I.
Streitig sind die Gewährung von Verletztengeld über den 08. Oktober 2006 hinaus sowie von Verletztenrente wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls vom 13. Juni 2006.
Der 1955 geborene Kläger war als Mechaniker bei der Firma A K GmbH beschäftigt. Am 13. Juni 2006 gegen 15 Uhr versuchte er, die Heckscheibe eines „Premacy“ auszubauen. Beim Reinschieben des Schneidedrahtes unter großer Kraftaufwendung mit einer Ahle gab diese plötzlich und unerwartet nach. Dann krachte es im rechten Oberarm bzw. Schulterbereich und er konnte den rechten Arm nur noch unter großen Schmerzen bewegen (eigene Angaben des Klägers vom 31. Juli 2006). Am folgenden Tag diagnostizierte der Durchgangsarzt Dr. B eine Zerrung der rechten Schulter. Im Röntgenbild zeigte sich kein Anhalt für knöcherne Traumafolgen im Bereich des rechten Schultergelenks, jedoch eine Arthrose des Acromioclaviculargelenks (AC-Gelenk). Es bestanden ein Druckschmerz an der rechten Schulter antero-medial sowie eine schmerzhafte Einschränkung der Beweglichkeit in der Vor- und Rückführung (Durchgangsarztbericht vom 14. Juni 2006). Ab dem 04. Juli 2006 war der Kläger wieder arbeitsfähig. Wegen anhaltender Beschwerden stellte er sich bei dem Chirurgen und Durchgangsarzt Dr. G vor, der am 07. Juli 2006 einen Zustand nach stattgehabter Ruptur der langen Bizepssehne diagnostizierte und erneut Arbeitsunfähigkeit bescheinigte (Nachschaubericht vom 07. Juli 2006). In der kernspintomographischen Untersuchung (MRT) vom 13. Juli 2006 zeigten sich dann ein Totalabriss der langen Bizepssehne rechts, eine Tendinitis der Supraspinatussehne im ansatznahen Bereich, ausgeprägte Arthrosen im AC-Gelenk mit Impingement der Supraspinatussehne sowie eine offenbar ältere Läsion im anterioren cranialen Labrum. Vom 04. bis zum 09. September 2006 befand sich der Kläger in stationärer Behandlung im W F Krankenhaus wegen einer Distorsion des rechten Schultergelenks mit nachfolgender Einsteifung, Impingementsyndrom, Ruptur der langen Bizepssehne und Synovialitis. Am 05. September 2006 erfolgte eine Arthroskopie der rechten Schulter mit Debridement und subacromialer Dekompression. Dabei fanden sich laut dem Zwischenbericht des Krankenhauses vom 08. September 2006 eine degenerative ansatznahe Ruptur der langen Bizepssehne, eine Synovialitis sowie ein Impingementsyndrom (vgl. auch den Operationsbericht vom 05. September 2006). Die behandelnden Ärzte im WF Krankenhaus werteten die Synovialitis bzw. Einsteifung nach Distorsionstrauma als unfallabhängig und die degenerative Ruptur der langen Bizepssehne sowie das Impingementsyndrom als unfallunabhängig. Es wurde eine vierwöchige Nachbehandlung zu Lasten der Beklagten und danach die Behandlung zu Lasten der Krankenkasse empfohlen (vgl. den Zwischenbericht vom 08. September 2006).
