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Gebühren für Fäkalienentsorgung, Grundgebühr, Verhältnis beider Maßstäbe untereinander, Wohneinheitenmaßstab, Zählermaßstab


Metadaten

Gericht VG Cottbus 6. Kammer Entscheidungsdatum 23.02.2024
Aktenzeichen VG 6 K 174/23 ECLI ECLI:DE:VGCOTTB:2024:0223.6K174.23.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 2 KAG, § 6 Abs. 4 Satz 3 KAG

Tenor

Der Bescheid des Beklagten vom 31. Januar 2023 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Februar 2023 wird aufgehoben, soweit er eine Grundgebühr für einen gewerblichen Abwasseranschluss i.H.v. 196,00 € und eine Grundgebühr für Wohneinheiten i.H.v. 120,00 € festsetzt.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Die Hinzuziehung des Bevollmächtigten im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Aufhebung eines Abwassergebührenbescheides soweit er eine Grundgebühr in Höhe von 120,00 Euro für Wohneinheiten und in Höhe von 196,00 für Gewerbeeinheiten festsetzt.

Er ist Eigentümer des Grundstückes U_____ 0_____. Es wird sowohl zu Wohnzwecken als auch zum Betrieb einer freiberuflichen Fahrschule genutzt.

Mit Bescheid vom 31. Januar 2023 zog der Beklagte den Kläger zu einer „Rechnung für Trinkwasser Abwassergebührenbescheid“ heran. Insgesamt zu zahlen hatte der Kläger 637,78 €, dem geleistete Zahlungen i.H.v. 643,98 € entgegenstanden, so dass ein Guthaben in Höhe von 6,20 € ausgewiesen wurde. In seiner Auflistung gab der Beklagte für den Zeitraum 1. Januar bis 31. Dezember 2022 u. a. eine Grundgebühr i.H.v. 196,00 € für gewerblich anfallendes Abwasser und eine Grundgebühr i.H.v. 120,00 für Wohneinheiten an.

Gegen diesen Bescheid legte der Kläger mit Schreiben vom 10. Februar 2023 Widerspruch ein und beschränkte ihn auf die Aufhebung der Festsetzung der Grundgebühr für einen gewerblichen Abwasseranschluss i.H.v. 196 € und die Grundgebühr für die Wohneinheiten i.H.v. 120,00 €. Zur Begründung gab er an, dass keine gewerbliche Nutzung vorliege. Der Kläger nutze einen Teil des Grundstücks als Fahrschule. Der Verband dürfe bei dem Vorliegen einer Mischnutzung die Grundgebühr nur anteilig für eine gewerbliche und eine Wohnnutzung erheben. Die Satzung sei rechtswidrig.

Mit Widerspruchsbescheid vom 28. Februar 2023, wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung gab er an, dass für die Benutzung der Abwasserbeseitigungsanlagen eine Grund- und eine Mengengebühr erhoben werde. Als Eigentümer sei der Kläger gebührenpflichtig. Die Abrechnung der Grundgebühren erfolge getrennt nach der Nutzung zu Wohnzwecken anhand der Anzahl der angeschlossenen Wohneinheiten und nach gewerblicher oder sonstiger Nutzung anhand der Nennbelastung des Wasserzählers. Das Grundstück werde zu Wohnzwecken und gewerblich, zumindest aber sonstig genutzt.

Daraufhin hat der Kläger am 16. März 2023 Klage erhoben.

Er ist ergänzend zu seinem Widerspruchsvorbringen der Ansicht, dass eine jeweils volle Erhebung der Grundgebühr nicht möglich sei, da der Anschluss entweder nur unternehmerischer oder privater Natur sein könne. Der Begriff der „sonstigen Nutzung“ in der Satzung sei zu unbestimmt.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 31. Januar 2023 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Februar 2023 aufzuheben, soweit er eine Grundgebühr für einen gewerblichen Abwasseranschluss i.H.v. 196,00 € und eine Grundgebühr für Wohneinheiten i.H.v. 120,00 € festsetzt.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen, hilfsweise die Berufung zuzulassen.

