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Entscheidung 1 Ws (HEs) 164/14


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 1. Strafsenat Entscheidungsdatum 06.10.2014
Aktenzeichen 1 Ws (HEs) 164/14 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Die Untersuchungshaft gegen den Angeklagten R… Sch… dauert fort.

Für die Dauer von 3 Monaten wird die Haftkontrolle dem Amtsgericht Oranienburg – Jugendschöffengericht – übertragen.

Gründe

I.

Das Amtsgericht Oranienburg hat gegen den Angeklagten R… Sch…, der am 9. April 2014 vorläufig festgenommen worden war, am 10. April 2014 Haftbefehl erlassen (…), aufgrund dessen er sich in Untersuchungshaft in der Justizvollzuganstalt … befindet.

Dem Angeklagten wird mit dem Haftbefehl vorgeworfen, am 8. April 2014 in …„sexuelle Handlungen an einer Person unter vierzehn Jahren vorgenommen zu haben, wobei er ähnliche sexuelle Handlungen wie den Beischlaf vollzogen hat, die mit dem Eindringen in der Körper verbunden sind.“ (§ 176 a Abs. 2 Nr. 2 StGB).

Dem Angeklagten wird mit dem Haftbefehl Folgendes zur Last gelegt: Am 8. April 2014 soll sich das am 22. April 2004 geborene Kind … zwischen 13:00 Uhr und 17:00 Uhr auf Einladung des Angeklagten in dessen Wohnung in der … in … aufgehalten haben. Auf Aufforderung des Angeklagten soll sich das Kind entkleidet und auf eine Schlafcouch gelegt haben. Der ebenfalls unbekleidete Angeklagte habe sich auf das Kind gelegt und versucht, sein Glied in die Scheide des Kindes zu stecken, was jedoch misslungen sei. Daraufhin habe der Angeklagte an dem Kind den Oralverkehr bis zum Samenerguss durchgeführt, wobei er das Sperma über den Oberkörper des Kindes habe laufen lassen.

Das Amtsgericht Oranienburg hat den Haftbefehl auf den Haftgrund der Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO) gestützt und mildere Maßnahmen (§ 116 StPO) als nicht ausreichend erachtet.

Unter dem Datum des 4. September 2014 hat die Staatsanwaltschaft Neuruppin Anklage gegen den Angeklagten Sch… vor dem Amtsgericht Oranienburg – Jugendschöffengericht – erhoben. Der abstrakte und konkrete Anklagesatz stimmt im Wesentlichen mit den Vorwürfen aus dem Haftbefehl des Amtsgerichts Oranienburg vom 10. April 2014 überein. Die Anklageschrift konkretisiert den Tatzeitraum auf die Zeitspanne zwischen 13:00 und 15:00 Uhr; hinsichtlich des Randgeschehens wird dargelegt, dass der Angeklagte die damals 9jährige … bis auf ihr T-Shirt und die Socken ausgezogen habe. Die Tathandlung wird identisch wie im Haftbefehl geschildert.

Die Anklageschrift ist am 5. September 2014 beim Amtsgericht Oranienburg eingegangen. Der Vorsitzende des Schöffengerichts hat mit Verfügung vom 9. September 2014 die Zustellung der Anklageschrift gem. § 201 StPO verfügt. Mit Beschluss vom 16. September 2014 hat das Amtsgericht Oranienburg das Hauptverfahren vor dem Amtsgericht Oranienburg - Jugendschöffengericht – eröffnet, die Anklage der Staatsanwaltschaft Neuruppin vom 4. September 2014 unverändert zur Hauptverhandlung zugelassen und die Fortdauer der Untersuchungshaft aus dem Haftbefehl des Amtsgerichts Oranienburg vom 10. April 2014 angeordnet. Der Vorsitzende hat zudem mit Verfügung vom selben Tag Termin zur Hauptverhandlung auf den 2. Dezember 2014 bestimmt und dabei vermerkt, dass der Termin mit dem Verteidiger des Angeklagten abgestimmt sei. Zugleich hat der Vorsitzende des Jugendschöffengerichts die Vorlage der Akten gem. § 122 StPO über die Staatsanwaltschaft bei dem Brandenburgischen Oberlandesgericht verfügt.

Die Akten sind dem Brandenburgischen Oberlandesgericht zur Entscheidung über die Fortdauer der Untersuchungshaft gemäß §§ 121, 122 StPO vorgelegt worden und am 25. September 2014 mit dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg vom 24. September 2014 eingegangen, die Fortdauer der Untersuchungshaft über 6 Monate hinaus anzuordnen.

II.

Der Senat entscheidet gemäß dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg, da die Voraussetzungen für den weiteren Vollzug der Untersuchungshaft gegeben sind.

1. Grundlage für die Entscheidung über die Haftfortdauer gegen den Angeklagten Sch…, der sich am 9. Oktober 2014 sechs Monate in Haft bzw. Untersuchungshaft befindet, ist weiterhin der Haftbefehl des Amtsgerichts Oranienburg vom 10. April 2014 (…).

