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Entscheidung 9 UF 40/21


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 1. Senat für Familiensachen Entscheidungsdatum 29.02.2024
Aktenzeichen 9 UF 40/21 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2024:0229.9UF40.21.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Amtsgerichts Bad Liebenwerda vom 5. Januar 2021 - Az. 21 F 181/20 - teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Der Antragsgegner wird verpflichtet, an die Antragstellerin für das minderjährige Kind C... B..., geboren am … 2014, rückständigen Kindesunterhalt für die Zeit von Februar 2020 bis einschließlich Februar 2024 in Höhe von insgesamt 2.889,37 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus einem Betrag von 2,291,50 EUR seit dem 11. September 2020 zu zahlen.

Der weitergehende Antrag der Antragstellerin auf Zahlung rückständigen und laufenden Kindesunterhalts für den Sohn C... B... wird abgewiesen.

Die weitergehende Beschwerde des Antragsgegners wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens erster Instanz hat der Antragsgegner zu tragen. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Der Beschwerdewert wird auf bis 3.500 EUR festgesetzt.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

1.

Die Beteiligten streiten um laufenden sowie seit Februar 2020 rückständigen Kindesunterhalt für ihren gemeinsamen Sohn, den am … 2014 geborenen C... B..., der nach Trennung seiner Eltern im Haushalt der Antragstellerin betreut und versorgt wird.

Mit am 1. Februar 2020 zugegangenem Schreiben ist der Antragsgegner wegen Kindesunterhalts zur Auskunftserteilung und sodann unter dem 17. März 2020 zur Titulierung des Mindestunterhalts aufgefordert worden.

Eingehend im Juni 2020 hat die Antragstellerin sodann den Antragsgegner wegen eines Unterhaltsrückstands aus Februar bis Juni 2020 in Höhe von 1.335 EUR und auf Zahlung eines laufenden monatlichen Kindesunterhalts ab Juli 2020 in Höhe von 100 % des Mindestunterhalts der jeweiligen Altersstufe in Anspruch genommen. Für den Sohn werden seit September 2020 Unterhaltsvorschussleistungen bezogen. Die Antragstellerin hat ihren Zahlungsantrag (für den Rückstand und den laufenden Kindesunterhalt) mit Schriftsatz vom 5. Januar 2021 entsprechend angepasst.

Der Antragsgegner hat insgesamt Antragsabweisung beantragt und behauptet, beide Eltern würden in annähernd gleichem Maße zur Betreuung und Versorgung des Kindes beitragen und erfüllten damit ihre Unterhaltsverpflichtung. Er hat weiter behauptet, zudem finanziell zu nicht unwesentlichen Versorgungsleistungen des Sohnes (Verpflegung in der Kita, Sportverein, Musikschule) beigetragen zu haben. Schließlich hat er den Einwand der Leistungsunfähigkeit erhoben.

Mit Beschluss vom 5. Januar 2021 hat das Amtsgericht den Antragsgegner zur Zahlung rückständigen Kindesunterhalts für Februar 2020 bis einschließlich Januar 2021 im Gesamtumfang von 2.441,40 EUR und für die Zeit ab Februar 2021 zur monatlichen Zahlung von 100 % des Mindestunterhalts der jeweiligen Altersstufe abzüglich des anzurechnenden Kindergeldes und abzüglich des Unterhaltsvorschusses verpflichtet. Wegen der Begründung wird auf die Beschlussgründe verwiesen.

