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Entscheidung S 26 AS 1046/11 ER


Metadaten

Gericht SG Neuruppin 26. Kammer Entscheidungsdatum 22.08.2011
Aktenzeichen S 26 AS 1046/11 ER ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes vom 01. Juni 2011 wird abgelehnt.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Gründe

Die Beteiligten streiten im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens um die Gewährung von Leistungen nach den Bestimmungen des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitssuchende - (SGB II), wobei im Wesentlichen umstritten ist, ob der Antragsgegner verpflichtet ist, für die Monate November und Dezember 2010 die Kranken-, Pflege- und Rentenversicherungsbeiträge abzuführen und in diesem Zeitraum Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende zu gewähren; ferner begehren die Antragsteller Einsicht in die Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners.

Der bei dem Sozialgericht Neuruppin am 01. Juni 2011 eingegangene Antrag, mit dem die Antragsteller (sinngemäß) beantragen,

den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, vorläufig die Kranken-, Pflege- und Rentenversicherungsbeiträge für den Zeitraum vom 19. November 2010 bis zum 31. Dezember 2010 abzuführen und ihnen für diesen Zeitraum vorläufig Leistungen nach den Bestimmungen des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch zu gewähren,

hat keinen Erfolg.

Der gemäß § 86 b Abs. 2 S. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) auf den Erlass einer Regelungsanordnung gerichtete Antrag ist im Hinblick auf die Antragstellerin unzulässig, soweit sie begehrt, den Antragsgegner zu verpflichten, vorläufig Kranken-, Pflege- und Rentenversicherungsbeiträge abzuführen (dazu unter 1.). Im Übrigen ist der Antrag zwar zulässig, jedoch unbegründet (dazu unter 2).

1. Soweit die Antragstellerin (erneut) im Rahmen dieses einstweiligen Rechtsschutzverfahrens die Verpflichtung zur Abführung der Sozialversicherungsbeiträge begehrt, steht der Zulässigkeit des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens insoweit die Regelung des § 17 Abs. 1 S. 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG), der gemäß § 202 SGG auch im sozialgerichtlichen Verfahren gilt, entgegen. Danach kann während der Rechtshängigkeit einer Sache diese von keinem Beteiligten anderweitig anhängig gemacht werden. Dies ist hinsichtlich der Antragstellerin aber der Fall, da sie im einstweiligen Rechtsschutzverfahren zum Aktenzeichen – S 26 AS 1032/11 ER – ebenso begehrt, den Antragsgegner vorläufig zu verpflichten, für den Zeitraum vom 19. November 2010 bis zum 31. Dezember 2010, mithin auch für den hier von ihr streitig gestellten Zeitraum, Sozialversicherungsbeiträge abzuführen. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Antrag nunmehr anders begründet wird, worauf der Antragsgegner bereits zu Recht hingewiesen hat.

2. a) Wenn danach im Hinblick auf die begehrte Verpflichtung zur Abführung der Sozialversicherungsbeiträge nur der Antrag des Antragstellers zulässig ist, hat dieser jedoch in der Sache keinen Erfolg. Nach der genannten Vorschrift des § 86 b Abs. 2 S. 2 SGG ist eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf das streitige Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Der Anordnungsanspruch, d. h. die Rechtsposition, deren Durchsetzung im Hauptsacheverfahren beabsichtigt ist, sowie der Anordnungsgrund, d. h. die Eilbedürftigkeit der begehrten vorläufigen Regelung, sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 S. 4 SGG, § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO)). Diese Voraussetzungen sind indes nicht erfüllt. Der Antragsteller hat bereits das Vorliegen eines Anordnungsgrundes nicht glaubhaft gemacht, so dass offen bleiben kann, in welchem Umfang ihm überhaupt ein Anordnungsanspruch zur Seite stünde. Der Antragsteller hat nämlich insbesondere nicht dargetan, dass bei Nichtabführung der Sozialversicherungsbeiträge für den streitigen Zeitraum eine schier unerträgliche existenzielle Notlage eintritt oder fortwirkt, die den Erlass einer einstweiligen Anordnung zu rechtfertigen vermag (sog. Anordnungsgrund). Der Antragsteller hat in dem von ihm angestrengten einstweiligen Rechtsschutzverfahren insbesondere nicht ausreichend dargelegt und hinreichend glaubhaft gemacht, welche seine Existenz bedrohenden Folgen eintreten würden, wenn – vorerst bis zur Klärung des Begehrens im Hauptsacheverfahren – die Sozialversicherungsbeiträge nicht abgeführt würden. Für das Eintreten einer derartigen Notlage ist auch im Übrigen nichts ersichtlich. Soweit der Antragsteller hierzu vorträgt, für die Steuererklärung 2010 einen Nachweis für den streitigen Zeitraum zu benötigen, ist für die Kammer schlicht nicht nachvollziehbar, welcher seine Existenz bedrohende Nachteil durch die Nichtabführung der Sozialversicherungsbeiträge im Hinblick auf die Steuererklärung 2010 im Raume stehen soll. Der Antragsteller hat hierzu – obgleich der Antragsgegner in seinem Schriftsatz vom 02. August 2011 auf den insoweit unzulänglichen Vortrag des Antragstellers ausdrücklich hingewiesen hat – trotz ausreichender Gelegenheit nichts vorgetragen oder gar glaubhaft gemacht, was die Kammer von der Gefahr des Eintritts einer existenziellen Notlage zu überzeugen vermochte.