Er ist ergänzend zu seinem Vorbringen aus dem Widerspruchsbescheid der Ansicht, die streitgegenständliche Satzung sei wirksam beschlossen und ordnungsgemäß bekannt gemacht worden und zum 1. Januar 2022 in Kraft getreten. Die Grundgebühr entstehe nach der Satzung, sobald das Grundstück an die öffentliche zentrale Abwasserbeseitigungsanlage angeschlossen sei. Dies sei vorliegend der Fall. Für gewerbliche sonstige Anschlüsse bemesse sich die Grundgebühr nach dem Durchfluss des verwendeten Wasserzählers und betrage bei einem Wasserzähler mit einer Nennbelastung von Qn 2,5 bzw. Q34 196,00 € pro Jahr. Für zu Wohnzwecken genutzte Grundstücke betrage die Grundgebühr 120,00 € pro Jahr. Bei Grundstücken, die sowohl gewerblich bzw. zu sonstigen Zwecken genutzt würden, erfolge eine getrennte Erhebung der Grundgebühr. Anknüpfungspunkt für die Veranlagung von zu Wohnzwecken genutzten Grundstücken sei die Wohneinheit, während sich die Gewerbegrundgebühr nach der Nenngröße des verwendeten Wasserzählers bemesse. Nicht der Anschluss werde vergütet, sondern die Vorhalteleistung. Dass das Gewerbe kein Wasser verbrauche, sei für das Entstehen der Grundgebühr unerheblich. Mit ihr werde das durch die Aufrechterhaltung der Betriebsbereitschaft der Entsorgungseinrichtungen vermittelte jederzeitige Nutzungsangebot abgegolten. Ferner sei ein Verstoß gegen das Äquivalenzprinzip nicht ersichtlich. Die Grundgebühr für Gewerbe oder sonstige Zwecke werde gestaffelt erhoben nach der Größe der verwendeten Wasserzähler. Eine weitergehende Differenzierung innerhalb der Staffelgröße sei nicht möglich und werde auch nicht von höchstrichterlicher Rechtsprechung verlangt. Ferner sei es zulässig einerseits den Wohneinheitenmaßstab für die Wohneinheiten zu verwenden und für die sonstigen Einheiten den Zählermaßstab. In welchem Verhältnis diese zueinander stünden sei dem Satzungsgeber freigestellt. Beide Maßstäbe seien separat gewichtet worden. Hierbei sei ein gewichteter Durchschnitt von 1,63 ermittelt worden. Dies multipliziert mit der Wohneinheitengrundgebühr führe dann zu dem gerundeten Ergebnis des kleinsten Zählers von Qn 2,5, der dann aufsteigend bis zum Qn 150 linear festgesetzt worden sei. Innerhalb der Gruppe sei die Linearität somit gewährleistet. Der Gleichheitssatz verbiete es einem Satzungsgeber für die Gebührenbemessung und damit auch für die Bildung entsprechender Maßstäbe, wesentlich ungleiche Sachverhalte innerhalb einer Veranlagungskategorie gleich zu behandeln. Allerdings sei der Satzungsgeber bei der Bestimmung der Merkmale, nach denen Sachverhalte im Wesentlichen gleich anzusetzen seien, innerhalb der Grenzen der Sachgerechtigkeit frei. Der Satzungsgeber könne je nach den Umständen des Einzelfalls eine Auswahl unter verschiedenen Gebührenmaßstäben treffen, ohne dass sich aus dem Gleichheitssatz eine Präferenz für einen bestimmten Maßstab ergebe. Die Gestaltungsfreiheit des Satzungsgebers ende erst dort, wo ein einleuchtender Grund für die unterlassene Differenzierung nicht mehr erkennbar sei. Daher sei ihm auch bei der Bestimmung ein weites Ermessen eingeräumt, sodass bei Vorliegen eines sachlich einleuchtenden Grundes für eine gewählte Typisierung oder Differenzierung aufgrund des Gleichheitssatzes keine noch darüber hinausgehende Verpflichtung bestehe, für eine Grundgebühr den zweckmäßigsten, vernünftigsten, gerechtesten oder wahrscheinlichsten Maßstab anzuwenden. Typisierungen und Pauschalierungen seien durch Erwägungen der Verwaltungsvereinfachung und Verwaltungspraktikabilität gerechtfertigt. Die Grenze dieses Gestaltungsermessen sei erst dann überschritten, wenn ein sachlich einleuchtender Grund für eine mit der Typisierung getroffene oder unterlassene Differenzierung auch mit Blick auf die Verwaltungsvereinfachung fehle. Insofern sei der Satzungsgeber nicht gehalten, den jeweils gewählten Maßstab im Sinne der Einzelfallgerechtigkeit nach möglichst jedem Einzelfall aus zu differenzieren. Es sei entschieden, dass es nicht zu beanstanden sei, wenn für die Bemessung einer verbrauchsunabhängigen Grundgebühr nicht auf die tatsächliche Inanspruchnahme, sondern auf die abrufbare Vorhalteleistung abgestellt werde. Der von dem Beklagten gewählte Maßstab bzw. Differenzierung erfasse in sachlich einleuchtender Weise das Maß des an den Anschlussnehmern gewährten Vorteils sowie der durch die Vorhalteleistung verursachten Kosten.

Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und den Verwaltungsvorgang verwiesen.

Entscheidungsgründe

Der Einzelrichter konnte anstelle der Kammer entscheiden, weil sie ihm den Rechtsstreit nach § 6 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zur Entscheidung übertragen hat.

Die zulässige Klage ist begründet. Der Gebührenbescheid des Beklagten vom 31. Januar 2023 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Februar 2023 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), soweit er eine Grundgebühr in Höhe von 196,00 € für die Abwasserentsorgung bei gewerblicher Nutzung und 120,00 € Grundgebühr für die zu Wohnzwecken genutzten Einheiten festsetzt.

Dem angefochtenen Gebührenbescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides mangelt es hinsichtlich der darin festgesetzten Schmutzwassergrundgebühr bereits an einer wirksamen satzungsrechtlichen Grundlage im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 Kommunalabgabengesetz für das Land Brandenburg (KAG).

Denn die am 1. Januar 2022 in Kraft getretene und damit sowohl den streitgegenständlichen Erhebungszeitraum als auch den angefochtenen Gebührenbescheid in zeitlicher Hinsicht erfassende Änderungssatzung zur Satzung über die Erhebung von Gebühren für die zentralen und dezentralen Abwasserbeseitigungsanlagen des H_____ Wasser- und Abwasserverbandes (Abwassergebührensatzung) vom 17. Dezember 2021 ist ebenso unwirksam wie die Vorgängersatzung vom 11. Dezember 2017 und 28. Januar 2015 (vgl. hierzu bereits VG Cottbus, Urteil vom 9. Dezember 2022 – 6 K 617/19 –, juris) und die Abwassergebührensatzung vom 14. Januar 2013 (vgl. VG Cottbus, Urteil vom 5. Juni 2013 – 6 K 321/113 –, juris). Ihnen fehlt der nach § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG erforderliche Mindestinhalt, weil jedenfalls die darin festgelegten Grundgebührenmaßstäbe (zumindest in Zusammenschau mit den gewählten Grundgebührensätzen) unwirksam sind, was die Gesamtnichtigkeit der Satzungen nach sich zieht.

