Gericht | LSG Berlin-Brandenburg 5. Senat | Entscheidungsdatum | 16.09.2011 | |
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Aktenzeichen | L 5 AS 1125/11 B ER, L 5 AS 1129/11 B PKH | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 26 Abs 1 SGB 2, § 86b Abs 2 SGG |
Die Beschwerden der Antragsteller gegen die Ablehnung der Anträge auf vorläufigen Rechtsschutz und Prozesskostenhilfe durch den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 9. Juni 2011 werden zurückgewiesen.
Die Kosten der Beschwerdeverfahren werden nicht erstattet.
Die am 17. Juni 2011 eingegangenen Beschwerden der Antragsteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 9. Juni 2011 haben keinen Erfolg. Die Antragsteller, die laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II) beziehen, wenden sich dagegen, dass das Sozialgericht mit dem angefochtenen Beschluss neben dem Antrag auf Prozesskostenhilfe ihr Begehren abgelehnt hat, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihnen vorläufig Leistungen unter Berücksichtigung eines Eigenanteils zur privaten Krankenversicherung in jährlicher Höhe von 1.200,- EUR und eines Zuschusses zur berufsständischen Versorgung des Antragstellers zu 1) bei der Rechtsanwaltsversorgung Niedersachsen (RVN) zu gewähren.
Die Beschwerden sind zulässig. Insbesondere geht der Senat davon aus, dass die Beschwerden der minderjährigen Antragsteller zu 2) und 3), bei denen es sich um die Söhne des Antragstellers zu 1) handelt, mit Zustimmung der ebenfalls sorgeberechtigten Kindesmutter eingelegt worden sind (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 2. Juli 2009, B 14 AS 54/08 R). Die Beschwerden sind aber unbegründet. Im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes haben die Antragsteller jedenfalls einen Anordnungsgrund – also ein eiliges Regelungsbedürfnis – mit der für eine Vorwegnahme der Hauptsache erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit nicht glaubhaft gemacht (§§ 86b Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG], 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung [ZPO]).
Soweit die Antragsteller die Berücksichtigung ihres nach der dem privaten Krankenversicherungsvertrag zugrunde liegenden tariflichen Regelung zu den Krankheitskosten zu leistenden Eigenanteils von bis zu 1.200,- EUR pro Jahr begehren, kann offen bleiben, ob § 26 Abs. 1 SGB II in der seit dem 1. April 2011 geltenden Fassung des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches des Sozialgesetzbuches vom 24. März 2011 (BGBl. I S. 453, 469) als Anspruchsgrundlage herangezogen werden kann. Dafür, einen solchen Eigenanteil als „Beitrag zur privaten Krankenversicherung“ im Sinne der genannten Vorschrift anzusehen, spräche, dass die Krankenversicherungskosten jedenfalls im vorliegenden Fall selbst bei Übernahme des vollen Eigenanteils insgesamt deutlich geringer sind als bei einer Vertragsgestaltung, die keinen Eigenanteil der Antragsteller vorsieht. Einer einstweiligen Anordnung bedarf es aber nicht, weil es an einer gegenwärtigen Notlage fehlt. Weder ist ersichtlich, dass bisher eine Arztrechnung unbezahlt geblieben ist, noch bestehen Anhaltspunkte für eine aktuelle medizinische Behandlungsbedürftigkeit der Antragsteller.
Soweit der Antragsteller zu 1), der als selbständiger Rechtsanwalt arbeitet, die Bewilligung eines Zuschusses zur berufsständischen Versorgung bei der RVN begehrt, wurde der bis zum 31. Dezember 2010 einschlägige § 26 Abs. 1 SGB II in der zuletzt geltenden Fassung des Gesetzes zur Neuausrichtung arbeitsmarktpolitischer Instrumente vom 21. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2917, 2930) durch das Haushaltsbegleitgesetz 2011 vom 9. Dezember 2010 (BGBl. I S. 1885, 1896) mit Wirkung ab dem 1. Januar 2011 aufgehoben. Ob ein Anspruch aus § 21 Abs. 6 SGB II in der seit dem 1. Januar 2011 geltenden Fassung des Gesetzes vom 24. März 2011 (BGBl. I S. 453, 465) herzuleiten ist (Einzelfall eines unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen besonderen Bedarfes), kann offen bleiben. Aus § 28 Nr. 3 der Satzung der RVN (www.rvn.de) ergibt sich, dass von den Mitgliedern, die mit der Zahlung der Versorgungsbeiträge länger als drei Wochen im Verzug sind, ein einmaliger Säumniszuschlag in Höhe von 2 Prozent der rückständigen Versorgungsbeiträge erhoben wird. Bei Zahlungsverzug von länger als drei Monaten sind 10 Prozent Zinsen pro Jahr auf die rückständigen Versorgungsbeiträge ab Verzugsbeginn zu zahlen. Können die rückständigen Beiträge und Kosten nicht beigetrieben werden, hat das Mitglied gemäß § 28 Nr. 4 der Satzung nur Anspruch auf Leistungen, die seinen tatsächlich erworbenen Steigerungszahlen entsprechen. Anhaltspunkte für den Eintritt eines Zahlungsverzuges bestehen gegenwärtig nicht. Vor diesem Hintergrund kann der Antragsteller ohne Inanspruchnahme des einstweiligen Rechtsschutzes die erforderlichen Nachweise für das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 21 Abs. 6 SGB II erbringen, insbesondere hinsichtlich der Frage, ob er – wie er behauptet – tatsächlich Pflichtmitglied in der RVN ist.
Aus den vorstehenden Gründen ist auch die Beschwerde gegen die durch den angefochtenen Beschluss erfolgte Versagung der beantragten Prozesskostenhilfe gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 114 Satz 1 ZPO wegen fehlender hinreichender Erfolgsaussicht zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG sowie auf § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 127 Abs. 4 ZPO. Soweit die Antragsteller im Rahmen des § 193 SGG geltend machen, dass ein Teilbegehren des ursprünglichen Antrages auf vorläufigen Rechtsschutz – nämlich die Leistungsbewilligung für die Zeit ab dem 1. Mai 2011 – erst mit Bescheid vom 11. Mai 2011 und damit verspätet erfüllt worden sei, ist die Bildung einer Kostenquote gleichwohl unbillig. Die Antragsteller mussten ohnehin von einer verzögerten Leistungsbewilligung ausgehen, nachdem sie die mit Schreiben des Antragsgegners vom 15. April 2011 angeforderten Unterlagen erst am 28. April 2011 eingereicht hatten. Zudem haben sie bereits am 3. Mai 2011 ihren Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt, ohne sich zuvor beim Antragsgegner um eine beschleunigte Sachbearbeitung oder um einen Zahlungsvorschuss bemüht zu haben.
Dieser Beschluss kann gemäß § 177 SGG nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.