Gericht | VG Cottbus 8. Kammer | Entscheidungsdatum | 12.03.2024 | |
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Aktenzeichen | VG 8 K 1753/20 | ECLI | ECLI:DE:VGCOTTB:2024:0312.8K1753.20.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | Art. 19 Abs. 4 GG, §§ 28 Abs. 1 Satz 1, 30 Abs. 1 Satz 2 IfSG, § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO |
Soweit der Kläger die Klage zurückgenommen hat, wird das Verfahren eingestellt.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des nach diesem Urteil vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit der von dem Beklagten gegenüber dem Kläger erlassenen Absonderungsverfügung.
Der Kläger betreibt ein Restaurant- und Bar-Lokal in C_____. Am 25. September 2020 wurde in diesem Lokal u.a. eine Gruppe von mehr als 20 Personen aus B_____bewirtet. Mit E-Mail vom 5. Oktober 2020 informierte das Lagezentrum Coronavirus des Bezirksamtes R_____ den Kläger und das Gesundheitsamt des Beklagten, dass eine Person dieser Gruppe am 1. Oktober 2020 positiv auf das Coronavirus SARS-CoV-2 getestet worden sei. Im Rahmen der daraufhin seitens des Gesundheitsamtes des Beklagten am 8. Oktober 2020 neben der Schließung des Restaurants angeordneten Testungen der Mitarbeitenden des Klägers wurden bei fünf Personen SARS-CoV-2-Infektionen nachgewiesen.
Mit Bescheid vom 10. Oktober 2020 untersagte der Beklagte dem Kläger, der als Kontaktperson zu einem bestätigten Erkrankungsfall gemeldet worden war, für den Zeitraum vom 9. Oktober 2020 bis einschließlich 22. Oktober 2020 u.a. das Verlassen der Wohnung. Zur Begründung verwies der Beklagte darauf, dass der Kläger als Kontaktperson zu einer bestätigt an COVID-19 erkrankten Person ansteckungsverdächtig sei. Die Anordnung verfolge das Ziel, die Verbreitung dieser Krankheit in der Bevölkerung so weit wie möglich zu verhindern. das hierfür nötige Unterbrechen von Infektionsketten gelinge nur, wenn Kontaktpersonen zu bestätigten Erkrankungsfällen für 14 Tage unter Quarantäne gestellt würden. Dies sei als notwenige Schutzmaßnahme gesetzlich vorgesehen und innerhalb der eigenen Wohnung gegenüber einer Absonderung in einem Krankenhaus das mildere Mittel.
Mit Schreiben vom 14. Oktober 2020 erhob der Kläger hiergegen Widerspruch und beantragte wörtlich die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung. Zur Begründung machte er geltend, ausweislich seines Testergebnisses vom 13. Oktober 2020 nicht mit dem SARS-CoV-2-Virus infiziert zu sein. Die Quarantäneanordnung verletze ihn deshalb in seinen Grundrechten der Bewegungsfreiheit und der Berufsausübungsfreiheit.
Diesen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16. Oktober 2020 zurück. Gleichzeitig lehnte er eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruches ab. Zur Begründung verwies er im Wesentlichen auf die Bestimmungen des Infektionsschutzgesetzes, die zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten entsprechende Schutzmaßnahmen vorsähen. Die angeordnete Quarantäne sei auch nicht unverhältnismäßig. Nachdem bei einer Mehrzahl von Mitarbeitenden des Lokals eine Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus festgestellt worden sei, habe für alle Mitarbeitenden – und damit auch für den Kläger als Inhaber und Leiter des Restaurants – ein hohes Infektionsrisiko bestanden, zumal aufgrund des Abstandes der Tische zu den Laufwegen des Personals der notwenige Mindestabstand nicht gewährleistet gewesen sei und die Mitarbeitenden keine Masken getragen hätten. Entsprechend den Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts (RKI) sei der Kläger insbesondere wegen der relativ beengten Raumsituation im Restaurant als Kontaktperson der Kategorie I einzuordnen gewesen. Für derartige Kontakte habe das RKI die häusliche Absonderung empfohlen. Hierbei sei es sowohl um den Schutz der Gesundheit des Klägers selbst als auch seiner Mitarbeitenden und potentieller Gäste sowie weiterer Kontaktpersonen gegangen. Der Negativ-Befund vom 13. Oktober 2020 ändere hieran nichts. Zum einen müsse bei einem PCR-Test von einer Fehlerquote in Höhe von bis zu 5 % ausgegangen werden. Zum anderen seien das Virus und das hierdurch verursachte Ansteckungsgeschehen noch nicht genügend erforscht, um alle Ansteckungswege hinlänglich genau identifizieren zu können. Das RKI habe in seinen Empfehlungen deshalb ausdrücklich betont, dass ein negatives Testergebnis das Gesundheitsmonitoring nicht aufhebe und die Quarantänezeit nicht verkürze. Entsprechend habe er, der Beklagte, entschieden, dass es im Fall des Klägers trotz des negativen Testergebnisses bei der Aufrechterhaltung der Quarantäneanordnung verbleibe. Aus Gründen des Gesundheitsschutzes sei auch die sinngemäß beantragte Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruches abzulehnen. Dem stehe auch Art. 14 des Grundgesetzes (GG) nicht entgegen, nachdem zum einen bereits am 8. Oktober 2020 die Schließung des Restaurants angeordnet worden sei, die unabhängig von der Quarantäne des Klägers Bestand habe, und das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb zum anderen ohnehin durch die Bestimmungen des Infektionsschutzgesetzes eingeschränkt werde. Gegenüber den Gesundheitsgefahren für die Allgemeinheit müsse das Grundrecht im Rahmen einer Abwägungsentscheidung zurückstehen.
Am 12. November 2020 hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben, mit der er zunächst neben der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 10. Oktober 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Oktober 2020 (Antrag zu 1.) die Feststellung begehrte, dass der Beklagte ihm gegenüber nach dem Infektionsschutzgesetz dem Grunde nach schadensersatzpflichtig sei (Antrag zu 2.) sowie hilfsweise, festzustellen, dass der Beklagte ihm unter Aufopferungsgesichtspunkten zur Entschädigung verpflichtet sei (Antrag zu 3.).
Die Klageanträge zu 2. und 3. hat der Kläger am 2. August 2023 zurückgenommen sowie am 2. Januar 2024 für erledigt erklärt.
Er ist im Wesentlichen der Auffassung, dass das Fortdauern der Quarantäne nach Vorlage seines negativen Testergebnisses rechtswidrig gewesen sei. Denn ab diesem Zeitpunkt habe er nicht mehr als Ansteckungsverdächtiger gegolten, zumal er tatsächlich keinen Kontakt zu infizierten Personen gehabt, sondern sich den ganzen Tag in seinem Büro aufgehalten habe. Zudem sei die Maßnahme unverhältnismäßig gewesen, da ihr Zweck mit Vorlage des negativen Testergebnisses entfallen sei. Ebenso wenig sei die Anordnung geeignet und erforderlich gewesen, um der Ausbreitung des Coronavirus zu begegnen. Auch habe er an der Aufklärung des Sachverhaltes hinreichend mitgewirkt und in seinem Restaurant die nötigen Hygienevorschriften beachtet. Entsprechend anderslautende Vorwürfe des Beklagten im Widerspruchsbescheid seien nicht gerechtfertigt und hätten nicht zur Grundlage der Entscheidung über die Fortdauer der Quarantäne gemacht werden dürfen. Zudem habe nicht die Mehrzahl, sondern lediglich fünf der im fraglichen Zeitpunkt 26 Mitarbeitenden einen positiven Coronatest vorgewiesen. Durch die Quarantäne sei ihm ein Schaden in Höhe von insgesamt 33.012,91 Euro entstanden, da er sein Restaurant nicht führen können und deshalb geschlossen habe. Hieraus ergebe sich hinsichtlich der von ihm statthaft erhobenen Fortsetzungsfeststellungsklage ein Feststellungsinteresse, das von der Rechtsprechung für tiefgreifende, sich – wie hier – nach ihrer Eigenart kurzfristig erledigende Grundrechtseingriffe anerkannt sei. Die Quarantäneanordnung habe in seine Freiheitsgrundrechte aus Art. 11 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 GG eingegriffen. Die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Quarantäneanordnung sei zudem Voraussetzung für eine erfolgreiche Geltendmachung des ihm entstandenen Schadens, dessen Ersatz er am 8. Dezember 2020 gegenüber dem Landesamt für Soziales und Versorgung beantragt habe.
Der Kläger beantragt nunmehr wörtlich,
festzustellen, dass die gesundheitliche Anordnung von Schutzmaßnahmen in Gestalt der Quarantäneanordnung vom 10. Oktober 2020 rechtswidrig gewesen ist, sowie
die Hinzuziehung seines Prozessbevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er widerspricht der Umstellung des Klageantrages zu 1. und macht hinsichtlich der teilweisen Erledigungserklärung geltend, dass sich der Kläger insoweit an seiner Erklärung zur teilweisen Klagerücknahme festhalten lassen müsse. Die Klage sei bereits unzulässig. Zum einen sei der angegriffene Bescheid bestandskräftig, zum anderen habe er sich bereits vor Klageerhebung erledigt. Im Hinblick hierauf bestehe kein berechtigtes Interesse des Klägers an der begehrten Feststellung. Auch der Fall eines tiefgreifenden, sich typischerweise kurzfristig erledigenden Grundrechtseingriffes liege nicht vor, da der Kläger es vielmehr lediglich verabsäumt habe, gerichtlichen Eilrechtsschutz zu beantragen. Da der Kläger direkten Kontakt zu mit dem Coronavirus infizierten Personen gehabt habe, habe die Gefahr bestanden, dass er das Virus aufgenommen habe. Insofern seien die vom RKI empfohlenen Schutzmaßnahmen angezeigt gewesen, deren Dauer auch auf der Erfahrung basiert habe, dass ein positives Testergebnis auch erst zum Ende der 14-Tage-Frist auftreten könne.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten und des Vortrages der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakte sowie den Verwaltungsvorgang (1 Heft) ergänzend Bezug genommen.
Soweit der Kläger seine Klage zurückgenommen hat, ist das Verfahren gemäß § 92 Abs. 3 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) einzustellen. Die insoweit unmittelbar verfahrensbeendende Wirkung trat mit Eingang der schriftlichen Erklärung des Klägers, die ursprünglichen Klageanträge zu 2. und 3. zurückzunehmen, am 2. August 2023 ein, so dass seine nachfolgende, ebenfalls auf diese Anträge bezogene Erledigungserklärung ins Leere ging. In diesem Zusammenhang kann dahingestellt bleiben, ob der Beklagte – wovon der Kläger ausging – mit seinem Schriftsatz vom 6. Oktober 2023 tatsächlich der teilweisen Klagerücknahme widersprochen hat, da dessen Einwilligung in die Klagerücknahme in diesem Stadium des Verfahrens nicht erforderlich war, vgl. § 92 Abs. 1 Satz 2 VwGO.
Soweit der Kläger seine Klage aufrecht hält, kann die Kammer gemäß §§ 87a Abs. 2 und 3, 101 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) durch die Berichterstatterin ohne mündliche Verhandlung entscheiden, nachdem sich der Kläger und der Beklagte hiermit einverstanden erklärt haben.
I. Die Klage ist als Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog statthaft, da sich die streitbefangene, bis zum 22. Oktober 2020 befristete Absonderungsverfügung vor Klageerhebung durch Zeitablauf erledigt hat. Entgegen dem Vorbringen des Beklagten ist der Bescheid vom 10. Oktober 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Oktober 2020 zuvor auch nicht etwa bestandskräftig geworden, zumal der Kläger seine Klage innerhalb der Frist des § 74 Abs. 1 Satz 1 VwGO erhoben hat.
Die Klage ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere hat der Kläger entgegen der Auffassung des Beklagten ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung der Rechtswidrigkeit der Absonderungsverfügung, § 113 Abs. 1 Satz 4 a.E. VwGO. Ein solches Interesse kann nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Natur sein und sich insbesondere aus den Gesichtspunkten der konkreten Wiederholungsgefahr, der Rehabilitierung, der Präjudizwirkung für einen beabsichtigten Schadensersatzanspruch sowie der schwerwiegenden Grundrechtsbeeinträchtigung ergeben. Maßgeblich ist, dass die gerichtliche Feststellung geeignet sein muss, die betroffene Position der klagenden Person zu verbessern (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 29. November 2023 – 6 C 2/22 -, juris Rn. 6 f.).
Allerdings ergibt sich das Fortsetzungsfeststellungsinteresse des Klägers hier nicht bereits aus der von ihm vorgetragenen Absicht, den ihm durch die Schließung seines Restaurants entstandenen Schaden geltend zu machen. Die vorliegend begehrte Feststellung ist für die Geltendmachung dieses Schadens nicht erheblich. Denn die Schließung des Restaurants erfolgte mit gesonderter – und ersichtlich bestandskräftig gewordener – Verfügung des Gesundheitsamtes des Beklagten am 8. Oktober 2020 und ist mit der Nichteinhaltung pandemiebedingter Hygienevorschriften begründet worden. Die hier streitbefangene Absonderungsverfügung vom 10. Oktober 2020 gründete sich demgegenüber einzig auf der erfolgten Einordnung des Klägers als Kontaktperson der Kategorie I. Die Frage der Rechtmäßigkeit dieser Absonderung ist für die zuvor erfolgte Schließung des Restaurants und damit auch für die Verfolgung des hierdurch entstandenen Schadens ohne Relevanz; beide Rechtsfragen unterliegen vielmehr einer gesonderten Bewertung.
Das berechtigte Interesse des Klägers an der begehrten Feststellung ergibt sich allerdings im Hinblick auf das in Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) verankerte Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz. Dieses Grundrecht gebietet es, die Möglichkeit einer gerichtlichen Klärung auch in Fällen gewichtiger, in tatsächlicher Hinsicht allerdings überholter Grundrechtseingriffe zu eröffnen, wenn sich die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsakt nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in welcher die betroffene Person eine gerichtliche Entscheidung kaum erlangen kann (vgl. Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 6. Juli 2016 – 1 BvR 1705/15 – juris Rn. 11; Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 29. November 2023 – 6 C 2/22 -, juris Rn. 7).
Bei der hier in Rede stehenden Absonderungsverfügung handelt es sich um einen solchen gewichtigen, sich typischerweise kurzfristig erledigenden Grundrechtseingriff (vgl. ebenso: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 26. Juli 2022 – 20 B 22.29, 20 B 22.30 -, juris Rn. 42 f.; Verwaltungsgericht Koblenz, Urteil vom 10. Januar 2022 – 3 K 385/21.KO -, juris Rn. 17; Verwaltungsgericht Aachen, Urteil vom 14. März 2022 – 7 K 2555/21 -, juris Rn. 49, 68; Verwaltungsgericht Köln, Urteil vom 14. Februar 2023 – 7 K 4693/20 -, juris Rn. 23; wohl auch: Sächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 3. März 2021 – 3 B 15/21 -, juris Rn. 56; Gerhardt, IfSG, 6. Aufl. 2022, § 30 Rn. 1 a. E.; a. A.: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 13. Juli 2020 – 13 B 968/20.NE -, juris Rn. 41; Verwaltungsgericht Minden, Urteil vom 1. April 2022 – 7 K 2792/20 -, juris Rn. 37 ff.).
Die Absonderungsverfügung hat erheblich in die Freiheitsgrundrechte des Klägers aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG eingegriffen. Absonderungsverfügungen als Akte öffentlicher Gewalt stellen wie Ausgangssperren jedenfalls Freiheitsbeschränkungen dar, indem sie Betroffene, denen das an sich tatsächlich und rechtlich möglich wäre, gegen deren Willen daran hindern, einen Ort oder Raum zu verlassen. Insoweit kommt nicht nur der Anwendung unmittelbar körperlich wirkenden Zwangs eine Eingriffsqualität zu, vielmehr kann auch durch allein psychisch vermittelten Zwang in die Fortbewegungsfreiheit eingegriffen werden. Daher können für einen Eingriff in Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG auch staatlich angeordnete Verbote genügen, einen bestimmten Ort oder Bereich nicht ohne Erlaubnis zu verlassen (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 19. November 2021 – 1 BvR 781/21 u.a. -, juris Rn. 246).
Eine der möglichen Anwendung körperlich wirkenden Zwangs vergleichbare psychisch vermittelte Zwangswirkung, die Absonderungsverfügung einzuhalten und von der Fortbewegungsfreiheit keinen Gebrauch zu machen, lag hier vor. Hierbei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass Verstöße gegen die Absonderung – dies galt auch im hier entscheidungsrelevanten Zeitpunkt des Erlasses der Absonderungsverfügung - nicht nur gemäß § 73 Abs. 1a Nr. 6 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) bußgeldbewehrt, sondern sowohl auf Grundlage des allgemeinen Gefahrenabwehrrechtes als auch im Hinblick auf die gemäß § 30 Abs. 2 IfSG bei Verstößen gegen die Anordnung nach § 30 Abs. 1 IfSG drohende Zwangsunterbringung hoheitlich durchsetzbar sind sowie angesichts der tageszeitlich nicht begrenzten und den Ort des Aufenthalts vorgebenden, weitgehend ausnahmslos geltenden Anordnung einem – einer Freiheitsentziehung im Sinne von Art. 104 Abs. 2 GG entsprechenden - Hausarrest nahekommen (vgl. hierzu Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 19. November 2021 – 1 BvR 781/21 u.a. -, juris Rn. 249 f.), so dass in der Gesamtschau von einer hohen psychischen Zwangswirkung auf die Betroffenen auszugehen und damit die Schwelle zum Eingriff überschritten ist (vgl. ebenso: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 26. Juli 2022 – 20 B 22.29, 20 B 22.30 -, juris Rn. 42; Gerhardt, IfSG, 6. Aufl. 2022, § 30 Rn. 1 a. E.; sowie schon zu den weniger schwerwiegenden Ausgangsbeschränkungen nach § 28b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 IfSG: Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 19. November 2021 – 1 BvR 781/21 u.a. -, juris Rn. 249 f.).
Dass der Gesetzgeber davon ausgegangen ist, dass die in § 30 Abs. 1 IfSG geregelte Absonderung die Freiwilligkeit der Betroffenen und damit ihre Einsicht in das Notwendige voraussetze (vgl. BT-Drs. 14/2530, S. 75), steht dem nicht entgegen (so aber Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 13. Juli 2020 – 13 B 968/20.NE -, juris Rn. 41; Verwaltungsgericht Minden, Urteil vom 1. April 2022 – 7 K 2792/20 -, juris Rn. 37 ff.). Vielmehr wird damit lediglich zum Ausdruck gebracht, dass freiheitsentziehende (Zwangs-)Maßnahmen nach § 30 Abs. 2 IfSG nur zulässig sind, wenn die betroffene Person den ihre Absonderung betreffenden Anordnungen nicht von selbst nachkommt oder nach ihrem bisherigen Verhalten anzunehmen ist, dass sie solchen Anordnungen nicht ausreichend Folge leisten wird. An dem für die Betroffenen bindenden Charakter einer Absonderungsanordnung nach § 30 Abs. 1 Satz 2 IfSG ändert dies jedoch nichts (vgl. Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 26. Juli 2022 – 20 B 22.29, 20 B 22.30 -, juris Rn. 43).
Es handelt sich zudem um einen sich typischerweise kurzfristig erledigenden Grundrechtseingriff. Absonderungsverfügungen sind regelmäßig auf die Dauer des Krankheits- bzw. Ansteckungsverdachtes und damit auf einen so kurzen Zeitraum beschränkt, dass gerichtlicher Rechtsschutz in der Hauptsache – den Art. 19 Abs. 4 GG aber grundsätzlich gebietet - nicht mehr erlangt werden kann. Dies gilt auch für die hier gegenüber dem Kläger auf den Zeitraum von 14 Tagen befristete Quarantäne.
Entgegen der Auffassung des Beklagten entfällt das Feststellungsinteresse des Klägers auch nicht deshalb, weil dieser keinen Eilrechtsschutz gegen die Absonderungsverfügung gesucht hat. Ob eine Überprüfung im Eilverfahren möglich gewesen wäre, ist vielmehr nicht maßgeblich. Denn Art. 19 Abs. 4 GG gewährt im Hinblick auf die prozessualen und materiellen Unterschiede einen Anspruch auf Überprüfung von Hoheitsakten in Hauptsacheverfahren und nicht nur auf Rechtsschutz im Eilverfahren (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 3. März 2004 – 1 BvR 461/03 -, juris Rn. 29 ff.; Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 29. November 2023 – 6 C 2/22 -, juris Rn. 28; Verwaltungsgericht Aachen, Urteil vom 14. März 2022 – 7 K 2555/21 -, juris Rn. 40 ff.; Verwaltungsgericht Köln, Urteil vom 14. Februar 2023 – 7 K 4693/20 -, juris Rn. 24; Verwaltungsgericht Minden, Urteil vom 1. April 2022 – 7 K 2792/20 -, juris Rn. 33 ff.). Dies gilt auch, soweit davon auszugehen ist, dass das verwaltungsgerichtliche Eilrechtschutzverfahren im Hinblick auf die nicht reversiblen Folgen der Absonderungsverfügung zum Teil die Schutzfunktionen des Hauptsacheverfahrens dergestalt übernehmen muss, als schon im Eilverfahren eine im Rahmen des Möglichen hinreichend intensive Prüfung der Rechtmäßigkeit der behördlichen Anordnung zu erfolgen hat (vgl. hierzu Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 3. März 2004 – 1 BvR 461/03 -, juris Rn. 33). Denn eine der Prüfintensität im Rahmen des Hauptsacheverfahrens völlig gleichkommende, also nicht nur summarische, sondern auf einer umfassenden Sachaufklärung von Amts wegen beruhende und abschließende Rechtsprüfung ist unter den begrenzenden zeitlichen Anforderungen an die Eilentscheidung des Gerichtes in Rechtschutzverfahren gegen Absonderungsverfügungen in aller Regel tatsächlich nicht möglich (vgl. a. A., dies aber nicht hinreichend berücksichtigend: Verwaltungsgericht Bayreuth, Gerichtsbescheid vom 19. Mai 2022 – B 7 K 21.495 -, juris Rn. 37 ff.; Verwaltungsgericht Hamburg, Urteil vom 27. Juli 2021 – 3 K 2485/21 -, juris Rn. 26).
II. Die Klage ist jedoch nicht begründet. Die Absonderungsverfügung des Beklagten vom 10. Oktober 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Oktober 2020 war rechtmäßig, § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO.
Maßgeblich für diese Beurteilung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Erlasses der Absonderungsverfügung. Wie jeder andere Eingriff zur Abwehr einer Gefahr fußen die Maßnahmen zur Verhinderung der Ausbreitung des SARS-CoV-2-Virus in der Bevölkerung auf einer Gefahrenprognose, so dass es für die rechtliche Bewertung der Maßnahme auf die objektivierte ex-ante-Sicht des Beklagten ankommt.
Die Rechtsgrundlage der Absonderungsverfügung bildeten die §§ 28 Abs. 1 Satz 1, 30 Abs. 1 Satz 2 IfSG.
Gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG trifft die zuständige Behörde u. a. dann, wenn Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt werden, die notwendigen Schutzmaßnahmen, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist. Gemäß § 30 Abs. 1 Satz 2 IfSG kann sie insbesondere anordnen, dass die festgestellten Personen in einem geeigneten Krankenhaus oder in sonst geeigneter Weise abgesondert werden.
Diese Voraussetzungen lagen hier vor. Ein Ansteckungsverdächtiger ist nach der Regelung des § 2 Nr. 7 IfSG eine Person, von der anzunehmen ist, dass sie Krankheitserreger aufgenommen hat, ohne krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider zu sein. Die Norm definiert damit eine Gefahrenverdachtslage, also einen Sachverhalt, bei dem zwar objektive Anhaltspunkte für eine Gefahr sprechen, die aber eine abschließende Beurteilung der Gefahrensituation nicht ermöglichen. Der Ansteckungsverdacht im Sinne von § 2 Nr. 7 IfSG stellt im Rahmen des § 30 IfSG die geringsten Anforderungen an den Gefahrensachverhalt. Die Vermutung, der Betroffene habe Krankheitserreger aufgenommen, muss naheliegen. Eine bloß entfernte Wahrscheinlichkeit genügt nicht. Demzufolge ist die Feststellung eines Ansteckungsverdachts nicht schon gerechtfertigt, wenn die Aufnahme von Krankheitserregern nicht auszuschließen ist. Andererseits ist auch nicht zu verlangen, dass sich die Annahme "geradezu aufdrängt". Erforderlich und ausreichend ist, dass die Annahme, die betroffene Person habe Krankheitserreger aufgenommen, wahrscheinlicher ist als das Gegenteil. Für die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit einer Ansteckungsgefahr gilt allerdings kein strikter, alle möglichen Fälle gleichermaßen erfassender Maßstab. Vielmehr ist der im allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht geltende Grundsatz heranzuziehen, dass an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts umso geringere Anforderungen zu stellen sind, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist. Es ist sachgerecht, einen am Gefährdungsgrad der jeweiligen Erkrankung orientierten "flexiblen" Maßstab für die hinreichende (einfache) Wahrscheinlichkeit zu Grunde zu legen. Ob gemessen daran ein Ansteckungsverdacht im Sinne von § 2 Nr. 7 IfSG zu bejahen ist, beurteilt sich unter Berücksichtigung der Eigenheiten der jeweiligen Krankheit und der verfügbaren epidemiologischen Erkenntnisse und Wertungen sowie anhand der Erkenntnisse über Zeitpunkt, Art und Umfang der möglichen Exposition der betreffenden Person und über deren Empfänglichkeit für die Krankheit. Daher kann im Fall eines hochansteckenden Krankheitserregers, der bei einer Infektion zu einer tödlich verlaufenden Erkrankung führen kann, gegen die eine wirksame medikamentöse Therapie nicht zur Verfügung steht, auch eine vergleichsweise geringe Übertragungswahrscheinlichkeit genügen (vgl. zum Ganzen Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 22. März 2012 – 3 C 16.11 – juris Rn. 31 ff.; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 26. Juli 2022 – 20 B 22.29, 20 B 22.30 –, juris Rn. 46; Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Beschluss vom 15. Januar 2021 – 1 S 4180/20 -, juris Rn. 55; Verwaltungsgericht Cottbus, Beschluss vom 15. Oktober 2020 – VG 3 L 475/20 -, juris Rn. 10 f.).
Ob an den vorangestellten Maßstäben gemessen ein Ansteckungsverdacht im Sinne von § 2 Nr. 7 IfSG zu bejahen ist, beurteilt sich unter Berücksichtigung der Eigenheiten der jeweiligen Krankheit und der dazu verfügbaren epidemiologischen Erkenntnisse und Wertungen sowie anhand der Erkenntnisse über Zeitpunkt, Art und Umfang der möglichen Exposition der betreffenden Person und über deren Empfänglichkeit für die Krankheit. Die Feststellung eines Ansteckungsverdachts setzt voraus, dass die Behörde zuvor Ermittlungen zu infektionsrelevanten Kontakten des Betroffenen angestellt hat; denn ohne aussagekräftige Tatsachengrundlage lässt sich nicht zuverlässig bewerten, ob eine Aufnahme von Krankheitserregern anzunehmen ist. Die Ermittlungspflicht der Behörde folgt – neben dem allgemein für das Verwaltungsverfahren geltenden Untersuchungsgrundsatz – aus § 25 Abs. 1 IfSG. Danach stellt das Gesundheitsamt die erforderlichen Ermittlungen insbesondere über Art, Ursache, Ansteckungsquelle und Ausbreitung der Krankheit an, wenn Anhaltspunkte für einen Krankheits-, Krankheitsverdachts-, Ansteckungsverdachts- oder Ausscheidungsfall vorliegen. Die im Einzelfall gebotene Ermittlungstiefe zu möglichen Kontakten des Betroffenen mit infizierten Personen wird insbesondere durch die Eigenheiten der Krankheit, insbesondere die Ansteckungsfähigkeit des Krankheitserregers und durch die epidemiologischen Erkenntnisse vorgegeben. Die Ermittlungen können danach von Fall zu Fall mehr oder weniger intensiv ausfallen (vgl Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 22. März 2012 – 3 C 16.11 – juris Rn. 31; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 26. Juli 2022 – 20 B 22.29, 20 B 22.30 –, juris Rn. 47), wobei nach Auffassung des Gerichts gerade in einem von einer Vielzahl von zu bewältigenden Fällen gekennzeichneten Pandemiefall, der oftmals ein schnelles Eingreifen erfordert, die Anforderungen an die Gefahrerforschung nicht überspannt werden dürfen (vgl. so auch Verwaltungsgericht Köln, Urteil vom 14. Februar 2023 – 7 K 4693/20 -, juris Rn. 42 a.E.).
Die durch das Corona-Virus SARS-COV-2 hervorgerufenen Erkrankung ist unzweifelhaft eine übertragbare Krankheit im Sinne des § 2 Nr. 3 IfSG. Das Virus ist hochansteckend und kann durch Tröpfcheninfektion, durch die Ausscheidung von Viren in der Atemluft (Aerosole) und durch eine Schmierinfektion (auf Gegenständen) von Mensch zu Mensch übertragen werden. Die durch das Virus hervorgerufene Krankheit hatte im hier maßgeblichen Zeitraum in einer nicht unerheblichen Anzahl von Fällen einen schwerwiegenden Verlauf, in dem zahlreiche Organsysteme betroffen sein konnten. Auch tödliche Verläufe waren nicht selten. Da es im Oktober 2020 noch keinen Impfstoff gab und kein zugelassenes Arzneimittel, blieb als einziges Mittel, um die Verbreitung der Krankheit einzudämmen, die Verhinderung von Neuinfektionen durch Kontakteinschränkungen und Schutz- und Hygienemaßnahmen. Angesichts des im Oktober 2020 zu beobachtenden beschleunigten Anstiegs der Zahl der Neuinfektionen in Deutschland schätzte das für die Risikobewertung zuständige RKI die Gesundheitsgefahr durch das Corona-Virus in Deutschland insgesamt als hoch, für Risikogruppen als sehr hoch ein (vgl. Täglicher Lagebericht des RKI zu COVID-19 vom 10. Oktober 2020, abrufbar auf COVID-19 Situationsbericht 10.10.2020 (rki.de).
Das RKI ist in § 4 IfSG als die Stelle benannt, die die wissenschaftlichen Grundlagen für Entscheidungen des Gesetzgebers und der Exekutive im Bereich des Infektionsschutzes, insbesondere bei der Verhinderung einer Weiterverbreitung übertragbarer Erkrankungen, liefert. Seinen Empfehlungen kam daher bei der Auswahl angezeigter Schutzmaßnahmen maßgebliche Bedeutung zu (vgl. Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 21. Juli 2020 - OVG 11 S 65/20 -, juris Rn. 11; Verwaltungsgericht Cottbus, Beschluss vom 15. Oktober 2020 – VG 3 L 475/20 -, juris Rn. 14). Das RKI ging für den hier maßgeblichen Zeitraum bei SARS-CoV-2-Infektionen von einer erhöhten Gefahr einer Übertragung des Virus für Personen aus, die sich länger als zehn Minuten und ohne adäquaten Schutz im Nahbereich, d. h. in einem Abstand von unter 1,5 m zu einer infizierten Person befanden, sowie ferner bei Personen, die sich unabhängig vom Abstand länger als zehn Minuten mit einer oder einem Infizierten in einem Raum befanden, in dem wahrscheinlich eine hohe Konzentration infektiöser Aerosole entstanden ist, auch wenn durchgehend und korrekt ein Mund-Nasen-Schutz getragen wurde. Eine erhöhte Übertragungsgefahr bestand nach dem RKI auch für solche Personen, die sich mit der infizierten Person in relativ beengter Raumsituation oder einer schwer zu überblickenden Kontaktsituation (z. B. Schulklassen, Kitagruppen, gemeinsames Schulessen, Gruppenveranstaltungen) befunden haben, unabhängig von der individuellen Risikoermittlung. Ein mindestens 15-minütiger Gesichts- ("face-to-face") Kontakt mit der infizierten Person ist in diesem Fall nicht erforderlich. Das RKI begründet dies damit, dass sich Viruspartikel in Aerosolen bei mangelnder Frischluftzufuhr in Innenräumen anreichern können, weil sie über Stunden in der Luft schweben. In Kleinpartikeln/Aerosolen enthaltene Viren bleiben (unter experimentellen Bedingungen) mit einer Halbwertszeit von etwa einer Stunde vermehrungsfähig. Bei hoher Konzentration infektiöser Viruspartikel im Raum sind auch Personen gefährdet, die sich weit von der infizierten Person entfernt aufhalten ("Fernfeld"). In solchen Situationen können verschiedene Faktoren, neben einem Mangel an Frischluftzufuhr etwa auch die Anzahl an Personen und die Länge des Aufenthaltes der infektiösen Person im Raum sowie deren Infektiosität, das Infektionsrisiko erhöhen (vgl. RKI, Kontaktpersonen-Nachverfolgung bei respiratorischen Erkrankungen durch das Coronavirus SARS-CoV-2, Stand: 24.09.2020, ursprünglich abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Kontaktperson/Management.html ; hier zitiert nach Verwaltungsgericht Koblenz, Urteil vom 10. Januar 2022 – 3 K 385/21.KO –, juris Rn. 40; vgl. auch: Verwaltungsgericht Karlsruhe, Beschluss vom 13. Oktober 2020 – 8 K 4139/20 -, juris Rn. 12; Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Beschluss vom 15. Januar 2021 – 1 S 4180/20 -, juris Rn. 57 ff.; sowie RKI - Coronavirus SARS-CoV-2 - Epidemiologischer Steckbrief zu SARS-CoV-2 und COVID-19).
Die Einschätzung des Beklagten, der Kläger habe mit hinreichender Wahrscheinlichkeit Kontakt zu einer mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 infizierten Person gehabt und Krankheitserreger aufgenommen, ist vor diesem Hintergrund rechtlich nicht durchgreifend zu beanstanden. Der Beklagte hat den Kläger entsprechend der Legaldefinition in § 2 Nr. 7 IfSG und ohne Widerspruch zu den seinerzeit aktuellen RKI-Empfehlungen als Kontaktperson der Kategorie I eingestuft und hieraus die gebotenen infektionsrechtlichen Konsequenzen gezogen.
Zum einen waren sowohl mit der vom Bezirksamt R_____gemeldeten Person, die am 25. September 2020 Gast des von dem Kläger betriebenen Lokals gewesen ist, als auch mit den insgesamt mindestens fünf Mitarbeitenden des Lokals, die positiv auf das Coronavirus getestet worden sind, infizierte Personen festgestellt worden. Der Beklagte hat nach Bekanntwerden des ersten Indexfalles am 6. und 7. Oktober 2020 die Räumlichkeiten des Restaurants in Augenschein genommen und von dem Kläger Kontaktdaten und Dienstpläne erbeten. Ausweislich der Begründung des Widerspruchsbescheides nahm er sodann insbesondere die erhebliche Anzahl positiv getesteten Servicepersonals und die beengte Raumsituation innerhalb des Restaurants als Grundlage dafür, gegenüber sämtlichen im Service-Bereich tätigen Mitarbeitenden jeweils Quarantäne anzuordnen, wovon zwei Mitarbeitende der Küche, die keinen nachgewiesenen Kontakt mit dem übrigen Personal gehabt hatten, ausgenommen wurden. Die unter den Bedingungen unverzüglich erforderlichen Handelns getroffene Einschätzung des Beklagten, der gemeinsame Aufenthalt mit infizierten Personen in den relativ beengten und unübersichtlichen Raumverhältnissen eines – dies belegt schon die vorgelegte Liste der Reservierungen für den Abend des 25. Septembers 2020 – u.a. durch zwei größere Gruppen gut besuchten Restaurants mit mutmaßlich hoher Aerosol-Konzentration in der Luft spreche mit überwiegender Wahrscheinlichkeit für ein hohes Infektionsrisiko sämtlicher an dem Abend vor Ort gewesener Mitarbeitenden und damit auch des Klägers, hält einer rechtlichen Überprüfung unter Zugrundelegung der oben dargestellten Maßstäbe stand.
Das hiergegen gerichtete Vorbringen des Klägers, er habe keinen Kontakt mit infizierten Personen gehabt, sondern sich den ganzen Tag über in seinem Büro aufgehalten, vermag demgegenüber nicht zu überzeugen. Es handelt sich ersichtlich um eine nicht plausible und unsubstantiiert gebliebene Schutzbehauptung. Hierfür spricht schon, dass der Kläger diesen Einwand erstmals mit seinem Schriftsatz vom 21. Oktober 2021, also insbesondere weder in seinem Widerspruch noch zunächst im Rahmen der Klagebegründung erhoben hat, die er bis dahin vielmehr lediglich auf seinen nachfolgend negativen PCR-Test gestützt hatte, nach dessen Vorliegen der Beklagte die Quarantäne hätte beenden müssen. Gleichzeitig hatte er dabei angegeben, von dem Beklagten nur nach den Mitarbeitenden des Service und der Bar am 25. September 2020 gefragt worden zu sein und dies mit dem am 7. Oktober 2020 übermittelten Dienstplan beantwortet zu haben. Die entsprechende Liste führt insgesamt 10 Personen und an erster Stelle den Kläger selbst auf. Auch dass der Beklagte zwei Mitarbeitende der Küche von den Absonderungen ausgenommen hat, weil diese keinen nachgewiesenen Kontakt zum übrigen Personal hatten, spricht dafür, dass er die Kontaktverhältnisse seinerzeit einzelfallbezogen ermittelt hat.
Hinsichtlich des dem Beklagten auf der Rechtsfolgenseite durch § 30 Abs. 1 Satz 2 IfSG eröffneten Ermessens unterliegt die streitgegenständliche Absonderungsverfügung einer eingeschränkten verwaltungsgerichtlichen Kontrolle dahingehend, ob der Beklagte insoweit die gesetzlichen Grenzen seines Ermessens gewahrt bzw. von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat, § 114 Satz 1 VwGO.
Nach Maßgabe dieses Prüfungsmaßstabes ist die hier von dem Beklagten getroffene Entscheidung zur Absonderung des Klägers nicht zu beanstanden. Namentlich ist er zutreffend davon ausgegangen, dass es sich bei der den Empfehlungen des RKI entsprechenden häuslichen Absonderung nicht nur um ein geeignetes, sondern auch das mildeste Mittel handelte, um der Gefahr einer Weiterverbreitung des Virus zu begegnen (vgl. ebenso: Sächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 3. März 2021 – 3 B 15/21 -, juris Rn. 58; Verwaltungsgericht Köln, Urteil vom 14. Februar 2023 -7 K 4693/20 -, juris Rn. 46; Verwaltungsgericht Cottbus, Beschluss vom 15. Oktober 2020 – VG 3 L 475/20 -, juris Rn. 26).
Auch die Dauer der dem Kläger gegenüber angeordneten Absonderung ist nicht zu beanstanden. Das im Hinblick auf den mit der Absonderung verbundenen erheblichen Grundrechtseingriff in zeitlicher Hinsicht zu wahrende erforderliche Mindestmaß bestimmt sich insbesondere nach der Dauer der Infektiösität sowie der Inkubationszeit der betreffenden Krankheit. Nach den im hier relevanten Zeitpunkt geltenden Empfehlungen des RKI war es zur Vermeidung der Ausbreitung des Coronavirus notwendig, Kontaktpersonen über die 14tägige Dauer der maximalen Inkubationszeit zu isolieren und einem Gesundheitsmonitoring zu unterziehen (vgl. RKI, Kontaktpersonen-Nachverfolgung bei respiratorischen Erkrankungen durch das Coronavirus SARS-CoV-2, Stand: 24.09.2020, ursprünglich abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Kontaktperson/Management.html ; und SARS-CoV-2 Steckbrief zur Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19), Stand: 2.10.2020, ursprünglich abrufbar unter https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief.html ; hier zitiert nach Verwaltungsgericht VG Karlsruhe, Beschluss vom 13. Oktober 2020 – 8 K 4139/20 –, juris Rn. 14).
Entgegen der Auffassung des Klägers war der Beklagte schließlich auch nicht verpflichtet, nach Vorliegen des negativen Testergebnisses am 13. Oktober 2020 die Absonderung aufzuheben. Vielmehr ließ ein negativer PCR-Test während der Inkubationszeit nach den eindeutigen Handlungsempfehlungen des RKI die Notwendigkeit des Gesundheitsmonitorings nicht entfallen und führte deshalb nicht zu einer Verkürzung der Quarantänezeit. Denn die Möglichkeit einer Infektion mit SARS-CoV-2 wurde hierdurch nicht hinreichend zuverlässig ausgeschlossen (vgl. ebenso: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Beschluss vom 15. Januar 2021 – 1 S 4180/20 -, juris Rn. 41; Verwaltungsgericht Köln, Urteil vom 14. Februar 2023 – 7 K 4693/20 -, juris Rn. 46 ff.; Verwaltungsgericht Karlsruhe, Beschluss vom 13. Oktober 2020 – 8 K 4139/20 -, juris Rn. 15; Verwaltungsgericht Cottbus, Beschluss vom 15. Oktober 2020 – VG 3 L 475/20 -, juris Rn. 28). Die Tests wiesen eine gewisse Fehleranfälligkeit auf und führten bei symptomfreien Menschen nicht zu einer zuverlässigen Aussage über die Virusfreiheit. Falsch-negative Tests konnten z.B. aufgrund schlechter Qualität der Probenahme, unsachgemäßem Transport oder ungünstigem Zeitpunkt (bezogen auf den Krankheitsverlauf) der Probenahme vorkommen. Daher ließ sich das hohe Ausgangsrisiko der Weiterverbreitung, das Kontaktpersonen der Kategorie I anhaftete, nach seinerzeitigem Erkenntnisstand mit einem negativen Test nicht so weit minimieren, dass eine Absonderung entbehrlich gewesen wäre.
Die ergriffene Maßnahme war zudem angemessen. Das Gericht verkennt nicht, dass mit der Maßnahme spürbare Eingriffe in die persönliche Freiheit einhergingen. Die zeitlich auf den überschaubaren Zeitraum von einigen Tagen begrenzten Einschränkungen waren dem Kläger jedoch mit Rücksicht auf überwiegende öffentliche Belange zumutbar. Soweit dieser geltend macht, er habe in der Zeit der Absonderung sein Restaurant nicht betreiben können, wird nochmals darauf verwiesen, dass das Lokal aufgrund einer gesonderten behördlichen Anordnung geschlossen war, gegen die der Kläger nicht rechtlich vorgegangen ist, so dass sein Einwand schon aus diesem Grunde nicht überzeugt.
Die unter den Ziffern 2 bis 5 des schriftlichen Bescheides angesprochenen Pflichten betrafen Folgemaßnahmen und fanden ihre Rechtsgrundlage in § 29 IfSG.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 2 VwGO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Rechtsmittelbelehrung: