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Entscheidung 11 Ks 10/22


Metadaten

Gericht LG Neuruppin 1. Große Strafkammer Entscheidungsdatum 08.06.2022
Aktenzeichen 11 Ks 10/22 ECLI ECLI:DE:LGNEURU:2022:0608.11KS10.22.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus wird angeordnet.

Die Einziehung des sichergestellten Teleskopschlagstocks, des Schlagrings, der neun Wurfsterne, der zwei Morgensterne sowie der drei Butterflymesser wird angeordnet.

Die Kosten des Verfahrens hat der Beschuldigte zu tragen.

Angewandte Vorschriften:    §§ 20, 63 StGB (§§ 211, 22, 23 Abs. 1; 224 Abs. 1 Nr. 2, 5; 52, 53 StGB; §§ 52 Abs. 3 Nr. 1, 54 Abs. 1, 2 WaffG)

Gründe

(abgekürzt nach § 267 Abs. 4 StPO)

I. Feststellungen zur Person

Der zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung -jährige Beschuldigte wuchs gemeinsam mit seiner älteren Schwester im Haushalt seiner Eltern, der Zeugen M. G.-M. und W. M., in auf. Zu seiner Mutter hegt er ein enges, zu seinem Vater ein eher distanziertes Verhältnis.

Der normal intelligente Beschuldigte wurde regulär eingeschult und erwies sich zunächst als durchschnittlicher Schüler. Er entwickelte aber noch während der der Grundschulzeit psychische Auffälligkeiten, insbesondere erhebliche Unsicherheiten hinsichtlich seines Körpers, und begann, sich sozial zurückzuziehen.

Gegen Ende der Grundschulzeit kam es auch zu einem deutlichen Leistungsabfall bei dem Beschuldigten, und er wechselte auf die Hauptschule. Zu seinen Unsicherheiten kam eine Abneigung im Umgang mit Fetten und Ölen, welche sich in den folgenden Jahren bis hin zu einer Kontaminationsangst intensivierte. Diese äußerte sich dergestalt, dass sich der Beschuldigte ständig die Hände wusch und versuchte, jeglichen Kontakt mit Fetten zu vermeiden. Er beendete dennoch die Hauptschule und machte nach seinem Schulabschluss – insbesondere auf Druck seines Vaters – eine Ausbildung zum Feinmechaniker. Obgleich ihm diese Arbeit wegen seines Waschzwangs nicht lag, arbeitete er anschließend einige Zeit in der Firma seines Cousins als Feinmechaniker.

Im Januar trat der Beschuldigte seinen Wehrdienst bei der Bundeswehr an. Aufgrund seiner psychischen Auffälligkeiten wurde er allerdings nach nur vier Wochen wieder ausgemustert. Seither lebte der Beschuldigte – abgesehen von kurzen Beschäftigungen und Maßnahmen – von Sozialleistungen und bewohnte einen Kellerraum im Haus seiner Eltern. Die ihm eigentlich zur Verfügung stehende Einliegerwohnung wollte der Beschuldigte aus Angst, diese zu verschmutzen, nicht nutzen. Die Tage verbrachte er im Wesentlichen damit, Arbeiten am Haus zu erledigen.

Vermutlich in der Silvesternacht 2007/2008 kam es erstmalig zu einem ausgeprägten Verfolgungsgefühl des zu diesem Zeitpunkt stark alkoholisierten Beschuldigten, welches als symptomatischer Vorläufer der bei dem Beschuldigten seit spätestens 2012 bestehenden, ausgeprägten paranoiden Schizophrenie (ICD-10: F20.0) zu bewerten ist. Trotz mehrerer – teils ambulanter, teils stationärer – psychiatrischer Behandlungen wurde die sich fortschreitend ausprägende Schizophrenie allerdings nicht diagnostiziert. Im Jahr 2021 kam es schließlich zu einem immer dynamischeren Krankheitsprozess. Die Symptomatik der Schizophrenie ist insbesondere dadurch gekennzeichnet, dass der Beschuldigte überall Zeichen und Botschaften sieht und auf sich bezieht, sich von Nazis und Tierfreunden verfolgt und beobachtet fühlt und Veränderungen an Gegenständen wahrnimmt. Diese Wahrnehmungen und Vorstellungen des Beschuldigten führen insgesamt zu einem Verfolgungswahn.

Zudem besteht bei dem Beschuldigten eine Alkoholabhängigkeit (ICD-10: F 10.2). In seiner Jugend konsumierte der Beschuldigte parallel zu den sich steigernden psychischen Auffälligkeiten regelmäßig Alkohol. Einen ab seinem 16. Lebensjahr zunächst täglichen Cannabiskonsum hat er nach eigenen Angaben im Alter von 19 Jahren eingestellt. Stattdessen steigerte er seinen Alkoholkonsum, was vermutlich als Versuch einer Selbstmedikation zu begreifen ist.

Der Auszug des Bundeszentralregisters des Beschuldigten weist keine Eintragungen auf. Eine Verurteilung zu einer Geldstrafe durch das Amtsgericht aus dem Jahr 2008 wegen eines in der Silvesternacht 2007/2008 begangenen fahrlässigen Vollrausches wurde zwischenzeitlich gelöscht. Zwei Strafverfahren aus dem Jahr 2021 – eines wegen Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten sowie eines wegen gefährlicher Körperverletzung – wurden zwischenzeitlich vorläufig eingestellt.

Er wurde in dieser Sache am vorläufig festgenommen und befand sich seither aufgrund Unterbringungsbefehls des Amtsgerichts vom selben Tage, Az. , im Maßregelvollzug des in .

II. Sachverhaltsfeststellungen

Nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus Ende entwickelte der Beschuldigte die Überzeugung, dass man ihn vergiftet habe. Da er nicht allein sterben wollte, suchte er den Kontakt zu seinen Eltern, insbesondere zu seiner Mutter. Aus ihren Äußerungen und beim gemeinsamen Anschauen von Fotos verdichtete sich jedoch sein Verdacht, dass seine Eltern mit seinen Verfolgern unter einer Decke steckten und kurz davor seien, diese ins Haus zu lassen. Hiervon beherrscht beging der Beschuldigte folgende Taten, bei denen seine Steuerungsfähigkeit aufgrund der Psychose vollständig ausgeschlossen war:

Im Vorfeld des Tatgeschehens vom versteckte der Beschuldigte, der ein Faible für Waffen hat, zunächst zu nicht konkret eingrenzbaren Zeitpunkten in dem gemeinsam mit seinen Eltern bewohnten Haus in einem Lüftungsschacht, der als vormaliger Schornstein vom Badezimmer im ersten Stock zum Flur im Erdgeschoss führt, diverse Gegenstände, nämlich insbesondere einen Schlagring, neun Wurfsterne und drei Butterflymesser. Diese Waffen wurden später sichergestellt.

Weiterhin versteckte er in dem Schacht drei Metallscheren, zwei Morgensterne, ein Metallskalpel mit drei weiteren Skalpelklingen, acht Cuttermesserklingen, eine selbstgebaute Ahle, einen Holzgriff mit ca. 1cm langer Klinge, ein Schleifstahl, ein Fahrten- und ein Jagdmesser jeweils mit Scheide, fünf Gebrauchsmesser, ein Stechbeitel, ein blaues „Schweizer Messer“, einen Nothammer, ein verrostetes Fleischerbeil und ein stark verrostetes Messer.

Nachdem sein Vater mit dem Beschuldigten den Vormittag des im Haus verbracht hatte, kam gegen 15:00 Uhr die spätere Geschädigte G.-M. nach Hause und begab sich auf Wunsch ihres Sohnes zu diesem in eine Sitzecke im Flur des Obergeschosses, welche sich vor dem Badezimmer befindet. Dort unterhielten sie sich über mehrere Stunden. Spätestens jetzt war der Beschuldigte aufgrund seines akuten psychotischen Erlebens vollständig überzeugt, dass seine Mutter andere dabei unterstützen würde, ihn umzubringen. Er fasste daher den Entschluss, seine Mutter zu töten.

In Umsetzung dieses Plans bat er die Geschädigte daher gegen 20.00 Uhr, mit ihm ins Badezimmer zu gehen. Dort setzten sich beide zunächst auf den Badewannenrand, um sich weiter zu unterhalten. Nach einiger Zeit verließ der Beschuldigte unter einem Vorwand das Bad und holte aus dem nebenan gelegenen Elternschlafzimmer einen dort vorab deponierten Teleskopschlagstock. Mit diesem begab er sich zurück ins Bad. Dort stand die Geschädigte G.-M. inzwischen mit dem Rücken zur Badezimmertür und schaute aus dem Fenster. Der Beschuldigte näherte sich der Geschädigten mit dem zwischenzeitlich auseinandergezogenen 53 cm langen Teleskopschlagstock von hinten, fasste ihr, ohne zuvor noch etwas zu sagen, mit der Hand ins Gesicht und drückte ihr den Mund halb zu. Ohne dass die Geschädigte damit rechnete, schlug der Beschuldigte mit dem Teleskopschlagstock wuchtig in nicht mehr aufklärbarer Abfolge und Anzahl mehrfach kurz hintereinander auf ihren Kopf, Oberkörper und Oberarme ein, um die Geschädigte zu töten. Dabei war ihm bewusst und er hatte zur Umsetzung seines Tatplans gezielt darauf gebaut, dass der Übergriff für die Zeugin völlig überraschend kam und sie in ihren Verteidigungsmöglichkeiten stark eingeschränkt war, weil sie aufgrund ihrer Position und der beengten Räumlichkeiten keine Möglichkeit hatte, die Gefahr zu erkennen bzw. sich gegen den Angriff zur Wehr zu setzen.

Trotz der Schläge und des Versuchs des Beschuldigten, ihr den Mund zuzuhalten, gelang es der Geschädigten G.-M., um Hilfe zur rufen. Dies hörte der Vater des Beschuldigten, W. M., und eilte ins Obergeschoss. Als er das Badezimmer erreichte, kniete der Beschuldigte noch auf der nunmehr am Boden liegenden Geschädigten G.-M. und schlug dieser – trotz der Versuche des Geschädigten M., den Beschuldigten wegzuziehen – noch mindestens zehn Mal mit voller Kraft mit dem Schlagstock auf den Kopf.

Als der Geschädigte M. versuchte, den Beschuldigte von der Geschädigten wegzuziehen, griff dieser den Geschädigten M. seinerseits an und versetzte ihm mindestens zehn Schläge mit dem Teleskopschlagstock auf den Kopf, bis es dem Geschädigten M. gelang, dem Beschuldigten den Schlagstock zu entreißen. Der Beschuldigte holte sodann, während der Geschädigte sich um seine Frau kümmerte, ein zuvor präpariertes und abisoliertes Kabel aus dem Flur vor dem Bad, steckte den Netzstecker im Badezimmer in die Steckdose und versuchte, beiden Geschädigten mit dem abisolierten Ende des Kabels Stromschläge zu versetzen. Dem Geschädigten M. gelang es jedoch, dem Beschuldigten auch das Kabel zu entreißen und im Bad in eine Ecke zu werfen.

Zwischenzeitlich, entweder während sich der Geschädigte M. der Geschädigten G.-M. zuwandte oder nach dem Versuch, seine Eltern mit dem Stromkabel zu verletzen, begab sich der Beschuldigte ins Erdgeschoss des Hauses, verschloss sämtliche Türen unter Mitnahme der Schlüssel und ging wieder ins Obergeschoss. Dort versetzte er sich selbst mit dem abisolierten Stromkabel mehrere Stromschläge, durch die er geringfügige Verbrennungen erlitt.

Die Geschädigten konnten nach dem Angriff ins Erdgeschoss flüchten und von dort telefonisch Rettungskräfte benachrichtigen. Aus glücklichem Zufall hatte der Geschädigte M. seinen Hausschlüssel noch in der Hosentasche und konnte die Wohnungstür öffnen. Die Geschädigten wurden kurz darauf durch die eintreffenden Rettungskräfte medizinisch versorgt, wobei die Geschädigte nicht mehr ansprechbar war.

Die Geschädigte G.-M. erlitt durch die Schläge mit dem Teleskopschlagstock ausgeprägte Schädelhirnverletzungen, insbesondere eine Impressionsfraktur, diverse ausgeprägte Blutungen zwischen den Schädelknochen und den Hirnhäuten, insbesondere im Bereich des linken Schläfenbeins, sowie einen Schädelbasisbruch links und Prellungsblutungen des Hirngewebes. Zudem erlitt sie Brüche des rechten Ellenbogens, des Mittelhandknochens der rechten Hand und beidseitige Rippenserienfrakturen. Aufgrund der massiven Verletzungen bestand die Gefahr einer Hirnschwellung durch Blutungen zwischen den Schädelknochen und harter Hirnhaut, der nur durch eine Notoperation begegnet werden konnte. Wegen des erlittenen offenen Schädel-Hirn-Traumas und zahlreicher Lufteinschlüsse bestand zudem die Gefahr einer Infektion der Hirnhäute sowie des Gehirns selbst. Aufgrund des ganz erheblichen Blutverlusts bestand zusätzlich die Gefahr einer sekundären Gerinnungsstörung, die ihrerseits zum verbluten hätte führen können.

Die Geschädigte wurde zunächst am ins Kreiskrankenhaus verbracht. Im Zeitraum vom befand sie sich stationär auf der Intensivstation und vom auf der Neurochirurgie des Krankenhauses. Ohne die sofort eingeleitete medizinische Versorgung wäre die Geschädigte G.-M. an ihren Verletzungen verstorben.

Der Geschädigte M. erlitt durch die Schläge ein Schädel-Hirn-Trauma, zehn Kopfplatzwunden mit einer Größe von 2-10 cm und durch seine Abwehrhaltung beim Schlag einen Bruch des Köpfchens des zweiten Mittelhandknochens links, der operativ versorgt werden musste. Der Geschädigte befand sich vom in stationärer Behandlung im Kreiskrankenhaus.

Bei dem gesamten geschilderten Tatgeschehen befand sich der Beschuldigte aufgrund der bei ihm bestehenden chronifizierten paranoiden Schizophrenie in einem Zustand, der aufgehobenen Steuerungs- und Hemmungsfähigkeit.

III. Einlassung des Angeklagten und Beweiswürdigung

Die Feststellungen zum Werdegang und zu den Lebens- und Familienverhältnissen des Beschuldigten beruhen im Wesentlichen auf den Darlegungen des Sachverständigen Dr. , Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, dessen Bericht insoweit auf den durch Befragung in Erfahrung gebrachten biografischen Angaben des Beschuldigten beruht und im Übrigen auf den Darstellungen seiner Eltern. Der Beschuldigte hat den Ausführungen des Sachverständigen nicht widersprochen und sie standen im Einklang mit den Schilderungen der Eltern.

Die Feststellungen hinsichtlich der festgestellten Taten beruhen auf den Angaben der Zeugen, sowie dem Ergebnis der kriminalistischen Ermittlungen. Die Zeugen haben den äußeren Geschehensablauf der Taten übereinstimmend und glaubhaft geschildert.

Im Hinblick auf das festgestellte Krankheitsbild und die Schuldunfähigkeit des Beschuldigten im Sinne des § 20 StGB beruhen die Feststellungen auf den Ausführungen des Sachverständigen Dr. , denen die Kammer nach eigener Prüfung gefolgt ist.

Der Sachverständige hat ausgeführt, dass der Beschuldigte an einer schizophrene Psychose (ICD-10: F.20.0) leidet. Dieser Zustand habe sich über die letzten zehn Jahre chronifiziert und bis zur Tat derart zugespitzt, dass der Beschuldigte letztlich in einen hochakuten psychotischen Zustand kam, der durch ein handlungsleitendes, hochdynamisches Wahnerleben mit starken Ängsten und abnormen Bedeutungsideen geprägt war. Beherrscht von seiner schweren paranoiden Angst, dass ihm Verfolger nachstellen und ihn töten wollten, sei er aus subjektiver Notwehr massiv gewalttätig gegen seine Eltern vorgegangen. Gerade der Übergriff auf seine Eltern mache deutlich, wie sehr die akute Symptomatik die inneren Handlungsspielräume des Beschuldigten verformt und die emotionale Bindung und Vertrautheit zerstört habe. Im Ergebnis habe er jedenfalls gegenüber den Eltern keine Hemmungen mehr aufbringen können. Aus diesem Zustand heraus habe der Beschuldigte keinen Zugriff mehr auf normale und rationale Kontrolle und Hemmmechanismen gehabt, sodass es ihm nicht möglich gewesen sei, sein Denken und Handeln in äußeren Regeln und Normen zu orientieren und zu desaktualisieren.

Die Feststellungen zu den strafrechtlichen Vorbelastungen beruhen auf der Verlesung des den Beschuldigten betreffenden Bundeszentralregisterauszugs vom.

IV. Rechtliche Würdigung

Nach diesen Feststellungen hat der Beschuldigte die Tatbestandsvoraussetzungen des versuchten Mordes gemäß §§ 211 Abs. 1, 22, 23 Abs. 1 StGB in Tateinheit gemäß § 52 StGB mit gefährlicher Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2, 5 StGB zum Nachteil der Geschädigten G.- M. verwirklicht, in Tatmehrheit gemäß § 53 StGB mit gefährlicher Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2, 5 StGB zum Nachteil des Geschädigten M., sowie in weiterer Tatmehrheit mit dem vorsätzlichen Verstoß gegen § 2 Abs. 3 WaffG, i.V.m. Anl. 2 Abschn. 1 Nr. 1.3.2, Nr. 1.3.3., Nr. 1.4.3 durch den Besitz der neun Wurfsterne, des Schlagrings und der drei Butterflymesser.

Er durfte für diese Taten aber nicht bestraft werden, weil er im Zustand der Schuldunfähigkeit gemäß § 20 StGB gehandelt hat.

V. Maßregel der Besserung und Sicherung

Zu prüfen war aber – entsprechend dem von Anfang an darauf gerichteten Antrag der Staatsanwaltschaft – die Anordnung einer Maßregel der Besserung und Sicherung gegen den Beschuldigten.

1.

In diesem Rahmen bestand letztlich keine Veranlassung für die Kammer, die Möglichkeit einer Anordnung einer Unterbringung des Beschuldigten in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB ernsthaft in Erwägung zu ziehen. Denn der Sachverständige Dr. hatte dem Beschuldigten zwar überzeugend einen Hang, alkoholische Getränke im Übermaß zu konsumieren, attestiert. Ebenso überzeugend hat aber klargestellt, dass ein symptomatischer Zusammenhang zwischen diesem Hang und den vom Beschuldigten begangenen rechtswidrigen Taten sich nicht herleiten lasse. Damit fehlte es an den rechtlichen Grundlagen für eine Anordnung nach § 64 StGB.

2.

Zu prüfen blieb aber eine Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB.

Eine solche Unterbringung war im Fall des Beschuldigten geboten, weil die Gesamtwürdigung seiner Person und seiner Tat zum Zeitpunkt des Abschlusses der gerichtlichen Beweisaufnahme ergeben hat, dass von ihm infolge seines Zustandes in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind und dass er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Es ist mit hoher Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen, dass der Beschuldigte infolge seiner psychotischen Störung auch künftig weitere Straftaten von erheblichem Gewicht im Sinne des § 63 StGB begehen wird.

Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus beschwert den davon Betroffenen außerordentlich. Sie darf deshalb nur angeordnet werden, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat(en) ergibt, dass von ihm infolge ihres Zustands erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind. Es muss wahrscheinlich sein, dass der Rechtsfrieden durch neue Taten schwer gestört wird. Die Unterbringung darf - im Blick auf § 62 StGB - nicht angeordnet werden, wenn die wegen ihrer unbestimmten Dauer sehr belastende Maßnahme außer Verhältnis zu der Bedeutung der begangenen und zu erwartenden Taten stehen würde. Darüber hinaus kommt die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nur dann in Betracht, wenn weniger einschneidende Maßnahmen keinen ausreichenden zuverlässigen Schutz vor der Gefährlichkeit der Täterin bieten. Dies ergibt sich aus dem – im gesamten Maßregelrecht geltenden und aus dem verfassungsrechtlichen Gesichtspunkt des Übermaßverbots abgeleiteten – Subsidiaritätsprinzip (BGH, Beschluss vom 26. Juni 2007, 5 StR 215/07, zitiert nach Juris). Auch gemessen an diesem strengen Prüfungsmaßstab blieb die Anordnung der Maßregel aber im Fall des Beschuldigten im Ergebnis unausweichlich.

Dass die hier von dem Beschuldigten begangenen Taten, die auf den Tod zweier Menschen abzielten und zumindest in einem Fall dieses Ziel auch beinahe erreicht hätten, erhebliche rechtswidrige Taten im Sinne von § 63 StGB waren, stand außer Frage.

Zu der bei dem Beschuldigten bestehenden Gefährlichkeitsprognose hat der Sachverständige Dr. ausgeführt:

Bei dem Beschuldigten bestehe eine chronifizierte paranoide Schizophrenie. Diese erscheine zwar augenblicklich, unter den Bedingungen der vorläufigen Unterbringung, entaktualisiert, habe aber noch nicht in eine Remission geführt werden können. Auch in der Klinik und trotz hoch dosierter antipsychotischer Medikation dauere das psychotische Erleben an, sodass die Behandlung noch ganz am Anfang stehe.

Das bedeute zugleich, dass der Betroffene als Folge seines Wahnerlebens nicht in der Lage sein werde, seinen Zustand außerhalb der Klinik als krankhaft zu begreifen und an entsprechenden Therapiemaßnahmen angemessen mitzuwirken. Stattdessen werde er erneut in die vorherige psychopathologische Symptomatik zurückfallen. Das Wahnerleben werde wieder für ihn handlungsleitend werden. Er werde wiederum Verfolgungsängste, vorzugsweise gegenüber Bezugspersonen und Menschen aus seinem Nahbereich entwickeln, und er werde wiederum Wege suchen, sich dieser vermeintlichen Verfolgung zu entziehen.

Deshalb seien von dem Beschuldigten weitere rechtswidrige Taten mit vergleichbarer Ausprägung und Schwere wie die hier begangenen mit einem höheren Grad an Wahrscheinlichkeit zu erwarten.

Diesen überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen ist die Kammer nach eigener Prüfung gefolgt und musste demgemäß davon ausgehen, dass der Beschuldigte auch in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten im Sinne von § 63 StGB begehen wird, also solche, die die Opfer seelisch oder körperlich erheblich schädigen oder gefährden.

Unter den gegebenen Umständen konnten auch mildere Maßnahmen als der Vollzug der Maßregel keinen ausreichend zuverlässigen Schutz vor der Gefährlichkeit der Beschuldigten bieten. Insbesondere kam die Aussetzung der Maßregel zur Bewährung nach § 67b StGB nicht in Betracht, weil keine Umstände erkennbar waren, die die Erwartung rechtfertigten, dass der Zweck der Maßregel auch durch eine solche Maßnahme erreicht werden könnte. Denn das schon angesprochene Fortbestehen restlicher Symptome der psychotischen Störung selbst noch nach einer halbjährigen Behandlung im psychiatrischen Krankenhaus ließ einen Therapieerfolg für diesen Fall als eigentlich undenkbar, jedenfalls aber nicht hinreichend wahrscheinlich erscheinen.

Nach alldem hat die Kammer die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB angeordnet.

VI. Kosten

Die Kostenentscheidung folgt aus § 465 Abs. 1 StPO.