Gericht | LG Neuruppin Große Jugendkammer | Entscheidungsdatum | 14.07.2023 | |
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Aktenzeichen | 12 KLs 4/23 jug | ECLI | ECLI:DE:LGNEURU:2023:0714.12KLS4.23JUG.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
1. Der Angeklagte ist des erpresserischen Menschenraubes in Tateinheit mit Raub, räuberischer Erpressung, gefährlicher Körperverletzung in zwei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen, Computerbetrug und versuchtem Computerbetrug schuldig.
Der Angeklagte wird zu einer
Freiheitsstrafe von 5 – fünf – Jahren
verurteilt.
2. Gegen den Angeklagten wird die Einziehung eines Geldbetrages in Höhe von 1.750,00 €, der dem Wert des Erlangten entspricht, in gesamtschuldnerischer Haftung angeordnet.
3. Der von dem Neben- und Adhäsionskläger L. G., geboren am , geltend gemachte Schmerzensgeldanspruch gegen den Angeklagten ist dem Grunde nach gerechtfertigt.
4. Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Nebenklägers. Der Angeklagte hat darüber hinaus die durch den Adhäsionsantrag des Neben- und Adhäsionsklägers vom 13.07.2023 entstandenen besonderen gerichtlichen Kosten und die dem Adhäsionskläger erwachsenen notwendigen Auslagen zu tragen.
5. Der Streitwert für das Adhäsionsverfahren wird auf 10.000,00 € festgesetzt.
Angewandte Vorschriften:
§§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 2 und 4, 239a Abs. 1 Alt. 2, 249 Abs. 1, 253 Abs. 1, 255, 263a Abs. 1 Alt. 3 und Abs. 2, 22, 23, 25 Abs. 2, 52, 73, 73c StGB
(abgekürzt nach § 267 Abs. 4 StPO)
I. Feststellungen zur Person
Der zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung ... Jahre alte Angeklagte wurde als ältestes von sechs gemeinsamen Kindern seiner Eltern geboren. Er wuchs bis zur Trennung seiner Eltern im Jahr 2010 mit diesen in ... auf. Aus einer früheren Beziehung seiner Mutter gingen zwei ältere Halbbrüder und aus einer nachfolgenden ging ein weiteres Geschwisterkind des Angeklagten hervor, zu welchen er allerdings keinen Kontakt hat. Der aus dem ... stammende Vater des Angeklagten ist bei einem Sicherheitsdienst tätig und lebt in ... . Seine deutsche Mutter arbeitet als Krankenschwester und lebt in ... . Nach der Trennung der Eltern verblieb der Angeklagte zunächst bei seiner Mutter, entzog sich jedoch der Erziehung durch diese, indem er oft von zu Hause abhaute und Alkohol und Drogen konsumierte, sodass im Jahr 2010 erstmals eine Heimunterbringung des Angeklagten erfolgte. Die darauffolgenden Jahre verbrachte er in verschiedenen Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen, da er aufgrund von Regelverstößen immer wieder entlassen wurde.
Der altersgerecht eingeschulte Angeklagte verließ die Schule – trotz diverser Schulwechsel infolge der wechselnden Heimunterbringungen – nach der 10. Klasse mit der Fachoberschulreife. Nach der Beendigung der Schule im Jahr 2015 kam es zur endgültigen Heimentlassung des Angeklagten und er lebte zunächst für ein paar Monate bei seiner Tante, der Schwester seiner Mutter, in ..., bevor er in der Folge obdachlos war. Eine Lehre hat der Angeklagte nie begonnen, arbeitete jedoch bis zu seiner erstmaligen Inhaftierung im Jahr 2018 gelegentlich „schwarz“ in einer Spätverkaufsstelle, im Einzelhandel oder auf verschiedenen Baustellen.
Nach seiner Haftentlassung im Jahr 2020 zog der Angeklagte zu seiner damaligen Freundin nach ... . Aus der seit dem Jahr 2017 währenden Beziehung gingen seine in den Jahren 2018, 2020 und 2021 geborenen Töchter hervor. Die Beziehung scheiterte im Jahr 2021 an dem Drogenkonsum des Angeklagten und seiner daraus resultierenden Unzuverlässigkeit. Eine weitere Tochter, ebenfalls geboren im Jahr 2018, ging aus einer früheren Verbindung des Angeklagten hervor.
Mit dem gelegentlichen Konsum von Marihuana begann der Angeklagte bereits früh, im Alter von acht Jahren. Ab dem Alter von 14 Jahren konsumierte er Marihuana regelmäßig und es kam der Konsum von Ecstasy, Amphetamin, LSD und Kokain dazu, was zur Hauptdroge des Angeklagten wurde und welche er ab dem 15. Lebensjahr täglich einnahm, mit Ausnahme der Zeit der vormaligen Inhaftierung zwischen den Jahren 2018 und 2020. Auch nach seiner Haftentlassung setzte er seinen Drogenkonsum fort. Vor seiner Inhaftierung in vorliegender Sache konsumierte er täglich bis zu drei Gramm Kokain und nahm gelegentlich zusätzlich das Medikament Alprazolam ein. Bislang unterzog sich der Angeklagte keiner Entgiftungs- und Entwöhnungsbehandlung. Entzugsprobleme berichtete der Angeklagte zu Beginn seiner Haftzeit nicht.
Bei dem Angeklagten handelt es sich um einen intellektuell sehr einfach strukturierten Mann, dessen intellektuelle Leistungsfähigkeit im Grenzbereich zur intellektuellen Minderbegabung – ohne Hinweise auf eine Intelligenzminderung im klinisch-psychiatrischen Sinne – liegt. Anhaltspunkte für eine psychiatrische Erkrankung im engeren Sinne oder eine Persönlichkeitsstörung liegen bei ihm nicht vor. Bis zu seiner Inhaftierung praktizierte er einen schädlichen Gebrauch von Drogen im Sinne einer Polytoxikomanie (ICD-10 F19.1). Führende Substanz war dabei Kokain. Der Angeklagte ist krankheitseinsichtig und therapiewillig.
Der Angeklagte ist bislang jugend- bzw. strafrechtlich wie folgt in Erscheinung getreten:
1. Am 08.10.2014 sah die Staatsanwaltschaft in einem Verfahren gegen ihn wegen eines vermeintlichen sexuellen Missbrauchs von Kindern nach § 45 Abs. 1 JGG von der Verfolgung ab.
2. Am 10.09.2015 stellte das Amtsgericht ein Verfahren gegen ihn wegen Erschleichens von Leistungen in sechs Fällen nach § 47 JGG ein.