Bei einer Grundgebühr, die in § 6 Abs. 4 Satz 3 KAG ausdrücklich zugelassen wird, handelt es sich um eine Benutzungsgebühr, welche für die Inanspruchnahme der Lieferungs- beziehungsweise Betriebsbereitschaft einer Einrichtung erhoben wird. Mit ihr werden die durch das Bereitstellen und ständige Vorhalten der Einrichtung entstehenden verbrauchsunabhängigen Betriebskosten (sogenannte Fixkosten wie z. B. Abschreibungsbeträge und Zinsen) ganz oder teilweise abgegolten. Sie wird deshalb nicht - verbrauchsabhängig - nach dem Maß der Benutzung (Inanspruchnahme), sondern - verbrauchsunabhängig - nach einem Wahrscheinlichkeitsmaßstab bemessen, der sich an Art und Umfang der aus der Lieferbereitschaft folgenden abrufbaren Arbeitsleistung als Anhalt für die vorzuhaltende Höchstlastkapazität zu orientieren pflegt (vgl. BVerwG, Urteil vom 1. August 1986 – 8 C 112/84 – juris Rn. 15; Beschluss vom 25. Oktober 2001 – 9 BN 4/01 –, juris Rn. 7;OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 16. März 2016 - 9 A 6.10, juris Rnrn. 11, 18).

Für die Bemessung der Gebühren für gewerbliche Einheiten nutzt der Beklagte den sogenannten Zählermaßstab, wobei eine Gebührenstaffelung nach der Größe der Trinkwassermesseinrichtung als Wahrscheinlichkeitsmaßstab Anwendung findet (vgl. § 4 Abs. 1 lit. b) Abwassergebührensatzung). Für die Bemessung der Grundgebühren zu Wohnzwecken genutzten Grundstücke verwendet der Beklagte den so genannten Wohneinheitenmaßstab, wobei zur Bemessung der Gebühr nach der Anzahl der Wohneinheiten erfolgt. Bei sonstigen Grundstücken bleibt es beim bereits zuvor angewandten Zählermaßstab.

Beide Maßstäbe sind für sich allein betrachtet grundsätzlich zulässige Wahrscheinlichkeitsmaßstäbe sowohl im Bereich der Trinkwasserversorgung (vgl. hier zum Zählermaßstab OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 29. Januar 2020 – 9 A 3.17 –, juris Rn. 45; Urteil vom 1. Dezember 2005 – 9 A 3.05 -, juris Rn.40; OVG für das Land Brandenburg, Urteil vom 22. Mai 2002 – 2 D 78/00.NE -, juris Rn. 97 und zum Wohneinheitenmaßstab OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 29. Januar 2020 – 9 A 3.17 –, juris Rn. 47; OVG für das Land Brandenburg, Urteil vom 22. Mai 2002 – 2 D 78/00.NE -, juris Rn. 94) als auch im Bereich der zentralen Schmutzwasserentsorgung (vgl. hier zum Zählermaßstab OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 26. November 2008 – 9 B 17.08 –, juris Rn. 39; Urteil vom 6. Juni 2007 – 9 A 77.05 -, juris Rn. 32 sowie zum Wohneinheitenmaßstab OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 7. November 2012 – 9 A 7.10 –, juris Rn. 37).

Dem Zählermaßstab liegt die sachgerechte Annahme zugrunde, dass sich mit steigender Nennleistung des Wasserzählers auch die vorzuhaltende und abrufbare Leistung, nämlich die Höchstlastkapazität der Wasserversorgungs- bzw. der Abwasserentsorgungseinrichtung, erhöht und damit zugleich der Umfang der gewährten und in Anspruch genommenen Vorhalteleistungen (vgl. VG Cottbus, Beschluss vom 28. Juli 2011 – 6 L 157/09 –, juris Rn. 12; Beschluss vom 22. Juni 2009 – 6 L 205/07 –, juris Rn. 10).

Der Wohneinheitenmaßstab beruht darauf, dass mit der Zahl der Wohneinheiten bei typisierender und pauschalierender Betrachtung der potentielle Trinkwasserverbrauch bzw. der potentielle Abwasseranfall eines Grundstücks steigen und damit sowohl die in Anspruch genommene Vorhalteleistung als auch die (anteilig) ausgelösten Vorhaltekosten (OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 7. November 2012 – 9 A 7.10 -, juris Rn. 37; VG Cottbus, Urteil vom 5. Juni 2014 – 6 K 321/13 –, juris Rn. 22). Der Wohneinheitenmaßstab stellt insoweit regelmäßig eine Verfeinerung des Zählermaßstabes dar, weil dieser infolge der vergleichsweise groben Staffelung der verfügbaren Wasserzählergrößen praktisch wie ein Einheitsmaßstab wirken kann (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 7. November 2012 – 9 A 7.10 -, juris Rn. 37; VG Cottbus, Urteil vom 5. Juni 2014 – 6 K 321/13 -, juris Rn. 22).

