Gericht | OLG Brandenburg 12. Zivilsenat | Entscheidungsdatum | 14.12.2023 | |
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Aktenzeichen | 12 U 107/23 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2023:1214.12U107.23.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
I. Auf die Berufung des Klägers wird das am 16.05.2023 verkündete Urteil der 12. Zivilkammer - Einzelrichter - des Landgerichts Potsdam, Az. 12 O 160/21, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 3.000 € sowie Schadensersatz in Höhe von 340,80 € und außergerichtliche Kosten der Rechtsverfolgung in Höhe von 773,30 € jeweils nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 13.07.2021 zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger alle Schäden zu 66 % zu ersetzen, die ihm aus dem Verkehrsunfallgeschehen vom 26.02.2019 zukünftig entstehen werden, soweit diese Ansprüche nicht auf Dritte übergegangen sind.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
II. Von den Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz tragen der Kläger 80 % und die Beklagten als Gesamtschuldner 20 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu 85 % und die Beklagten zu
15 %.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
V. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 18.000 € festgesetzt.
I.
Der Kläger macht Schadensersatz und Schmerzensgeld nach einem Verkehrsunfall geltend.
Er fuhr am 26.02.2019 mit dem Motorrad des Vaters mit dem amtlichen Kennzeichen PM … auf der … Straße in L… Er war lediglich mit leichter Freizeitbekleidung bekleidet und trug lose Gartenclogs. Die Beklagte zu 2 parkte zunächst mit ihrem bei der Beklagten zu 1 haftpflichtversicherten Pkw, mit dem amtlichen Kennzeichen TF …, am Rand der … Straße in gleicher Richtung.
Der Kläger hat folgende Verletzungen erlitten, die im Berufungsverfahren nicht mehr im Streit stehen:
Die Beklagte zahlte auf das Schmerzensgeld 3.000 € sowie auf die materiellen Schäden 623,90 €. Zudem hat sie mit Wirkung eines Feststellungsurteils ihre Einstandspflicht im Umfang von 50 % erklärt.
Der Kläger hat vorgetragen, die Beklagte zu 2 sei ohne zu blinken vom rechten Fahrbahnrand in den fließenden Verkehr eingefahren, sei zugleich nach links abgebogen und habe den sich im Überholvorgang befindlichen Kläger, der diesen ordnungsgemäß angezeigt habe, nicht beachtet.
Die Beklagten haben vorgetragen, die Beklagte zu 2 sei bereits aus der Parktasche ausgefahren und habe beabsichtigt, in einer Entfernung von 20 bis 30 Metern nach links in ein Grundstück einzufahren. Den Abbiegevorgang habe sie ordnungsgemäß eingeleitet und durchgeführt.
Das Landgericht hat die Beklagten auf der Basis einer Haftungsquote von 66 % zu ihren Lasten zur Zahlung eines Schmerzensgeldes von weiteren 300 €, von materiellen Schäden von weiteren 340,80 € sowie Rechtsverfolgungskosten von 773,30 € verpflichtet und die Ersatzpflicht für zukünftige Schäden festgestellt. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beklagte zu 2 habe gegen § 9 Abs. 1, 5 StVO verstoßen und nach dem Ausparkvorgang den linken Fahrtrichtungsanzeiger lediglich in Funktion belassen und sich nicht hinreichend nach hinten versichert. Den gegen sie sprechenden Anscheinsbeweis habe sie insoweit nicht entkräften können. Der Kläger müsse sich ein Mitverschulden von 1/3 anrechnen lassen, weil er bei unklarer Verkehrslage überholt habe. Die gutachterlich belegten Verletzungen des Klägers rechtfertigten ein Schmerzensgeld von 5.000 €. Nach Quotierung und Anrechnung der vorgerichtlichen Zahlung von 3.000 € verbliebe ein Anspruch von 300 €. Für Fahrtkosten, Unkostenpauschale und Kleidung sei ein Ersatz von 340,80 € zu leisten. Wegen der tatsächlichen Feststellungen und rechtlichen Ausführungen wird auf das Urteil Bezug genommen.