Gegen diese Entscheidung wendet sich der Antragsgegner mit seiner Beschwerde, mit der er weiterhin die Abweisung der Zahlungsanträge zu erreichen sucht. Er wiederholt und vertieft hierzu sein Vorbringen aus erster Instanz und rügt die ausgebliebene Anrechnung des Coronabonus` von insgesamt 300 EUR im September und Oktober 2020. Er ergänzt sein Vorbringen im Beschwerdeverfahren dahin, dass er seit Mai 2021 (richtig seit April 2021) als Kaufmann für Büromanagement in Vollzeit zu einem Bruttofestgehalt von 2.400 EUR beschäftigt ist. Er ist ferner am 6. Juni 2021 Vater eines weiteren Sohnes geworden, der in seinem - gemeinsam mit der Mutter dieses Kindes geführten - Haushalt betreut und versorgt wird; die Kindesmutter hat Elternzeit genommen und zu diesem Zwecke ihre Berufsausbildung unterbrochen. Mit Blick auf diese hinzugetretene Unterhaltsverpflichtung macht er eine jedenfalls nur noch eingeschränkte Leistungsfähigkeit geltend.

Die Antragstellerin hatte ihrerseits gegen den Beschluss des Amtsgerichts Beschwerde eingelegt, die sich ausschließlich gegen die Kostenentscheidung richtete. Nach Hinweis auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hat die Antragstellerin diese Beschwerde mit Schriftsatz vom 19. Januar 2021 zurückgenommen. Sie verfolgt ihr Beschwerdeziel nunmehr im Wege der Anschlussbeschwerde weiter, die sie am 1. März 2021 eingereicht hat.

Der Senat hatte unter dem 15. Juni 2021 eine Entscheidung im schriftlichen Verfahren angekündigt; keiner der Beteiligten ist dieser Verfahrensweise entgegen getreten. Zu dem neuen Vorbringen des Antragsgegners hatte der Senat ferner unter dem 21. Juli 2022 festgestellt, dass die Antragstellerin darauf im Kern nicht erwidert hat, dieses also unstreitig ist. Die gleichzeitig an den Antragsgegner ergangene Auflage zur Aktualisierung seines Verdienstes ist ebenfalls unbeantwortet geblieben.

2.

Die Beschwerde des Antragsgegners ist zulässig und hat - gründend entscheidend auf der im laufenden Beschwerdeverfahren hinzugetretenen Unterhaltsverpflichtung gegenüber einem weiteren minderjährigen Kind - teilweise Erfolg.

Auch die Anschlussbeschwerde der Antragstellerin ist zulässig. Das Amtsgericht hat zwar seine Kostenentscheidung insgesamt ausdrücklich nur auf § 243 FamFG gestützt, die angeordnete Kostenbeteiligung der Antragstellerin fußt aber erkennbar auf der Teilantragsrücknahme (wegen des zwischenzeitlichen Bezuges von Unterhaltsvorschussleistungen) und somit (konkludent) auch auf § 269 Abs. 3 ZPO. Die darauf gestützte Kostenbeteiligung der Antragstellerin am Verfahren erster Instanz ist zwar nicht der Beschwerde nach § 58 FamFG, wohl aber der sofortigen Beschwerde nach § 269 Abs. 5 ZPO zugänglich - eine Vorschrift, die ihrerseits nicht zu deren Lasten die Möglichkeit einer Anschlussbeschwerde verwehren soll (vgl. dazu BGH, Urteil vom 27. Juni 1955, Az. II ZR 232/54 - Rdnr. 25 bei juris; KG, Urteil vom 15. Oktober 2020, Az. 12 U 49/18 - Rdnr. 103 bei juris). Die Anschlussberufung der Antragstellerin wahrt die Frist des § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO und ist damit insgesamt zulässig. Sie ist in der Sache selbst auch begründet.

a)

Der Antragsgegner ist nach Maßgabe seiner Leistungsfähigkeit gemäß §§ 1601 ff. BGB und im gesamten Streitzeitraum weiterhin allein zur Zahlung des Barunterhalts für seinen Sohn C... B... verpflichtet.