Auch eine – wie hier erfolgte – Kombination dieser beiden Maßstäbe ist grundsätzlich möglich (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 7. November 2012 – 9 A 7.10 –, juris Rn. 37; OVG für das Land Brandenburg, Urteil vom 22. Mai 2002, 2 D 78.00/NE, juris, Rn. 97). Allerdings müssen die für sich genommen jeweils zulässigen Maßstäbe dann auch im Verhältnis untereinander gewährleisten, dass eine in etwa gleiche Inanspruchnahme der Vorhalteleistung oder in etwa gleiche Verursachung von Vorhaltekosten oder ein in etwa gleicher Wert der gebotenen Vorhalteleistung für den Grundstückseigentümer auch zu einer in etwa gleich großen Grundgebühr führt (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 7. November 2012 – 9 A 7.10 –, juris Rn. 37). Es müssen also auch im Verhältnis der Wohngrundstücke zu den sonstigen Grundstücken der Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG und das Prinzip der Leistungsproportionalität bzw. das Äquivalenzprinzip eingehalten werden (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 8. September 2011 – 4 L 247/10 –, juris Rn. 37; a.A. BGH Beschluss vom 22. August 2017 – VIII ZR 279/15).

Diesen Anforderungen wird die vom Beklagten gewählte Gestaltung nicht gerecht. Der Beklagte hat den Wohneinheitenmaßstab hier in einer Weise mit dem Zählermaßstab kombiniert, die zu einer unplausiblen Gewichtung des jeweils Gezählten führt. Die Gewichtung ergibt sich dabei stillschweigend aus den jeweils in § 4 Abs. 1 der Abwassergebührensatzung festgelegten Gebührensätzen (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 7. November 2012 –9 A 7.10 -, juris Rn. 37). Diese sind vorliegend für die kleinste satzungsmäßig relevante Zählerkategorie (Nennbelastung bis 2,5 m3/h) nur unwesentlich höher als für eine Wohneinheit (196 Euro pro Jahr für sonstige Einheit, 120 Euro pro Jahr für eine Wohneinheit). Dies führt dazu, dass zu Wohnzwecken genutzte Grundstücke bei Verwendung von Spülkästen auch im Fall von bis zu 30 Wohneinheiten nach den technischen Regeln (vgl. DVGW-Arbeitsblatt W 406) noch mit einem Wasserzähler mit einer Nennbelastung bis 2,5 m3/h (Qn 2,5) versorgt würden, hierfür aber ab zwei Wohneinheiten - wegen des linearen Gebührenanstiegs - bereits einen höheren Grundpreis entrichten müssten als ein sonstiges Grundstück für einen Zähler derselben Kategorie. Die nächste Zählerkategorie (Nennbelastung bis 6 m3/h – Qn 6) könnte bis zu 100 Wohneinheiten versorgen, wird aber grundgebührenmäßig niedriger gewichtet (469 Euro/Jahr laut Abwasserwassergebührensatzung) als vier Wohneinheiten (480 Euro/Jahr laut Abwassergebührensatzung), obwohl davon auszugehen ist, dass sonstige Grundstücke, die über Zähler mit einer Nennbelastung bis 6 m3/h versorgt werden, die gebotene Vorhalteleistung in wesentlich größerem Umfang in Anspruch nehmen, als es dem Umfang der Abnahme dieser Leistung durch vier Wohneinheiten entspräche, die ihrerseits ohne Weiteres schon durch einen Zähler mit einer Nennbelastung bis 2,5 m3/h versorgt werden könnten. Dafür ist eine plausible Erklärung weder vom Beklagten vorgetragen worden, noch ist sie sonst ersichtlich.

Der Beklagte hat hierzu dargelegt, dass unter Zugrundelegung der durchschnittlichen Verbrauchswerte der gewichtete Durchschnitt des Verbrauchs pro Gewerbe das 1,63-fache des durchschnittlichen Verbrauchs pro Wohneinheit betrage. Dieser Steigerungsfaktor entspricht in etwa dem Verhältnis zwischen der Grundgebühr für eine einzelne Wohneinheit (120 €) und der Grundgebühr für einen gewerblichen Anschluss mit einem Zähler der Größe Qn 2,5. Daraus kann geschlossen werden, dass bei einem sonstigen Grundstück mit einem Wasserzähler Qn 2,5 davon ausgegangen werden müsse, dass dieses in etwa den 1,63-fachen Kostenanteil verursacht wie eine Wohneinheit, da diese ebenfalls mit einem Wasserzähler Qn 2,5 ausgestattet ist, d. h. die Vorhalteleistung der öffentlichen Anlage für die Nutzungsmöglichkeit jeweils in diesem Verhältnis stehe.

Dies vermag indes die Festlegung der Gebührensätze in der Abwassergebührensatzung des W_____ insgesamt nicht zu rechtfertigen. Denn jedenfalls ab der nächsthöheren Zählerkategorie besteht ein nicht mehr zu rechtfertigendes Ungleichgewicht. Ausgehend von dem wie oben beschrieben ermittelten Einheitswert für die zu Wohnzwecken genutzten Grundstücke mit nur einer Wohneinheit und den sonstigen Grundstücken, die an einen Wasserzähler Qn 2,5 angeschlossen sind, hat der Beklagte, wie man es der Staffelung in § 4 Abs. 1 lit. b.) der Abwassergebührensatzung rechnerisch entnehmen kann, für die weiteren Zählerkategorien bei den sonstigen Grundstücken die Grundgebühren anhand einer strikt linearen Staffelung entsprechend dem Anstieg der Nennleistungen der verschieden großen Wasserzähler ermittelt. Ebenso wurde bei den Wohneinheiten gemäß § 4 Abs. 1 lit. a) der Abwassergebührensatzung eine strikt lineare Staffelung vollzogen und die Gebührensätze entsprechend der Anzahl der Wohneinheiten vervielfacht.

Dies mag für den jeweiligen Maßstab als solchen nicht zu beanstanden sein. Denn bei typisierender und pauschalierender Betrachtung steigt die (potentielle) Inanspruchnahme der Vorhalteleistung mit der Zahl der Wohneinheiten bzw. mit der Nennleistung des Wasserzählers linear an. Insoweit ist eine lineare Gebührenstaffelung sogar regelmäßig geboten (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13. August 2019 – 9 A 5.17 –, juris Rn. 31; OVG für das Land Brandenburg, Urteil vom 22. August 2002 – 2 D 10/02.NE -, ju- ris Rn. 50; Thüringer OVG, Urteil vom 12. Dezember 2001 - 4 N 595/94 -, juris Rn. 98 f.). Vorliegend hat diese lineare Staffelung aber ganz offensichtlich dazu geführt, dass überhaupt keine gegenseitige Gewichtung der beiden angewandten Maßstäbe mehr erfolgt ist, und die beiden Nutzergruppen überhaupt nicht mehr im Verhältnis zueinander bewertet worden sind. Dies hat - jedenfalls in Zusammenschau mit den gewählten Grundgebührensätzen - zu der oben aufgezeigten mangelnden Plausibilität der festgelegten Grundgebührenmaßstäbe geführt und mithin dazu, dass diese im Ergebnis weder dem Prinzip der Leistungsproportionalität bzw. dem Äquivalenzprinzip noch dem Gleichheitsgrundsatz gerecht werden.

Dass überwiegende Gründe der Verwaltungspraktikabilität oder der Grundsatz der Typengerechtigkeit dies zu rechtfertigen vermögen, ist weder substantiiert geltend gemacht noch ersichtlich. Zumal für die Anwendung des Grundsatzes der Typengerechtigkeit vorliegend auch kein Raum wäre. Denn dieser vermag eine Ungleichbehandlung gleicher Sachverhalte oder die Gleichbehandlung ungleicher Sachverhalte von vornherein nur dann zu rechtfertigen, wenn es sich bei den in Rede stehenden Sachverhalten um Fallgruppen eines Sachbereichs bzw. eines „Typs“ handelt (vgl. Kluge, in: Becker u. a., KAG Bbg., Komm., § 6 Rn. 302b m. w. N.). Dies ist hier nicht der Fall, da der Beklagte mit einem Maßstab für die zu Wohnzwecken genutzten Grundstücke und einem Maßstab für die zu sonstigen Zwecken genutzten Grundstücke bereits zwei verschiedene Typen für die Bemessung der Grundgebühr geschaffen hat (vgl. VG Cottbus, Urteil vom 5. Juni 2014 – 6 K 321/13 -, juris Rn. 36).

Dies führt zur Gesamtnichtigkeit der streitgegenständlichen Abwassergebührensatzung, da dieser zumindest ein Teil des nach § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG erforderlichen Mindestinhalts fehlt. Wie die Kammer bereits mit Urteil vom 5. Juni 2014 (Az.: 6 K 321/13, juris, Rn. 37) entschieden hat, führt die Nichtigkeit der Regelungen zum Grundgebührenmaßstab ebenfalls zur Unwirksamkeit der Regelungen zur Mengengebühr. Insoweit wird auf die Ausführungen in zitierter Entscheidung verwiesen.

Etwas Anderes ergibt sich ebenfalls nicht aus den Vorgängersatzungen vom 11. Dezember 2017 und 28. Januar 2015 (vgl. hierzu bereits VG Cottbus, Urteil vom 9. Dezember 2022 – 6 K 617/19 –, juris). Zwar sind diese Satzungen nicht mit Inkrafttreten der hier streitgegenständlichen Abwassergebührensatzung außer Kraft gesetzt worden, allerdings sind jedenfalls selbige Erwägungen ebenso auf die Abwassergebührensatzungen 2017 und 2015 anwendbar, weil auch diese Satzungen den Wohneinheitenmaßstab hier in einer Weise mit dem Zählermaßstab kombinieren, die zu einer unplausiblen Gewichtung des jeweils Gezählten führt. Auch hier sind die Grundgebührensätze für gewerbliche und andere nicht zu Wohnzwecken genutzte Anschlüsse vorliegend für die kleinste satzungsmäßig relevante Zählerkategorie (Nennbelastung bis 2,5 m3/h) nur unwesentlich höher als für eine Wohneinheit (138 Euro pro Jahr für sonstige Einheit, 84 Euro pro Jahr für eine Wohneinheit hinsichtlich der Satzung vom 11. Dezember 2017 und 180 Euro pro Jahr für sonstige Einheit, 84 Euro pro Jahr für eine Wohneinheit bzgl. der Satzung vom 28. Januar 2015).

Die Berufung war nicht zuzulassen, weil die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 VwGO nicht vorliegen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war notwendig im Sinne des § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO, weil es dem Kläger aus der Sicht einer verständigen, nicht rechtskundigen Partei nicht zuzumuten war, den Rechtsstreit ohne anwaltliche Hilfe zu führen. Dies gilt insbesondere für das Kommunalabgabenrecht, da hier der Bürger in aller Regel nicht in der Lage ist, seine Rechte gegenüber der Verwaltung ohne rechtskundigen Rat ausreichend zu wahren (vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Brandenburg, Beschlüsse vom 6. Dezember 1999 – 2 E 34/99 -, - 2 E 36/99 – und 2 E 38/99 -).

Die Vollstreckbarkeitsentscheidung folgt aus § 167 VwGO i. V. m. den §§ 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 2 ZPO.

Rechtsmittelbelehrung: