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Entscheidung 2 U 15/23


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 2. Zivilsenat Entscheidungsdatum 22.01.2024
Aktenzeichen 2 U 15/23 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2024:0122.2U15.23.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Neuruppin vom 27.04.2023, Az. 3 O 168/22, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.

Gründe

I.

Die Klägerin macht unter der Behauptung, am 31.10.2020 auf einem Fahrradweg im Gebiet der Beklagten zu Fall gekommen zu sein, Ansprüche auf Ersatz immaterieller und materieller Schäden geltend.

Der betreffende Abschnitt des Fahrradweges zwischen („Ort 01“) und dem Ortsteil Dorf („Ort 02“) verläuft durch einen Wald. Die Oberfläche des Weges ist asphaltiert und weist Unebenheiten infolge Wurzeleinwuchses auf. Wegen der weiteren Einzelheiten der örtlichen Gegebenheiten wird auf die als Anlage K1 zur Akte gereichten Lichtbilder Bezug genommen.

Die Klägerin hat behauptet, am genannten Tag mit dem Fahrrad von („Ort 02“)er Hütte über das Stadtgebiet der Beklagten in Richtung Dorf („Ort 02“) gefahren zu sein. Auf der gesamten Strecke habe sich der Fahrradweg wegen darauf befindlichen nassen Laubes und der von Wurzeln verursachten Unebenheiten, die bis zu 10 cm hoch gewesen seien, in einem „katastrophalen Zustand“ befunden. Etwa 2 km hinter dem Ortsteil („Ort 03“) sei sie gestürzt, wobei sie eine Hüftknochenfraktur erlitten habe. Aufgrund der Verletzung habe sie sich zwei Operationen unterziehen müssen, leide sie weiterhin unter erheblichen Schmerzen sowie Beeinträchtigungen im Alltag und sei sie vorzeitig in den Ruhestand getreten, was zu einer Kürzung ihrer Rente um 10,8 % geführt habe. Die Klägerin hat gemeint, die Beklagte habe es pflichtwidrig unterlassen gehabt, den Fahrradweg von dem herbstlichen Laub zu reinigen und vor den Unebenheiten zu warnen. Nachdem sie die Klage gegen den ursprünglich zweitbeklagten Haftpflichtversicherer zurückgenommen hat, hat sie von der beklagten Stadt erstinstanzlich zuletzt die Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 30.000 € nebst Zinsen, die Zahlung einer monatlichen Rente in Höhe von 250 € ab dem 01.09.2022 sowie Ersatz der Kosten vorgerichtlicher Rechtsverfolgung in Höhe von 1.501,19 € nebst Zinsen begehrt.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat geltend gemacht, sowohl das Laub als auch die Unebenheiten, deren Höhe maximal 4,5 cm betragen habe, seien ohne weiteres erkennbar gewesen. Davon abgesehen lasse sich dem Vortrag der Klägerin nicht entnehmen, dass sie wegen des dahingehenden Zustandes des Weges zu Fall gekommen sei.

Mit dem angefochtenen Urteil, auf das wegen der weiteren tatsächlichen Feststellungen Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Es hat gemeint, die Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht seitens der Beklagten sei nicht festzustellen. Nach den zur Akte gereichten Lichtbildern seien sowohl die Aufwölbungen des Asphalts durch Wurzelwerk als auch das herabgefallene Herbstlaub erkennbar gewesen. Einer ausdrücklichen Warnung habe es deshalb weder hinsichtlich des Zustandes des Asphalts noch des Laubes bedurft. Auch sei es den Kommunen nicht zuzumuten, die in der betreffenden Region häufig durch Wälder verlaufenden Ortsverbindungswege bei Wurzelaufbrüchen jeweils kurzfristig zu sanieren und frei von Herbstlaub zu halten. Eine Sperrung der – dem Gericht aus außerdienstlichen Wahrnehmungen bekannten – Wege sei angesichts der hohen Anzahl ihrer Nutzer und der Möglichkeit, beispielsweise die Geschwindigkeit anzupassen, unverhältnismäßig.

Gegen das Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung. Sie meint, die Beklagte sei jedenfalls aufgrund der Summe der Gefährdungstatbestände, nämlich herbstliches, feuchtes Wetter, über das normale Maß bestehende unregelmäßige Wurzelaufwerfungen sowie nasses, die schadhaften Stellen im Asphalts abdeckendes Laub, verpflichtet gewesen, auf die erhöhte Gefahr der Benutzung des Radweges hinzuweisen. Der schadhafte Zustand des Weges sei nicht – wie das Landgericht gemeint hat – lästig aber hinzunehmen gewesen. Vielmehr seien der normale Verschleißzustand überschritten und die in Rede stehenden Beschädigungen teilweise schlecht erkennbar gewesen, weshalb es eines entsprechenden Hinweises bedurft habe. Hierfür spreche auch die unstreitig zeitnah nach dem Unfall erfolgte Erneuerung der Fahrbahn. Die Ansicht des Landgerichts zur Unverhältnismäßigkeit einer Sperrung des Weges sei angesichts der Gesundheitsgefahren, die aus dem inkriminierten Zustand gedroht hätten, bedenklich. Im Übrigen wiederholt die Klägerin ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Die Klägerin beantragt der Sache nach,

unter Abänderung des am 27.04.2023 verkündeten Urteils des Landgerichts Neuruppin, Az.: 3 O 168/22, die Beklagte zu verurteilen, an sie