Daraufhin teilte die Beklagte der Krankenkasse des Klägers – der BKK H-W – mit Schreiben vom 14. September 2006 mit, die Erkrankung über den 08. Oktober 2006 hinaus sei nicht Folge des Arbeitsunfalls, deshalb solle ab dem 09. Oktober 2006 kein Verletztengeld mehr gezahlt werden. Auf Gegenvorstellung des Klägers lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 12. Dezember 2006 die Gewährung einer Rente sowie die Übernahme der Heilbehandlung über den 08. Oktober 2006 hinaus ab. Eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) in messbarem Umfang liege nicht vor. Unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit habe aufgrund einer Synovialitis bzw. Einsteifung des rechten Schultergelenks nach Distorsionstrauma vom 14. Juni bis zum 08. Oktober 2006 bestanden. Eine über den 08. Oktober 2006 hinausgehende Behandlungsbedürftigkeit/Arbeitsunfähigkeit beruhe auf der degenerativen (unfallfremden) Ruptur der langen Bizepssehne sowie dem ebenfalls unfallunabhängigen Impingementsyndrom. Im bestätigenden Widerspruchsbescheid vom 16. März 2007 wurde ergänzend ausgeführt, degenerative Veränderungen im Bereich der langen Bizepssehne verliefen meist stumm, d. h. ohne Beschwerden und Notwendigkeit ärztlicher Behandlung und würden erst dann manifest, wenn eine Zusammenhangstrennung auffalle. Bei der Beurteilung, ob eine unfallbedingte oder eine degenerativ bedingte Zusammenhangstrennung der Bizepssehne vorliege, sei unter Berücksichtigung der Zugfestigkeit der Sehne eine physiologische von einer unphysiologischen Belastung der Sehne zu unterscheiden. Eine geplante, koordinierte Kraftanstrengung sei immer als eine physiologische Belastung anzusehen. Unphysiologisch und somit unfallbedingt sei eine Belastung, die überfallartig die muskulär gespannte Struktur treffe. Es handele sich meist um unkoordinierte Bewegungsabläufe mit Anspannungen des Muskelsehnenapparates, der zusätzlich durch äußere Krafteinwirkungen/-impulse gestört sei. Der vom Kläger geschilderte Unfallhergang beinhalte zwar eine unkontrollierte Bewegung. Jedoch sei es bei der Ausübung der Kraftanstrengung nicht zu einem zusätzlichen Kraftimpuls gekommen. Vielmehr sei der Schaden in dem Augenblick eingetreten, als sich die Kraftanstrengung gelöst habe. Dass eine Zusammenhangslösung der langen Bizepssehne in der Nähe der Ansatzstelle des oberen Schultergelenkpfannenrandes habe eintreten können, erkläre sich nur durch eine herabgesetzte Zugfestigkeit der Sehne bei verschleißbedingten Veränderungen. Laut dem MRT-Befund vom 13. Juli 2006 bestünden beim Kläger eine schwere Arthrose im Schultergelenk und ein Engpasssyndrom, die aufgrund des geringen zeitlichen Abstandes zwischen Unfall- und Untersuchungstag nicht durch den Unfall verursacht sein könnten, sondern als Krankheitsanlage vorbestehend seien. Der Operationsbericht vom 05. September 2006 bestätige dies und beschreibe zusätzlich verschleißbedingte Auffaserungen der Gelenkpfannenlippe sowie deutliche entzündliche Prozesse im Schultergelenkraum. Die Distorsion der rechten Schulter mit vorübergehender Einsteifung im Schultergelenk sei zum 08. Oktober 2006 vollständig und folgenlos ausgeheilt, so dass auch keine MdE in messbarem Grad bestehen könne.
Hiergegen hat der Kläger Klage vor dem Sozialgericht Frankfurt (Oder) (SG) erhoben und vorgetragen, er sei über den 08. Oktober 2006 hinaus unfallbedingt arbeitsunfähig gewesen. Der Riss der langen Bizepssehne sowie die Schultergelenksdistorsion führten zu einer erheblichen Beeinträchtigung seiner Erwerbsfähigkeit. Hebe- und Ziehbewegungen seien ihm aufgrund der unfallbedingten Verletzung nicht möglich. Er hat eine Auflistung seiner Arbeitsunfähigkeitszeiten seitens seiner behandelnden Allgemeinmedizinerin Dr. D sowie seinen Sozialversicherungsausweis vorgelegt. Das SG hat ein Vorerkrankungsverzeichnis von der m BKK vom 22. Februar 2008 für die Zeit ab April 1999 sowie die Patientenkartei des ehemals behandelnden praktischen Arztes Dr. K und die beim Gesundheitsamt des Landkreises O-S archivierten Patientenunterlagen des Klägers beigezogen.