2. Der Angeklagte ist der ihm mit dem Haftbefehl vom 10. April 2014 vorgeworfenen und weiterhin aufrechterhaltenen Tat des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern durch das versuchte Einführen des Gliedes in die Scheide des Kindes und durch das Einführen des Gliedes in den Mund des Kindes aufgrund der in der Anklageschrift vom 4. September 2014 aufgeführten Beweismittel dringend verdächtig (vgl. zum Prüfungsmaßstab des dringenden Tatverdachts vgl. KG Berlin Beschluss vom 21. August 1997, (4) 1 HEs 95/97 (138-140/97), zit. nach juris). Der dringende Tatverdacht ergibt sich insbesondere aus den Bekundungen der Zeugen … und … in Verbindung mit dem aussagepsychologischen Gutachten der Diplom-Psychologin … vom Zentrum für Aussagepsychologie … vom 1. August 2014.

3. Es besteht weiterhin der Haftgrund der Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO). Der Angeklagte muss im Falle einer Verurteilung mit einer erheblichen, nicht mehr zur Bewährung aussetzbaren Freiheitsstrafe rechnen, die zu einem erheblichen Fluchtanreiz führt. Für die Tat des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern ist gem. § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB eine Freiheitsstrafe von 2 bis zu 15 Jahren angedroht.

Die hohe Straferwartung gibt dem Angeklagten einen starken Anreiz, sich dem Verfahren durch Flucht zu entziehen. Zwar vermag allein die Straferwartung die Fluchtgefahr nicht zu begründen. Sie ist jedoch Ausgangspunkt für die Erwägung, ob der in ihr liegende Anreiz zur Flucht auch unter Berücksichtigung aller sonstigen Umstände so erheblich ist, dass die Annahme, der Angeklagte werde ihm wahrscheinlich nachgeben und sich dem Strafverfahren entziehen gerechtfertigt ist. Je größer die Straferwartung ist, desto weniger Gewicht kommt den Umständen zu, die gegen eine Fluchtgefahr sprechen. Bei einer hohen Straferwartung – wie im vorliegenden Fall – beschränkt sich die Prüfung auf die Frage, ob Umstände vorhanden sind, die die hieraus herzuleitende Fluchtgefahr ausräumen können. Solche Umstände sind vorliegend bei dem Angeklagten nicht gegeben. Der Angeklagte ist ledig, besonders gefestigte soziale Bindungen sind nicht erkennbar. Insgesamt sind Umstände, die den durch die hohe Straferwartung gegebenen Fluchtanreiz hinreichend kompensieren könnten, bei dem Angeklagten nicht ersichtlich.

4. Der Zweck der Untersuchungshaft kann aufgrund der bestehenden Fluchtgefahr nicht durch eine Haftverschonung gegen Auflagen erreicht werden (§ 116 Abs. 1 StPO).

5. Ein Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot ist nicht feststellbar. Der in Untersuchungshaft befindliche Angeklagte hat nach Art. 5 Abs. 3 Satz 2 MRK und Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG einen Anspruch auf beschleunigte Aburteilung. § 121 StPO stellt eine Ausformung des verfassungsmäßigen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit dar und setzt die zulässige Gesamtdauer der Untersuchungshaft auf zunächst 6 Monate fest. Vorliegend haben jedoch wichtige Gründe im Sinne des § 121 Abs. 1 StPO das Hauptverfahren bzw. eine mögliche Verurteilung der Angeklagten verhindert und führen zu einer Fortdauer der Untersuchungshaft über 6 Monate hinaus.

Das Verfahren ist von den Ermittlungsbehörden vor dem Hintergrund, dass ein aussagepsychologisches Gutachten, DNA-Gutachten sowie biologische Spurenauswertungen eingeholt werden mussten, insgesamt zügig geführt worden. Verstöße gegen das in Haftsachen geltende besondere Beschleunigungsgebot, wie beispielsweise grobe Fehler oder Versäumnisse, sind nicht erkennbar. Die umfangreichen Ermittlungen wurden zielgerichtet geführt und sind mit der Erhebung der der öffentlichen Anklage am 4. September 2014 abgeschlossen worden.

Auch der Vorsitzende des Jugendschöffengerichts hat zeitnah nach Eingang der Akten die Übersendung der Anklageschrift gem. § 201 StPO an den Verteidiger des Angeklagten veranlasst, zeitnah über die Eröffnung des Hauptverfahrens und über die Zulassung der Anklage zur Hauptverhandlung entschieden und mit dem Verteidiger des Angeklagten eine Terminsabsprache treffen können.

6. Der weitere Vollzug der am 9. Oktober 2014 sechs Monate andauernden Untersuchungshaft steht zu der Bedeutung der Sache und der im Falle einer Verurteilung für die Angeklagten zu erwartenden erheblichen Freiheitsstrafe nicht außer Verhältnis (§ 120 Abs. 1 Satz 1 StPO). Bei Abwägung der Freiheitsgrundrechte des Angeklagten mit dem Gebot einer effektiven Strafverfolgung überwiegt der Gesichtspunkt der Gewährleistung eines verfahrensmäßigen Abschlusses der Strafsache, weil dem Angeklagten eine schwerwiegende Sexualstraftat zur Last gelegt wird, dringende Gründe die Annahme rechtfertigen, er würde sich im Falle seiner Freilassung dem weiteren Strafverfahren und einer etwaigen Strafverfolgung entziehen und das Verfahren bislang zügig bearbeitet wurde.

III.

Die Haftkontrolle wird gem. § 122 Abs. 3 Satz 3 StPO für drei Monate dem Amtsgericht Oranienburg übertragen.