1.     30.000 € nebst Zinsen in Höhe von neun Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.10.2020 zu zahlen,

2.    eine monatliche Rente in Höhe von 250 € ab dem 01.09.2022 zu zahlen sowie

3.    die vorgerichtlichen Kosten in Höhe von 1.501,19 € zuzüglich 5 v.H. Zinsen seit dem 05.10.2022 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil mit näherer Darlegung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze sowie der überreichten Unterlagen, im Übrigen auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

1.

Die statthafte Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt sowie gemäß § 520 Abs. 3 Satz 2 ZPO begründet worden. Nach einstimmiger Überzeugung des Senats hat das Rechtsmittel aber offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Klägerin steht aufgrund des behaupteten Unfallereignisses vom 31.10.2020 ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte nicht zu.

a)

Die Schadensersatzforderung rechtfertigt sich nicht aus § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. Art. 34 GG, § 10 Abs. 1 BbgStrG.

Die Beklagte trägt zwar unstreitig die Straßenbaulast für den in Rede stehenden Fahrradweg. Dass sie die hieraus folgende – in hoheitlicher Tätigkeit auszuübende (§ 10 Abs. 1 Satz 1 BbgStrG) – Pflicht zum Bau, zur Unterhaltung und zur Erhaltung der Verkehrssicherheit dieses Weges in einer für den behaupteten Unfall ursächlich gewordenen Weise verletzt hat, ist aber nicht festzustellen.

Die den Straßenbaulastträger insoweit treffende Pflicht, die inhaltlich der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht entspricht (vgl. BGH, Urteil vom 18.12.1972 – III ZR 121/70, BGHZ 60, 54), geht dahin, die öffentlichen Verkehrsflächen – wie alle sonstigen einem Verkehr eröffneten Räume oder Sachen – möglichst gefahrlos zu gestalten und zu erhalten, sowie im Rahmen des Zumutbaren alles zu tun, um den Gefahren zu begegnen, die den Verkehrsteilnehmern aus einem nicht ordnungsgemäßen Zustand drohen (BGH, Urteil vom 18.12.1972 – III ZR 121/70, a.a.O.). Der Umfang dieser Pflicht wird von der Art und der Häufigkeit der Benutzung des Verkehrsweges und seiner Bedeutung maßgebend bestimmt. Demnach müssen Straßen und Wege nicht schlechthin gefahrlos und frei von allen Mängeln sein. Denn eine vollständige Gefahrlosigkeit der Straße und ihrer Benutzung kann mit zumutbaren Mitteln nicht erreicht und vom Verkehrsteilnehmer nicht erwartet werden (s. bereits BGH, Urteil vom 27.10.1966 – III ZR 132/65, BeckRS 1966, 30373975). Vielmehr ist es grundsätzlich am Straßenbenutzer, sich den gegebenen Straßenverhältnissen anzupassen und die Straße so hinzunehmen, wie sie sich ihm erkennbar darbietet (BGH, Urteil vom 21.06.1979 – III ZR 58/78, BeckRS 1979, 30398103). Der Verkehrssicherungspflichtige muss in geeigneter und objektiv zumutbarer Weise alle, aber auch nur diejenigen Gefahren ausräumen bzw. vor ihnen warnen, die für den Benutzer, der die erforderliche Sorgfalt walten lässt, nicht oder nicht rechtzeitig erkennbar sind und auf die er sich nicht oder nicht rechtzeitig einzurichten vermag (BGH, Urteil vom 21.06.1979 – III ZR 58/78, a.a.O.; Senat, Urteil vom 13.02.2007 – 2 U 12/06, BeckRS 2009, 7287; Urteil vom 20.08.2013 – 2 U 34/12, BeckRS 2013, 16495).

Letzteres ist vorliegend im Hinblick auf die Unebenheiten der Fahrbahn nicht der Fall gewesen. Nach den mit der Anlage K1 zur Akte gereichten Lichtbildern wies die Oberfläche des Radweges ganz offensichtlich Aufwölbungen infolge unter dem Asphalt wachsender Wurzeln auf. Angesichts dieses gewissermaßen vor sich selbst warnenden Zustandes mussten Nutzer schon ohne weiteres mit entsprechenden Gefahrenquellen rechnen und ihnen mit Vorsicht und Aufmerksamkeit begegnen. Nichts anderes gilt im Hinblick auf den von der Berufung geltend gemachten weiteren Gefährdungstatbestand, nämlich das herbstliche, feuchte Wetter. Denn auch hierauf kann und muss sich ein durchschnittlich aufmerksamer Verkehrsteilnehmer von sich aus einstellen.

Die Annahme eines verkehrswidrigen Zustands rechtfertigt sich ferner nicht aus dem Umstand, dass der in Rede stehende Bereich des Radweges im Jahr 2021 von der Beklagten erneuert worden ist. Ein Erfahrungssatz, wonach Kommunen Ausbesserungen an Straßen und Wegen nur vornehmen, um einen bis dahin verkehrswidrigen Zustand zu beseitigen, besteht nicht. Indessen ist von dem Verkehrssicherungspflichtigen im Grundsatz zu verlangen, auf dokumentierte, lokale Unfallschwerpunkte zu reagieren und gegebenenfalls präventiv tätig zu werden (vgl. etwa Schleswig- Holsteinisches OLG, Beschluss vom 22.10.2020 – 7 U 100/20, SVR 2021, 146).

Ob eine Warnung vor den aus dem Zustand der Fahrbahn resultierenden Gefahren im Hinblick auf die Möglichkeit einer Verdeckung der schadhaften Stellen durch Herbstlaub geboten war, bedarf hier keiner Entscheidung. Zwar ist in der Klageschrift vorgetragen, die Wurzelaufwerfungen des Bitumenbelages seien „zum Teil auch noch durch nasses Laub verdeckt“ worden; in der Berufungsschrift heißt es, die Schadstellen im Asphalt seien durch feuchtes Laub abgedeckt worden, „was die Einsehbarkeit deutlich eingeschränkt hat“. Dass dies auch im Bereich der behaupteten Unfallstelle der Fall war, macht die Klägerin aber nicht geltend und ist auch sonst nicht ersichtlich. Insbesondere ist den vorgelegten Lichtbildern hierzu nichts zu entnehmen. Vielmehr lassen die Aufnahmen erkennen, dass die mit einem Kreuz markierte Aufwölbung des Asphalts – nach dem Verständnis des Senats handelt es sich hierbei um die behauptete Unfallstelle – nicht durch Laub überdeckt, sondern von einem Fahrradfahrer bei Anwendung der gebotenen Aufmerksamkeit hinreichend früh erkennbar war.

Auch im Übrigen fehlt es jedenfalls an der Kausalität zwischen dem nach Auffassung der Klägerin pflichtwidrig unterlassenen Hinweis auf die aus dem Zustand der Fahrbahn resultierenden Gefahren und dem im Streit stehenden Unfallereignis. So heißt es in dem als Anlage K4 vorgelegten Schreiben der Klägerin an das Ordnungsamt der Beklagten vom 17.11.2020: „Bereits ab („Ort 01“) in Richtung ("Ort 02") fiel uns beim Radweg auf, dass dieser enorm viele Wurzeln aufwies, die dann noch zusätzlich mit Laub bedeckt waren.“ Entsprechend gab sie in ihrer persönlichen Anhörung durch das Landgericht an: „der Radweg von („Ort 01“) Richtung Dorf („Ort 02“) war ebenfalls in einem katastrophalen Zustand. Mit ‚katastrophal‘ meine ich, dass der Bitumen des Radweges durch Wurzeln angehoben worden war. Hinzu kam, dass nasses Herbstlaub lag. Wir fuhren wie auf Eiern.“ Da sich die Klägerin demnach bereits deutlich vor dem behaupteten Unfallereignis des Zustandes des Weges bewusst war, ist nicht anzunehmen, dass eine hierauf hinweisende Beschilderung zu einer Verhinderung des Unfalls oder zu einer Abmilderung seiner Folgen geführt haben würde.

b)

Ersatz der streitgegenständlichen Schäden kann die Klägerin auch aus keinem anderen Rechtsgrund beanspruchen. Insbesondere findet die Vorschrift des § 1 Abs. 1 StHG gemäß § 10 Abs. 1 Satz 2 BbgStrG vorliegend keine Anwendung.

2.

Der Senat ist des Weiteren einstimmig davon überzeugt, dass auch die übrigen Voraussetzungen nach § 522 Abs. 2 ZPO gegeben sind.

Die vom Streitfall aufgeworfenen Rechtsfragen sind in der Rechtsprechung geklärt, sodass die vorliegende Sache keine grundsätzliche Bedeutung besitzt und eine Entscheidung des Senats weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist. Ebenso wenig liegen besondere Gründe vor, aufgrund derer in der Berufungsinstanz eine mündliche Verhandlung angezeigt ist.

Nach alledem wird der Klägerin – auch im Kosteninteresse – anheimgestellt, die Aufrechterhaltung des Rechtsmittels zu überdenken.