Das Amtsgericht hat mit Recht und - der ausdrücklich zitierten höchstrichterlichen Rechtsprechung insoweit folgend - mit zutreffender Begründung, auf die zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen Bezug genommen wird, festgestellt, dass auch in Ansehung des erweiterten Umgangs des Antragsgegners mit dem Sohn C... weiterhin das Schwergewicht der Betreuung bei der Antragstellerin liegt und diese deshalb ihre Unterhaltspflicht im Sinne von § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB durch Pflege und Erziehung des Kindes erfüllt, während der Antragsgegner (allein) barunterhaltspflichtig bleibt. Diese Feststellungen werden durch das ergänzende Vorbringen im Beschwerderechtszug nicht tauglich in Frage gestellt.

Zwar ergibt sich aus dem - unbestritten gebliebenen und deshalb hier zugrunde zu legenden - weiteren Vorbringen des Antragsgegners zum tatsächlichen Umfang seines Umgangsrechts in den Jahren 2020 und 2021, dass dieser zeitweise deutlich über den im Vergleich vom 5. Mai 2020 (Az. 21 F 88/20 des Amtsgerichts Bad Liebenwerda) vereinbarten Umgang zwischen C... und dem Antragsgegner hinausgegangen ist und sich - jedenfalls in zeitlicher Hinsicht - einer Mitbetreuung angenähert hat (im Jahr 2020 Betreuungsanteile der Mutter von 60 : 40 Prozent und im Jahr 2021 Betreuung der Mutter von 57 : 43 Prozent). Dieser zeitlichen Dimension der Mitbetreuung kommt zwar eine Indizwirkung bei; sie ist jedoch allein nicht geeignet, die Feststellung der - auch durch das im Umgangsvergleich festgelegte Residenzmodell manifestierten - fortgesetzten Hauptbetreuung C...s durch die Antragstellerin in Frage zu stellen (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 12. März 2014, Az. XII ZB 234/13 - Rdnr. 30 bei juris; Beschluss vom 5. November 2014, Az. XII ZB 599/13 - Rdnr. 20/25 bei juris und hier ausdrücklich auch für einen Fall der Mitbetreuung im Umfang von bis zu knapp 47 Prozent).

Greifbare und belastbare Anknüpfungstatsachen dafür, dass der Antragsgegner im Streitzeitraum dem Kind im Zuge seines erweiterten Umgangsrechts Leistungen erbracht hat, mit denen er den Unterhaltsbedarf des Kindes auf andere Weise als durch Zahlung einer Geldrente teilweise gedeckt hat, sind auch im Beschwerdeverfahren nicht substantiiert dargelegt bzw. unter Beweis gestellt worden.

b)

Ausgehend von dieser unveränderten alleinigen Barunterhaltsverpflichtung des Antragsgegners hat das Amtsgericht wiederum mit Recht und mit zutreffender Begründung festgestellt, dass der Einwand unzureichender Leistungsfähigkeit von dem insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Antragsgegner nicht tragfähig erhoben worden ist und dieser sich deshalb jedenfalls fiktiv als uneingeschränkt leistungsfähig für den georderten Mindestunterhalt des Sohnes C... B... behandeln lassen muss - jedenfalls bis zur Geburt des weiteren Kindes am … 2021. Der Senat teilt nach eigener kritischer Würdigung des Vorbringens des Antragsgegners hierzu ausdrücklich die Einschätzung des Amtsgerichts, dass der Antragsgegner aufgrund seiner Vorbildung eine leidensgerechte (“Schreibtisch“-) Tätigkeit hätte ausüben können und müssen, mit der ein für den Mindestunterhalt eines Kindes auskömmliches Einkommen hätte erzielt werden können. Es soll nicht in Zweifel gezogen werden, dass der Antragsgegner aufgrund seines Bandscheibenleidens nicht mehr als Tiefbauer arbeiten konnte; der Antragsgegner hatte aber neben seiner Ausbildung als Maurer auch eine solche als Bankkaufmann absolviert, in diesem Beruf tatsächlich auch zeitweise gearbeitet und war bis 2014 immer wieder auch als Verkäufer oder als Bürokraft erwerbstätig. Das Beschwerdevorbringen des Antragsgegners stellt diese Feststellungen des Amtsgerichts - für den Streitzeitraum von Februar 2020 bis einschließlich Mai 2021 - nicht (tauglich) in Frage.

Zu berücksichtigen war allerdings - wie der Antragsgegner unwidersprochen und damit zutreffend einwendet - dass im September und Oktober 2020 als „Coronabonus“ der Bundesregierung Beträge von 200 bzw. 100 EUR an die (kindergeldberechtigte) Antragstellerin ausgezahlt worden sind, die jeweils hälftig auf den Barunterhalt des C... B... anzurechnen sind.

Die rechtliche Einordnung des Corona-Kinderbonus ist zwar nicht unumstritten, nach Gesetzessystematik, Begründung und Gesetzeszweck ist er jedoch als eine Form des Kindergeldes und damit als Einkommen des Kindes zu behandeln. Dafür spricht nicht nur die Gesetzesbegründung („Kindergeld“), sondern auch, dass sich die entsprechenden Regelungen in den das Kindergeld betreffenden Vorschriften im Bundeskindergeldgesetz und Einkommensteuergesetz finden. Sinn des Gesetzes ist zudem nicht in erster Linie, den betreuenden Elternteil wegen fehlender Betreuungsmöglichkeiten in der Pandemie zu entlasten, sondern vorwiegend die Konjunktur zu stärken, was ebenfalls dafür spricht, die Zahlung in gleicher Weise wie das Kindergeld beiden Elternteilen zu Gute kommen zu lassen. Der Senat schließt sich daher der diesbezüglichen überzeugenden Einordnung des Kinderbonus in der überwiegenden Rechtsprechung und Literatur an (vgl. dazu OLG Koblenz, Beschluss vom 1. Dezember 2020, Az. 13 UF 375/20; OLG Saarbrücken, Beschluss vom 20. Juli 2021, Az. 6 UF 167/20; Staudinger/Klinkhammer, BGB, 2022, § 1603 Rdnr. 91 a BGB).

Der Unterhaltsanspruch des C... B... gegen den Antragsgegner beträgt daher im September 2020 tatsächlich nur 2,00 EUR (= 322 EUR abzgl. UVG-Leistung von 220 EUR abzüglich hälftigem Coronabonus von 100 EUR) und im Oktober 2020 nur 52 EUR (= 322 - 220 - 50 EUR).

Jenseits dessen ist der Antragsgegner für die Zeit von Februar 2020 bis einschließlich Mai 2021 zu Recht auf der Grundlage uneingeschränkter Leistungsfähigkeit für 100 % des Mindestunterhalts der jeweiligen Altersstufe abzüglich des anzurechnenden Kindergeldes und abzüglich des ab September 2020 geleisteten Unterhaltsvorschusses zur Zahlung verpflichtet worden. Es errechnet sich ein Unterhaltsrückstand für diesen Teilstreitzeitraum von insgesamt 2.291,50 EUR (= 2.441,50 - 150 EUR).

c)

Die Tatsache, dass der Antragsgegner am … 2021 Vater eines weiteren Kindes geworden ist, gibt jedoch Anlass zu einer Neubeurteilung seiner Leistungsfähigkeit und führt zu der Feststellung, dass diese seither nur noch eingeschränkt ist.

Der Antragsgegner übt seit April 2021 eine ausbildungsgerechte Vollzeittätigkeit (40-Stunden-Woche) aus, aus der er ein Bruttofestgehalt von 2.400 EUR erwirtschaftet hat. Er hat hierfür eine einfache Wegstrecke von 58 km zurückzulegen und benötigt knapp zwei Stunden täglich für den Arbeitsweg. Damit ist der Rahmen, den das Arbeitszeitgesetz vorgibt, durch diese Erwerbstätigkeit ausgeschöpft, so dass die Verweisung auf einen Zuverdienst aus Nebentätigkeit unzumutbar ist. Die Leistungsfähigkeit des Antragsgegners bemisst sich daher für die Folgezeit nach dem tatsächlich erzielten Nettoverdienst, für die Zeit von Juni bis einschließlich Dezember 2021 also mit 1.569,64 EUR. Mit Blick auf die vom Antragsgegner aufzuwendenden (Pkw-)Fahrtkosten ist die Bereinigung um pauschal monatlich 5 Prozent berufsbedingte Aufwendungen (= 78,48 EUR) nicht zu beanstanden. Die Antragstellerin ist diesem Vorbringen auch nicht entgegen getreten.

