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Entscheidung 11 U 199/23


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 11. Zivilsenat Entscheidungsdatum 28.02.2024
Aktenzeichen 11 U 199/23 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2024:0228.11U199.23.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

1. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 27.07.2023, Az. 13 O 63/22, wird zurückgewiesen.

2. Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger ⅔ und die Klägerin ⅓.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Potsdam ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 19.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Parteien streiten im Wesentlichen über die Wirksamkeit von Prämienanpassungen im Rahmen einer privaten Krankenversicherung und sich daraus ergebende Ansprüche auf Rückerstattung, Feststellung sowie Herausgabe von Nutzungen.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 540 Abs. 2 i.V.m. § 313a ZPO abgesehen.

II.

Die zulässige Berufung der Kläger ist vollumfänglich unbegründet. Sie haben jedenfalls keine weitergehenden Ansprüche als ihnen erstinstanzlich zugesprochen worden sind. Berufungsgründe sind nicht gegeben; weder beruht das angefochtene Urteil auf einer Rechtsverletzung im Sinne des § 546 ZPO noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere - für die Kläger günstige(re) - Entscheidung (§ 513 Abs. 1 ZPO).

Die Kläger haben weder einen Anspruch auf Rückzahlung zu Unrecht entrichteter, überhöhter Prämienzahlungen noch auf weitergehende Feststellung der Unwirksamkeit der in Rede stehenden Beitragsanpassungen. Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Beitragsanpassungen ab 2019 in formeller und insgesamt in materieller Hinsicht ordnungsgemäß erfolgten, die Kläger die Beitragszahlungen insoweit mithin mit Rechtsgrundgrund im Sinne des § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BGB leisteten.

Im Einzelnen:

1.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. nur BGH, Urt. v. 16.12.2020 - IV ZR 294/19 - juris) erfordert die Mitteilung der maßgeblichen Gründe für die Neufestsetzung der Prämie nach § 203 Abs. 5 VVG die Angabe der Rechnungsgrundlage, deren nicht nur vorübergehende Veränderung die Neufestsetzung nach § 203 Abs. 2 Satz 1 VVG veranlasst hat. Der Versicherer muss dabei zwar nicht die Veränderung weiterer Faktoren, welche die Prämienhöhe beeinflusst haben, wie z.B. den Rechnungszins, angeben. Der Versicherungsnehmer muss den Mitteilungen aber mit der gebotenen Klarheit entnehmen können, dass eine Veränderung der genannten Rechnungsgrundlagen über dem geltenden Schwellenwert die konkrete Beitragserhöhung ausgelöst hat (vgl. BGH, Urt. v. 30.11.2022 - IV ZR 329/20; Urt. v. 09.02.2022 - IV ZR 337/20; Urt. v. 21.07.2021 - IV ZR 191/20; Urt. v. 20.10.2021 - IV ZR 148/20; Urt. v. 17.11.2021 - IV ZR 113/20 - jeweils zitiert nach juris). Ihm muss dabei grundsätzlich verdeutlicht werden, dass es einen vorab festgelegten Schwellenwert für eine Veränderung der betreffenden Rechnungsgrundlage gibt, dessen Überschreitung die in Rede stehende Prämienanpassung ausgelöst hat (vgl. insbesondere BGH, Urt. v. 09.02.2022 - IV ZR 337/20; Urt. v. 21.07.2021 - IV ZR 191/20 - zitiert jeweils nach juris). Nicht erforderlich ist es hingegen, dem Versicherungsnehmer die Rechtsgrundlage des geltenden Schwellenwerts oder die genaue Höhe der Veränderung der Rechnungsgrundlage mitzuteilen (BGH, Urt. v. 16.12.2020 – IV ZR 314/19, a.a.O., Rn. 95 und IV ZR 294/19, VersR 2021, 240; OLG Hamm, Beschl. v. 23.06.2022 - 20 U 128/22; Senat, Beschl. v. 10.08.2022 – 11 U 224/21; Beschl. v. 18.01.2023 - 11 U 209/22, m.w.N.).

Ob eine Mitteilung des Versicherers den gesetzlichen Anforderungen des § 203 Abs. 5 VVG genügt, hat grundsätzlich der Tatrichter im jeweiligen Einzelfall zu befinden (vgl. BGH, Urt. v. 30.11.2022 - IV ZR 302/22, Rn. 15; Urt. v. 16.12.2020 - IV ZR 294/19, Rn. 38, juris).