Anschließend hat es den Unfallchirurgen Dr. S mit der Untersuchung des Klägers und Erstellung eines Gutachtens betraut. In seinem Gutachten vom 11. August 2008 ist dieser nach einer Untersuchung des Klägers am 27. Juni 2008 zu dem Ergebnis gelangt, bei dem Kläger lägen folgende Gesundheitsstörungen vor: Engpass (Impingement) –Syndrom des rechten Schultergelenks, Verschleißumformung des rechten Schultergelenks und der Schultergelenkpfanne des rechten Schultergelenks, Zerreißung der langen Bizepssehne am rechten Schultergelenk, Verschleißumformung der Supraspinatussehne rechts ohne Zusammenhangstrennung. Der vom Kläger angegebene Unfallhergang sei ebenso wenig wie der im Durchgangsarztbericht vom 14. Juni 2006 geschilderte Hergang geeignet gewesen, eine über eine einfache Zerrung hinausgehende strukturelle Verletzung des Schultergelenks zu verursachen, denn in beiden Konstellationen (Drücken oder Ziehen) sei es nicht zu einer plötzlichen unkontrollierten Zugbelastung des Bizepsmuskels gekommen. Zum Zeitpunkt des Unfalls hätten bereits eine Verschleißumformung des rechten Schultergelenks mit Einengung des Raums unter dem Schulterdach, eine Verschleißumformung der Schultergelenkpfanne und Verschleißveränderungen im Inneren der Sehne des Obergrätenmuskels (Supraspinatussehne) ohne Zusammenhangstrennung bestanden. Wesentliche Verschleißveränderungen an der langen Bizepssehne müssten bereits vorgelegen haben, seien jedoch nicht durch bildgebende oder sonstige Untersuchungen belegt. Die Gesundheitsstörungen seien nicht mit Wahrscheinlichkeit auf das Ereignis vom 13. Juni 2006 zurückzuführen. Unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit habe – wenn überhaupt – für höchstens etwa zwei Wochen wegen einer Zerrung des rechten Schultergelenks bestanden. Eine unfallbedingte MdE liege nicht vor.
Der Kläger hat das Gutachten kritisiert. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 25. Februar 2009 hat der Kläger das Unfallgeschehen nochmals ausführlich geschildert. Hinsichtlich der Angaben wird Bezug genommen auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 25. Februar 2009.
Das SG hat die Klage durch Urteil vom 25. Februar 2009 abgewiesen. Der Kläger habe auch unter Zugrundelegung des von ihm zuletzt geschilderten Unfallhergangs weder Anspruch auf Gewährung von Verletztenrente noch auf Zahlung von Verletztengeld über den 08. Oktober 2006 hinaus. Es habe sich nicht um einen Unfallhergang gehandelt, der geeignet gewesen sei, eine Zusammenhangstrennung einer gesunden langen Bizepssehne zu verursachen, denn eine plötzliche unkontrollierte Zugbelastung der Bizepssehne habe nicht stattgefunden. Auch das Impingementsyndrom sei nicht als unfallbedingt zu werten. Die allein unfallbedingte Zerrung des rechten Schultergelenks sei spätestens am 08. Oktober 2006 ausgeheilt gewesen.
Mit seiner hiergegen gerichteten Berufung verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Begehren fort.
Wegen eines Zuständigkeitswechsels auf Seiten der Beklagten hat der Senat mit Beschluss vom 09. Juni 2009 die Berufsgenossenschaft für Handel und Warendistribution zum Verfahren notwendig beigeladen (§§ 75 Abs. 2, 106 Abs. 3 Nr. 6 Sozialgerichtsgesetz <SGG>).
Auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG hat der Senat den Chirurgen Dr. G mit der Untersuchung des Klägers und Erstellung eines Gutachtens beauftragt. In seinem Gutachten vom 25. Januar 2010 hat dieser nach einer Untersuchung des Klägers am 22. Januar 2010 folgende Gesundheitsstörungen sowie Funktions- und Gebrauchseinschränkungen des rechten Arms und Schultergelenks festgestellt:
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Schmerzhafte funktionsbehindernde Bewegungseinschränkung des rechten Schultergelenks in allen Ebenen |
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Weiterhin bestehende Arthrose des Schultereckgelenks rechts als Mitursache des beschriebenen Impingementsyndroms |
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Muskelschonschwund des rechten Schulterkappenmuskels |
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Kraftminderung bei der Armhebung und bei der Ellbogengelenkbeugung als Folge des Bizepssehnenabrisses der langen Bizepssehne rechts |
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Deutliche Konturveränderung des Bizepssehnenmuskels am rechten Oberarm mit Tiefstand des Muskelbauchs. |
Keine dieser Gesundheitsstörungen sei durch den Unfall vom 13. Juni 2006 verursacht worden. Das Krankheitsbild und die Funktions- und Gebraucheinschränkung würden durch ausschließlich unfallunabhängige morphologische Schädigungen am rechten Schultergelenk bedingt, nämlich Verschleißumformungen des rechten Schultergelenks, Verschleißerscheinungen der Supraspinatussehne, eine entzündliche Verdickung des Schleimbeutels unterhalb des knöchernen Schulterdachs mit resultierendem Engpass-Syndrom, Verschleißerscheinungen an der knorpeligen Schulterpfannenumrandung sowie eine Vorschädigung der langen Bizepssehne mit Ruptur derselben an ihrer körpernahen Verankerung. Ausweislich der vorliegenden Patientenunterlagen habe bereits in den Jahren 1988 und 1989 Behandlungsbedürftigkeit wegen eines Schulter-Arm-Syndroms rechts bestanden. Der Unfall habe lediglich zu einer Schulterkapselzerrung geführt ohne nachweisbare strukturelle Schulterverletzung. Die Zerrung sei nach zwei bis drei Wochen ausgeheilt gewesen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 25. Februar 2009 aufzuheben und die Beigeladene unter Abänderung des Bescheides der Beklagten vom 12. Dezember 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. März 2007 zu verurteilen, ihm wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 13. Juni 2006 über den 08. Oktober 2006 hinaus Verletztengeld sowie Verletztenrente nach einer MdE von mindestens 20 vom Hundert zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Die Beigeladene beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung ebenfalls für zutreffend.