3. Am 12.04.2016, rechtskräftig seit dem 20.04.2016, ahndete das Amtsgericht eine von ihm begangene gemeinschaftliche Sachbeschädigung in Tateinheit mit Diebstahl im besonders schweren Fall in 34 Fällen, gemeinschaftliche Sachbeschädigung in Tateinheit mit versuchtem Diebstahl in besonders schwerem Fall in 87 Fällen mit vier Wochen Jugendarrest.
4. Am 27.04.20216 sah die Staatsanwaltschaft in einem Verfahren gegen ihn wegen schweren Diebstahls nach § 45 Abs. 2 JGG von der Verfolgung ab.
5. Am 08.09.2016 sah die Staatsanwaltschaft in einem Verfahren gegen ihn wegen Beleidigung nach § 45 Abs. 2 JGG von der Verfolgung ab.
6. Am 16.09.2016 sah die Staatsanwaltschaft in einem Verfahren gegen ihn wegen fahrlässiger Körperverletzung nach § 45 Abs. 2 JGG von der Verfolgung ab.
7. Am 09.03.2017, rechtskräftig seit dem 23.06.2017, verwarnte das Amtsgericht den Angeklagten wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis und verhängte einen vierwöchigen Jugendarrest.
8. Am 08.03.2018, rechtskräftig seit dem 17.11.2018, verwarnte das Landgericht ihn wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in Tateinheit mit einem Verstoß gegen das Pflichtversicherungsgesetz und unerlaubtem Umgang mit Abfällen.
9. Am 31.05.2018, rechtskräftig seit dem 19.07.2018, verurteilte ihn das Amtsgericht wegen schwerer gemeinschaftlicher räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gemeinschaftlichem räuberischen Angriff auf Kraftfahrer und gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung zu einer Einheitsjugendstrafe von einem Jahr und acht Monaten, welche zur Bewährung ausgesetzt wurde.
10. Am 22.01.2019, rechtskräftig seit dem 01.03.2018, verurteilte ihn das Amtsgericht wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in zwei Fällen, Beleidigung und Diebstahl, unter Einbeziehung der Verurteilung zu Ziffer 9., zu einer Einheitsjugendstrafe von zwei Jahren und fünf Monaten. Die Vollstreckung des Strafrestes wurde nach Teilverbüßung bis zum 02.12.2023 zurückgestellt.
Der Angeklagte ist in vorliegender Sache am 23.10.2022 vorläufig festgenommen worden und befindet sich aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts vom 24.10.2022, Az. 11 Gs 39/22, seither in Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt .
II. Feststellungen zur Sache
In der Nacht vom 22.10.2022 zum 23.10.2022 fassten der Angeklagte und der gesondert Verfolgte A. nach vorangegangenem Konsum von Kokain und Alprazolam, einem Arzneistoff aus der Gruppe der Benzodiazepine zur Behandlung von Angst- und Panikstörungen, den gemeinsamen Tatentschluss, von dem Nebenkläger L. G., der wenige Wochen zuvor begonnen hatte, für den gesondert Verfolgten A. Betäubungsmittel gewinnbringend zu verkaufen, gegebenenfalls unter Anwendung von Gewalt die Herausgabe von Bargeld zu verlangen, auf welches der Angeklagte – wie er und sein Mittäter wussten – schon wegen des gesetzlichen Verbots etwaiger Drogengeschäfte keinen Anspruch hatte. In Folge des Konsums von Kokain und Alprazolam war der Angeklagte erheblich in seiner Steuerungsfähigkeit beeinträchtigt. In Umsetzung des Tatentschlusses fuhren der Angeklagte und der gesondert Verfolgte A. mit dem Pkw BMW 5er Touring des gesondert Verfolgten A. am frühen Morgen des 23.10.2022 zu der Wohnung des J. S. in die in ..., wo sich der Nebenkläger, was der Angeklagte und der gesondert Verfolgte A. zuvor in Erfahrung gebracht hatten, zu jener Zeit aufhielt. Dabei wurden sie zum Zwecke ihrer Unterstützung spontan von dem bereits rechtskräftig Verurteilten M. begleitet, auf den sie in der Tatnacht in der Wohnung eines gemeinsamen Bekannten zufällig getroffen waren. Der Nebenkläger L. G. wartete bereits auf der Straße vor dem Wohnhaus auf die ihm durch Dritte angekündigten Personen. Der zur Verschleierung seiner Identität mit einer schwarzen Sturmhaube maskierte gesondert Verfolgte A. führte dabei das – dem Verurteilten M. gehörende – Butterflymesser bei sich. Nachdem der gesondert Verfolgte A. die Hauseingangstür des Mehrfamilienhauses mit einem kraftvollen Fußtritt aufgetreten hatte, begaben sich die vier Personen zu der im 5. Obergeschoss gelegenen Zwei-Zimmer-Wohnung des J. S., der dort bereits an der geöffneten Wohnungstür wartete. Unmittelbar nachdem sich der Angeklagte und der gesondert Verfolgte A. und der Verurteilte M. gegen den Willen des ihnen nicht näher bekannten J. S. Zutritt zu dessen Wohnung verschafft hatten, versetzte der gesondert Verfolgte A. dem Nebenkläger einen gezielten Faustschlag ins Gesicht und der Angeklagte dem S., was der jeweils andere wahrnahm und seinerseits billigte, und beide verlangten die Herausgabe von 500,00 €, auf die sie, was sie wussten, keinen rechtswirksamen Anspruch hatten. Nachdem der S. und der – ob des Faustschlages aus der Nase blutende – Nebenkläger den Besitz von Bargeld verneint hatten, begannen der Angeklagte und der gesondert Verfolgte A. sowie – auf deren Aufforderung – auch der zögernde und sich im Hintergrund haltende Verurteilte M. in arbeitsteiliger Vorgehensweise in der Wohnung nach Bargeld und Wertsachen zu suchen. Dabei fiel dem Angeklagten das auf dem Wohnzimmertisch liegende Portemonnaie des Geschädigten S. auf. Er nahm daraus dessen EC-Karte und den Personalausweis sowie dessen Handy der Marke Samsung Galaxy S20 FE im Zeitwert von 250,00 € an sich, um jenes für sich oder A. zu verwenden, wobei S. aus Angst vor weiterer Gewaltanwendung den Angeklagten gewähren ließ. Sodann kündigte der Angeklagte – von allen Anwesenden wahrgenommen – an, nun gemeinsam mit dem S. Geld von der Bank zu holen. Den drei Tatbeteiligten war dabei bewusst, dass der Angeklagte zur Verfügung über das Konto des Geschädigten S. unter keinem Gesichtspunkt berechtigt war. Auch rechneten sie damit, dass der Geschädigte S. nicht freiwillig seine PIN preisgeben würde, sondern nur infolge der als gegenwärtige Drohung fortwirkenden bereits erfahrenen Gewalt oder infolge der Drohung mit weiterer Gewalt. Der Angeklagte forderte noch den gesondert Verfolgten A. und den Verurteilten M. auf, in der Zeit seiner Abwesenheit weiter die Wohnung zu durchsuchen. Sodann verließ er mit dem S. die Wohnung. S. war indes angesichts der Übermacht der drei Tatbeteiligen in seiner Wohnung und der vorangegangenen Misshandlungen zu seinem Nachteil und zu dem seines Freundes bereits derart eingeschüchtert, dass er nach lautstarker Wiederholung der Aufforderung durch den Angeklagten jener Folge leistete, seine kontoführende Bank aufzusuchen, um dort den Angeklagten gewähren zu lassen, am Geldautomaten Geld von seinem Konto abzuheben. A. und M. verblieben gemeinsam mit dem Nebenkläger in der Wohnung und behielten diesen in tatsituativ gefasstem Einverständnis mit dem Angeklagten in ihrer physischen Gewalt und beide – A. und M. – setzten die Suche in der Wohnung nach Wertgegenständen fort. Da der Verurteilte M. dies nur zurückhaltend tat, wies ihn der gesondert Verfolgte A. an, den im Wohnzimmer auf der Couch sitzenden und bereits verletzten Nebenkläger zu bewachen, während er selbst die Wohnung weiter gründlich durchsuchen wollte und dies anschließend auch tat, ohne dabei die Flucht des Nebenklägers befürchten zu müssen. Hierzu übergab er dem Verurteilten M. – vom Nebenkläger unbemerkt – das mitgeführte Butterflymesser, der dies indes sogleich einsteckte. Der Nebenkläger verschwendete angesichts seines lädierten Zustandes und der seinerseits durch die Präsenz von A. und M. empfundenen Zwangslage indes keinerlei Gedanken an eine mögliche Flucht, sondern harrte auf der Couch in unmittelbarer Gegenwart des Verurteilten M. bis zur Rückkehr seines Freundes aus. Der Angeklagte fuhr in dieser Zeit abredegemäß mit dem Pkw des gesondert Verfolgten A. mit dem S. zur nahegelegenen Filiale der XX-Bank in der .. an der Ecke zur ... . Dort angekommen verlangte er in dem Bewusstsein der anhaltenden Bedrohungslage für den S. von diesem die Preisgabe der zur EC-Karte gehörenden PIN. Der bereits durch das bisherige Geschehen stark eingeschüchterte S. teilte aus Angst vor erneuter Gewaltanwendung dem Angeklagten die korrekte PIN mit. B. ging sodann gemeinsam mit dem S. in die kameraüberwachten Räumlichkeiten der Bank. Dort hob er um 03.27 Uhr am Geldautomaten nach Eingabe der mitgeteilten PIN von dessen Konto 1.000,00 € – ausgegeben als 3x10,00 €; 1x20,00 €; 7x50,00 € und 6x100,00 € Banknoten – ab, um das Geld für sich und A. zu verwenden, nachdem er zuvor noch den Saldo am Automaten abgefragt hatte. Im Anschluss daran fuhren sie mit dem Pkw zurück in die Wohnung des S., wo sie nach circa zehnminütiger Abwesenheit wieder eintrafen. In der Wohnung schlug der Angeklagte den Geschädigten jeweils noch mindestens einmal mit der Faust ins Gesicht. Anschließend forderte er beide auf, die Wohnung gemeinsam mit dem gesondert Verfolgten A., der sich mit dem Handeln des Angeklagten tatsituativ einverstanden erklärte, und dem Verurteilten M. zu verlassen und mit in den Pkw BMW zu steigen. Dem leisteten die Geschädigten ob der bereits erfahrenen Faustschläge aus Angst vor weiterer Gewaltanwendung Folge. Vor Verlassen der Wohnung nahmen der Angeklagte und der gesondert Verfolgte A. in Ausnutzung der aufgrund der vorangegangenen, wiederholten Gewaltanwendung für die Geschädigten geschaffenen Zwangslage und der anhaltenden physischen Übermacht der drei Tatbeteiligten folgende in der Zwischenzeit in der Wohnung zusammengetragenen und – wie sie wussten – ihnen nicht gehörende Gegenstände mit: eine JBL-Musikbox im Wert von 150,00 €, eine Nintendo-Switch im Wert von 150,00 €, In-Ear Kopfhörer von „urbanista“ im Wert von 20,00 € und einen PlayStation 4 Controller im Wert von 50,00 € – jeweils im Eigentum des S. stehend. Sie verstauten diese Sachen in den – dem Nebenkläger gehörenden – Rucksack der Marke Nike im Wert von 50,00 €. Zudem nahmen sie noch das Handy des Nebenklägers der Marke Samsung Galaxy A52 im Wert von 200,00 €, markenlose In-Ear-Kopfhörer im Wert von 20,00 € und die diesem gehörende Bauchtasche der Marke Corbo im Wert von 30,00 € mit, um diese Sachen für sich zu verwenden. Der Angeklagte – als Fahrzeugführer – und der gesondert Verfolgte A. und der Verurteilte M. fuhren sodann gemeinsam mit den Geschädigten erneut zur XX-Bank, wo sich der Angeklagte in tatsituativ gefasstem Einverständnis mit A. und von M. zur Kenntnis genommen ein weiteres Mal – diesmal allein – in die Bank begab, um am Geldautomaten nochmals Geld für sich und den A. vom Konto des S. abzuheben, während dessen A. und M. in dem nahe der Bank abgestellten Pkw BMW mit den Geschädigten warteten und über diese wachten. Dem Geschädigten S., der dabei auf der Rücksitzbank zwischen den beiden Angeklagten saß, war schon wegen seiner Sitzposition physisch die Möglichkeit der Flucht genommen, was A. und M. beabsichtigten. Der auf dem Beifahrersitz ausharrende Nebenkläger zog eine solche angesichts der zuvor erfahrenen Gewaltanwendung und aus Angst um sich und seinen Freund vor weiterer Gewalt nicht ernsthaft in Erwägung, womit A. und M. rechneten. Die von dem Angeklagten angestrebte, abermalige Geldabhebung scheiterte indes trotz Einführens der EC-Karte und Eingabe der PIN daran, dass das Auszahlungslimit für diesen Tag erreicht war. Im Anschluss daran fuhren der Angeklagte, A. und M. mit den Geschädigten, die längst ob der vorangegangenen, mehrfachen Gewaltanwendung und der Überzahl der Tatbeteiligten jedweden Widerstand für zwecklos erachteten, von ... in Richtung ... . Der Angeklagte steuerte dabei das dem gesondert Verfolgten A. gehörende Fahrzeug mit dessen Willen und hielt während der Fahrt das zunächst vom gesondert Verfolgten A. mitgeführte Butterflymesser sichtbar in der Hand, das ihm auf seine Aufforderung vom dem im Fond sitzenden Verurteilten M. zuvor nach vorn gereicht worden war. Während der Fahrt wurden die Geschädigten aufgefordert, ihre Handys auf die Werkseinstellungen zurückzusetzen, um diese leichter weiterveräußern zu können. Kurz vor dem – von circa fünf Kilometer entfernten – Ortsteil hielt der Angeklagte den Pkw auf der unbeleuchteten Landstraße gegen 04.00/04.30 Uhr an und forderte die völlig eingeschüchterten Geschädigten auf, aus dem Auto zu steigen und sich bis auf die Unterhose auszuziehen, was diese auch in der als ausweglos empfundenen Lage taten. In der Folge wirkten der Angeklagte und der gesondert Verfolgte A. gemeinschaftlich auf den S. ein. Zuerst versetzte der Angeklagte dem S. mindestens zwei Faustschläge ins Gesicht und noch einen Tritt gegen den Körper. Zudem fügte er ihm mit dem Butterflymesser zwei oberflächliche Schnittverletzungen – jeweils eine am linken und rechten Oberarm – zu, ohne dass der Geschädigte sowohl das Messer als auch die ihm damit beigebrachten Verletzungen wahrnahm. Dann ließ der Angeklagte von dem S. ab, der in der Folge noch mindestens einen Faustschlag vom gesondert Verfolgten A. ins Gesicht bekam. Der Angeklagte wandte sich sodann dem an einem Zaun kauernden Nebenkläger zu und wirkte auch auf diesen mittels Schlägen und Tritten mit Billigung des gesondert Verfolgten A. ein. Zudem versetzte er ihm eine blutende Schnittwunde mit dem Butterflymesser am linken äußeren Oberschenkel. Dann stiegen der Angeklagte und der gesondert Verfolgte A. – gemeinsam mit dem am oder im Fahrzeug wartenden M. – wieder in das Fahrzeug und fuhren unter Zurücklassung der Geschädigten, aber unter Mitnahme der Kleidungsstücke des Nebenklägers davon. Zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt – entweder bereits in der Wohnung des Geschädigten S. oder unmittelbar vor der Abfahrt von ... – hatte der Angeklagte spontan den Geschädigten damit gedroht, dass sie wiederkommen und ihre Familien töten würden, falls die Geschädigten bei der Polizei Anzeige erstatten, was diese sehr ernst nahmen. Der Angeklagte und der gesondert Verfolgte A. setzten anschließend den Verurteilten M. in an dessen Wohnung ab, ohne dass jener an der Tatbeute beteiligt oder auf andere Art und Weise entlohnt wurde. Im Anschluss daran teilten der Angeklagte und A. die Tatbeute (Geld und Gegenstände) unter sich auf. B. erhielt 350,00 € Bargeld, während A. die Kopfhörer der Marke „urbanista“ und die Nintendo Switch an sich nahm sowie zudem 650,00 € von dem aus dem Geldautomaten stammenden Bargeld. Über die Aufteilung der restlichen Tatbeute konnten keine sicheren Feststellungen getroffen werden.
Nach der Abfahrt des Angeklagten und des gesondert Verfolgten A. und des Verurteilten M. realisierte der Geschädigte S. erstmals die – lediglich oberflächlichen – Schnittverletzungen an seinen Oberarmen, währenddessen die Schnittwunde am linken Oberschenkel des Nebenklägers so heftig blutete, dass S. seinem Freund mit Hilfe seines – von den Tatbeteiligten zurückgelassenen – T-Shirts einen Druckverband anlegte. Zudem zog er sich wieder seine Kleidungsstücke (Jacke, Hose, Schuhe) an, während er dem Nebenkläger seinen Pullover überließ, der ansonsten nur noch mit seiner Unterhose und Socken bekleidet war. Anschließend schleppten sie sich den circa 5 km langen Weg nach ... zu Fuß zurück. Obgleich an der Strecke eine Tankstelle liegt, zogen sie es auch mit Blick auf die von dem Angeklagten ausgesprochene Drohung vor, dort keine Hilfe zu suchen. Indes verlor der Nebenkläger immer mehr an Kraft und glaubte, es nicht mehr bis nach ... zu schaffen. Auch an dem hinter dem südlichen Ortseingang gelegenen ... liefen die verängstigten Geschädigten vorbei und suchten zunächst einen in der Nähe des Krankenhauses wohnenden Freund auf, der dem Nebenkläger einen frischen Druckverband anlegte und ihm eindringlich zuredete, die Rettungsstelle aufzusuchen. Anschließend stellten sie sich am frühen Morgen des 23.10.2022 in der Rettungsstelle des vor.
Im Zuge einer Polizeikontrolle des gesondert Verfolgten A. am Abend nach dem Tatgeschehen zwischen 21.20 Uhr und 21.45 Uhr sowie seines Fahrzeuges in ... wurden von den kontrollierenden Beamten einen halben Meter neben dem Fahrzeug des gesondert Verfolgten A. am Bordstein die erbeuteten Kopfhörer der Marke „urbanista“ sichergestellt. Am selben Tag um 23.30 Uhr wurde der gesondert Verfolgte A. abermals in seinem Pkw einer polizeilichen Kontrolle unterzogen, in deren Zuge dann auf der Rücksitzbank seines Pkw die aus der Raubbeute stammende Spielkonsole „Nintendo Switch“ des Geschädigten S. entdeckt und von den kontrollierenden Polizeibeamten sichergestellt wurde. Bei der vorläufigen Festnahme des Angeklagten am 23.10.2022 um 09.10 Uhr führte er 561,30 €, in Form von 11 x 50,00-€-Scheinen und restlichem Hartgeld, bei sich.
J. S. erlitt infolge der Gewaltanwendung mehrere Hämatome im Gesichtsbereich, jeweils eine Schnittverletzung am rechten und linken Oberarm sowie einen Unterkieferbruch. Er befand sich zur Erstversorgung vom 23.10.2022 bis zum 24.10.2022 in stationärer Behandlung im ... in ... . Zur Versorgung seines Unterkieferbruchs erfolgte im Anschluss daran ein weiterer 5-tägiger stationärer Aufenthalt vom 24.10.2022 bis zum 28.10.2022 in der Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie des ... in ... . Dort erfolgte am 25.10.2022 die operative Reposition und Versorgung der Kieferfraktur links mittels einer 6-Loch-Plattenosteosynthese und intermaxillärer Fixation durch fünf Schrauben. Er konnte anschließend zwei bis drei Wochen nur flüssige Nahrung zu sich nehmen. Insgesamt war er anlässlich des inkriminierten Tatgeschehens bis zum 09.01.2023 arbeitsunfähig krankgeschrieben. Auch musste sich der Geschädigte in der Folge des erlebten Traumas in psychotherapeutische Behandlung begeben und nahm an neun Sitzungen teil. Seine Wohnung – den Tatort – konnte er seit dem Überfall nicht mehr betreten und schloss dies für sich auch für die Zukunft kategorisch aus, weshalb das Mietverhältnis aufgelöst werden soll. Er kehrte nach der Tat zunächst vorübergehend in den Haushalt seiner Mutter zurück, welche auch den Umzug für ihn bewerkstelligte und ihn seither jeden Morgen zu seiner Ausbildungsstelle fährt. Der Geschädigte plant indes in der Zukunft den Umzug in eine Wohngemeinschaft. Die Entfernung der zur Behandlung der Unterkieferfraktur eingesetzten Platten erfolgte zwischenzeitlich. Ansonsten heilten seine körperlichen Verletzungen folgenlos aus.
Der zum Zeitpunkt des Tatgeschehens ausbildungssuchende Nebenkläger erlitt mehrere Hämatome im Gesichtsbereich, eine Fraktur an der seitlichen Wand des sinus maxillaris (Kieferhöhle) links mit Einblutung in die Nasennebenhöhle sowie eine dislozierte Orbitabodenfraktur links und eine blutende Schnittverletzung im linken Oberschenkel von circa 2 cm Länge, die genäht werden musste. Auch er befand sich zur Erstversorgung vom 23.10.2022 bis zum 24.10.2022 in stationärer Behandlung im ... . Des Weiteren begab er sich aufgrund des Tatgeschehens in psychotherapeutische Behandlung, welche er zum jetzigen Zeitpunkt, aufgrund eines aufgenommenen Praktikums und damit einhergehender zeitlicher Kollisionen, unterbrochen hat. Der Nebenkläger, dessen körperliche Verletzungen ausheilten, meidet seither konsequent Fahrten nach ... . Er leidet nach wie vor infolge des Überfalls unter Schlafstörungen. Eine Zeit lang nach dem Tatgeschehen verlangte der stark verängstigte Nebenkläger sogar, dass seine alleinerziehende Mutter die Wohnung von außen abzuschließen hatte, wenn sie ihn allein zurückließ.
III. Rechtliche Würdigung
In rechtlicher Hinsicht ist der Angeklagte des erpresserischen Menschenraubes in Tateinheit mit Raub, räuberischer Erpressung, gefährlicher Körperverletzung in zwei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen, Computerbetrug und versuchtem Computerbetrug gemäß §§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 und Nr. 4, 239a Abs. 1 Alt. 2, 249 Abs. 1, 253 Abs. 1, 255, 263a Abs. 1 Alt. 3 und Abs. 2, 22, 23, 25 Abs. 2, 52 StGB schuldig.
a) Nach den getroffenen Feststellungen liegen die Voraussetzungen eines erpresserischen Menschenraubes gemäß § 239a StGB vor. Nach dieser Vorschrift macht sich strafbar, wer einen Menschen entführt oder sich eines Menschen bemächtigt, um die Sorge des Opfers um sein Wohl oder die Sorge eines Dritten um das Wohl des Opfers zu einer Erpressung gemäß § 253 StGB auszunutzen, oder wer die durch eine solche Handlung geschaffene Lage eines Menschen zu einer solchen Erpressung ausnutzt, wobei nach der Rechtsprechung der Tatbestand der Erpressung den des Raubes mit umfasst (MüKoStGB/Renzikowski, 4. Aufl. 2021, StGB § 239a Rn. 43). Für eine Strafbarkeit ist in der hier – selbstverständlich auch bei zwei Tätern – gegebenen Fallgestaltung eines Zwei-Personen-Verhältnisses zur Abgrenzung des Anwendungsbereichs dieser Vorschrift von sonstigen Nötigungsdelikten ein funktionaler Zusammenhang zwischen dem ersten Teilakt des Sich-Bemächtigens – mit einer gewissen Stabilisierung der Lage – und dem zweiten Teilakt, der angestrebten Erpressung, erforderlich. Der Täter muss beabsichtigen, die durch das Sich-Bemächtigen für das Opfer geschaffene Lage für sein weiteres erpresserisches Vorgehen auszunutzen (BGH Urt. v. 17.8.2004 – 5 StR 197/04, BeckRS 2004, 8208 m.w.N.). Dabei muss der stabilen Bemächtigungslage mit Blick auf die erstrebte Erpressung eine eigenständige Bedeutung zukommen. Damit ist – insbesondere in Abgrenzung zu den Raubdelikten – indes lediglich gemeint, dass sich über die in jeder mit Gewalt oder Drohungen verbundenen Nötigungshandlung liegende Beherrschungssituation hinaus eine weitergehende Drucksituation auf das Opfer gerade auch aus der stabilen Bemächtigungslage ergeben muss. Der erforderliche funktionale Zusammenhang liegt unterdessen dann nicht vor, wenn sich der Täter des Opfers durch Nötigungsmittel bemächtigt, die zugleich unmittelbar der beabsichtigten Erpressung dienen, wenn also Bemächtigungs- und Nötigungsmittel zusammenfallen (BGH Beschl. v. 29.6.2022 – 3 StR 501/21, BeckRS 2022, 20248).
Nach diesen Maßstäben fallen vorliegend Bemächtigungs- und Nötigungsmittel auseinander. Aufgrund der vor Beginn der Durchsuchung der Wohnung angewendeten Gewalt in Gegenwart eines dritten Tatbeteiligten begründeten der Angeklagte und sein Mittäter, der gesondert Verfolgte A., eine physische Herrschaft über die beiden Geschädigten. Bei dem nachfolgend gefassten Entschluss, die Wohnung des S. nach Wertgegenständen zu durchsuchen – da die Bargeldforderung nicht erfüllt worden war – entstand bereits eine Bemächtigungslage, soweit sich die zwei Geschädigten nun unter der fortwirkenden Einschüchterung als Folge der vorangegangenen Misshandlungen in der physischen Gewalt der ihnen auch numerisch überlegenden Tatbeteiligten befanden. Diese war bei der von dem Angeklagten getätigten Aufforderung an den S., gemeinsam die Bank aufzusuchen, schon derart stabil, dass deren bloße Wiederholung ausreichte, um sich dem Ansinnen des Angeklagten zu fügen. Der Angeklagte und der gesondert Verfolgte A. nutzen diese Bemächtigungssituation im Hinblick auf den Geschädigten S. für ihr weiteres – nach Auffinden der EC-Karte modifiziertes – erpresserischen Vorgehen aus, indem der Angeklagte im Einvernehmen mit dem gesondert Verfolgten A. mit der weiteren, sich über einen nicht unerheblichen Zeitraum erstreckenden physischen Kontrolle über das Opfer durch das bewachte Aufsuchen der Bank die Voraussetzung für die erstrebte Erpressung der Auszahlung aus dem Geldautomaten schaffte. Für den Nebenkläger ergibt sich diese stabile Bemächtigungslage daraus, dass er während der in etwa zehnminütigen Abwesenheit des Angeklagten und seines Freundes S. der physischen Übermacht der beiden weiteren in der Wohnung verbliebenen Tatbeteiligten – unter Bewachung durch den M. – ausgesetzt war, wobei die Drucksituation zusätzlich durch die fortwirkende Einschüchterung auf Grund des vorangegangenen Faustschlages durch A. verstärkt worden war. Damit hatten die Tatbeteiligten auch für den Nebenkläger eine Drucksituation erzeugt, die über dasjenige hinausreichte, was zur Durchführung des Raubes von Geld und Wertgegenständen aus der Wohnung erforderlich war und welches der gesondert Verfolgte A. zur Fortsetzung seines mit dem Angeklagten abgestimmten räuberischen Vorhabens ausnutzte. Die Bemächtigungslage dauerte schließlich von deren Begründung in der Wohnung des S., seitdem die Geschädigtem dem uneingeschränkten Einfluss des Angeklagten und seines Mittäters ausgesetzt waren, bis zu ihrer Zurücklassung vor ... .
b) Indem der Angeklagte unter Mitwirkung des gesondert Verfolgten A. und des Verurteilten M. den Geschädigten unter konkludenter Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben infolge der vorangegangenen Misshandlungen (vgl. BeckOK StGB/Wittig StGB § 249 Rn. 13) ihnen gehörende Sachen wegnahm, um diese für sich oder einen Dritten zu verwenden, hat er auch in objektiver und subjektiver Hinsicht den Tatbestand eines Raubes gemäß § 249 Abs. 1 StGB erfüllt. Hingegen konnte die Kammer nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellen, dass der Angeklagte bereits bei Betreten der Wohnung des S. Kenntnis von dem, durch den gesondert Verfolgten A. mitgeführten, Butterflymesser hatte.
c) Durch das Abpressen der PIN hat sich der Angeklagte wegen räuberischer Erpressung gemäß §§ 255, 253 StGB strafbar gemacht. Der Angeklagte hat – unter Ausnutzung der Bemächtigungssituation – J. S. durch konkludente Drohung mit einem empfindlichen Übel (neuerliche Gewaltanwendung) genötigt, ihm die Geheimnummer bekannt zu geben. Dadurch hat er dem Vermögen des J. S. einen Nachteil zugefügt. Zwar verkörpert die Kenntnis von der Geheimzahl für sich allein betrachtet keine Vermögensposition. Vorliegend stand dem Angeklagten aber bereits die EC-Karte des S. zur Verfügung, so dass die zusätzlich erlangte Kenntnis von der Geheimzahl die jederzeitige Zugriffsmöglichkeit auf den Auszahlungsanspruch des Berechtigten gegen die – die EC-Karte akzeptierenden – Banken eröffnete. Diese Vermögensposition war unmittelbar gefährdet, weil eine sofortige Abhebung des Guthabens geplant war. Die Gefährdung wurde durch die von dem Angeklagten vollzogene Abhebung zum Schadenseintritt vertieft, indem der Auszahlungsanspruch zum Erlöschen gebracht wurde. Der J. S. hätte über sein Guthaben nach der erfolgten und automatisch zu Lasten seines Kontos gebuchten Abhebung zunächst nicht mehr verfügen können. Freilich hätte ihm gegen seine Bank ein Anspruch auf Rückbuchung des Auszahlungsbetrages und Wiederherstellung seines Guthabens zugestanden, der aber der Annahme eines Vermögensnachteils im Sinne des § 253 StGB nicht entgegensteht, sondern lediglich einen möglichen Schadensausgleich eröffnet, weil die Verwirklichung des Anspruchs von einer neuen Initiative des zudem darlegungs- und ggf. beweispflichtigen Kontoinhabers S. abhängig war (BGH Urt. v. 17.8.2004 – 5 StR 197/04, BeckRS 2004, 8208 m.w.N.).
d) Der Angeklagte und der gesondert Verfolgte A. handelten als Mittäter im Sinne des § 25 Abs. 2 StGB. Der Angeklagte muss sich folglich auch die Handlungen des A. zurechnen lassen. Dem Überfall lag eine gemeinsame, allgemeine Tatabrede mit dem gesondert Verfolgten A. zugrunde, dem Nebenkläger unter Anwendung von Gewalt die Herausgabe von Geld abzunötigen. Dieses Vorhaben erweiterten sie tatsituativ auf den unbeteiligten Wohnungsinhaber S. und modifizierten es auf die Wegnahme von Wertgegenständen und das Abheben von Geld (vom Konto des S.) aus dem Geldautomaten. In der Wohnung gingen der Angeklagte und der gesondert Verfolgte A. arbeitsteilig vor, soweit jeder von ihnen ein Opfer körperlich misshandelte und sie gemeinsam begannen, die Wohnung nach Bargeld und Wertsachen zu durchsuchen. Indem der Angeklagte nach Auffinden der EC-Karte des S. mit Wissen des gesondert Verfolgten A. zum Zwecke der Geldabhebung zur Bank fuhr und A. – wiederum in Ergänzung der Tätigkeit des Angeklagten und umgekehrt – in der Zwischenzeit den in der Wohnung verbliebenen Nebenkläger gemeinsam mit dem Verurteilten M. bewachte und weiter die Wohnung nach Wertgegenständen durchsuchte, billigte der Angeklagte die damit für beide Opfer einhergehende Bemächtigungssituation.
e) Durch die Geldabhebung in Höhe von 1.000,00 € mit der weggenommenen EC-Karte des J. S. und der abgepressten PIN hatte der Angeklagte durch das Beeinflussen eines Datenverarbeitungsvorganges mittels des unbefugten Verwendens von Daten (PIN) das Vermögen des J. S. beschädigt. Der Angeklagte und der gesondert Verfolgte A. handelten vorliegend, wie soeben unter d) ausgeführt, als Mittäter. Soweit der Angeklagte ein zweites Mal mit der EC-Karte und der PIN des J. S. Geld von dessen Konto abheben wollte, ist es nicht zu einer Vollendung der Tat gekommen, da für diesen Tag – infolge der zuvor erfolgten Abhebung – das Auszahlungslimit erreicht war. Vor diesem Hintergrund lag ein strafbefreiender Rücktritt vom Versuch gemäß § 24 StGB nicht vor, weil der Versuch fehlgeschlagen war (BGH Beschl. v. 15.1.2015 – 4 StR 560/14, BeckRS 2015, 2501).
f) Die mehrfachen und wechselseitig begangenen einfachen Körperverletzungen zu Lasten des J. S. und des Nebenklägers stellen zugleich eine gemeinschaftliche gefährliche Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB zum Nachteil zweier Tatopfer dar, wobei sich der Angeklagte als Mittäter des gesondert Verfolgten A. dessen begangene einfache Körperverletzungen zurechnen lassen muss. Darüber hinaus stellen die durch den Angeklagten mittels des Butterflymessers verwirklichten Körperverletzungen zugleich eine gefährliche Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 StGB zum Nachteil zweier Tatopfer dar.
g) Der Angeklagte hat mit der Absicht rechtswidriger Bereicherung, ferner rechtswidrig und schuldhaft gehandelt. Seine Steuerungsfähigkeit war durch seinen vorangegangenen Betäubungsmittelkonsum zwar erheblich vermindert (§ 21 StGB), jedoch nicht vollständig aufgehoben.
h) Bei alledem ist schon unter dem Gesichtspunkt natürlicher Handlungseinheit Tateinheit für sämtliche während des noch andauernden erpresserischen Menschenraubes begangenen Begleitdelikte wie für die sich unmittelbar anschließenden Gewalthandlungen anzunehmen (vgl. BGH Beschl. v. 4.6.2003 – 2 StR 169/03, BeckRS 2003, 6214; BGH Urt. v. 17.8.2004 – 5 StR 197/04, a.a.O.). Dies gilt auch für die anfängliche Gewaltanwendung zum Nachteil der Geschädigten, soweit sich die nachfolgende Bemächtigungssituation gerade nicht als vollständig neuer Anlauf sondern als eine den konkreten Umständen geschuldete Anpassung und Aktualisierung ihres erpresserischen Vorgehens darstellt (vgl. BGH Beschl. v. 7.11.2013 – 4 StR 340/13, BeckRS 2014, 1650).
IV. Strafzumessung
Für die Strafzumessung hat der Kammer zunächst der Strafrahmen des § 239a Abs. 1 StGB zur Verfügung gestanden, der die Verhängung von Freiheitsstrafe von mindestens fünf Jahren bis zu 15 Jahren vorsieht. Für die tateinheitlich verwirklichten Straftatbestände des erpresserischen Menschenraubes, des Raubes, der räuberischen Erpressung und der gefährlichen Körperverletzung sehen die §§ 224 Abs. 1 HS. 2, 239a Abs. 2, 249 Abs. 2 StGB jeweils einen minder schweren Fall vor, von deren Vorliegen nicht auszugehen war. Für den Angeklagten ist ein beträchtliches Überwiegen der bei der Strafzumessung zu seinen Gunsten sprechenden Umstände schon mit Blick auf das äußere Tatbild (widerrechtliches Eindringen in eine fremde Wohnung des Nachts zur Tatbegehung, mehraktiges Tatgeschehen zum Nachteil zweier Opfer, Zurücklassung der lädierten Opfer unter Mitnahme der Kleidungsstücke) nicht erkennbar. Gleichwohl hat die Kammer mit Blick auf das Handeln des Angeklagten im Zustand verminderter Schuldfähigkeit den Regelstrafrahmen des § 239a Abs. 1 StGB nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemildert. Das führte zu einem reduzierten Strafrahmen von zwei Jahren bis zu elf Jahren und drei Monaten Freiheitsstrafe und stellt die schwerste Strafandrohung im Verhältnis zu den - wegen der Anwendung des § 21 StGB - reduzierten Strafrahmen aus den tateinheitlich verwirklichten Straftatbeständen der §§ 224 Abs. 1, 249 Abs. 1, 253 Abs. 1, 255, 263a Abs. 1 StGB dar, § 52 Abs. 2 StGB.
Im Rahmen der konkreten Strafzumessung hat die Kammer zu Gunsten des Angeklagten berücksichtigt, dass er die Tat – soweit seine Erinnerung dies zugelassen hat – zuletzt eingeräumt hat. Auch hat sich strafmildernd ausgewirkt, dass er den Nebenkläger und den Geschädigten S. um Entschuldigung gebeten hat. Zudem hat er die Schadensersatzforderung des Nebenklägers in der Hauptverhandlung dem Grunde nach anerkannt, was die Kammer dem Angeklagten zu Gute gehalten hat. Ferner ist ihm positiv angerechnet worden, dass die erbeuteten Gegenstände als vergleichsweise geringwertig im Spektrum der üblicherweise vorkommenden schweren Raubfälle zu bewerten sind. Schließlich hat die Kammer zu seinen Gunsten berücksichtigt, dass er bei Tatbegehung erheblich vermindert schuldfähig war, jedoch nur noch mit geringem Gewicht, soweit dieser Umstand bereits zur Verschiebung des Strafrahmens geführt hat.
Strafschärfend wirkte sich demgegenüber aus, dass der Angeklagte – auch wegen einschlägiger Erpressungs- und Körperverletzungshandlungen – bereits vorbestraft und hafterfahren ist. Bei Begehung der Tat stand er unter laufender Bewährung aus der Verurteilung vom 22.01.2019. Des Weiteren musste sich nachteilig auswirken, dass er und seine Tatgenossen zur Tatbegehung in eine fremde Wohnung und damit in den Kernbereich der Privatsphäre anderer nachts widerrechtlich eingedrungen sind und im Anschluss die lädierten Opfer unter Mitnahme der Kleidungsstücke des Nebenklägers des Nachts auf der dunklen Landstraße zwischen und zurückgelassen haben, wobei die Kammer dieses Tatbild nur noch maßvoll im Rahmen der konkreten Strafzumessung berücksichtigt hat, weil es bereits maßgeblich zur Versagung der Anwendung des minder schweren Falls beigetragen hat. Dabei handelte es sich bei dem Wohnungsinhaber, wie vom Angeklagten erkannt und gebilligt, überdies noch um ein Zufallsopfer, soweit sich der Nebenkläger als eigentlich anvisiertes Tatopfer nur zufällig in jener Nacht bei jenem aufhielt. Des Weiteren war strafschärfend zu berücksichtigen, dass die Tat zum Nachteil der beiden Geschädigten bei diesen zu – bis heute anhaltenden – erheblichen psychischen Beeinträchtigungen geführt hat. Schließlich musste sich zu Lasten des Angeklagten auswirken, dass er tateinheitlich zum erpresserischen Menschenraub einen Raub, eine räuberische Erpressung, eine gefährliche Körperverletzung zum Nachteil von zwei Opfern, einen Computerbetrug und einen versuchten Computerbetrug und somit eine Mehrzahl weiterer, zum Teil schwerer Delikte im Wege mittäterschaftlicher Zurechnung verwirklicht hat.
Nach Abwägung dieser und sonstiger Umstände hat die Kammer letztlich eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren für tat- und schuldangemessen erachtet und auf diese erkannt.
V. Maßregel der Besserung und Sicherung
Gemäß § 64 StGB war die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt anzuordnen. Der Angeklagte betreibt nach der überzeugenden Einschätzung des psychiatrischen Sachverständigen Dr. med. , Arzt für Neurologie und Psychiatrie, der sich die Kammer nach eigener kritischer Prüfung angeschlossen hat, einen schädlichen Gebrauch von Drogen im Sinne einer Polytoxikomanie (ICD-10 F 19.1). Er hat aufgrund der gestellten Diagnose den Hang, Drogen im Übermaß zu konsumieren. Die verfahrensgegenständlichen Taten stellen sich zwar nicht als typische Hangdelikte dar, gehen jedoch im Sinne eines symptomatischen Zusammenhangs auf diesen Hang zurück, weil der Drogen- und Medikamentenkonsum zum festen Bestandteil der Lebensführung des Angeklagten gehört und dadurch die Begehung von Straftaten maßgeblich begünstigt wird. Es besteht auch die Gefahr, dass der Angeklagte aufgrund des Hanges erneut erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Ihm ist es bisher nicht gelungen, aus den Konsequenzen seines Handelns zu lernen. Seine aggressiven Impulse können jederzeit bei Konsum von Betäubungsmitteln wieder durchbrechen, so dass ohne therapeutische Intervention weitere Gewalttaten zu befürchten sind. Die nach der Vorschrift vorausgesetzten Erfolgsaussichten einer Therapie sind nach Auffassung der Kammer hinreichend gegeben. Insoweit hat der psychiatrische Sachverständige eine im Rahmen der Exploration vom Angeklagten geäußerte Therapiemotivation bestätigt. Entscheidend war auch zu berücksichtigen, dass bislang bei ihm keine gescheiterten Therapieversuche zu konstatieren sind und es sich mithin um seine erste Therapie handeln wird. Die Kammer geht daher im Ergebnis von einer hinreichend konkreten Therapieerfolgsaussicht in einem Zeitraum von zwei Jahren aus, wobei der Sachverständige einen solchen Zeitraum für erforderlich, aber auch für ausreichend erachtet hat. Diesen Angaben des Sachverständigen zur erforderlichen Dauer einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt schließt sich die Kammer nach eigener kritischer Würdigung und einer Gesamtbetrachtung des Angeklagten anhand seiner Biographie und des Eindrucks in der Hauptverhandlung an. Unter Berücksichtigung dieser Therapiedauer war gemäß § 67 Abs. 2 und Abs. 5 StGB ein Vorwegvollzug der Freiheitsstrafe nicht mehr anzuordnen, weil sich dieser durch die vom Angeklagten erlittene Untersuchungshaft bereits vollständig erledigt hat (Fischer, StGB, 69. Auflage, § 67 Rn. 9a m.w.N.).
VI. Einziehung
Gegen den Angeklagten war die Einziehung des Wertes vom Tatertrag in Höhe von 1.750,00 € gemäß §§ 73 Abs. 1, 73c StGB in gesamtschuldnerischer Haftung anzuordnen. Dieser Betrag entspricht dem geschätzten Wert des Erlangten der erbeuteten Gegenstände, die nicht mehr aufgefunden werden konnten, und des erbeuteten Bargeldes in Höhe von 1.000,00 €, welches infolge Vermischung mit eigenem Bargeld der Täter im Sinne des § 948 BGB nicht mehr individualisiert und somit nach § 73 Abs. 1 StGB eingezogen werden konnte (BGH Beschl. v. 25.1.2023 – 1 StR 406/22, BeckRS 2023, 1494). Bei der Anordnung der Einziehung des Wertes vom Tatertrag war von einer gesamtschuldnerischen Haftung auszugehen, da der Angeklagte und der gesondert Verfolgte A. an demselben Vermögenswert Mitverfügungsmacht gewonnen haben. Das ist der Fall, wenn sie im Sinne eines rein tatsächlichen Herrschaftsverhältnisses ungehinderten Zugriff auf den betreffenden Vermögensgegenstand nehmen können. Unerheblich ist bei der gebotenen gegenständlichen (tatsächlichen) Betrachtungsweise dagegen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang der Täter oder Teilnehmer eine unmittelbar aus der Tat gewonnene (Mit-)Verfügungsmacht später aufgegeben hat und der zunächst erzielte Vermögenszuwachs durch Mittelabflüsse bei Beuteteilung gemindert wurde (BGH, Urteil v. 24.05.2018, Az. 5 StR 623/17, beck-online m.w.N.). Nach diesem Maßstab hatten der Angeklagte und sein Mittäter jeweils die tatsächliche Verfügungsgewalt an der durch die Tat erlangten Gesamtbeute. Über die den Geschädigten G. und S. entwendeten Gegenstände hatten sie bereits in der Wohnung des S. Mitverfügungsgewalt erlangt. Sie gingen dort arbeitsteilig vor, entwendeten die in der Wohnung aufgefundenen Gegenstände im Zusammenwirken und nutzten den Rucksack des Nebenklägers zur Verwahrung und zum Abtransport der Beute. Auch das aus dem Geldautomaten stammende Bargeld war Teil der Gesamtbeute. Nach den getroffenen Feststellungen hat abschließend im Fahrzeug deren konkrete Aufteilung im Einvernehmen beider Tatgenossen stattgefunden. Die Anordnung der gesamtschuldnerischen Haftung verhindert zugleich, dass die Einziehung mehrfach erfolgt (BGH Urt. v. 24.5.2018 – 5 StR 623/17 – a.a.O. m.w.N.).
VII. Adhäsionsentscheidung
Seinem Anerkenntnis des von dem Nebenklagevertreter gestellten Adhäsionsantrages aus dessen Schriftsatz vom 13.07.2023 entsprechend war auszusprechen, dass der von dem Neben- und Adhäsionskläger L. G. geltend gemachte Schmerzensgeldanspruch gegen den Angeklagten dem Grunde nach gerechtfertigt ist. Das monetäre Interesse ist vom anwaltlich vertretenen Nebenkläger mit 10.000,00 € beziffert worden.
VIII. Kosten
Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf §§ 465 Abs. 1, 472 Abs. 1, 472a Abs. 1 StPO.