Ausgehend von diesem Maßstab genügten jeweils die Anpassungsschreiben aus Februar 2019 zur Beitragsanpassung zum 01.04.2019 in den Tarifen des Klägers (bzw. der mitversicherten Personen) und der Klägerin in der Gesamtschau der übersandten Unterlagen den gesetzlichen Anforderungen. Insbesondere wird der Versicherungsnehmer in dem Schreiben nicht nur darüber informiert, dass der wichtigste Grund für die Beitragsanpassung die gestiegenen Gesundheitskosten sind; vielmehr kann er den beiliegenden Informationsmaterialien mit der gebotenen Klarheit auch entnehmen, dass die Beklagte gesetzlich zu der Überprüfung der Rechnungsgrundlagen verpflichtet und bei Überschreitung bestimmter, vorgegebener Schwellenwerte zu einer Überprüfung angehalten ist (“Ergibt dieser Vergleich eine Abweichung von den definierten Grenzwerten, sind wir zur Prüfung verpflichtet“) sowie dieser Vergleich im vorliegenden Fall offenbarte, dass im konkreten Tarif des Klägers bzw. der Klägerin eine Anpassung notwendig ist. Der anschließende Verweis auf einen Tabellenauszug mit dem individuell angepassten Tarif „BM4/ 2 V“ der Klägerin bzw. MC1 des Klägers führte den Klägern deutlich vor Augen, welcher Tarif angepasst wurde (vgl. etwa auch Senat, Urt. v. 31.03.2023 - 11 U 313/22; Urt. v. 19.01.2024 - 11 U 144/23).

Zutreffend hat das Landgericht darüber hinaus auch die formelle Wirksamkeit der Beitragsanpassungen in 2020 und 2021 festgestellt. Vor dem Hintergrund, dass das Urteil insoweit nicht dezidiert angegriffen wird, erübrigen sich diesbezüglich weitere Ausführungen.

2.

Nach dem Sach- und Streitstand zum Schluss der mündlichen Verhandlung ist überdies zugrunde zu legen, dass die materiellen Voraussetzungen der in Rede stehenden Beitragsanpassungen vorgelegen haben.

a)

Dabei ist das Landgericht zutreffend davon ausgegangen, dass das Bestreiten der Kläger, wonach dem Treuhänder die maßgeblichen Unterlagen nicht vollständig vorgelegen haben sollen, der Klage nicht zum Erfolg verhelfen kann.

Denn einerseits entbehren die streitigen Behauptungen der Kläger jeglicher, objektiver Anhaltspunkte und sind daher prozessual unbeachtlich. Zwar haben sie im Ansatz zutreffend ausgeführt, dass ein Klagevortrag bereits dann schlüssig und erheblich ist, wenn die Partei Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als in der Person der Partei entstanden erscheinen zu lassen. Dabei darf sie auch von ihr nur vermutete Tatsachen als Behauptung in einen Rechtsstreit einführen, wenn sie mangels entsprechender Erkenntnisquellen oder Sachkunde keine sichere Kenntnis von Einzeltatsachen haben kann. Das gilt insbesondere dann, wenn die Partei keine unmittelbare Kenntnis von den Vorgängen hat. Unbeachtlich ist der auf Vermutungen gestützte Sachvortrag einer Partei aber dann, wenn die Partei ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich Behauptungen "aufs Geratewohl" oder "ins Blaue hinein" aufstellt (st. Rspr. BGH, z.B. Beschl. v. 10.01.2023 - VIII ZR 9/21, Rn. 14 f., juris, m.w.N.; Senat, Urt. v. 08.11.2023 - 11 U 9/22, 11 U 282/21, 11 U 125/18 und 11 U 263/21).

b)

Ohnehin aber unterliegen die Prüfvorgänge des eingesetzten Treuhänders andererseits nicht der isolierten zivilgerichtlichen Kontrolle.