Die Beteiligten sind mit Schreiben des Senats vom 05. März 2010 zur Absicht des Senats, durch Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 SGG zu entscheiden, angehört worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte verwiesen.
II.
Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid vom 12. Dezember 2006 ist der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. März 2007 erweist sich, wie das SG bereits zutreffend ausgeführt hat, als rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Gewährung einer Verletztenrente oder auf Gewährung von Verletztengeld über den 08. Oktober 2006 hinaus wegen der Folgen des anerkannten Arbeitsunfalls vom 13. Juni 2006.
Versicherte haben Anspruch auf eine Verletztenrente, wenn ihre Erwerbsfähigkeit in Folge eines Versicherungsfalles über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist (§ 56 Abs. 1 Satz1 SGB VII). Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII).
Die erste Voraussetzung für die Gewährung einer Verletztenrente - das Vorliegen eines Versicherungsfalls, hier: eines Arbeitsunfalls - ist erfüllt und von der Beklagten auch anerkannt.
Die inzident mit dem Bescheid vom 12. Dezember 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. März 2007 ebenfalls anerkannten Arbeitsunfallfolgen, also eine folgenlos ausgeheilte Distorsion der rechten Schulter mit vorübergehender Einsteifung des rechten Schultergelenks, bedingen nach dem Ergebnis der medizinischen Ermittlungen zur Überzeugung des Senats jedoch keine MdE in rentenberechtigendem Grad. Das Sozialgericht ist nach sorgfältiger Auswertung der vorliegenden Berichte sowie Befunde und des Gutachtens des Dr. S vom 11. August 2008 zu dem Ergebnis gelangt, dass bei dem Kläger keine funktionellen Einschränkungen mehr bestehen, die wahrscheinlich auf dem Arbeitsunfall vom 13. Juni 2006 beruhen. Insbesondere sind weder die Ruptur der langen Bizepssehne rechts noch das Engpass- (Impingement) Syndrom oder die Arthrose im AC-Gelenk rechts wesentlich auf den Arbeitsunfall vom 13. Juni 2006 zurückzuführen.
Dies ergibt sich – worauf schon das SG hingewiesen hat - aus dem ausführlichen, überzeugenden, nachvollziehbaren und dem aktuellen Stand der unfallmedizinischen Literatur entsprechenden Gutachten des Dr. S.
Die Bizepssehnen – zwei körpernahe und eine körperferne – stellen die Verbindung des Bizepsmuskels mit Schultergürtel und Unterarm her. Neben der Stabilisierung des Oberarmkopfes in der Schulterpfanne ist vorrangige Aufgabe des Bizepsmuskels die Beugung des Unterarms im Ellenbogengelenk und die Auswärtsdrehung des Unterarms. Die häufigste Form der Bizepssehnenzerreißung ist mit 96% an der langen körpernahen Bizepssehne - wie beim Kläger - lokalisiert, 3% betreffen die körperferne Sehne. Die Ruptur der kurzen körpernahem Sehne ist sehr selten (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. 2010, Anm. 8.2.4 S. 402). Der knöcherne Ansatz der langen körpernahen Bizepssehne liegt am Schulterblatt oberhalb der Schulterpfanne. Als Gleitsehne zieht sie frei durch das Schultergelenk, verläuft im knöchernen Bizepssehnenkanal unmittelbar dem Oberarmkopf und dem Oberarmhals anliegend und geht am Übergang vom körpernahen zu mittleren Oberarmdrittel in den Muskel über. Die normale Belastbarkeit der langen körpernahen Bizepssehne beträgt 3237,3 N (330 kp) (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O., Anm. 8.2.4.1.1 S. 403). Überwiegend (90%) ist die Ruptur der langen Bizepssehne nicht unfallbedingt. Ursächlich ist vielmehr die wiederholte mechanische Belastung im knöchernen Bizepssehnenkanal: Die Sehne verläuft wie das Seil über eine Winde in der Gleitrinne des Oberarmkopfes und wird dadurch an ihrer Umlenkstelle mit Zugkräften, Druck, Reibung und Scherkräften belastet. Folge der mechanischen Dauerbelastungen sind degenerative Sehnenveränderungen, die zur Abnahme der Zugfestigkeit der Sehne führen. Der Sehnenriss tritt ein, wenn die einwirkende Belastung die fortschreitend absinkende Zugfestigkeit der Sehne überschreitet. Zu beachten ist, dass nach dem funktionellen Bauplansystem die Zug- oder Hebefestigkeit der Sehne über der Kraftbildungsfähigkeit des Muskels liegt. Ist daher die Last für den Muskel zu schwer, so versagt dieser. Die Last wirkt also gar nicht auf die Sehne ein, so dass eine Überbelastung der Sehne in diesem Bauplansystem nicht zustande kommen kann. Eine Sehne, die weniger zugfest ist, als ihr Muskel an Kraft aufzubringen vermag, ist krankhaft verändert (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O., Anm. 8.2.1.1 S. 391). Degenerative Veränderungen erscheinen im vierten Lebensjahrzehnt. Überwiegend ist der Gebrauchsarm betroffen. Gehäuft sind sie am körperfernen Ausgang des Bizepssehnenkanals und der labrumnahen (pfannennahen) Ursprungszone der langen Bizepssehne (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O., Anm. 8.2.4.1.2 S. 404).
Eine physiologische, d. h. geplante und koordinierte, innerhalb des Bauplansystems verlaufende, Belastung der langen körpernahen Bizepssehne liegt vor beim Anheben auch schwerer Gewichte ohne zusätzliche Einwirkungen, bei gewöhnlichen Verrichtungen harter Arbeit sowie bei willentlichen Armbelastungen. Denn das Zusammenwirken von Muskeln, Sehnen und Knochen setzt eine abgestimmte Belastbarkeit der Einzelkomponenten voraus (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O., Anm. 8.2.4.1.2 S. 404). Derartige – physiologische – Belastungen stellen keinen geeigneten Unfallhergang dar. Ein geeigneter indirekter Unfallmechanismus liegt bei einer unphysiologischen Belastung vor, d. h. bei einer Belastung, die überfallartig die muskulär gespannte Struktur trifft und diese beansprucht. Dies ist der Fall bei
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einer plötzlichen passiven Bewegung bei muskulär fixiertem Gelenk oder abnormer Kontraktion infolge einer überfallartigen Belastung. Die Muskulatur und die ihr nachgeordnete Sehne können hier die aufzubringende Kraft nicht aufbauen, die einwirkende Kraft nicht aufnehmen und sich ihr nicht anpassen; |
oder
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bei einer unkoordinierten, ungeplanten, überfallartigen passiven Belastung und damit verbundenen reflektorischen Kontraktur: Anheben eines etwa 60 bis 80 kg schweren Gegenstandes und Nachfassen desselben, Anheben eines etwa 40 kg schweren Gegenstandes bei Schlag eines Kantholzes auf den Muskel im Armbereich, Reißleinenverletzungen bei Fallschirmspringern, Abfangen eines Sturzes (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O., Anm. 8.2.4.1.3 S. 404f). |
Da die Überbeanspruchung des Bizepsmuskels als Grund für den Sehnenriss gilt, reißt überwiegend zuerst der Muskel und dann die Sehne. Ein nicht rupturierter Muskel spricht gegen die rechtlich wesentliche Ursache des Unfalls und für eine degenerativ bedingte Herabsetzung der Zugfestigkeit der Sehne (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O., Anm. 8.2.4.1.3 S. 405).
Im vorliegenden Fall liegt kein geeigneter Unfallhergang in diesem Sinne vor, denn in dem Moment, in dem sich die Ahle durch Druck verbogen hat, ist es zu einer Entspannung des Bizepsmuskels gekommen. Eine plötzliche, unkontrollierte, weitere Zugbelastung des Bizepsmuskels bzw. der Sehne ist, wie der Gutachter Dr. S ausgeführt hat, gerade nicht eingetreten.
Der Kläger war im Zeitpunkt des Unfalls 51 Jahre alt. Die Zusammenhangstrennung betraf seinen Gebrauchsarm, denn der Kläger ist Rechtshänder. Der Abriss erfolgte am körpernahen Ende, also dort, wo die Sehne allein aufgrund ihres physiologischen Gebrauchs am stärksten beansprucht wird. Ein Muskelriss ist hingegen nicht eingetreten. Hinzu kommt, dass durch die Röntgenaufnahmen des rechten Schultergelenks vom 14. Juni 2006, das MRT vom 13. Juli 2006 und den Operationsbericht vom 05. September 2006 gravierende verschleißbedingte Veränderungen insbesondere des Schultereck(AC)gelenks und des Labrum glenoidale sowie eine Entzündung des Gleitgewebes zwischen dem Schulterdach und der Rotatorenmanschette mit Engpasserscheinungen nachgewiesen worden sind. Entgegen seiner Behauptungen war der Kläger auch schon früher wegen Beschwerden im Bereich des rechten Schultergelenks und Arms in Behandlung. Dies ergibt sich aus der Patientenkartei des Dr. K, wonach der Kläger am 14. Dezember 1988, 21. Dezember 1988, 28. Dezember 1988, 06. März 1989, 17. März 1989, 22. März und 31. März 1989 wegen eines Schulter-Arm-Syndroms rechts behandelt worden ist.
Völlig übereinstimmend gehen daher die behandelnden Ärzte aus dem W F Krankenhaus in ihrem Zwischenbericht vom 08. September 2006, der vom SG beauftragte Sachverständige Dr. S und der auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG mit der Erstellung eines Gutachtens betraute Dr. G davon aus, dass wesentliche Ursache der Zusammenhangstrennung der körpernahen langen Bizepssehne verschleißbedingte Prozesse und nicht der Arbeitsunfall vom 13. Juni 2006 sind. Ebenfalls nicht auf den Unfall zurückzuführen sind die AC-Gelenkarthrose und das Engpasssyndrom. Der Arbeitsunfall hat lediglich zu einer Distorsion, d. h. Zerrung des rechten Schultergelenks geführt, die folgenlos ausgeheilt ist. Eine MdE besteht nicht.
Verletztengeld wird nach § 45 Abs. 1 SGB VII erbracht, wenn Versicherte infolge des Versicherungsfalls arbeitsunfähig sind oder wegen einer Maßnahme der Heilbehandlung eine ganztägige Erwerbstätigkeit nicht ausüben können und unmittelbar vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder der Heilbehandlung Anspruch auf Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen oder bestimmte Lohnersatzleistungen hatten. Wegen der Schultergelenkszerrung hat die Beklagte Verletztengeld bis einschließlich 08. Oktober 2006 erbracht. Darüber hinaus besteht kein Anspruch auf die Gewährung von Verletztengeld, denn die unfallbedingte Zerrung des Schultergelenks war nach der übereinstimmenden Einschätzung der behandelnden Ärzte des W F Krankenhauses und des Sachverständigen Dr. S spätestens bis zu diesem Zeitpunkt folgenlos ausgeheilt. Die darüber hinaus bei dem Kläger im Bereich des rechten Schultergelenks und Arms fortbestehenden Gesundheitsstörungen und Funktionseinschränkungen sind – wie bereits dargelegt - nicht Folge des Arbeitsunfalls vom 13. Juni 2006, so dass wegen einer auf diesen Störungen beruhenden Arbeitsunfähigkeit kein Verletztengeld zu erbringen war. Auch der vom Kläger benannte Sachverständige Dr. G ist zu keiner anderen Beurteilung gelangt. Vielmehr hat er ebenso wie Dr. S darauf hingewiesen, dass unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit höchstens für zwei bis drei Wochen bestanden habe.
Nach alldem war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.