Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 6. Senat | Entscheidungsdatum | 05.06.2013 | |
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Aktenzeichen | OVG 6 B 14.12 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 30 Abs 1 Nr 4 FFG 2004, § 30 Abs 6 FFG 2004, § 73 Abs 1 S 1 FFG 2010, § 48 VwVfG, § 49 VwVfG |
Ein Kinofilm kann durch Ausstrahlung einer Fernsehproduktion grundsätzlich nur dann ausgewertet werden, wenn der Kinofilm bei Herstellung der anderen Produktion bereits existierte.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 22. November 2011 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Die Klägerin wendet sich gegen die Aufhebung eines Bescheides, mit dem ihr Referenzfilmfördermittel zuerkannt worden waren, sowie gegen die Rückforderung der ausgezahlten Fördermittel.
Die Klägerin produzierte gemeinsam mit der BBC Worldwide Limited (BBCW), einer 100%igen Tochter der British Broadcasting Cooperation (BBC), auf der Grundlage eines im Dezember 2002 geschlossenen Koproduktionsvertrages den Kinofilm „Deep Blue”. Dieser Film beruht auf der zuvor produzierten, in Großbritannien bereits im September 2001 ausgestrahlten Fernsehserie der BBC „The Blue Planet” bzw. „Unser blauer Planet“ und verwendet Naturaufnahmen, die die BBC Natural History Unit (BBC NHU) für die TV-Serie erstellt hatte; ausweislich Nr. 1.1 des Koproduktionsvertrages besteht der Film zu 75 % – 85 % aus Bildern, die bereits in der Serie verwandt wurden. Die Serie wurde erstmals ab 8. Juli 2003 in der ARD ausgestrahlt. Der Kinofilm wurde am 29. Januar 2004 in den deutschen Kinos erstaufgeführt. Ab dem 2. März 2004 wurde die Fernsehserie erneut in verschiedenen unverschlüsselten Fernsehprogrammen ausgestrahlt.
Am 11. Januar 2005 schlossen die Klägerin und die BBCW einen Koproduktionsvertrag über die Herstellung des Dokumentarfilms „Planet Earth - The Movie” – später „Unsere Erde“. Gleichzeitig plante die BBC die Herstellung einer Fernsehserie „Planet Earth” bzw. „Planet Erde“. Zur Herstellung von Kinofilm und Fernsehserie erstellte die BBC NHU einen gemeinsamen Bilderpool, 70 % des in dem Kinofilm verwandten Bildmaterials des Films findet sich auch in der Serie. Die Fernsehserie wurde bereits im Februar 2006 in Großbritannien erstausgestrahlt, der Kinofilm wurde nach Angaben des Geschäftsführers der Klägerin im Mai 2007 fertiggestellt.
Auf den entsprechenden Antrag der Klägerin bewilligte die Beklagte dieser mit Zuerkennungsbescheid vom 31. März 2005 im Hinblick auf den Film „Deep Blue“ Referenzfilmfördermittel in Höhe von 668.373,47 Euro, die gemäß Nr. 1 des Bescheides innerhalb von zwei Jahren nach der letzten Zuerkennung zweckgebunden zur Finanzierung der Herstellung neuer programmfüllender Filme zu verwenden waren. Mit Auszahlungsbescheid vom 29. Juli 2005 bewilligte die Beklagte die ratenweise Auszahlung der Fördermittel für die Herstellung des zu fördernden Films „Unsere Erde“. Ein Zuerkennungsbescheid vom 30. März 2006 über die Bewilligung weiterer Referenzfilmfördermittel in Höhe von 5.965,77 Euro für den Film „Deep Blue“ wurde der Klägerin ausweislich eines Vermerks in der Akte nicht bekanntgegeben. Nachdem der Kinofilm „Deep Blue“ 35 Tage vor Ablauf der 24-monatigen Sperrfrist im unverschlüsselten Fernsehen gesendet worden war, hob die Beklagte mit Teilaufhebungsbescheid vom 13. Juni 2006 den Zuerkennungsbescheid vom 31. März 2005 in Höhe von 53.674,69 Euro auf, wogegen die Klägerin keinen Rechtsbehelf einlegte.
Ab September 2006 strahlten verschiedene nicht verschlüsselte deutsche Fernsehsender Folgen der Fernsehserie „Planet Erde” aus. Am 7. Februar 2008 startete der Kinofilm „Unsere Erde” in den deutschen Kinos, unmittelbar danach wurden erneut Folgen der Fernsehserie „Planet Erde“ im unverschlüsselten deutschen Fernsehen ausgestrahlt. Daraufhin hob die Beklagte mit Bescheid vom 10. April 2008 den Auszahlungsbescheid vom 29. Juli 2005 wegen einer Verletzung der Sperrfrist des § 30 Abs. 1 Nr. 4 FFG 2004 auf und forderte die Rückzahlung der bereits in Höhe von 550.000,00 Euro ausgezahlten Mittel. Den hiergegen von der Klägerin erhobenen Widerspruch sowie ihren Antrag nach § 30 Abs. 7 FFG 2004, von Maßnahmen nach § 30 Abs. 6 FFG 2004 abzusehen, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 11. September 2008 zurück. Die Klägerin hat am 10. Oktober 2008 Klage gegen die Aufhebung des Auszahlungsbescheides erhoben, der das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 22. November 2011 stattgegeben hat; die hiergegen von der Beklagten eingelegte Berufung hat der Senat mit Urteil vom 5. Juni 2013 zurückgewiesen.
Mit Bescheid vom 27. August 2010 hob die Beklagte nach Anhörung der Klägerin auch den Zuerkennungsbescheid vom 31. März 2005 wegen Verstoßes gegen die Sperrfristen auf, weil die Fernsehserie „Unser blauer Planet“ bereits vor dem Kinostart des Films „Deep Blue“ im unverschlüsselten Fernsehen gesendet worden sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 18. Oktober 2011 wies die Beklagte den hiergegen von der Klägerin erhobenen Widerspruch zurück. Mit weiterem Bescheid vom 18. Oktober 2011 lehnte die Beklagte auch den Antrag der Klägerin nach § 30 Abs. 7 FFG 2004, von Maßnahmen auf Grund der Sperrfristverletzung abzusehen, ab.
Gegen den Bescheid vom 27. August 2010 hat die Klägerin am 19. Mai 2011 Untätigkeitsklage erhoben. Sie hat im Wesentlichen vorgetragen: Es sei schon nicht ersichtlich, warum die Beklagte berechtigt sein solle, denselben Förderbetrag zweimal zurückzufordern. Außerdem liege kein Verstoß gegen die gesetzlichen Sperrfristen vor. „Deep Blue“ sei der Referenzfilm für den Film „Unsere Erde“ und nicht mit Mitteln der Beklagten gefördert worden; aus dem Wortlaut des § 30 FFG 2004 sowie Sinn und Zweck der Regelung ergebe sich aber, dass die Sperrfristen nur für den neuen, mit den Referenzfördermitteln hergestellten Film gälten. Zudem habe sie keinen Einfluss auf die Ausstrahlung der Serie durch die ARD/BBC gehabt. Da der Beklagten der Sachverhalt bereits seit längerem bekannt sei, sei die Aufhebung des Zuerkennungsbescheides verfristet bzw. verwirkt.
Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 22. November 2011 den Bescheid der Beklagten vom 27. August 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Oktober 2011 aufgehoben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Voraussetzungen des § 30 Abs. 1 und 6 FFG 2004 lägen nicht vor, denn jedenfalls ein „Auswerten oder Auswerten-Lassen” durch die Klägerin als Referenzmittelempfängerin sei nicht anzunehmen. Dies setze voraus, dass der Fördermittelempfänger die Verwertungsrechte an dem ausgewerteten Film, hier an der Fernsehserie „Unser blauer Planet” besitze und er diesen selbst ausgewertet oder zur Auswertung an einen Dritten weitergereicht habe. Die Klägerin sei indes nicht Herstellerin der Fernsehserie. Es sei auch nicht ersichtlich, dass ihre Verwertungsrechte an dem Kinofilm das Recht beinhalteten, auf die Auswertung der Fernsehserie im Fernsehen Einfluss zu nehmen. Es genüge nicht, dass die Klägerin keine Vereinbarung mit der BBC getroffen habe, um eine Ausstrahlung der Fernsehserie im deutschen Fernsehen vor Ablauf der Sperrfrist für den Kinofilm zu verhindern oder dass die BBCW mittelbar in den Genuss der Fördermittel gekommen sei und im Konzernverbund mit der BBC stehe. Dass die gewählte Vertragskonstruktion gewählt worden sei, um die Sperrfristregelung zu umgehen, sei nicht ersichtlich. Auch eine analoge Anwendung von § 30 Abs. 1 FFG auf die vorliegende Fallgestaltung oder eine Umdeutung des Aufhebungsbescheides in einen Rücknahme- oder Widerrufsbescheid sei nicht möglich.
Mit der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung macht die Beklagte geltend: § 30 FFG 2004 erfasse, wie sich aus Gesetzeshistorie, -systematik und Sinn und Zweck der Regelung ergebe, auch den Film, der Referenzmittel auslöse. Die Klägerin habe eine Sperrfristverletzung begangen, weil sie die Fernsehserie „Unser blauer Planet” als Teil des geförderten Films „Deep Blue” im Fernsehen vor Ablauf der Sperrfrist habe auswerten lassen. Die Sperrfristregelung gelte für sämtliche Fassungen des geförderten Films, auch für Fernsehfassungen. 75 - 85 % des Bildmaterials von Film und Serie seien unstreitig identisch. Die Auswertung der Serie müsse sich die Klägerin zurechnen lassen. Zwar sei die Sperrfristverletzung in den Vorgängerregelungen des § 30 FFG 2004 stets an die Inhaberschaft des dem Hersteller ausschließlich zustehenden Fernsehnutzungsrechts verknüpft gewesen. Unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Filmförderung und der Sperrfristenregelung müsse für eine Sperrfristverletzung jedoch genügen, wenn die Ausstrahlung im Fernsehen dem Förderungsempfänger zumindest zurechenbar sei, denn sonst wäre es insbesondere bei Gemeinschaftsproduktionen leicht, die Sperrfristenregelung durch Trennung von Förderungsempfänger und Inhaber der Verwertungsrechte zu umgehen. Auf schuldhaftes Verhalten komme es nicht an, ungeachtet dessen habe die Klägerin aber die Sperrpflichtverletzung wissentlich in Kauf genommen und damit schuldhaft gehandelt. Sie habe sowohl die tatsächliche als auch die rechtliche Möglichkeit gehabt, die Ausstrahlung der Fernsehserie zu verhindern und die Ausstrahlungstermine zu steuern. Es habe sich bei dem Kinofilm um eine internationale Gemeinschaftsproduktion von BBC, BBCW und der Klägerin gehandelt; demgemäß hätte die Klägerin etwa im Rahmen des Koproduktionsvertrages sicherstellen können, dass die BBC bei der Ausstrahlung der TV-Produktion die Sperrfristen beachtet. Als Mitherstellerin des Kinofilms habe die Klägerin ferner zumindest gemeinschaftlich die Verwertungsrechte an diesem Film, also auch an Ausschnitten oder Einzelbildern des Films erworben. Der Widerruf sei im Übrigen weder verfristet noch verwirkt. Sie habe erst nach Abschluss von Recherchen im September 2009 Kenntnis davon erlangt, dass große Teile des Films „Deep Blue“ bereits seit 2003 als Fernsehserie im unverschlüsselten Fernsehen ausgestrahlt worden seien. Nachdem sie vollständige Tatsachenkenntnis gehabt habe, sei sie stets von einer Sperrfristverletzung ausgegangen, es habe keinen Richtungswechsel gegeben. Die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf das Absehen von Rückforderungsmaßnahmen nach § 30 Abs. 7 FFG 2004, die Beklagte habe das ihr insoweit zustehende Ermessen fehlerfrei ausgeübt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 22. November 2011 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der in dem Verfahren OVG 6 B 13.12 beigezogenen Verwaltungsvorgänge, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, verwiesen.
Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben, der Bescheid vom 27. August 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Oktober 2011 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Rechtsgrundlage für die Aufhebung des Zuerkennungsbescheides vom 31. März 2005 ist § 30 Abs. 6 des Filmförderungsgesetzes in der Fassung vom 22. Dezember 2003 (FFG 2004). Diese Fassung ist, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, maßgeblich, weil gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 FFG in der aktuellen Fassung Ansprüche nach diesem Gesetz, die vor dem 1. Januar 2009 entstanden sind, nach den bis zum 31. Dezember 2008 geltenden Vorschriften abgewickelt werden. Nach § 30 Abs. 6 Satz 1 FFG 2004 ist der Förderungsbescheid zu widerrufen oder zurückzunehmen, wenn die Sperrfristen verletzt werden, nach Satz 2 der Vorschrift sind bereits ausgezahlte Förderungsmittel zurückzufordern. Gemäß § 30 Abs. 1 FFG 2004 darf derjenige, der u.a. Referenzfilmförderungsmittel nach diesem Gesetz in Anspruch nimmt, den geförderten Film oder Teile desselben zum Schutz der einzelnen Verwertungsstufen vor Ablauf der in Nrn. 1 bis 4 genannten Sperrfristen weder durch Bildträger im Inland oder in deutscher Sprachfassung im Ausland noch im Fernsehen oder in sonstiger Weise auswerten lassen oder auswerten; die Sperrfrist für die Auswertung durch nicht verschlüsseltes Fernsehen beträgt nach Nr. 4 der Regelung 24 Monate nach regulärer Erstaufführung des Films.
1. Es ist bereits fraglich, ob die Sperrfristen des § 30 Abs. 1 FFG 2004 überhaupt für den Film „Deep Blue“ gelten, obwohl für dessen Herstellung keine Fördermittel der Beklagten in Anspruch genommen wurden, sondern er lediglich Referenzfilmfördermittel für die Herstellung des Films „Unsere Erde“ ausgelöst hat. Der Wortlaut der Vorschrift, dem zufolge der „geförderte Film“ nicht vor Ablauf der unter Nrn. 1 bis 4 der Regelung genannten Sperrfristen ausgewertet werden darf, spricht eher dafür, dass die Sperrfristen lediglich für Filme gelten, für deren Herstellung Fördermittel gewährt worden sind. Mithin wäre der Referenzfilm nur dann erfasst, wenn er seinerseits unter Einsatz von Fördermitteln nach dem Filmförderungsgesetz hergestellt worden wäre (so von Have, Filmförderungsgesetz, § 25 Rn. 11, § 30 Rn. 1; Radmann, die Sperrfristenregelung des FFG, ZUM 2008, 197, 200).
2. Diese Frage kann indes dahingestellt bleiben, denn jedenfalls liegt keine Sperrfristverletzung vor.
a) Durch die Ausstrahlung der Fernsehserie „Unser blauer Planet“ wurden der Kinofilm „Deep Blue“ oder Teile desselben nicht im Sinne von § 30 Abs. 1 FFG 2004 ausgewertet. Dies würde schon begriffsnotwendig und nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift voraussetzen, dass der ausgewertete Film zum Zeitpunkt der Auswertung bereits existiert. Auch die Bestimmung in § 30 Abs. 1 Nrn. 1 bis 4 FFG 2004, wonach die Sperrfristen sämtlich erst mit der regulären Erstaufführung des Films im deutschen Kino zu laufen beginnen, legt ein derartiges Verständnis der Vorschrift nahe. Der Film „Deep Blue“, den die Beklagte durch die Fernsehserie „Unser blauer Planet“ ausgewertet sieht, lag zum Zeitpunkt der Produktion und erstmaligen Ausstrahlung der Fernsehserie jedoch noch gar nicht vor. Vielmehr ist die Serie deutlich vor dem Film hergestellt worden. Die Fernsehserie wurde in Großbritannien bereits im September 2001 ausgestrahlt, während der Koproduktionsvertrag betreffend den Film erst im Dezember 2002 abgeschlossen wurde. Der Einleitung dieses Vertrages ist ferner zu entnehmen, dass die BBC eine Verwendung des Filmmaterials für den Kinofilm gebilligt hatte. Die Serie enthält demnach nicht Teile des Kinofilms, sondern dieser besteht überwiegend aus Teilen der zuvor produzierten Fernsehserie. Vor diesem Hintergrund dürfte auch mit dem Verwaltungsgericht davon auszugehen sein, dass die Klägerin keinerlei Einflussmöglichkeiten auf die Ausstrahlung der Fernsehserie hatte. Weder die bereits vor der Erstaufführung des Kinofilms „Deep Blue“ am 29. Januar 2004 erfolgten Ausstrahlungen der Fernsehserie „Unser blauer Planet“ im unverschlüsselten Fernsehen noch die Ausstrahlungen der Serie nach dem Kinostart des Films stellen mithin Sperrfristverletzungen im Sinne des § 30 Abs. 1 FFG 2004 dar.
Soweit die Beklagte davon ausgeht, dass eine Sperrfristverletzung in einem Fall wie dem vorliegenden nur dann nicht anzunehmen sei, wenn der Film und die zuvor hergestellte Produktion das Material von einen unabhängigem Dritten gegen marktübliches Entgelt angekauft hätten, also eine „Drittarchivsituation“ vorliege, findet diese einschränkende Auslegung im Gesetzeswortlaut keine Stütze. Für die Frage, ob eine Auswertung des Kinofilms vorliegt, kommt es nicht darauf an, ob das verwendete Material von einem Dritten angekauft wurde, sondern es ist allein entscheidend, ob es dem Kinofilm entnommen wurde.
Unbeschadet des Vorstehenden könnte etwas anderes hier auch nicht deshalb gelten, weil Kinofilm und Fernsehserie identisch wären. Zwar wird davon ausgegangen, dass die Sperrfristen des § 30 FFG 2004 für sämtliche Fassungen eines Films gelten, sofern nach Thema, Handlung und Gestaltung bei den verschiedenen Fassungen die Identität des Films gewahrt bleibt (vgl. von Have, a.a.O, § 30 Rn. 7; von Have/Schwarz in von Hartlieb/Schwarz, Handbuch des Film-, Fernseh- und Videorechts, 4. Aufl. 2004 S. 355 Rn. 19). Entgegen der Auffassung der Beklagten stellt die Serie „Unser blauer Planet“ aber keine Fernsehfassung des Kinofilms dar. Zwar wird der Film in dem in den Verwaltungsvorgängen der Beklagten enthaltenen Ausdruck aus vom 13. Januar 2005 (VV Deep Blue I Bl. N 4) als „Kinokonzentrat“ der Serie beschrieben und enthält zu 75 bis 85 % Bildmaterial, das bereits in der Fernsehserie verwandt worden ist. Die Serie besteht aber zum weit überwiegenden Teil aus Material, das nicht Bestandteil des Films ist. Das ergibt sich bereits aus der unterschiedlichen Länge von Film und Serie. Der Film hat eine Laufzeit von 83 Minuten, während die Serie in der deutschen Version aus acht Episoden mit einer Laufzeit von je 45 Minuten besteht, mithin eine Gesamtlaufzeit von sechs Stunden aufweist. Eine Produktion, die lediglich zu etwa 1/5 Material verwendet, das auch Gegenstand eines Kinofilms ist, stellt nicht lediglich eine andere Schnittfassung desselben Films dar.
b) Es liegt auch keine anderweitige Sperrfristverletzung vor, die eine Aufhebung des Zuerkennungsbescheides vom 31. März 2005 rechtfertigen würde. Die Ausstrahlung des Films „Deep Blue“ im unverschlüsselten Fernsehen 35 Tage vor Ablauf der Sperrfrist des § 30 Abs. 1 Nr. 4 FFG 2004 war bereits Gegenstand des bestandskräftigen Teilaufhebungsbescheides vom 13. Juni 2006 und kann somit nicht mehr zur Rechtfertigung einer vollständigen Aufhebung des Zuerkennungsbescheides herangezogen werden. Eine Sperrfristverletzung im Hinblick auf den geförderten Film „Unsere Erde“ liegt, wie der Senat mit Urteil vom heutigen Tage im Verfahren OVG 6 B 13.12 entschieden hat, ebenfalls nicht vor, so dass keiner Entscheidung bedarf, ob eine hierauf gestützte Aufhebung des Zuerkennungsbescheides im August 2010 bereits verfristet oder verwirkt gewesen wäre.
3. Der Aufhebungsbescheid vom 27. August 2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides kann schließlich, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, nicht in einen Rücknahme- oder Widerrufsbescheid nach § 48 bzw. § 49 VwVfG umgedeutet werden. Ungeachtet der Frage, ob die Voraussetzungen für eine Rücknahme oder einen Widerruf nach diesen Vorschriften vorgelegen haben, scheitert eine Umdeutung daran, dass Entscheidungen nach diesen Vorschriften im Ermessen der zuständigen Behörde stehen, die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden aber kein Ermessen ausgeübt hat. Wie sich aus Satz 1 der Begründung des Aufhebungsbescheides sowie Nr. II.2a) des Widerspruchsbescheides ergibt, ist die Beklagte vielmehr davon ausgegangen, dass der Zuerkennungsbescheid wegen der vorliegenden Sperrfristverletzung zwingend aufzuheben war.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10, § 711 der Zivilprozessordnung.
Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen. Zwar ist die hier streitentscheidende Norm des § 30 FFG 2004 mit Wirkung zum 1. Januar 2009 durch den neu gefassten § 20 FFG 2009 ersetzt worden. Die grundsätzliche Klärungsbedürftigkeit der sich im vorliegenden Verfahren stellenden Rechtsfrage, wann eine Auswertung des geförderten Films vorliegt, ist damit aber nicht entfallen, weil § 20 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 6 FFG in der derzeit geltenden Fassung vom 31. Juli 2010 wortwörtlich mit § 30 Abs. 1 1. HS, Abs. 6 FFG 2004 übereinstimmen, so dass sich diese Frage auch bei Anwendung der aktuell gültigen Norm in gleicher Weise stellt und richtungweisend geklärt werden kann (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Dezember 2005 – 6 B 35.95 -, NVwZ-RR 1996, 712, Rn. 11 bei juris).