis individuell ausgehend von dem Umsätzen des Jahres 2002 gebildet wurden. Die mit arztgruppenspezifischen Grenzwerten beabsichtige Nivellierung vertragsärztlicher Honorare wird durch Individualbudgets, die in erster Linie an den praxisindividuellen Leistungsumfang in einem Referenzzeitraum anknüpfen, gerade nicht erreicht. Der HVM der Beklagten verstößt daher gegen § 85 Abs. 4 Satz 7 und 8 SGB V.

b) Die Bestimmungen des HVM über das Individualbudget widersprechen auch der Übergangsregelung in Teil III Nr. 2. 2. des Beschlusses des Bewertungsausschusses vom 29. Oktober 2004. Dort ist folgendes geregelt:

„Sofern in einer Kassenärztlichen Vereinigung zum 31. März 2005 bereits Steuerungselemente vorhanden sind, die in ihren Auswirkungen mit der gesetzlichen Regelung in § 85 Abs. 3 SGB V vergleichbar sind, können diese bis zum 31. Dezember 2005 fortgeführt werden, wenn die Verbände der Krankenkassen auf Landesebene das Einvernehmen hierzu herstellen. Wird kein Einvernehmen durch die Verbände der Krankenkassen auf Landesebene hergestellt oder sind solche Steuerungselemente, die in ihren Auswirkungen mit der gesetzlichen Regelung in § 85 Abs. 4 SGB V vergleichbar sind, nicht vorhanden, finden Regelleistungsvolumen gemäß 3. mit Wirkung zum 1. April 2005 Anwendung“.

Die Fortgeltung dieser Regelung, deren Rechtmäßigkeit das Bundessozialgericht bestätigt hat (vgl. Urteil vom 17. März 2010, B 6 KA 43/08 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 21), bis zum 31. Dezember 2006 bzw. im Jahr 2007 ergibt sich aus Teil IV des Beschlusses des erweiterten Bewertungsausschusses vom 16. Dezember 2005, für das Jahr 2007 aus Teil II des Beschlusses des Bewertungsausschusses aus der 117. Sitzung und für das Jahr 2008 aus der 139. Sitzung, Teil A Nr. 2.1 des Beschlusses.

Mit der Bezugnahme auf „vorhandene Steuerungselemente“ erlaubt der Beschluss des Bewertungsausschusses von den Vorgaben des § 85 Abs. 4 Satz 7 SGB V (arztgruppenspezifische Grenzwerte, Vergütung mit festen Punktwerten, abgestaffelte Punktwerte bei Überschreitung der Grenzwerte) nur dann eine Ausnahme, wenn bereits Steuerungselemente vorhanden sind, deren Auswirkungen mit den Vorgaben der gesetzlichen Regelung vergleichbar sind, und diese Instrumente fortgeführt werden. Hieran fehlt es allerdings (anders noch Urteil des Senats vom 24. November 2010, L 7 KA 162/07); Individualbudgets stellen kein Steuerungsinstrument dar, das den gesetzlich vorgegebenen Regelleistungsvolumen in seinen Auswirkungen vergleichbar ist. Eine andere Sichtweise hätte eine weitgehende Suspendierung der zwingenden gesetzlichen Vorgaben zur Folge, zu der auch der Bewertungsausschuss nicht berechtigt war.

Den Regelungen über RLV liegt die Vorstellung zugrunde, dass für jeden Arzt ein Leistungsvolumen festgelegt werden soll, das den im Regelfall anfallenden Versorgungs- und Behandlungsbedarf abdecken soll. Dafür ist vorgesehen, dass aus dem Versorgungsumfang der Arztgruppe ein entsprechender Gesamtbehandlungsbedarf ermittelt wird, aus dem sich die arztgruppenbezogenen Regelleistungsvolumina für jede Arztgruppe (§ 85 a SGB V) und für jeden einzelnen Arzt ergeben. Im Rahmen dieser Volumina erfolgt eine Vergütung mit festen Punktwerten. Nur soweit ein spezieller weiterer Behandlungsbedarf besteht, soll der Arzt zusätzliches Honorar erhalten können. Das Honorar für Leistungen, die über das RLV hinaus erbracht werden, wird abgestaffelt. Ziel der Regelungen ist es zum einen, dem Vertragsarzt Kalkulationssicherheit bei der Vergütung seiner Leistungen bis zu einer bestimmten Obergrenze zu gewährleisten; zum anderen soll damit die Kostendegression bei steigender Leistungsmenge durch die Abstaffelung des Vergütungspunktwertes bei den das RLV übersteigenden Leistungen verringert werden (vgl. Engelhard a.a.O., § 85 RdNr. 258 a mit Hinweis auf die Gesetzesbegründung). Zwar zielen auch die Regelungen über Individualbudgets darauf ab, den Ärzten Kalkulationssicherheit zu verschaffen und den Anreiz zur Leistungsausweitung zu vermindern. Allein die Zielsetzung einer Regelung ist jedoch nicht ausreichend, die in § 85 Abs. 4 Satz 7 SGB V genannten Vorgaben zu erfüllen. Maßgeblich kommt es auf die Auswirkungen des jeweiligen Steuerungsinstruments an; diese sind – wie gezeigt – beim Regelleistungsvolumen einerseits und beim Individualbudget andererseits verschieden (ebenso LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 8. September 2010, L 11 KA 23/08, zitiert nach juris, dort Rdnr. 95).