Nach § 203 Abs. 2 VVG ist der Versicherer bei einem Versicherungsverhältnis, in welchem sein ordentliches Kündigungsrecht ausgeschlossen ist, bei einer nicht nur als vorübergehend anzusehenden Veränderung einer für die Prämienkalkulation maßgeblichen Rechnungsgrundlage (§ 203 Abs. 2 Satz 3 VVG) berechtigt, die Prämien entsprechend den berichtigten Rechnungsgrundlagen auch für bestehende Versicherungsverhältnisse neu festzusetzen, sofern ein unabhängiger Treuhänder die technischen Berechnungsgrundlagen überprüft und der Prämienanpassung zugestimmt hat. Grundlage der Prämienänderung sowie ihrer Überprüfung und Zustimmung durch den Treuhänder sind die Vorschriften der §§ 12 b, 12 c VAG a.F. i.V.m. der Kalkulationsverordnung (KaIV / Verordnung über die versicherungsmathematischen Methoden zur Prämienkalkulation und zur Berechnung der Alterungsrückstellung in der privaten Krankenversicherung vom 18.11.1996; BGBl. I S. 1783), bzw. §§ 155, 160 VAG i.V.m. der Krankenversicherungsaufsichtsverordnung (KVAV / Verordnung betreffend die Aufsicht über die Geschäftstätigkeit in der privaten Krankenversicherung vom 18.04.2016). Damit wird dem Versicherer unabhängig von einer vertraglichen Anpassungsklausel ein gesetzliches Anpassungsrecht eingeräumt, dessen nähere Voraussetzungen sich aus dem Aufsichtsrecht ergeben (vgl. BGH, Urt. v. 16.06.2004 – IV ZR 117/02, Rn. 10, juris [noch zu § 178 g Abs. 2 VVG a.F.]). In einem gerichtlichen Verfahren über die Beitragsanpassung hat grundsätzlich der Versicherer darzulegen und zu beweisen, dass die Voraussetzungen der vorgenannten Rechtsvorschriften für die erhöhte Prämie vorliegen. Da hierin die einseitige Bestimmung einer Hauptleistungspflicht durch den Versicherer liegt, der Versicherungsnehmer mithin von einer gesetzlichen Einschränkung der Vertragsfreiheit betroffen ist, ist diesem ein wirkungsvoller Rechtsschutz zu gewähren, was die umfassende tatsächliche und rechtliche Prüfung des Streitgegenstandes voraussetzt. Aus diesem Grunde unterliegen die Prämienanpassungen im Individualprozess in sachlicher Hinsicht einer wirkungsvollen richterlichen Kontrolle auf Veranlassung des einzelnen Versicherungsnehmers, die grundsätzlich durch eine umfassende tatsächliche und rechtliche Überprüfung durch die Zivilgerichte anhand der maßgeblichen privatrechtlichen Normen zu gewährleisten ist (vgl. BGH, Urt. v. 09.12.2015 – IV ZR 272/15, Rn. 21, juris; BGH, Urt. v. 16.06.2004 – IV ZR 117/02, Rn. 7; juris; Boetius in: Langheid/Wandt, Münchener Kommentar zum VVG, 2. Aufl. 2017, § 203 Rn. 904). Maßstab für die gerichtliche Prüfung ist, ob die Prämienanpassung nach aktuariellen Grundsätzen als mit den bestehenden Rechtsvorschriften und eventuell davon abweichenden wirksamen vertraglichen Bestimmungen in Einklang stehend anzusehen ist (§ 12 b Abs. 1 Satz 2 VAG a.F.; § 155 Abs. 1 Satz 2 VAG). Die danach vorzunehmende Kontrolle der Prämienerhöhung hat sich auf der Grundlage der dem Treuhänder vom Versicherer vorgelegten Unterlagen zunächst darauf zu erstrecken, ob die Anpassungsvoraussetzungen gegeben sind (§§ 12 b Abs. 2 Satz 2 VAG a.F.; § 155 Abs. 3 Satz 2 VAG). Ist das der Fall, ist der Umfang der Prämienerhöhung zu überprüfen (BGH, Urt. v. 16.06.2004 – IV ZR 117/02, Rn. 15, juris). Die Überprüfung erfolgt hinsichtlich des Vorliegens der Anpassungsvoraussetzungen und sodann hinsichtlich der vom Versicherer vorgenommenen Neuberechnung der Prämie zunächst anhand der ins Einzelne gehenden engen und verbindlichen materiellen Vorgaben und umfasst schließlich auch die sog. Limitierungsmaßnahmen. Steht die Neuberechnung der Prämie nach aktuariellen Grundsätzen mit den bestehenden Rechtsvorschriften bzw. maßgeblichen vertraglichen Bestimmungen in Einklang, so hat der Treuhänder die ihm obliegende Zustimmung zu erteilen (vgl. BGH, Urt. v. 16.06.2004 – IV ZR 117/02, Rn. 13 juris). Die gerichtliche Überprüfung ist dabei auf diejenigen Unterlagen beschränkt, die der Versicherer dem Treuhänder zur Prüfung gemäß §§ 12 b VAG a.F., 15 KaIV a.F. bzw. § 155 VAG, § 17 KVAV vorgelegt hat. Denn nur darauf gründet sich die für die Wirksamkeit der Erhöhung erforderliche Zustimmung des Treuhänders. Aus diesen Unterlagen müssen sich die Voraussetzungen und der Umfang der vorgenommenen Anpassung für den Sachverständigen nachvollziehbar und in tatsächlicher Hinsicht belegt ergeben. Soweit dies nicht der Fall ist, fehlt es (ganz oder teilweise) schon mangels entsprechender Unterlagen an der Berechtigung des Versicherers zur Prämienerhöhung. Der Versicherer kann dem grundsätzlich nicht dadurch entgehen, dass er im Prozess weitere oder neue Unterlagen beibringt oder mit einer anderen Berechnungsmethode belegt, dass die Erhöhung im Ergebnis doch berechtigt ist. Allenfalls bei geringen offensichtlichen Unvollständigkeiten im Rechenwerk oder in den statistischen Nachweisen kann eine spätere Nachbesserung in Betracht kommen. Das Zustimmungserfordernis des Treuhänders aus § 203 Abs. 2 Satz 1 VVG erfüllt daher auch eine Filterfunktion, denn es beschränkt auch die Möglichkeiten des Versicherers, die Berechtigung der Prämienerhöhung durch das Nachschieben von Unterlagen im Prozess darlegen zu können (vgl. BGH, Urt. v. 16.06.2004 – IV ZR 117/02, Rn. 15 f. und 25, juris; BGH, Urt. v. 19.12.2018 – IV ZR 255/17, Rn. 54, juris; zusammenfassend: OLG Nürnberg, Beschl. v. 07.03.2023 - 8 U 3056/22, Rn. 20, juris).

