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Entscheidung 12 U 87/22


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 12. Zivilsenat Entscheidungsdatum 06.04.2023
Aktenzeichen 12 U 87/22 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2023:0406.12U87.22.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das am 11.04.2022 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer - Einzelrichter - des Landgerichts Cottbus, Aktenzeichen 6 O 284/19, wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des nach dem Urteil vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 192.368,94 € festgesetzt.

 

Gründe

Die zulässige Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Cottbus vom 11.04.2022, Aktenzeichen 6 O 284/19, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Wegen des Sach- und Streitstandes und zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats im Beschluss vom 01.12.2022 Bezug genommen. Die ergänzenden Ausführungen der Klägerin mit Schriftsatz vom 26.01.2023 geben auch nach erneuter Beratung keinen Anlass für eine andere Beurteilung. Denn die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung aus dem Vertrag oder auf Schadensersatz.

Der Senat hält daran fest, dass die vereinbarte Vertragslaufzeit von 5 Jahren bereits mit Vertragsschluss begonnen hat. Weder der Wortlaut des Vertrages noch sein Gesamtgefüge oder auch außerhalb der Vertragsurkunde liegende Umstände lassen die von der Klägerin bevorzugte Auslegung überzeugender oder gar zwingender erscheinen, als die Annahme einer Vertragslaufzeit von 5 Jahren ab Unterzeichnung des Vertrages. Denn es oblagen beiden Parteien bereits mit dem Vertragsschluss Pflichten zur Vorbereitung und Aufstellung der Geschwindigkeitsmessanlagen, die erst auf Grundlage des geschlossenen Vertrages umzusetzen waren und deshalb auch von der „Dauer des Vertrages“ erfasst werden können. Der Begriff „Leistungsbeginn“ lässt sich deshalb mit dem tatsächlichen Procedere der Vertragsgestaltung nur wenig in Einklang bringen, soweit man diesen mit der Klägerin mit dem (späteren) Beginn der Vertragslaufzeit gleichsetzt. Auch die Klägerin stellt in ihrer Stellungnahme deshalb darauf ab, dass der Begriff „nicht wörtlich“ zu verstehen sei.

Die Auslegung der Klägerin ist auch hinsichtlich der systematischen Stellung der Regelung innerhalb der Ziffer 4 des Vertrages nicht überzeugend. Denn im Falle einer Verknüpfung von Vertragsdauer und Definition des Beginns der Vertragslaufzeit hätte es nahegelegen, diese auch in einem Absatz zu verbinden, ohne dazwischen Regelungen über die Abwicklung des Vertrages, dessen Verlängerungsoption und etwaigen Sonderkündigungsrechten zu treffen.

Schließlich kann die Regelung in Absatz 7 der Ziffer 4 auch eine von der 5-jährigen Dauer des Vertrages unabhängige, eigenständige Bedeutung erlangen. Die Klägerin hatte sich in Ziffer 2.3 des Vertrages zur Übergabe der Geschwindigkeitsmessplätze und –messgeräte „spätestens … vor dem 31.07.2012“ verpflichtet. Dabei sollte, wie mit den Ausführungen der Klägerin zu den vorvertraglichen Verhandlungen in ihrer Stellungnahme auf die Senatshinweise noch einmal deutlich wird, die Vergütungspflicht nicht bereits mit Teilübergabe, sondern erst mit der vollständigen Übergabe der Gesamtanlage (3 Messplätze und bis zu 2 Messgeräte) beginnen. Damit definiert der „Leistungsbeginn“ zugleich den Beginn der Vergütungspflicht. Korrespondierend dazu heißt es in Ziffer 3 Absatz 2 des Vertrages: „Der Leistungsort für die Falldatenerstellung ist der Sitz von g… r… gmbh. Diese erfolgt spätestens ab dem 31.07.2012“. Mithin war eine zeitliche Grenze gezogen, die jedoch einer frühzeitigeren Falldatenerstellung nicht entgegen stand. Der Begriff „Leistungsbeginn“ kann mithin auch unter diesem Gesichtspunkt auf den Beginn der Vergütungspflicht, nämlich die Falldatenerstellung bezogen werden.

Soweit die Klägerin aus den Fristen für die vorgesehenen Zwischenbewertungen anderes herleitet, mag ein beabsichtigter Gleichlauf mit der Vertragsdauer denkbar erscheinen; zwingend ist diese Argumentation nicht.

Im Ergebnis ergibt sich keine eindeutige Regelung im Sinne der Auslegung der Klägerin. Dies muss sie sich als Verwenderin der Klausel zurechnen lassen.