Der Kläger hat gegen das seinen Prozessbevollmächtigten am 01.06.2023 zugestellte Urteil mit einem am 22.06.2023 beim Brandenburgischen Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese am 29.07.2023 begründet. Er führt aus, aus dem dauerhaften Blinken nach links sei keine unklare Verkehrslage zu folgern, so dass auch kein Überholverbot bestanden habe. Wegen des vorherigen Ausparkvorgangs habe er davon ausgehen dürfen, dass die Beklagte zu 2 geradeaus weiterfahren werde. Auf die subjektive Einschätzung der Zeugin P… komme es insoweit nicht an. Damit hafteten die Beklagten allein. Das Schmerzensgeld sei zu niedrig angesetzt. Das Landgericht berücksichtige nicht die erheblichen Beeinträchtigungen des noch sehr jungen Klägers, die ihn sein ganzes Leben im Alltag begleiten würden. Angemessen seien 20.000 € abzgl. gezahlter 3.000 €.
Er beantragt,
das am 16.05.2023 verkündete Urteil des Landgerichts Potsdam, Az.: 12 O 160/21, teilweise abzuändern und die Beklagten entsprechend dem erstinstanzlichen Schlussantrag zu verurteilen, als Gesamtschuldner an ihn 17.837,77 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 13.07.2021 sowie außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 1.171,67 EUR zu zahlen und festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihm alle Schäden zu ersetzen, die ihm aus dem Verkehrsunfallgeschehen vom 26.02.2019 in der … Straße in L… zukünftig entstehen werden, soweit die Ansprüche nicht auf Dritte übergegangen sind.
Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigen die erstinstanzliche Entscheidung. Auch das Schmerzensgeld sei zutreffend bemessen worden und beziehe die gutachterlichen Feststellungen ein. Das Berufungsgericht dürfe die Festsetzung nur auf Ermessensfehler prüfen, die hier nicht vorlägen. Unberücksichtigt sei lediglich geblieben, dass der Kläger keine angemessene Schutzkleidung getragen habe und deshalb hier ein weiteres Mitverschulden zu berücksichtigen sei.
II.
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung des Klägers ist lediglich hinsichtlich der Schmerzensgeldforderung in einem geringen Umfang wie tenoriert begründet.
Das Landgericht hat zutreffend einen Anspruch des Klägers gegen die Beklagten als Gesamtschuldner dem Grunde nach aus §§ 7 Abs. 1, 17, 18 StVG, 823, 253 BGB i.V.m. § 115 VVG, § 1 PflVG bei einer Mithaftung des Klägers von 34 % angenommen.
Unstreitig kam es am 26.02.2019 beim Betrieb von Kraftfahrzeugen auf der … Straße in L… zu einem Unfall, bei dem das Eigentum und die Gesundheit des Klägers geschädigt wurden. Die Beklagte zu 2 haftet als Fahrerin und Halterin des von ihr geführten Pkw, die Beklagte zu 1 als Haftpflichtversicherin für die Schäden bereits aus der Betriebsgefahr.
Beide Parteien stellen die Bewertung des Landgerichts, dass es sich für keinen der Unfallbeteiligten um ein unabwendbares Ereignis gehandelt habe, zudem nicht in Abrede. Diese Einschätzung ist auch aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Denn nach den Umständen des Falles, wie er sich im Ergebnis der Beweisaufnahme darstellt, haben weder der Kläger noch die Beklagte zu 2 die gebotene Sorgfalt beachtet und ein sachgemäßes, geistesgegenwärtiges Handeln erheblich über den Maßstab der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt im Sinne von § 276 BGB hinaus gezeigt und sich wie ein „Idealfahrer“ verhalten (Scholten in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 2. Aufl., § 17 StVG (Stand: 14.04.2023), Rn. 17).
Mithin hängt gemäß § 17 Abs. 1 und 2 StVG die Verpflichtung zum Schadensersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes in dem Verhältnis der Unfallbeteiligten zueinander von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder anderen Teil verursacht worden ist. Die danach gebotene Abwägung der wechselseitigen Verursachungsbeiträge ist aufgrund aller festgestellten, d.h. unstreitigen, zugestandenen oder nach § 286 ZPO bewiesenen Umstände des Einzelfalls vorzunehmen, wenn sie sich auf den Unfall ausgewirkt haben; in erster Linie ist dabei das Maß der Verursachung von Belang, in dem die Beteiligten zur Schadensentstehung beigetragen haben; das beiderseitige Verschulden ist nur ein Faktor der Abwägung (vgl. BGH, Urteil vom 7. Februar 2012 - VI ZR 133/11, NJW 2012, 1953). Die sich hieraus ergebenden beiderseitigen Verursachungs- und Verschuldensanteile sind gegeneinander abzuwägen und es ist eine einheitliche Haftungsquote zu bilden.
1. Die Beklagten müssen sich einen Verstoß gegen § 9 Abs. 1, 5 StVO entgegenhalten lassen. Bei Kollisionen mit überholenden Fahrzeugen streitet ein Anscheinsbeweis für ein Verschulden des Linksabbiegers (Scholten in: Freymann/Wellner, a.a.O., § 9 StVO, Rn. 54; OLG München, Urteil vom 25. April 2014 – 10 U 1886/13 –, Rn. 4, juris). Dabei kommt es nicht entscheidend darauf an, ob - wie hier - zugleich die Sorgfaltsanforderungen des § 9 Abs. 5 StVO vorliegen. Denn maßgebend für die Annahme des Anscheinsbeweises ist die Typizität des Geschehensablaufes, die darauf schließen lässt, dass der Abbiegende die ihm obliegenden besonderen Sorgfaltspflichten aus § 9 Abs. 1 StVO vernachlässigt hat, er insbesondere den nachfolgenden Verkehr durch Verletzung der aus § 9 Abs. 1 StVO folgenden Sorgfaltspflichten nicht hinreichend beachtet hat.
Nach diesen Maßstäben ist ein Verstoß gegen die Pflicht zur doppelten Rückschau anzunehmen. So führt die Beklagte zu 2 zwar aus, sie sei der Pflicht nachgekommen und habe bei der durchgeführten Rückschau das Motorrad nicht gesehen. Auch die Zeugen K… und W… haben bekundet, dass sich die Beklagte zu 2 vor dem Abbiegen noch einmal umgesehen habe. Das ist jedoch, wie das Landgericht zutreffend herausgearbeitet hat und von den Beklagten auch nicht mehr in Abrede gestellt wird, nicht überzeugend. Der Streckenverlauf ist einsehbar, auch der Zeuge M… hat die von ihm wahrgenommene Annäherung des Motorrades beschrieben. Jedenfalls ist der insoweit gegen sie sprechende Anscheinsbeweis nicht entkräftet. Nach diesem ist ferner davon auszugehen, dass die Fahrweise des Klägers der Beklagten zu 2 Anlass gegeben hätte, den Abbiegevorgang abzubrechen.
Ebenso zutreffend geht das Landgericht im Ergebnis der Beweisaufnahme davon aus, dass die Beklagte zu 2 seit dem Anfahren vom Straßenrand durchgehend links geblinkt hat. Wer kurz hintereinander zweimal abbiegen will, muss jedoch zwischen dem ersten und zweiten Einbiegen das Richtungszeichen deutlich unterbrechen (Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/Burmann, 27. Aufl. 2022, StVO § 9 Rn. 12).
Diese allgemeinen Pflichtverstöße erhalten im vorliegenden Fall ein besonderes Gewicht, da die Beklagte zu 2 in eine Grundstückseinfahrt einbiegen wollte, um dort zu wenden, und sie sich deshalb am besonderen Sorgfaltsmaßstab des § 9 Abs. 5 StVO messen lassen muss.
Ein Verstoß gegen § 10 StVO liegt nicht vor. Denn die Beklagte zu 2 hatte sich bereits ohne Behinderung des Klägers in den fließenden Verkehr eingeordnet. Auch der Kläger ging nach eigenen Bekundungen davon aus, dass die Beklagte zu 2 weiter geradeaus fahren würde und er deshalb gefahrfrei überholen könne.