Ausgehend von diesen Vorgaben ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Kläger bereits erstinstanzlich die grundsätzliche Richtigkeit der den Beitragsanpassungen zugrundeliegenden Kalkulationen bzw. die technischen Berechnungen im Sinne des § 155 Abs. 1 VAG, insbesondere die Richtigkeit der Beitragskalkulation, der auslösenden Faktoren und der Neuprämie, nicht bestreiten. Seitens der Kläger wird auch nicht gerügt, dass das Landgericht ein versicherungsmathematisches Gutachten hätte einholen müssen; im Gegenteil gehen sie sogar davon aus, dass eine Überprüfung ohne weiteres auch ohne versicherungsmathematische Spezialkenntnisse möglich sei. Das Erstgericht hat vor diesem Hintergrund zu Recht von einer Beweiserhebung mittels eines entsprechenden Gutachtens abgesehen. Die auf die (Un-)Vollständigkeit der dem Treuhänder vorgelegten Unterlagen bezogenen Rügen waren ohne rechtliche Bedeutung, weswegen es hinsichtlich der erstinstanzlichen Bewertung der materiellen Rechtmäßigkeit der angegriffenen Beitragsanpassungen sein Bewenden haben muss (vgl. zuletzt etwa auch OLG Karlsruhe, Urt. v. 01.02.2024 - 12 U 27/23; s.a. OLG Nürnberg, Beschl. v. 07.03.2023 - 8 U 3056/22, Rn. 30, juris; Hanseatisches OLG Bremen, Beschl. v. 28.03.2023 - 3 U 26/22, Rn. 57, juris), denn die Frage nach der Erforderlichkeit der dem Treuhänder für eine sachgerechte Prüfung zu übergebenden Unterlagen lässt sich nicht losgelöst von der Richtigkeit der Beitragskalkulation beantworten (OLG Nürnberg, Beschl. v. 07.03.2023 - 8 U 3056/22, Rn. 27, juris; Hanseatisches OLG Bremen, Beschl. v. 28.03.2023 - 3 U 26/22, Rn. 57, juris). Vielmehr ist die Frage, welche Unterlagen die konkrete Prüfung des Treuhänders tatsächlich unterstützen, unter Berücksichtigung des normativen und der Bewertung des Treuhänders unterliegenden Begriffs der Erforderlichkeit im jeweiligen Einzelfall zu klären; diese können sich von Versicherer zu Versicherer und auch innerhalb desselben Unternehmens von Tarif zu Tarif unterscheiden (vgl. hierzu Franz/Püttgen, VersR 2022, 1, 19; OLG Nürnberg, Beschl. v. 07.03.2023 - 8 U 3056/22, Rn. 26, juris; s.a. OLG Dresden, Vfg. v. 19.01.2023 - 6 U 1968/22).

Soweit es die in § 155 Abs. 2 VAG (bzw. § 12 b Abs. 2 VAG a.F.) gesondert geregelte Verwendung der (erfolgsunabhängigen und erfolgsabhängigen) RfB-Mittel betrifft, die der Zustimmung des Treuhänders bedürfen, heißt es demgegenüber lediglich, dass dieser darauf zu achten habe, dass die in der Satzung und den Versicherungsbedingungen bestimmten Voraussetzungen erfüllt und die Belange der Versicherten ausreichend gewahrt sind (vgl. hierzu auch Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Beschl. v. 21.02.2023 – 16 U 139/19, Rn. 69 ff., juris). Der Umstand, ob dem Treuhänder die erforderlichen Unterlagen vollständig vorgelegt worden sind, betrifft demnach nicht die formelle oder materielle Wirksamkeit der Beitragsanpassung als solche (Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, a.a.O., Rn. 71, juris). Dieser Umstand und die daraus resultierende Folgefrage, ob nämlich der Treuhänder auf der Grundlage der – vollständig oder nicht – vorgelegten Unterlagen seine tatsächlich erteilte Zustimmung hätte erteilen dürfen, ist vielmehr Teil der aufsichtsrechtlichen Aufgaben des Treuhänders. Diese zu überprüfen ist aber nicht Sache der Zivilgerichte, sondern der Aufsichtsbehörde (vgl. mit überzeugender Begründung OLG Nürnberg, Beschl. v. 05.06.2023 – 8 U 3284/22, BeckRS 2023, 12283 Rn. 44). Zwar macht § 203 Abs. 2 S. 1 VVG die Berechtigung des Versicherers zur Neufestsetzung der Prämie davon abhängig, dass der zustimmende Treuhänder die „technischen Berechnungsgrundlagen“ überprüft hat. Allein deren Unvollständigkeit als solche vermittelt dem Versicherungsnehmer nach zutreffender Auffassung des OLG Nürnberg, der der Senat folgt, aber keine Befugnis, die Wirksamkeit der Prämienanpassung mit Erfolg zu beanstanden. Der Wortlaut des § 203 VVG gibt insoweit keinen Aufschluss darüber, ob sich der Versicherungsnehmer im Prämienanpassungsstreit mit Erfolg auf die Unvollständigkeit der Treuhänderunterlagen berufen kann. § 203 Abs. 2 S. 1 VVG verlangt lediglich, dass die Unterlagen den Treuhänder in die Lage versetzen müssen, die Beitragsanpassung nach Maßgabe des in § 203 Abs. 2 S. 4 VVG in Verbindung mit § 155 VAG vorgeschriebenen Verfahrens zu überprüfen. Rechtssystematische Erwägungen und die Entstehungsgeschichte der gesetzlichen Regelung sprechen jedenfalls nicht dafür, dass der Versicherungsnehmer die Wirksamkeit der Prämienanpassung allein mit der behaupteten Unvollständigkeit der Treuhänderunterlagen angreifen könnte (vgl. OLG Nürnberg, a.a.O. unter Hinweis auf OLG Hamm, Hinweisbeschl. v. 12.05.2023 – 20 U 7/23). Der Senat schließt sich insoweit in ständiger Rechtsprechung der von der Beklagten vertretenen Rechtsauffassung an, wonach die Zivilgerichte jedenfalls den Treuhändervorgang an sich nicht zu überprüfen haben.

Soweit die Kläger bereits in ihrer Klageschrift bestritten hatten, dass aus den dem Treuhänder übergebenen Unterlagen die durchschnittliche Altersverteilung der von der Verteilung der Limitierungsmittel betroffenen Tarife erkennbar gewesen sei und worauf sich die Kläger in ihrer Berufungsbegründung augenscheinlich beziehen, verfängt auch dies nicht. Eine Kontrolle, die sich auf eine „Ausbalancierung“ der Limitierungsmaßnahmen über alle in einem Jahr anzupassenden Tarife hinweg zu erstrecken hätte und die der Versicherer – bei Strafe der Unwirksamkeit sämtlicher Beitragsanpassungen eines jeweiligen Jahres – durch ein verschriftlichtes Limitierungskonzept oder eine anderweitige ausführliche Dokumentation seiner jeweiligen tarifbezogenen Motivation zu ermöglichen hätte und ein damit verbundener Überprüfungsauftrag hinsichtlich der Angemessenheit der Verteilung auf die Versichertenbestände insgesamt durch den Treuhänder, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Insbesondere § 155 Abs. 2 S. 2, 3 VAG räumt dem Treuhänder ein eigenständiges Ermessen nicht ein. Von der Forderung eines Limitierungskonzeptes, einer Dokumentation oder auch nur eines ausführlichen Prüfvermerks des Treuhänders sind Expertenkommission und Gesetzgeber schon bei ihren Überlegungen weit entfernt gewesen; Anklang im Gesetz haben sie erst recht nicht gefunden (vgl. hierzu insgesamt und mit weiteren Nachweisen Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, a.a.O., Rn. 87, juris).

Im Übrigen teilt der Senat auch insoweit die von der Beklagten vertretene Rechtsauffassung, wonach seitens der Kläger weder ein anlassgestütztes Bestreiten der ordnungsgemäßen Limitierung noch diesbezüglich eine Ermessensüberschreitung zu entnehmen ist. Vielmehr erschöpft sich auch der dahingehende Vortrag der Kläger auf prozessual unbeachtliche Behauptungen ins Blaue hinein.

4.

Schließlich ist nicht zu beanstanden, dass das Erstgericht auch für den nichtverjährten Zeitraum 01.01.2019 bis 31.03.2019 keinen Zahlungsanspruch für die Klägerin erkannte, obgleich es mit richtiger Begründung die Unwirksamkeit der Beitragsanpassung zum 01.04.2016 in dem Tarif BM4/2 einschließlich des gesetzlichen Beitragszuschlages bis zum 31.03.2019 festgestellt hat. Zutreffend hat das Gericht ausgeführt, dass es insoweit an einer schlüssigen Darlegung mangelte, wie sich der geltend gemachte Zahlungsantrag zu 6. in dem nachgereichten Schriftsatz vom 03.05.2022 zusammensetzte. Diesbezüglich findet sich auch in der Berufungsbegründung keine explizite Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen bzw. kein expliziter Angriff.

5.

Mangels eines weitergehenden Anspruchs in der Hauptsache besteht auch kein weitergehender Anspruch auf die als Nebenforderung geltend gemachten Zinsen, Nutzungen und Freistellung von den außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten.

III.

Die Kostengrundentscheidung folgt aus den §§ 97 Abs. 1, 100 Abs. 1 und 2 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711 und 713 ZPO.

Die Revision war in Ermangelung der gesetzlichen Voraussetzungen gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO i.V.m. § 133 GVG nicht zuzulassen. Die entscheidenden Rechtsfragen sind höchstrichterlich geklärt; der Senat weicht hiervon nicht ab, sondern subsumiert den Sach- und Streitstand des vorliegenden Einzelfalls im Lichte dieser Rechtsprechung.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren war auf bis zu 19.000,00 EUR festzusetzen. Hier waren zunächst die Berufungsanträge zu 3. und 6., die auf Rückzahlung in Höhe von 7.970,07 EUR und 4.585,41 EUR gerichtet sind, maßgeblich. Für die Feststellung der künftigen Nichtleistungspflicht (Berufungsanträge zu 1. und 5.) ist grundsätzlich gemäß § 9 ZPO analog ein Zeitraum von 3,5 Jahren ab Anhängigkeit des Feststellungsantrags am 07.04.2022 (Kläger) bzw. 03.05.2022 (Klägerin) zugrunde zu legen; eine Kürzung ist vorzunehmen, soweit sich der Feststellungsantrag mit dem Antrag auf Rückzahlung der Prämienanteile überschneidet (vgl. BGH, Urt. v. 10.03.2021 - IV ZR 353/19, juris Rn. 37). Dies betrifft in Bezug auf den Kläger die Monate April 2022 bis Dezember 2023 (= 19 Monate) und die Klägerin die Monate Mai 2022 bis Dezember 2023 (= 18 Monate). Der Streitwert erhöht sich damit um 6.078,14 EUR (23 Monate x [5,61 EUR + 9,56 EUR + 79,05 EUR + 89,72 EUR] + 24 Monate x [69,99 EUR +6,99 EUR]).