Im Übrigen kann schon nach dem eigenen Vortrag der Klägerin nicht erst am 24.02.2016 die „Übergabe“ im Sinne der Vereinbarung, die nicht mit der Inbetriebnahme gleichzusetzen ist, angenommen werden. Mit ihrem Schriftsatz vom 24.02.2022 hatte die Klägerin vorgetragen, „Nach der Errichtung der drei Geschwindigkeitsmessplätze in …machte die Beklagte jedoch von ihrem Recht nach Ziffer 2.2. des Dienstleistungsvertrages … Gebrauch … und wünschte den Rückbau und die Außerbetriebsetzung des Geschwindigkeitsmessplatzes in Sch…. Dem Wunsch kam die Klägerin nach“. Im Schriftsatz vom 26.01.2023 führt sie weiter aus: „Es zeigte sich bereits nach kurzer Zeit, dass die Durchführung des Dienstleistungsvertrages … unwirtschaftlich für die Klägerin war. Die Klägerin konnte die Gesamtanlage nicht wie vertraglich vorgesehen bis zum 31.12.2012 an die Beklagte übergeben, da das für den Betrieb der Anlage erforderliche Personal nicht vorhanden war… Herr S… informierte Herrn M… dass der Betrieb der in Sch… aufgebauten Messsäule bekanntlich weder für die Klägerin noch für die Beklagte wirtschaftlich sei, abgebaut und an einem anderen Standort aufgebaut werden sollte, was bisher von der Beklagten noch nicht umgesetzt worden sei. Bleibe es bei der derzeitigen Situation, sei der Betrieb für die Klägerin nicht nur unwirtschaftlich, sondern die Refinanzierung der Anlage gefährdet und eine fortlaufende Subventionierung (könnte) seitens der Klägerin nicht dauerhaft dargestellt werden“. Insoweit handelt es sich bei den Verzögerungen nicht um eine Frage der Vertragslaufzeit, sondern um einen Fall der Ziffer 4 Absatz 2 des Vertrages.

Hinsichtlich der Frage der Vergütungspflicht für die Zeit des Nichtbetriebs der Anlagen hat der Senat auf der Basis des Vertrages der Parteien die rechtlichen Möglichkeiten einer Vertragsanpassung erörtert und dabei auch die Pflichten der Beklagten zur Verkehrsüberwachung in die Beurteilung einbezogen. Dabei stehen die Ausführungen des Senats nicht in Widerspruch mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes. Insbesondere das Urteil vom 28. Oktober 2015, Az. VIII ZR 158/11, BGHZ 207, 209-246, nimmt Bezug auf die Besonderheiten des Gaslieferungsvertrages und den Kontrahierungszwang des Gasversorgers. Es bestand dort mithin keine Möglichkeit einer freien Kündigung des Vertrages. Danach hatte die bestehende Preisänderungsklausel grundlegende Bedeutung für den Vertrag. Deren Wegfall aufgrund unionsrechtlicher Vorgaben führte zu einer Verordnungslücke, da die Regelungen der AVBGasV Bestandteil des Gaslieferungsvertrages der Parteien waren und letztere daher bei Abschluss ihres Tarifkundenvertrages das Bestehen eines gesetzlichen Preisänderungsrechts als gegeben vorausgesetzt haben. Vorliegend hat die Klägerin gerade die Risikofreiheit hinsichtlich der Vergütungspflicht beworben und konkrete Regelungen für den Fall der Unwirtschaftlichkeit des Vertrages getroffen. Zugleich ging die Klägerin – schon wegen der bestehenden Gefahr einer sonst begründeten faktischen Pflicht zur Verkehrsüberwachung – davon aus, dass gerade kein Einfluss des Vertrages auf die Zahl der Falldatensätze ausgeübt werden soll. Mithin fehlt es an einer Regelungslücke. Vor diesem Hintergrund ist der vorliegende Rechtsstreit auch nicht mit den anderen von der Klägerin zitierten Entscheidungen des Bundesgerichtshofes vergleichbar.

Sofern sich die Klägerin – ohne dass es hierauf entscheidend ankäme – nunmehr darauf stützt, dass die Parteien vorausgesetzt hätten, dass von der Beklagten ein aktiver Betrieb der Anlagen zu gewährleisten wäre, wird Bezug genommen auf die Ausführungen des Senates in Ziffer 3 des Hinweisbeschlusses. Vor diesem Hintergrund kommt auch keine Vertragsanpassung im Sinne des § 313 BGB in Betracht. Dies widerspräche einerseits der nach der Werbung der Klägerin für die Beklagte risikofreien Vertragsgestaltung und zum anderen dem besonderen Charakter des Vertrages im Hinblick auf die Einflussnahme auf das der Datenerhebung nachfolgende hoheitliche Handeln der Beklagten.

Auf welcher Grundlage Ansprüche aus §§ 677 ff oder 812 ff BGB resultieren sollen, erschließt sich nicht.

Schließlich hält der Senat an seiner Auffassung zum Nichtbestehen eines Schadensersatzanspruches fest. Auf die Ausführungen im Hinweisbeschluss wird Bezug genommen. Zwar mögen die Parteien die Durchführung der Geschwindigkeitsmessungen nach dem Vertrag vorausgesetzt haben. Wie ausgeführt, war der Vertrag jedoch erkennbar darauf ausgelegt, dass seitens der Behörde keine Pflicht zur Durchführung begründet werden und im Falle der Unwirtschaftlichkeit die Klägerin das Recht erhalten sollte, sich vom Vertrag zu lösen. Das wirtschaftliche Risiko sollte bei der Klägerin verbleiben. Insoweit fehlt es bereits an einer (Treue-)Pflichtverletzung der Beklagten der Klägerin gegenüber. Das gilt auch vor dem Hintergrund, dass im Rahmen der von der Beklagten vorzunehmenden Prüfung der Frage, ob überhaupt Geschwindigkeitsmessungen durchgeführt werden sollen, etwaige Vergütungsinteressen der Klägerin einerseits und daraus etwaig folgende fiskalische Interessen der Kostenkompensation nicht berücksichtigt werden dürfen.

Er kann auch nicht daraus folgen, dass bei den Verhandlungen keine Einigung erzielt wurde. Wenn die Klägerin der Beklagten zum Vorwurf macht, sie habe sich ernsthaft erst auf Verhandlungen eingelassen, wenn die Klägerin auf Forderungen verzichtet hätte, muss sie sich umgekehrt fragen lassen, auf welcher Grundlage sie solche Forderungen als Voraussetzung für eine Einigung erhoben hat.

Auf gesetzliche Regelungen, insbesondere der Zahlung von laufendem Mietzins, kann nicht abgestellt werden, weil – wie die Klägerin selbst zu Recht ausführt – die gesetzliche Ordnung für den vorliegenden Fall keine sachgerechte Lösung vorsieht und naturgemäß der vertraglichen Vereinbarung Vorrang zu geben ist.

Mit dieser Entscheidung setzt sich der Senat nicht in Widerspruch mit den Entscheidungen der anderen mit vergleichbaren Sachverhalten befassten Senate. Der 7. Zivilsenat hat lediglich eine vorläufige Rechtsauffassung geäußert, die Grundlage eines Vergleiches wurde. Welcher Sachverhalt zugrunde lag, bleibt hier offen. Der 10. Zivilsenat hat Ansprüche abgelehnt. Der 4. Zivilsenat hat über eine Vergütungsregelung zu entscheiden, die eine Zahlung auch für den Fall unterlassener Geschwindigkeitsmessungen vorsieht und deshalb anders gelagert ist, als der vorliegende Vertrag. Soweit ersichtlich, liegt lediglich dem 6. Zivilsenat ein Fall zur Entscheidung vor, der ebenfalls allein eine Kündigungsmöglichkeit eröffnet. Die Klägerin trägt selbst vor, dass nach der vorläufig geäußerten Rechtsauffassung des Senates Vergütungsansprüche nicht bestehen sollen. Lediglich Schadensersatzansprüche seien denkbar. Weder wird erkennbar, welche Erwägungen diesen Erörterungen zugrunde lagen, noch liegt dazu eine Entscheidung des Senates vor. Nicht erklärlich bleibt dann auch, warum auch eine Klagerücknahme erörtert wurde.

Schließlich kann nicht die Rede davon sein, dass der Senat der Klägerin durch die Wahl des Verfahrens nach § 522 Abs. 2 ZPO den Rechtsweg abschneidet. Denn der Klägerin wird die Möglichkeit des rechtlichen Gehörs und der Prüfung durch den Senat eröffnet, wovon sie auch umfassend Gebrauch gemacht hat, weshalb sich nicht erschließt, welche weiteren Erkenntnisse sich bei Durchführung einer mündlichen Verhandlung noch ergeben könnten. Vielmehr bleibt es dabei, dass nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil erfordert. Es handelt sich um eine Entscheidung, die auf einen konkreten Einzelfall Bezug nimmt und auf die Besonderheiten der hier vorliegenden Vertragskonstellation eingeht. Für die Zulassung der Revision bliebe bereits danach - auch unabhängig davon, dass im Verfahren nach § 522 Abs. 2 ZPO die Zulassung der Revision nicht in Betracht kommt - kein Raum.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10 S. 2, 711 ZPO.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG bestimmt.