Gericht | VG Potsdam 3. Kammer | Entscheidungsdatum | 14.02.2024 | |
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Aktenzeichen | VG 3 K 1608/19 | ECLI | ECLI:DE:VGPOTSD:2024:0214.3K1608.19.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 70 BbgPolG, § 38 Abs. 1 Buchstabe a OBG, § 41 Abs. 2 OBG |
Handelt die Polizei ausschließlich zur Strafverfolgung, hat sie keinen Ersatzanspruch gegen den Straftäter für durch sie verursachte Schäden nach polizei- und ordnungsrechtlichen Vorschriften. Gefahrenabwehrrechtliche Gesichtspunkte, die jeder Maßnahme der Strafverfolgung innewohnen (Eigensicherung der Polizeikräfte, Verhinderung weiterer Straftaten), führen nicht automatisch zur Einstufung der Maßnahme als präventiv. Ein Straftäter ist nicht automatisch auch Verhaltensstörer.
Der Bescheid des Polizeipräsidiums vom 17. September 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. Mai 2019 wird aufgehoben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war notwendig.
Der Kläger wendet sich gegen einen Kostenbescheid.
Gegen ihn wurde im November 2015 ein Ermittlungsverfahren wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz eingeleitet. Der Kläger war verdächtig, zusammen mit einem weiteren Beschuldigten in einem ihnen gehörenden Objekt in 1_____ Cannabis anzubauen und mit diesen in nicht geringer Menge Handel zu treiben. Mit Beschluss vom 28. Dezember 2015 (Az.: 41 Gs 196/15 (1)) ordnete das Amtsgericht Frankfurt (Oder) die Durchsuchung u.a. der Wohnung des Klägers unter seiner im Rubrum angegebenen Anschrift gemäß §§ 102, 105 StPO an. In den Gründen hieß es, es sei zu vermuten, dass die Durchsuchung zur Auffindung von Beweismitteln führe.
Aufgrund eines Amtshilfeersuchens suchten Berliner Polizeivollzugskräfte am 26. Januar 2016 die Wohnung des Klägers auf. Es wurde weder geklingelt noch anderweitig versucht, die Wohnungstür zu öffnen. Diese wurde mittels Einsatzramme geöffnet und hierbei beschädigt.
Im Durchsuchungs-/Sicherstellungsprotokoll vom „25.“ Januar 2016 ist als Rechtsgrundlage „§§ 102, 105 StPO“ vermerkt und als Grund der Durchsuchung/Sicherstellung „Beweismittelsicherung im Strafverfahren“ angegeben. Zudem ist im verwendeten Protokollvordruck angekreuzt, dass die bei der Durchsuchung aufgefundenen Gegenstände (hier u.a. Datenträger und 13.100 Euro Bargeld) „sichergestellt“ wurden, weil sie – auch dies wurde u.a. angekreuzt – „als Beweismittel von Bedeutung sein können“. Der Vordruck enthält auch die Option „sichergestellt zur Gefahrenabwehr“, bei der aber kein Kreuz gesetzt wurde.
Die Vermieterin des Klägers stellte eine Rechnung über die Beseitigung des bei der polizeilichen Maßnahme entstandenen Schadens, die von dem Beklagten in Höhe von 2.376,70 Euro beglichen wurde.
Mit Bescheid des Polizeipräsidiums vom 17. September 2016 forderte der Beklagte von dem Kläger Regress in Höhe des vorstehenden Betrags. Zur Begründung hieß es, es sei zur Gewährleistung des Durchsuchungsgrundes, zur Minimierung von Gefährdungen von Dritten, zur Eigensicherung der eingesetzten Polizeikräfte als auch zur Verhinderung der Verschleierung strafbarer Handlungen unabdingbar gewesen, dass die Einsatzkräfte sich unmittelbar, zeitnah und ohne Gegenwehr Zugang zur Wohnung verschafften und die Wohnungstür gewaltsam öffneten. Gemäß § 70 BbgPolG, §§ 41 Abs. 2, 38 Abs. 1 Buchst. a OBG könne eine zur Entschädigung verpflichtete Polizeibehörde von einem Verantwortlichen i.S.d. § 16 OBG den Ersatz ihrer Aufwendungen verlangen. Eine solche Verantwortlichkeit des Klägers ergebe sich daraus, dass er zum Zeitpunkt des Polizeieinsatzes des Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz verdächtig gewesen sei, dieser Verdacht habe eine Gefahr der öffentlichen Sicherheit begründet.
Dagegen erhob der Kläger Widerspruch, zu dessen Begründung er ausführte, die Vorschriften des Brandenburgischen Polizei- und Ordnungsrechts als Recht der Gefahrenabwehr seien nicht anwendbar, da die Wohnungsdurchsuchung rein strafprozessualer Natur gewesen sei. Dass einzelne Maßnahmen ggf. der Abwehr einer Verdunkelungsgefahr gedient haben sollen, ändere nichts an dem Wesen der Durchsuchung als Maßnahme der Strafverfolgung und sei gerade typisch für derartige Durchsuchungen. Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung seien den Akten nicht zu entnehmen.
Mit Widerspruchsbescheid des Polizeipräsidiums vom 20. Mai 2019, zugestellt am 22. Mai 2019, wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Ergänzend führt er im Wesentlichen aus, § 41 Abs. 2 OGB i.V.m. § 70 BbgPolG sei auch anwendbar, wenn die polizeiliche Maßnahme, wie hier, primär der Strafverfolgung gedient habe.
Der Kläger hat am Montag, den 24. Juni 2019 Klage erhoben, zu deren Begründung er ergänzend vorträgt, § 41 Abs. 2 OBG sei vorliegend nicht anwendbar. Zwar möge ein Rückgriff nach dieser Vorschrift zulässig sein, wenn die Polizei Ausgleich für Schäden leiste, die Dritten durch Maßnahmen entstanden seien, die zugleich der Strafverfolgung und der Gefahrabwehr gedient hätten. Nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Koblenz (Beschluss vom 8. Februar 2006 – 7 A 11613.05 –, juris Rn. 2) sei allerdings Voraussetzung, dass ein Tätigwerden zur Gefahrenabwehr nach außen hin erkennbar geworden sei. Insoweit obliege es den Polizeikräften, dies gegenüber dem Betroffenen hinreichend deutlich zu machen. Daran fehle es hier. Weder das Durchsuchungs- und Sicherstellungsprotokoll noch sonstige Indizien deuteten auf eine Gefahrenabwehr hin. Im Übrigen wäre der Beklagte gar nicht ausgleichspflichtige Körperschaft, weil Berliner Polizeikräfte tätig geworden seien. Zudem fehle es an einer rechtmäßigen Inanspruchnahme der Gebäudeeigentümerin als Nicht-Störerin im Sinne von § 16 ASOG (bzw. § 7 Abs. 1 BbgPolG), weil dies eine gegenwärtige und erhebliche Gefahr voraussetze, an der es fehle. Auch sei das Türöffnen mittels Ramme weder erforderlich noch angemessen gewesen. Inwieweit die Polizei mit der weiteren Türöffnung ein „fremdes Geschäft“ im Sinne der Vorschriften des BGB über die Geschäftsführung ohne Auftrag wahrgenommen habe, sei nicht erkennbar. Diese sei vor allem zur Eigensicherung und damit im eigenen Interesse tätig geworden.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Polizeipräsidiums des Landes Brandenburg vom 17. September 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides derselben Behörde vom 20. Mai 1019 aufzuheben und
die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verweist auf den Inhalt des Widerspruchsbescheids.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten und der Strafakten der Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) (Az.: 226 Js 32029/15) verwiesen. Diese waren Gegenstand der Entscheidungsfindung.
Die Klage hat Erfolg.
I. Sie ist zulässig, insbesondere ist der Verwaltungsrechtsweg eröffnet. Über Ersatzansprüche nach § 70 BbgPolG i.V.m. § 41 Abs. 2 OBG entscheiden im Streitfall die Verwaltungsgerichte, § 42 Abs. 2 OBG.
II. Die Klage ist auch begründet. Der Kostenbescheid des Polizeipräsidiums vom 17. September 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Mai 1019 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
1. Nach § 41 Abs. 2 OBG kann derjenige, der nach § 38 Abs. 1 Buchst. a) OBG zum Ersatz verpflichtet ist, in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches über die Geschäftsführung ohne Auftrag den Ersatz seiner Aufwendungen von den nach § 16 und § 17 ordnungspflichtigen Personen verlangen. Nach § 70 BbgPolG finden die §§ 38 bis 42 OBG entsprechende Anwendung.
Die Voraussetzungen für einen Regressanspruch des Beklagten nach § 41 Abs. 2 OBG liegen nicht vor. Es fehlt bereits daran, dass der Beklagte der Vermieterin des Klägers nach § 38 Abs. 1 Buchst. a) OBG zum Ersatz verpflichtet war (a); zudem ist der Kläger auch nicht als Verantwortlicher im Sinne des §§ 16 oder 17 OBG zu qualifizieren (b). Jedenfalls war der Einsatz der Türramme zur Gefahrenabwehr nicht verhältnismäßig (c).
a) Vorliegend war der Beklagte nicht zum Ersatz nach § 38 Abs. 1 Buchst. a) OBG verpflichtet. Danach ist ein Schaden, den jemand durch Maßnahmen der Ordnungsbehörden erleidet, zu ersetzen, wenn er infolge einer Inanspruchnahme nach § 18 OBG entstanden ist. Dabei muss die Inanspruchnahme rechtmäßig erfolgt sein (vgl. Bochmann/Hofrichter, in: BeckOK Polizei- und Sicherheitsrecht Brandenburg, Stand: August 2023, OBG § 38 Rn. 3; vgl. auch Pewestorf, in: ders./Söllner/Tölle, Polizei- und Ordnungsrecht, 3. Aufl. 2022, § 64 Rn. 6), wie bereits der Vergleich zu § 38 Abs. 1 Buchst. b) OBG („rechtswidrige Maßnahmen“) zeigt.
aa) Zwar hat die Vermieterin des Klägers einen Schaden erlitten, da die in ihrem Eigentum stehende Wohnungstür des Klägers beschädigt worden ist.
bb) Allerdings ist ihr der Schaden nicht durch eine Maßnahme der Ordnungsbehörde bzw. – entsprechend § 70 BbgPolG – der Polizeibehörde (vgl. § 72 BbgPolG) entstanden. Denn vorliegend haben Polizeikräfte Berlins die dort belegene Wohnung des Klägers durchsucht. Dies geschah nach den unwidersprochenen Angaben des Beklagten im Wege der Amtshilfe. Ob dies auch für den gefahrenabwehrrechtlichen Teil zutrifft, ist zweifelhaft. Nach verständiger Würdigung des Sachverhalts ist vielmehr anzunehmen, dass das Ersuchen, das den Verwaltungsvorgängen nicht beigefügt ist, allein zur Vollstreckung des Durchsuchungsbeschlusses des Amtsgerichts Frankfurt (Oder) vom 28. Dezember 2015 diente und damit allein strafprozessualer Natur war (siehe hierzu unter cc) (1) (a)). Selbst wenn das Ersuchen auch eine gefahrenrechtliche Komponente enthalten haben sollte, fehlt es dennoch an einer „Maßnahme der Polizeibehörde“ im Sinne des § 38 Abs. 1 Buchst. a) OBG i.V.m § 70 BbgPolG, weil diesbezüglich die Voraussetzungen für eine Amtshilfe nicht erfüllt waren. Denn nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 1 VwVfGBbg liegt Amtshilfe nicht vor, wenn die Hilfeleistung in Handlungen besteht, die der ersuchten Behörde als eigene Aufgabe obliegen. So liegt es hier. Für die Gefahrenabwehr im Land Berlin ist die Berliner Polizei zuständig (vgl. § 1 Abs. 1 ASOG Bln), sie konnte damit keine Gefahrenabwehr für die Brandenburger Polizeikräfte betreiben.
cc) Darüber hinaus lagen auch die Voraussetzungen für eine Inanspruchnahme der Vermieterin des Klägers nach § 18 OBG nicht vor.
Nach § 18 OBG kann die Ordnungsbehörde Maßnahmen gegen andere als die nach den §§ 16 oder 17 Verantwortlichen richten, wenn die dort aufgeführten Voraussetzungen kumulativ („und“) erfüllt sind; zu ihnen gehört nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 OBG, dass eine gegenwärtige erhebliche Gefahr abzuwehren ist. Eine Gefahr kann vorliegend nicht angenommen werden; jedenfalls war diese nicht gegenwärtig.
(1) Eine Gefahr ist eine Sachlage, bei der im einzelnen Fall die hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass in absehbarer Zeit ein Schaden für die öffentliche Sicherheit eintreten wird. Die von der Behörde bei dieser Bewertung anzustellende Prognose ist anhand einer umfassenden Einbeziehung und Bewertung aller Tatsachen vorzunehmen, die für die zu treffende zukunftsbezogene Beurteilung bedeutsam sein können. Die bestehende Besorgnis eines Schadenseintritts muss auf der Grundlage entsprechender Anknüpfungstatsachen erwiesen sein. Bloße Vermutungen reichen nicht aus. Ferner hat sich die Prognose an der Bedeutung der betroffenen Grundrechte zu orientieren (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 5. September 2003 – 1 BvQ 32/03 –, und vom 26. Oktober 2004 – 1 BvR 1726/01 –; BVerwG, Urteil vom 8. September 1981 – I C 88.77 –, sämtlich juris; Graulich, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 7. Aufl. 2021, E. Das Handeln von Polizei- und Ordnungsbehörden zur Gefahrenabwehr, Rn. 128).
Nach diesen Grundsätzen lag zum Zeitpunkt des gewaltsamen Eindringens in die Wohnung des Klägers schon keine Gefahr vor.
(a) Anlass für die Wohnungsdurchsuchung bei dem Kläger war der Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts Frankfurt (Oder) vom 28. Dezember 2015, der erging, weil der Kläger und eine weitere Person verdächtig waren, in einem ihnen gehörenden näher bezeichneten Objekt in F_____ Betäubungsmittel anzubauen und mit ihnen Handel zu treiben. Nach den Beschlussgründen war zu vermuten, dass die Durchsuchung zum Auffinden von Beweismitteln führe. Soweit es damit korrespondierend im Widerspruchsbescheid des Polizeipräsidiums heißt, es sei zu befürchten gewesen, dass bei „rechtzeitigem Bekanntwerden“ der Durchsuchungsmaßnahme Beweismittel vernichtet würden, was ein schlagartiges Eindringen in die Wohnung erforderlich gemacht habe, begründet dies keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung (vgl. aber VG Augsburg, Beschluss vom 15. März 2022 – Au 8 K 21.1921 –, juris Rn. 21, 24). Von dem Begriff der öffentlichen Sicherheit geschützt ist der Bestand des Staates, seiner Einrichtungen und seiner Veranstaltungen, höherrangige Rechtsgüter wie Leben, Gesundheit, Eigentum, Freiheit und Ehre sowie die Unverletzlichkeit der Rechtsordnung. Die Sicherung von Beweismitteln ist von keinem der vorgenannten Rechtsgüter erfasst. Im Einklang mit diesem Ergebnis steht auch, dass der vom Strafgericht erlassene Durchsuchungsbeschluss vom 28. Dezember 2015 allein auf §§ 102, 105 StPO fußt. Auch im Durchsuchungs- und Sicherstellungsprotokoll vom „25.“ Januar 2016 werden ausschließlich diese Normen als Rechtsgrundlage für die Durchsuchung angegeben, die von den Polizeikräften mitgenommenen Gegenstände wurden nur sichergestellt, weil sie als Beweismittel von Bedeutung sein können, die im Formularvordruck enthaltene Option „sichergestellt zur Gefahrenabwehr“ wurde nicht angekreuzt. Dies alles verdeutlicht, dass die Sicherstellung der Beweismittel nicht der Gefahrenabwehr diente.
(b) Soweit der Beklagte auf eine Gefährdung Dritter abstellt (S. 2 im Widerspruchsbescheid), fehlt es an jeglichen Anhaltspunkten dafür, dass sich zum Zeitpunkt des Einsatzes weitere Personen in der Wohnung des Klägers aufgehalten hätten. Insbesondere ergibt sich aus den Akten nicht, dass in ihr noch weitere Personen wohnten.
(c) Auch hinsichtlich des Vortrags des Beklagten, zur Eigensicherung der eingesetzten Polizeikräfte sei ein schnelles und gewaltsames Eindringen in die Wohnung erforderlich gewesen, kann eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung nicht festgestellt werden. Denn unter diesem Aspekt wäre bei jedem Polizeieinsatz stets eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung gegeben, sodass jede aus Gründen der Strafverfolgung veranlasste polizeiliche Maßnahme ohne Weiteres zugleich als Maßnahme der Gefahrenabwehr zu qualifizieren wäre. Dies kann schon vor dem Hintergrund der bislang in der Rechtsprechung offen gelassenen Frage, ob der hier in Rede stehende Ersatzanspruch nach den landesrechtlichen Vorschriften des Polizeirechts auch bei rein strafprozessualen Maßnahmen erfolgreich geltend gemacht werden kann, nicht zutreffend sein. Ob anderes im Einzelfall bei Vorliegen dahingehender individuell-konkreter Tatsachen angenommen werden kann, kann offen bleiben, weil es an solchen hier fehlt. Den Akten sind insbesondere keine Anhaltspunkte zu entnehmen, dass der Kläger gewalttätig oder bewaffnet gewesen ist.
(d) Entsprechendes gilt, soweit der Beklagte angibt, die Wohnungsdurchsuchung habe ferner zum Ziel gehabt, strafbare Handlungen zu verhindern. Zwar begründet der Verstoß gegen Strafgesetze unzweifelhaft eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit (vgl. VGH München, Beschluss vom 13. Dezember 2013 – 10 ZB 11.1836 –, juris Rn. 14). So ergibt sich auch aus § 1 Abs. 1 Satz 2 BbgPolG, dass die vorbeugende Bekämpfung von Straftaten der Gefahrenabwehr unterfällt (vgl. auch Graulich, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 7. Aufl. 2021, E. Das Handeln von Polizei- und Ordnungsbehörden zur Gefahrenabwehr, Rn. 173). Soweit die hier gegebene Strafverfolgung indirekt auch zur Folge hat, dass der Kläger keine weiteren Betäubungsmitteldelikte verüben kann oder dies aufgrund der Beschlagnahme der Tatmittel erschwert sein sollte, stellt sich dies als ein Aspekt dar, der jeder strafprozessualen Maßnahme innewohnt. Zum Zeitpunkt des Einschreitens lagen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Kläger in seiner Wohnung Betäubungsmittel anbaute oder dort mit ihnen Handel trieb, was gegebenenfalls eine andere Einschätzung zu rechtfertigen vermag (vgl. aber VGH München, Beschluss vom 10. Januar 2000 – 24 B 99.3316 –, juris Rn. 24: Es dürfte auch eine Rolle gespielt haben, durch die Festnahme zu verhindern, dass die im dortigen Fall in Rede stehende Drohung in die Tat umgesetzt wird). Die zum Zeitpunkt der Maßnahme vorhandenen Erkenntnisse beschränkten sich allesamt auf das Objekt in F_____.
(2) Aber selbst unter der Prämisse, dass jede Maßnahme der Strafverfolgung zugleich der Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit etwa in Gestalt drohender weiterer Straftaten dient, fehlt es jedenfalls an der Gegenwärtigkeit der Gefahr, die eine Inanspruchnahme nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 OBG indes erfordert. Gegenwärtig ist die Gefahr, wenn die Einwirkung des schädigenden Ereignisses bereits begonnen hat oder wenn diese Einwirkung unmittelbar oder in allernächster Zeit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bevorsteht. Insoweit lagen keinerlei Erkenntnisse vor, dass der Kläger in seiner Wohnung Straftaten verübte oder dies unmittelbar bevorgestanden hätte.
b) Darüber hinaus scheidet ein Regressanspruch des Beklagten nach § 41 Abs. 2 OBG auch daran, dass der Kläger keine nach §§ 16 oder 17 OBG ordnungspflichtige Person ist. Danach ist die Person verantwortlich, die die Gefahr verursacht hat (Handlungsstörer, § 16 Abs. 1 OBG) oder die Inhaber der tatsächlichen Gewalt über eine Sache ist, von der eine Gefahr ausgeht (Zustandsstörer, § 17 OBG). Da es bereits an einer Gefahr im polizeirechtlichen Sinne fehlt, kann der Kläger für eine solche auch nicht verantwortlich sein. Soweit vertreten wird, dass jeder Straftäter zugleich auch Störer ist (vgl. VGH München, Beschluss vom 10. Januar 2000 – 24 B 99.3316 –, juris Rn. 28), stellt sich die Maßnahme unter dem Aspekt der Gefahrenabwehr jedenfalls als unverhältnismäßig dar.
c) Insoweit ist voranzustellen, dass es sich bei der Regelung in § 41 Abs. 2 OBG um eine Rechtsfolgenverweisung handelt, sodass sich die Frage nicht stellt, ob das Handeln der Behörde (auch) im Interesse des Geschäftsführers war (vgl. VG Cottbus, Urteil vom 15. Mai 2012 – VG 3 K 620/11 –, S. 9 EA m.w.N.). Gleichwohl rechtfertigt dies nicht, dass für jegliche Aufwendungen Ersatz verlangt werden kann. Vielmehr kommt es darauf an, ob bei sorgfältiger Prüfung und bei Berücksichtigung aller Umstände die Aufwendungen notwendig waren, insbesondere in einem angemessenen Verhältnis zu dem angestrebten Erfolg stehen bzw. gestanden haben (vgl. ebd.).
Hiervon ausgehend erweist sich das Eindringen in die Wohnung des Klägers unter Verwendung der Einsatzramme zur Gefahrenabwehr als nicht verhältnismäßig. Es ist nicht ersichtlich, dass das Aufbrechen der Wohnungstür zur Beseitigung der Gefahr drohender weiterer Straftaten erforderlich war. Angesichts dessen, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Durchsuchung in seiner Wohnung anwesend war, hätten die Einsatzkräfte zunächst klingeln oder klopfen können und ggf. dann, wenn der Kläger die Tür nicht geöffnet hätte, sich auf andere Weise Zugang zur Wohnung verschaffen können. Einem gewaltsamen Aufbrechen der Tür bedurfte es zur Verhinderung weiterer Straftaten nicht. Vielmehr trägt auch der Beklagte vor, das Eindringen in die Wohnung sei aus ermittlungstaktischen Gründen schlagartig erfolgt.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren beruht auf § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO; dem Kläger war es aus Sicht eines verständigen, nicht rechtskundigen Beteiligten angesichts der Komplexität der streitigen Rechtsfragen nicht zuzumuten, das Vorverfahren ohne anwaltliche Hilfe zu führen. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 2.376,70 Euro festgesetzt.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 3 GKG.