Entgegen der Berechnung des Antragsgegners steht ihm danach allerdings nicht lediglich ein Betrag von 331,16 EUR für den Unterhalt seiner beiden Söhne zur Verfügung. Insoweit ist nämlich zu berücksichtigen, dass der Antragsgegner einen gemeinsamen Haushalt mit der Mutter des nachgeborenen Sohnes führt, was die Annahme rechtfertigt, dass die gemeinsame Haushalts- und Wirtschaftsführung mit Ersparnissen einhergeht, die die Reduzierung des Selbstbehalts um regelmäßig 10 Prozent rechtfertigt. Diese höchstrichterlich anerkannte Kürzung des (notwendigen) Selbstbehalts (vgl. dazu BGH FamRZ 2008, 594; 2012, 281) setzt zwar voraus, dass die Lebenspartnerin aus eigenen Einkünften angemessen zu den Kosten der gemeinsamen Lebensführung beitragen kann. Im Streitfall hat der Antragsgegner sich jedoch darauf beschränkt mitzuteilen, dass die Mutter seines jüngsten Sohnes ihre Berufsausbildung unterbrochen und Elternzeit genommen hat. Dann aber muss erwartet werden, dass sie Elterngeld bezieht und damit zu den Kosten der gemeinsamen Lebensführung beitragen kann, wenn auch nur in eingeschränktem Maße. Der Senat geht bei dieser Sachlage davon aus, dass der notwendige Selbstbehalt (zunächst) um 5 Prozent auf dann noch 1.102 EUR zu reduzieren ist.

Für den Unterhalt beider Kinder stehen danach aus einem bereinigten Nettoerwerbseinkommen von 1.491,16 EUR unter Wahrung des dem Antragsgegner zu belassenden, allerdings auf 1.102 EUR gekürzten Selbstbehalts 389,16 EUR zur Verfügung. In diesem Mangelfall ergibt sich rechnerisch ein Unterhaltsanspruch des C... B... für die Zeit von Juni bis einschließlich Dezember 2021 in Höhe von 212,64 EUR monatlich. Da für den Sohn jedoch bereits Unterhaltsvorschussleistungen von monatlich 232 EUR erbracht wurden und der Unterhaltsanspruch insoweit auf den Landkreis übergangen ist, steht der Antragstellerin für den Sohn C... gegen den Antragsgegner ein weitergehender Zahlungsanspruch nicht zu.

Dasselbe gilt für den Anschlusszeitraum von Januar bis einschließlich Mai 2022. Wegen der Einzelheiten wird insoweit auf die nachstehende Tabelle Bezug genommen.

Das für die Jahre 2022 und 2023 eingesetzte höhere Nettoerwerbseinkommen fußt auf dem Umstand eines höheren Grundfreibetrages und ist nach dem Programm Stotax errechnet. Für das laufende Kalenderjahr hat der Senat - der allgemeinen Lohnentwicklung folgend und unter Berücksichtigung eines dann inzwischen rund 2 3/4 Jahre andauernden Arbeitsverhältnisses - eine zu erwartende Steigerung des Bruttoverdienstes um 150 EUR monatlich als realistisch zugrunde gelegt und daraus ein Nettoerwerbseinkommen von 1.686,51 EUR errechnet.

Mangels konkreten weitergehenden Vortrages des für jeden tatsächlichen Aspekt seiner (eingeschränkten) Leistungsfähigkeit darlegungs- und beweispflichtigen Antragsgegners ist der Senat zugunsten der Antragstellerin davon ausgegangen, dass die Kindesmutter nach Ende des ersten Lebensjahres des nachgeborenen Sohnes L... - also ab Juni 2022 - die Elternzeit beendet und ihren beruflichen Werdegang wiederaufgenommen und daraus Einkünfte erzielt hat. Dies rechtfertigt die Annahme, dass seither nicht mehr der Antragsgegner allein für den Barunterhalt des Sohnes L... einstehen musste. Vielmehr erbringen im hier dann vorliegenden Fall wechselseitiger Erwerbstätigkeit beide Eltern sowohl Betreuungs- wie auch Finanzierungsleistungen für den (geschuldeten Natural-)Unterhalt des gemeinsamen Kindes. Wollte man den - in tatsächlicher Hinsicht gerade nicht allein von ihm getragenen - Barunterhalt für den jüngeren Sohn allein dem Antragsgegner zurechnen, würde der hier betroffene ältere (Halb-)Bruder C... trotz der Gleichrangigkeit nach § 1609 Nr. 1 BGB unangemessen benachteiligt. Liegt aber - wovon hier für die Zeit ab Juni 2022 auszugehen ist - tatsächlich eine Beteiligung auch der Mutter nicht nur in der Betreuung, sondern auch in der Finanzierung des gemeinsamen Kindes vor, ist es gerechtfertigt und zur Wahrung der Gleichrangigkeit aller minderjährigen Kinder tatsächlich auch erforderlich, den auf Seiten des Antragsgegners in eine etwaige Mangelfallberechnung einzusetzenden „Barunterhaltsanspruch“ des nachgeborenen Kindes anteilig nach den wechselseitigen (unterhaltsrechtlich bereinigten) Erwerbseinkünften der Kindeseltern zu berechnen. Die gelebte finanzielle Mitverantwortung der Mutter für den Unterhalt des gemeinsamen Kindes wird also praktisch bedarfsdeckend angerechnet. Der Senat legt in solchen Fällen grundsätzlich das tatsächlich vorhandene Einkommen des anderen Elternteils (hier der Mutter) dieses weiteren Kindes zugrunde, weil sich L... etwaige Erwerbsobliegenheitsverstöße seiner Mutter jedenfalls nicht zurechnen lassen muss. Da für die Bemessung der „Haftungsquote“ des Antragsgegners für den „Barunterhalt“ von L... ein tragfähiger Vortrag fehlt, geht der Senat in ständiger Rechtsprechung von einer hälftigen Beteiligung beider Eltern aus. Daraus folgt, dass in die Mangelfallberechnung ab Juni 2022 der Unterhaltsanspruch von L... nur mit der Hälfte des Tabellen(zahl)betrages einzustellen ist.

Außerdem ist es unter den vorbeschriebenen Umständen, namentlich also der hier anzunehmenden Einkünfte der Kindesmutter aus wiederaufgenommener Berufs(ausbildungs)tätigkeit ab Juni 2022 nicht mehr gerechtfertigt, die Reduzierung des Selbstbehalts des Antragsgegners auf 5 Prozent zu beschränken.

Auch mit diesen der Antragstellerin günstigen Berechnungsansätzen ergibt sich - unter Berücksichtigung der in der Vergangenheit vereinnahmten und fortlaufend in Anspruch genommenen Leistungen nach dem UVG ein weitergehender Zahlungsanspruch gegen den Antragsgegner nur in den Monaten Juni bis Dezember 2022 im Umfang von monatlich 85,41 EUR, insgesamt für diesen Zeitraum also von 597,87 EUR.

Auf die nachstehende Tabelle wird verwiesen.

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                      

           
 

06-12/2021

01 - 05/2022

06 - 12/2022

2023

2024

Einkommen Antragsgegner

         

Erwerbseinkommen, netto

1.569,64

1.577,75

1.577,55

1.600,71

1.686,51

abzgl. pauschal 5 %

-78,48

-78,89

-78,88

-80,04

-84,33

           

unterhaltsrelevantes Einkommen

1.491,16

1.498,86

1.498,67

1.520,67

1.602,18

           

Unterhaltsbedarf

         

C... B..., * …2014

341,50

345,50

345,50

377,00

426,00

L... B..., * …2021

283,50

286,50

143,25

156,00

177,50

           
           

Gesamtunterhaltsansprüche

625,00

628,50

488,75

533,00

603,50

           

Verteilungsmasse

         

Einkommen Agg

1.491,16

1.498,86

1.498,67

1.520,67

1.602,18

abzgl reduzierter Selbstbehalt

-1.102,00

-1.102,00

-1.044,00

-1.233,00

-1.305,00

ergibt

389,16

396,86

454,67

287,67

297,18

           

Zahlungsansprüche im Mangelfall

         

C... B..., * …2014

212,64

218,16

321,41

203,48

209,78

L... B..., * …2021

176,52

178,70

133,26

84,20

87,41

           

abzgl UVG-Leistungen

-232,00

-236,00

-236,00

-252,00

-301,00

Restanspruch

-19,36

-17,84

85,41

-48,52

-91,22

           

Es ergibt sich also für den Zeitraum von Februar 2020 bis einschließlich Februar 2024 ein Gesamtzahlungsanspruch der Antragstellerin für den Sohn C... B... gegen den Antragsgegner nur in Höhe von 2.889,37 EUR (= 2.291,50 + 597,87 EUR).

Ein Anspruch auf laufende Unterhaltszahlung ab März 2024 besteht danach nicht.

3.

Die Kostenentscheidung beruht für beide Instanzen auf § 243 FamFG.

Für das Verfahren erster Instanz tritt die Antragstellerin ihrer Kostenbeteiligung mit Recht entgegen. Tatsächlich war ihr Zahlungsantrag zulässig und in vollem Umfange begründet. Die aufgrund des gesetzlichen Forderungsübergangs vorgenommene Beschränkung des Zahlungsantrages auf den überschießenden Betrag rechtfertigt ihre Kostenbelastung nicht, weil sie die unterhaltsrechtliche (Gesamt-)Zahlungsverpflichtung des Antragsgegners, der seinerseits säumig war und damit den Eintritt des Neugläubigers verursacht hat, nicht berührt.

Im Beschwerdeverfahren rechtfertigt sich die Kostenbeteiligung der Antragstellerin aus dem Umstand, dass sie selbst eine unzulässige Beschwerde geführt und diese zurückgenommen hat und im Übrigen eine neue tatsächliche Entwicklung vorliegt mit der Folge, dass das Verteidigungsvorbringen des Antragsgegners nunmehr teilweise Erfolg hatte. Dieses allgemeine Verfahrens(kosten)risiko neuer tatsächlicher Entwicklungen im Unterhaltsrecht müssen beide Beteiligten gleichermaßen tragen.

Die Festsetzung des Beschwerdewerts beruht auf §§ 40 Abs. 1 Satz 1, 39 Abs. 2, 51 Abs. 1 und 2, 42 Abs. 1 FamGKG. Der Wert für die Beschwerde des Antragsgegners beträgt 2.989 EUR (= Zahlungsverpflichtung nach dem angefochtenen Beschluss für die Zeit von Februar 2020 bis einschließlich Juni 2021). Für die auf den Kostenpunkt beschränkte Anschlussbeschwerde der Antragstellerin hat der Senat - wegen der Überprüfung der Kostenentscheidung von Amts wegen schon auf das Hauptrechtsmittel des Antragsgegners - den Mindestwert von bis zu 500 EUR in Ansatz gebracht.

Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 70 Abs. 2 FamFG) liegen nicht vor.