Gericht | LSG Berlin-Brandenburg 9. Senat | Entscheidungsdatum | 30.08.2016 | |
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Aktenzeichen | L 9 KR 543/15 B ER | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 188 Abs 4 SGB 5, § 189 Abs 2 SGB 5, § 192 Abs 1 SGB 5 |
Zum vorläufigen Rechtsschutz gegen die Behandlung als obligatorisch freiwillig Versicherter.
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 01. Dezember 2015 wird zurückgewiesen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
1.) Nach § 155 Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheidet der Vorsitzende über die Beschwerde allein, weil es sich um einen dringenden Fall i.S.d. genannten Vorschrift handelt, weil die Beteiligten über die Fortsetzung der versicherungspflichtigen Mitgliedschaft der Antragstellerin bei der Antragsgegnerin streiten und von der Klärung dieser Rechtsfrage u.a. die Höhe der von der Antragstellerin zu erhebenden Beiträge anhängen. Außerdem begehrt die Antragstellerin von der Antragsgegnerin die Fortzahlung von Krankengeld über den 07. November 2014 hinaus. Im Hinblick auf die Funktion des hier von der Antragstellerin begehrten Krankengeldes, ihren Lebensunterhalt zu sichern, und ihren Vortrag, dass ihr andere bereite Mittel nicht zur Verfügung stehen, ist nunmehr sofort über die Beschwerde zu entscheiden.
2.) Die Beschwerde ist gemäß §§ 172 Abs. 1, 173 SGG zulässig, aber unbegründet. Das Sozialgericht hat den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes im Ergebnis rechtsfehlerfrei abgelehnt.
3.) Soweit die Antragstellerin mit ihrem Antrag gemäß § 86b Abs. 1 SGG die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs (vom 19. November 2015) gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 17. November 2015 ausschließlich mit dem Ziel begehrt, ihre versicherungspflichtige Mitgliedschaft bei der Antragsgegnerin über den 15. Juni 2015 zu erhalten, ist der Antrag schon unzulässig. Der Bescheid der Antragsgegnerin vom 17. November 2015 enthält - neben der hier nach dem Vorbringen der Antragstellerin nicht streitigen Festsetzung neuer Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und zur sozialen Pflegeversicherung - die Feststellung, dass die Antragstellerin bei der Antragsgegnerin ab dem 16. Juni 2015 obligatorisch freiwillig krankenversichert ist. Soweit darin eine Entscheidung gemäß § 31 Sozialgesetzbuch/Zehntes Buch (SGB X) liegen sollte, wäre diese gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG kraft Gesetzes sofort vollziehbar. Hätte der Antrag der Antragstellerin Erfolg, würde lediglich die Entscheidung der Antragsgegnerin vom 17. November 2015 aufgeschoben. Damit wäre aber weder die sich unmittelbar aus dem Gesetz nach § 188 Abs. 4 Sozialgesetzbuch/Fünftes Buch (SGB V) ergebende, keiner Umsetzung durch Verwaltungsakt bedürftige Fortsetzung der Versicherung als freiwillige mit dem Tag nach dem Ausscheiden aus der Versicherungspflicht suspendiert noch die Verpflichtung der Antragsgegnerin verbunden, die Antragstellerin weiterhin als versicherungspflichtiges Mitglied zu behandeln. Dieses Ziel kann die Antragstellerin nur im Wege einer einstweiligen Anordnung über die Verpflichtung der Antragsgegnerin erreichen, mit ihr ein bestehendes versicherungspflichtiges Versicherungsverhältnis über den 15. Juni 2015 hinaus fortzusetzen.
4.) Für diese sinngemäß beantragte einstweilige Anordnung hat die Antragstellerin für die Zeit vor der Entscheidung durch den Senat keinen Anordnungsgrund und für den Zeitraum ab der Entscheidung durch den Senat keinen Anordnungsanspruch nach § 86b Abs. 2 Sätze 2 bis 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung mit der für die Vorwegnahme der Hauptsache erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit glaubhaft gemacht.
a) Zunächst fehlt es für Ansprüche für die Vergangenheit bis zum heutigen Zeitpunkt an der Eilbedürftigkeit und damit an einem Anordnungsgrund. Vorläufige Leistungen wären nur ab dem Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts zu gewähren, da regelmäßig nur für die Befriedigung des gegenwärtigen und zukünftigen Bedarfes die besondere Dringlichkeit einer vorläufigen Entscheidung gegeben ist (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. Beschluss vom 30. Januar 2008, L 9 B 600/07 KR ER, zitiert nach juris). Dies gilt auch für die hier begehrte Feststellung einer auf Versicherungspflicht beruhenden Mitgliedschaft bei der Antragsgegnerin. Da jedenfalls eine obligatorische freiwillige Mitgliedschaft der Antragstellerin bei der Antragsgegnerin ab dem 16. Juni 2015 besteht und die Antragstellerin die Beitragserhebung gesondert anfechten kann, entsteht durch die aufgezeigte Beschränkung vorläufigen Rechtsschutzes nur für die Zukunft für sie weder eine Lücke im Krankenversicherungs- noch im Rechtsschutz.
b) Ein Grund für das Fortbestehen einer versicherungspflichtigen Mitgliedschaft der Antragstellerin ab dem Zeitpunkt dieser Entscheidung ist derzeit nicht zu erkennen. Deshalb hat die Antragsgegnerin die Antragstellerin zumindest jetzt zu Recht als obligatorisch freiwillig versichertes Mitglied behandelt. Nach § 188 Abs. 4 SGB V setzt sich für Personen, deren Versicherungspflicht oder Familienversicherung endet, die Versicherung mit dem Tag nach dem Ausscheiden aus der Versicherungspflicht oder mit dem Tag nach dem Ende der Familienversicherung als freiwillige Mitgliedschaft fort, es sei denn, das Mitglied erklärt innerhalb von zwei Wochen nach Hinweis der Krankenkasse über die Austrittsmöglichkeiten seinen Austritt. Der Austritt wird nur wirksam, wenn das Mitglied das Bestehen eines anderweitigen Anspruchs auf Absicherung im Krankheitsfall nachweist.
c) Die Versicherungspflicht der Antragstellerin ist nach dem derzeitigen Kenntnisstand des Senats jedenfalls zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats beendet. Nach den Mitteilungen der Antragsgegnerin und den Erkenntnissen des Senats aus dem am 02. April 2015 von ihm entschiedenen vorläufigen Rechtsschutzverfahren (L 9 KR 13/15 B ER) war die Antragstellerin zuletzt
- vom 01. Juni 2012 bis zum 30. September 2013 als Beschäftigte nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V,
- vom 09. Oktober 2013 bis zum 21. Oktober 2014 wegen Bezuges von Arbeitslosengeld nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V,
- vom 22. Oktober 2014 bis zum 07. November 2014 wegen des Bezuges von Krankengeld nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V und
- vom 08. November 2014 bis zum 15. Juni 2015 wegen eines Rentenantrages nach § 189 SGB V
versicherungspflichtiges Mitglied der Antragsgegnerin.
d) Zu Unrecht meint die Antragstellerin, dass ihre versicherungspflichtige Mitgliedschaft nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V bis heute fortdauere, weil sie über den 07. November 2014 hinaus arbeitsunfähig erkrankt sei und ihr deshalb Krankengeld nach §§ 44 ff. SGB V bis heute zustehe. Zur Begründung beruft sie sich auf fortlaufende Bescheinigungen der Arbeitsunfähigkeit durch ihre behandelnden Ärzte. Dabei verkennt sie, dass die Antragsgegnerin an die ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen nicht gebunden ist. Sie darf diese bezweifeln und den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) zur Überprüfung der Arbeitsunfähigkeit einschalten (§ 275 Abs. 1 Nr. 3b SGB V). Die ist hier geschehen. Nach den Feststellungen des MDK vom 29. Oktober 2014 war die Antragstellerin zwar als Sekretärin nicht arbeitsfähig, aber ausreichend belastbar für eine leichte angemessene Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Dass dies für die zum damaligen Zeitpunkt in der Krankenversicherung der Arbeitslosen gesetzlich krankenversicherte Antragstellerin der richtige rechtliche Maßstab war, hat der Senat in seinem bereits zitierten Beschluss vom 02. April 2015 (L 9 KR 13 /15 B ER) ausführlich dargelegt, so dass hier zur Vermeidung von Wiederholungen auf diesen Beschluss Bezug genommen werden kann. Diese Feststellungen des MDK fußen auf einer Untersuchung durch den ärztlichen Gutachter K, die dieser in seiner gutachtlichen Stellungnahme schlüssig näher begründet hat. Diese Feststellungen hat der Senat seiner Entscheidung vom 02. April 2015 zu Grunde gelegt. Neuere, insbesondere gutachterliche Erkenntnisse aus dem anhängigen Hauptsacheverfahren, die diese Feststellungen widerlegen würden, stehen nicht zur Verfügung. Bis neue nachvollziehbare (gutachterliche) Erkenntnisse aus dem Hauptsacheverfahren vorliegen, bleibt es deshalb dabei, dass sich für die Antragstellerin nach dem für die Krankenversicherung für Arbeitslose anzulegenden Maßstab ab dem 08. November 2014 in einem einstweiligen Verfahren keine Arbeitsunfähigkeit feststellen lässt, sie folglich über diesen Zeitpunkt hinaus keinen Anspruch auf Krankengeld nach § 44 ff. SGB V glaubhaft gemacht hat und deshalb auch nicht nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V versicherungspflichtiges Mitglied der Antragsgegnerin geblieben ist.
