Gericht | OLG Brandenburg 12. Zivilsenat | Entscheidungsdatum | 11.01.2024 | |
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Aktenzeichen | 12 U 132/23 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2024:0111.12U132.23.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das am 12.07.2023 verkündete Urteil der 11. Zivilkammer - Einzelrichter - des Landgerichts Potsdam, Az. 11 O 280/22, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
1.1. Hierzu besteht für den Kläger Gelegenheit zur Stellungnahme binnen vier Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.
I.
Der Kläger macht gegen die Beklagte, eine deutschlandweit agierende Auskunftei / Inkassofirma, einen Anspruch auf Schadensersatz wegen einer von ihm behaupteten Verletzung seines Auskunftsrechts nach Art. 15 DS-GVO geltend. Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sachverhalt wird Bezug genommen auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, es könne dahingestellt bleiben, ob der Kläger über das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis verfüge, denn die Klage sei unbegründet. Dem Kläger stehe kein Anspruch aus Art. 12 Abs. 3 S. 1 ff., Art. 15 Abs. 1 i.V.m. Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 82 DS-GVO auf Zahlung von Schadensersatz zu. Er habe bereits einen Verstoß gegen Art. 15 DS-GVO nicht hinreichend dargetan. Jedenfalls mit dem Schreiben vom 17.02.2022 habe die Beklagte ihm sowohl das von der („Firma 01“) mitgeteilte Aktenzeichen als auch die Einstellung der Forderung aus einem Möbelkauf mitgeteilt. Damit habe ihm die erbetene und als streitgegenständlich bezeichnete Information vorgelegen. Soweit der Kläger vorgebracht habe, er habe aus den Auskünften der Beklagten nicht erkennen können, ob die Forderung aus einem Möbelkauf gelöscht worden sei, ergebe sich aus dem Beklagtenschreiben vom 17.01.2022, dass die Forderung nicht mehr als aktive und noch geltend zu machende Forderung geführt werde. Spätestens mit der Mitteilung der („Firma 01“) vom 14.04.2022 und der Bewertung der Forderung mit 0 € habe der Kläger erkennen können, dass diese bei der Beklagten zur Löschung angemeldet und nicht mehr als aktive Forderung gespeichert sei. Der Kläger habe auch einen aus einer unzureichenden Auskunftserteilung kausal bewirkten Schaden nicht hinreichend dargetan. Der bloße Verstoß gegen die Bestimmungen der DS-GVO reiche nach der Rechtsprechung des EuGH zur Begründung eines Schadensersatzanspruches nicht aus. Soweit der Kläger geltend mache, er habe mehrere Online-Käufe nicht tätigen können und vergeblich versucht, Girokonten bei Online-Banken zu eröffnen, fehle es an einem erkennbaren kausalen Schaden aufgrund der Auskunft der Beklagten. Auch ein durch eine vom Kläger bemängelte fehlende gute Lesbarkeit der ihm zur Verfügung stehenden Informationen entstandener kausaler Schaden sei weder dargetan noch sonst ersichtlich. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung im Übrigen wird auf den Inhalt der Entscheidungsgründe verwiesen.
Der Kläger hat gegen das ihm zu Händen seines Prozessbevollmächtigten am 13.07.2023 zugestellte Urteil mit einem am 11.08.2023 beim Brandenburgischen Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und das Rechtsmittel innerhalb der auf rechtzeitigen Antrag bis zum 13.10.2023 verlängerten Berufungsbegründungsfrist mit einem an diesem Tage eingegangenen Schriftsatz begründet.
Der Kläger rügt, das Landgericht habe verfahrensfehlerhaft auf den nachgelassenen Schriftsatz der Beklagten vom 13.06.2023 die mündliche Verhandlung nicht wiedereröffnet. Die Beklagte habe mit diesem Schriftsatz erstmalig eingeräumt, dass ihr die Forderungsnummern von der („Firma 01“) übermittelt worden seien, was sie bis dahin bestritten habe. Er, der Kläger, habe immer vorgetragen, dass die Forderungsnummer bei der Beklagten gespeichert sein müsse und deshalb ordnungsgemäß und transparent schon im ersten Auskunftsschreiben vom 17.01.2022 hätte beauskunftet werden müssen. Die Beklagte habe daher gegen das Transparenzgebot und das Gebot der vollumfänglichen Auskunft innerhalb der Monatsfrist nach der DS-GVO verstoßen. Das Landgericht sei daher von einem falschen Sachverhalt ausgegangen. Es sei infolge einer fehlerhaften Beweiswürdigung zu dem Ergebnis gelangt, dass die Datenschutzhinweise auf der Rückseite der Auskunftsschreiben lesbar seien. Dabei verkenne es, dass es nicht auf das von ihm in bezug genommene Schreiben der Beklagten vom 22.02.2021, sondern nur auf die Auskünfte vom 17.01.2022 und 17.02.2022 ankomme. Zudem müssten die über den Postweg erhaltenen Auskünfte auch auf diesem Medium lesbar sein und nicht erst eingescannt werden müssen. Diese Informationen seien nötig, um den Auskunftsanspruch nach Art. 15 DS-GVO zu erfüllen. Da er sich über die der Beklagten obliegenden Auskünfte nicht genau und verständlich habe Kenntnis verschaffen können, sei es ihm nicht möglich gewesen, eine Einschätzung zur Handhabung seiner personenbezogenen Daten zu erhalten. Dieser Kontrollverlust über seine Daten habe bei ihm zu Ärger, Unwohlsein und Stress geführt, was ursächlich auf die Handlungen der Beklagten zurückzuführen sei.
Der Kläger kündigt sinngemäß an zu beantragen,
das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 12.07.2023, Az. 11 O 280/22, abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn 8.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.01.2022 zu zahlen.
Die Beklagte kündigt an zu beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das Urteil des Landgerichts unter Bezugnahme auf ihren erstinstanzlichen Vortrag. Der Kläger habe einen ihm entstandenen tatbestandlichen kausalen Schaden nach wie vor trotz der Vorgaben des EuGH nicht dargelegt.
II.
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht gem. §§ 517 ff. ZPO eingelegte Berufung ist nach einstimmiger Auffassung des Senats offensichtlich unbegründet. Die Rechtssache weist auch weder grundsätzliche Bedeutung auf, noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Eine mündliche Verhandlung ist auch nicht aus sonstigen Gründen geboten. Es ist daher die Zurückweisung der Berufung gem. § 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss beabsichtigt.
Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Das Urteil des Landgerichts beruht weder auf einer Rechtsverletzung, noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung.
Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf Schadensersatz aus Art. 82 i.V.m. Art. 12 Abs. 1, 14, 15 Abs. 1 S. 2 DS-GVO nicht schlüssig dargetan.
Ein Verstoß gegen die Bestimmungen der DS-GVO für sich allein genommen reicht nicht aus, um einen Schadensersatzanspruch nach Art. 82 Abs. 1 DS-GVO zu begründen (vgl. EuGH, Urteil vom 04.05.2023 - C-300/21, Rn. 33). Die Entstehung des Schadensersatzanspruchs setzt vielmehr kumulativ eine Verarbeitung personenbezogener Daten unter Verstoß gegen die Bestimmungen der DS-GVO, einen der betroffenen Person entstandenen Schaden und einen Kausalzusammenhang zwischen der rechtswidrigen Verarbeitung und diesem Schaden voraus (vgl. EuGH a.a.O. Rn. 36). Die Verarbeitung personenbezogener Daten ist in Art. 4 Nr. 2 DS-GVO definiert. Die Erteilung einer Auskunft über die personenbezogenen Daten nach Art. 15 Abs. 1 S. 2 DS-GVO stellt danach keine Verarbeitung dar, so dass schon aus diesem Grunde kein Anspruch besteht.
Unabhängig davon ist die von der Beklagten mit den Schreiben vom 17.01.2022 und 17.02.2022 erteilte Auskunft weder falsch noch unvollständig. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils verwiesen. Die Einwendungen des Klägers in der Berufungsbegründung sind nicht geeignet, eine andere Beurteilung zu rechtfertigen.