b) Soweit die Antragsteller auch begehren, ihnen vorläufig für den Zeitraum vom 19. November 2010 bis zum 31. Dezember 2010 Leistungen nach den Bestimmungen des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) zu gewähren, mangelt es auch insoweit am Vorliegen eines Anordnungsgrundes. Für den begehrten Leistungszeitraum vor dem 01. Juni 2011 (Eingang des Antrages auf einstweiligen Rechtsschutz bei Gericht) liegt nämlich schon deshalb kein Anordnungsgrund vor, weil erst durch den Eingang des Antrages auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes die existenzielle Notlage dokumentiert wird; vorläufige Leistungen können indes regelmäßig - und mangels entgegenstehender Anhaltspunkte auch hier - jedoch nicht für die Vergangenheit gewährt werden. Insoweit fehlt es regelmäßig - und auch hier - an einer spezifischen, dem vorliegenden Verfahren innewohnenden Dringlichkeit, deretwegen es zur Vermeidung schwerer und unzumutbarer Nachteile, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre, einer einstweiligen Regelung bedarf. Dass den Antragstellern hier ausnahmsweise schwere und unzumutbare Nachteile drohten, wenn ihrem Begehren nicht sofort entsprochen wird, ist ihrem Vorbringen - wie bereits dargelegt - nicht zu entnehmen.

c) Schließlich werden die Antragsteller wiederholt darauf hingewiesen, dass eine einstweilige Anordnung nicht dazu dient, zu Lasten anderer Beteiligter der Hauptsacheverfahren eine schnellere Entscheidung zu erlangen. Sie ist vielmehr nur dann zu treffen, wenn ohne sie schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren Beseitigung eine spätere Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 12. Mai 2005, Breithaupt 2005, S. 803 ff.). Dies ist - wie ausgeführt - hier jedoch nicht der Fall. Die Beantwortung der von den Antragsteller aufgeworfenen Frage, ob auch in dem von ihr benannten Zeitraum Leistungen nach den Bestimmungen des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitssuchende - (SGB II) zu gewähren und dementsprechend auch die mit der Pflicht zur Beitragsabführung durch den Antragsgegner einhergehende Versicherungspflicht in der Gesetzlichen Kranken-, der Gesetzlichen Pflege- und der Gesetzlichen Rentenversicherung bestanden hat (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 2a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V), § 20 Abs. 1 Nr. 2a des Elften Buches Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Pflegeversicherung – (SGB XI) sowie § 3 S. 1 Nr. 3a des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI) in der bis zum 31. Dezember 2010 geltenden Fassung), muss daher der Entscheidung des Antragsgegners im Widerspruchsverfahren bzw. einer gerichtlichen Hauptsacheentscheidung vorbehalten bleiben, dessen Abwarten den Antragstellern mangels Glaubhaftmachung des Vorliegens einer existenziellen Notlage zuzumuten ist.

3. a) Soweit die Antragsteller – nunmehr im gerichtlichen Verfahren nach Maßgabe der Regelung des § 120 SGG – nach wie vor Einsicht in die Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners verlangen, kann offen bleiben, ob der Antragsgegner diesem Begehren bislang nicht sogar bereits vollständig entsprochen hat, was von den Antragstellern indes in Abrede gestellt wird. Jedenfalls ist für die erneute Gewährung von Akteneinsicht im Rahmen dieses einstweiligen Rechtsschutzverfahrens schon deshalb kein Raum, weil insbesondere die nach Maßgabe der §§ 86b Abs. 2 S. 4 SGG, 920 Abs. 2 ZPO erforderliche Glaubhaftmachung der Tatsachen, aufgrund derer das Gericht prüft, ob der für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderliche Anordnungsanspruch und der erforderliche Anordnungsgrund zu bejahen sind, in der Sphäre der Antragsteller liegt und hierfür eine Einsichtnahme in die Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners jedenfalls kurzfristig nicht noch einmal erforderlich ist, zumal den Antragstellern die maßgeblichen verwaltungsbehördlichen Entscheidungen des Antragsgegners ohnehin bekannt sind. Darüber hinaus ist dem Vorbringen der Antragsteller auch überdies nicht zu entnehmen, aus welchem dringenden – unaufschiebbaren – Grund sie für die Wahrung ihrer Interessen im vorliegenden einstweiligen Rechtsschutzverfahren erneut kurzfristig Akteneinsicht in die Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners benötigen. Die Kammer kann sich im Übrigen auch des Eindrucks nicht erwehren, dass die Antragsteller mit dem Begehren auf Gewährung erneuter Akteneinsicht nicht in erster Linie die Gewinnung von (neuen) Informationen zur Wahrung ihrer Rechte im Auge haben, sondern dass dieses Begehren im Wesentlichen aus Selbstzweckgesichtspunkten verfolgt wird. Sollte dies tatsächlich zutreffend sein, wäre hierfür im Rahmen eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens erst Recht kein Raum.

b) Nur ergänzend weist die Kammer darauf hin, dass sie im Rahmen der zahlreichen die Antragsteller betreffenden anhängigen Hauptsacheverfahren nach Maßgabe des § 120 SGG demnächst darüber befinden wird, ob und in welchem Umfang ihnen (erneut) Einsicht in die Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners zu gewähren ist.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs. 1 und Abs. 4 SGG; sie entspricht dem Ergebnis in der Hauptsache, in der die Antragsteller vollumfänglich unterlagen.

5. Gerichtskosten werden in Verfahren der vorliegenden Art nicht erhoben.