e) Etwas anderes gilt auch nicht deswegen, weil die Antragstellerin gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 30. Oktober 2014 zunächst Widerspruch und nach Erlass des Widerspruchsbescheides vom 12. Dezember 2014 unter dem Aktenzeichen S 27 KR 315/14 beim Sozialgericht Frankfurt (Oder) Klage gegen die Ablehnung von Krankengeld ab dem 08. November 2014 erhoben hat. Denn diese Klage hat entgegen ihrer Auffassung keine aufschiebende Wirkung, so dass ihr auch nicht aus prozessualen Gründen weiter Krankengeld zu gewähren ist. Nach § 86a Abs. 1 Satz 1 SGG haben nur der (Anfechtungs-)Widerspruch und die Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung. Dagegen kommt der von der Antragstellerin zur weiteren Gewährung von Krankengeld zu erhebenden Anfechtungs- und Leistungsklage schon nach dem Wortlaut des Gesetzes keine aufschiebende Wirkung zu.
f) Die Antragstellerin gilt auch nicht als Rentenantragstellerin weiterhin als versicherungspflichtiges Mitglied der Antragsgegnerin. Nach § 189 Abs. 1 SGB V gelten als (versicherungspflichtige) Mitglieder Personen, die eine Rente der gesetzlichen Rentenversicherung beantragt haben und die Voraussetzungen nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 und 12 und Abs. 2, jedoch nicht die Voraussetzungen für den Bezug der Rente erfüllen. Die Mitgliedschaft beginnt gemäß § 189 Abs. 2 SGB V mit dem Tag der Stellung des Rentenantrags. Sie endet mit dem Tod oder mit dem Tag, an dem der Antrag zurückgenommen oder die Ablehnung des Antrags unanfechtbar wird (§ 189 Abs. 2 Satz 2 SGB V). Nach den Ermittlungen der Antragsgegnerin (vgl. Schriftsatz vom 11. April 2016) hat die Antragstellerin am 29. September 2014 einen Rentenantrag gestellt, der mit Bescheid vom 20. Januar 2015 abgelehnt wurde. Den dagegen erhobenen Widerspruch hat der Rentenversicherungsträger mit Widerspruchsbescheid vom 12. Mai 2015 zurückgewiesen. Diesen Tatsachenvortrag hat die Antragstellerin nicht bestritten. Sie hat nur bestritten, dass die Bestandskraft gerade am 15. Juni 2015 eingetreten ist, ohne zugleich jedoch mitzuteilen, wann ihr der Widerspruchsbescheid nach § 85 Abs. 3 Satz 1 SGG bekanntgegeben worden ist. Sie hat darüber hinaus nicht einmal vorgetragen, dass sie gegen den Bescheid vom 20. Januar 2015 Klage erhoben hat, obwohl sie aus dem Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 11. Mai 2016 die Bedeutung dieser Tatsache hätte zweifelsfrei entnehmen können. So mag es bis zu einer Klärung im Hauptsacheverfahren zwar zweifelhaft sei, ob die Bestandskraft des Bescheides vom 20. Januar 2015 am 15. Juni 2015 eingetreten ist, jedoch ist es nach dem Vorbringen der Beteiligten für den Senat im einstweiligen Rechtsschutzverfahren jedenfalls nicht zweifelhaft, dass die Bestandskraft vor dem Tag der Entscheidung durch den Senat eintreten ist. Dies reicht nach dem oben entwickelten Entscheidungsmaßstab für das vorliegende vorläufige Rechtsschutzverfahren aus.
5.) Soweit die Antragstellerin im vorliegenden Verfahren gesondert auch die Gewährung weiteren Krankengeldes über den 07. November 2014 hinaus begehrt, hat sie ebenfalls weder einen Anordnungsanspruch noch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Insoweit nimmt der Senat für beide Voraussetzungen auf die vorstehenden Ausführungen in diesem Beschluss Bezug. Ergänzend weist er auf Folgendes hin: Die Antragstellerin hat nicht einmal ansatzweise ein eiliges Regelungsbedürfnis dahingehend behauptet, dass sie vor dem Abschluss des Hauptsacheverfahrens auf die vorläufige Gewährung des Krankengeldes zwingend angewiesen ist. Dafür reicht es nicht aus, dass sie derzeit über keine eigenen Einkünfte verfügt. Denn sie hat nicht einmal behauptet, ihren Lebensbedarf aus Ersparnissen oder Unterhaltsleistungen ihres Ehemannes nicht einmal vorübergehend decken zu können. Auch darauf ist sie in dem zitierten Beschluss des Senats bereits hingewiesen worden, so dass sie die Folgen des unterlassenen Vorbringens tragen muss.
6.) Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).