Das Landgericht war nicht gehalten, auf den Schriftsatz der Beklagten vom 13.06.2023 die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen. Der Schriftsatz enthielt keinen neuen entscheidungserheblichen Sachvortrag, zu dem dem Kläger noch rechtliches Gehör zu gewähren war. Aus der in Bezug genommenen, als Anlage B 6 vorgelegten E-Mail ergibt sich, dass die („Firma 01“) ihre Forderungsnummern von einer 8-stelligen Nummer in der Vergangenheit auf eine 11-stellige Nummer umgestellt hat. Die Beklagte hat dazu erstinstanzlich bereits vorgetragen, dass ihr aus diesem Grunde die Forderungsnummer des Klägers zunächst nicht zuordenbar war, weshalb sie in dem Schreiben vom 17.01.2022 eine Nummer nicht angegeben hatte. Jedenfalls mit Schreiben vom 17.02.2022 wurde dem Kläger die betreffende Nummer hinsichtlich der streitgegensträndlichen Forderung mitgeteilt, die er auch im Hinblick auf das angegebene Eröffnungsdatum unschwer ohne weiteres identifizieren konnte. Im Übrigen legt der Kläger auch mit der Berufungsbegründung nicht dar, was er im Falle einer Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung ergänzend vorgetragen hätte, so dass ein Verstoß gegen Art. 103 GG nicht vorliegt.
Eine angeblich schlechte Lesbarkeit der Information nach Art. 14 DS-GVO vermag einen Schadensersatzanspruch ebenfalls nicht zu begründen. Zum einen hat die Beklagte bestritten, dass dem Kläger die Information in einer nicht lesbaren Form zur Verfügung gestellt wurde, ohne dass der Kläger für seine Behauptung Beweis angetreten hat. Zum anderen würde eine schlechte Lesbarkeit, wie ausgeführt, nicht ohne weiteres zu einem Schadensersatzanspruch führen. Soweit der Kläger einwendet, er habe sich dadurch nicht über die der Beklagten obliegenden Auskünfte nach Art. 15 Abs. 1 S. 2 lit. a) - h) Kenntnis verschaffen können, ist zu berücksichtigen, dass die Schreiben der Beklagten vom 17.01.2022 und 17.02.2022 an den jetzigen Prozessbevollmächtigten des Klägers gerichtet waren, der sich in seinem Briefkopf als „Kanzlei für Datenschutzrecht“ bezeichnet und dessen Wissen und Kenntnisse sich der Kläger nach § 166 BGB zurechnen lassen muss. Auch hat die Beklagte unwidersprochen vorgetragen, dass dem Kläger bereits mit Schreiben vom 22.02.2021 eine lesbare Information übermittelt wurde und er dadurch über die benötigten Kenntnisse verfügte oder zumindest verfügen konnte.
Schließlich scheitert ein Schadensersatzanspruch des Klägers auch daran, dass er einen ihm durch eine fehlerhafte oder zu spät erteilte Auskunft kausal entstandenen Schaden nicht ansatzweise dargelegt hat. Zwar hängt der Schadensersatzanspruch nicht davon ab, dass der betreffende Schaden eine gewisse Erheblichkeit erreicht. Dies bedeutet jedoch nicht, dass eine Person, die von einem Verstoß gegen die DS-GVO betroffen ist, der für sie negative Folgen gehabt hat, vom Nachweis befreit wäre, dass diese Folgen einen immateriellen Schaden i.S.v. Art. 82 DS-GVO darstellen (vgl. EuGH a.a.O., Rn. 46, 50). Dabei hat die anspruchstellende Partei im Rechtsstreit die Entstehung eines materiellen oder immateriellen Schadens substantiiert darzulegen (vgl. Brandenburgisches OLG - 1. Zivilsenat, Beschluss vom 21.06.2021 - 1 U 69/20; Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 25.02.2021 - 17 Sa 37/20, jeweils zitiert nach juris). Während der Kläger in erster Instanz noch behauptet hat, er habe im Jahre 2022 keine Online-Käufe tätigen können und er habe vergeblich versucht, ein Girokonto zu eröffnen, ohne dass daraus eine Kausalität eines Verstoßes der Beklagten gegen Bestimmungen der DS-GVO ersichtlich geworden ist, behauptet er in zweiter Instanz nur noch pauschal Ärger, Unwohlsein und Stress. Konkrete gesundheitliche Beeinträchtigungen werden nicht vorgetragen. Ebensowenig ist ersichtlich, weshalb diese pauschalen Angaben einen Schadensersatz in der beantragten Höhe rechtfertigen sollen.
Da die Berufung nach alledem keine Aussicht auf Erfolg hat, legt der Senat aus Kostengründen die Rücknahme der Berufung nahe. Im Falle der Berufungsrücknahme ermäßigen sich vorliegend die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses zum GKG).