c) Vor diesem Hintergrund kommt der Senat ebenso wie das Sozialgericht Berlin in seiner jüngeren Rechtsprechung (vgl. Urteil vom 1. Juni 2011, S 79 KA 198/08) und ebenso wie das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, das über ähnliche HVM-Regelungen zu entscheiden hatte (a.a.O., anhängig beim Bundessozialgericht zum Aktenzeichen B 6 KA 3/11 R, Revisionsentscheidung erwartet für den 14. Dezember 2011) zu dem Ergebnis, dass der HVM der Beklagten in dem hier streitbefangenen Zeitraum keine Steuerungselemente enthielt, deren Auswirkungen mit den Vorgaben der gesetzlichen Regelung vergleichbar sind. Die mit dem System der Vergütung nach Regelleistungsvolumina für die Vertragsärzte gegebenenfalls verbundenen Vorteile dürfen aber nicht ohne normative Grundlage im Bundesrecht durch die Partner der HVM so begrenzt werden, dass anstelle der Regelleistungsvolumina faktisch praxisindividuelle Budgets zur Anwendung kommen (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 18. August 2010, B 6 KA 27/09 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 39). Da die Regelungen des HVM über die Bildung von Individualbudgets somit gegen höherrangiges Recht verstoßen, sind sie rechtswidrig.

IV. Nach alledem hat die Berufung aber mit dem Hilfsantrag Erfolg. Die Klägerin hat Anspruch auf die Feststellung, dass die Beklagte nicht berechtigt war, ihr Honorar für die Zeit ab dem Quartal II/05 durch ein Individualbudget zu begrenzen.

Zulässig ist die Klage insoweit zum einen als Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]), gerichtet auf die Aufhebung des Bescheides, der den Antrag auf Neufestsetzung des Individualbudgets ablehnte und auf der Annahme beruhte, dass ab dem Quartal II/05 noch ein Individualbudget festgesetzt werden dürfe. Effektivem Rechtsschutz entspricht es aus Sicht der Klägerin, diesen Bescheid nicht bestandskräftig werden zu lassen. Sachgerecht kombiniert ist diese Anfechtungsklage mit einer Feststellungsklage (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG); das streitige Rechtsverhältnis besteht insoweit in der Frage, ob die Beklagte überhaupt berechtigt war, das Honorar der Klägerin ab dem Quartal II/05 durch ein Individualbudget zu begrenzen. An einer derartigen Feststellung hat die Klägerin auch ein berechtigtes Interesse im Sinne von § 55 Abs. 1, letzter Halbs. SGG. Die so verstandene Feststellungsklage ist auch nicht unter dem Aspekt der Subsidiarität unzulässig (vgl. hierzu Keller in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 9. Aufl. 2008, Rdnr. 19 ff. zu § 55); die mit der Anfechtungsklage kombinierte Verpflichtungsklage, gerichtet auf Neufestsetzung eines Individualbudgets für den streitigen Zeitraum, ist – wie oben unter III. gezeigt – unbegründet, denn ab dem Quartal II/05 war die Beklagte kraft bundesgesetzlicher Regelungen grundsätzlich gehindert, überhaupt vertragsärztliches Honorar durch ein Individualbudget zu begrenzen. Es kann der Klägerin nicht zugemutet werden, mit einer statthaften Anfechtungs-/Verpflichtungsklage kostenpflichtig zu unterliegen, während sie mit einer Anfechtungs-/Feststellungsklage – wie hier – obsiegen würde. Die im Berufungsverfahren auf Anraten des Senats (§ 106 Abs. 1 Satz 1 SGG) vorgenommene Änderung des Klageantrags wäre damit auch sachdienlich im Sinne von § 99 Abs. 1 SGG.

Nach dem oben unter III. Gesagten ist die Klage mit dem Hilfsantrag auch begründet.

Die Beklagte war nicht berechtigt, das Honorar der Klägerin für die Zeit ab dem Quartal II/05 durch ein Individualbudget zu begrenzen.

V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 155 Abs. 1 VwGO und folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.

Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).