2. Allerdings haftet auch der Kläger als Führer des Motorrades mit einer erhöhten Betriebsgefahr. Denn er hat die Beklagte zu 2 bei unklarer Verkehrslage überholt, § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO. Eine unklare Verkehrslage, die jedes Überholen verbietet, ist allein von objektiven Umständen und nicht vom Gefühl des Überholwilligen abhängig. Unklar ist die Lage, wenn nach allen Umständen mit gefahrlosem Überholen nicht gerechnet werden darf. Das Überholverbot greift ein, wenn sich nicht verlässlich beurteilen lässt, was der Vorausfahrende jetzt sogleich tun wird, wenn er sich unklar verhält. Nicht ausreichend ist allerdings eine bloß abstrakte Gefahrenlage (OLG Karlsruhe, Urteil vom 10. September 2018 – 1 U 155/17 –; Thüringer Oberlandesgericht, Urteil vom 28. Oktober 2016 – 7 U 152/16 –, Rn. 16, juris; KG MDR 2011, S. 97; OLG München, Urteil vom 09.11.2012, Az. 10 U 1860/12, veröffentlicht in beck-online; OLG Saarbrücken MDR 2015, S. 647).
Vorliegend war die Verkehrssituation schon deshalb unklar, weil die Beklagte zu 2, wie die Zeugin P… überzeugend dargestellt hat, dauerhaft ihren Fahrtrichtungsanzeiger gesetzt hatte. Auch wenn nach dem Einfahren in den fließenden Verkehr keine Unterbrechung des Blinkzeichens erfolgte, durfte der Kläger schon wegen der langsamen Fahrweise nicht davon ausgehen, die Beklagte zu 2 habe lediglich vergessen, den Fahrtrichtungsanzeiger auszuschalten. Der Unfall erfolgte innerorts im Bereich des OSZ, wo nach Angaben der Zeugin P… offenbar Schulschluss war. Hier sind verschiedenste Verkehrssituationen naheliegend, die auch dem fließenden Verkehr besondere Rücksicht und Obacht abverlangen.
3. Somit sind in die Abwägung der Verursachungsanteile der Unfallbeteiligten gem. § 17 Abs. 1 und 2 StVG neben den Betriebsgefahren auch die jeweiligen Verkehrsverstöße einzubeziehen, die es rechtfertigen, zwar der Linksabbiegerin den höheren Verursachungsanteil zuzurechnen, jedoch auch die Mitverursachung des Klägers am Unfallgeschehen mit 34 % zu bewerten. Dementsprechend sind die Ansprüche des Klägers um 34 % zu reduzieren.
Ein weitergehendes Mitverschulden des Klägers wegen der nicht angemessenen Kleidung ist - ohnehin nur relevant für das Schmerzensgeld - nicht anzurechnen. Die insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten haben nicht dargetan, dass eine konkrete Fußbekleidung bei Motorradfahrern dem allgemeinen Verkehrsbewusstsein entspricht (vgl. BGH, Urteil vom 30. Januar 1979 – VI ZR 144/77 –, Rn. 14; OLG Düsseldorf, Urteil vom 24. September 2019 – I-1 U 82/18 –, Rn. 57; OLG Nürnberg, Beschluss vom 9. April 2013 – 3 U 1897/12 –, Rn. 19, juris; OLG München, Urteil vom 19. Mai 2017 – 10 U 4256/16 –, Rn. 25, juris). Die von den Beklagten vertretene gegenteilige Auffassung hat zumindest hinsichtlich des Schuhwerks keine Zustimmung erfahren (zur Bekleidung nur allgemein: OLG Düsseldorf, Urteil vom 20. Februar 2006 – I-1 U 137/05 –, Rn. 27, juris; nur zur Beinbekleidung: Senat, Urteil vom 23. Juli 2009 – 12 U 29/09 –, Rn. 18, juris).
4. Dementsprechend hat das Landgericht den insoweit unangefochten gebliebenen Anspruch auf Feststellung der Ersatzpflicht künftiger Schäden festgestellt. Den materiellen Schaden hat das Landgericht mit 1.461,67 € zugrunde gelegt. Unter Berücksichtigung der Haftungsquote und der vorgerichtlich erfolgten Zahlungen der Beklagten verbleibt kein über die Verurteilung hinausgehender materieller Schadensersatzanspruch.
5. Über das vom Landgericht zugesprochene Schmerzensgeld hinaus ist jedoch ein weitergehendes Schmerzensgeld von 2.700 €, insgesamt also 6.000 € abzgl. der vorgerichtlich bereits gezahlten 3.000 €, angemessen.
Ist wegen einer Verletzung des Körpers und der Gesundheit Schadensersatz zu leisten, kann auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine billige Entschädigung in Geld gefordert werden (§ 253 Abs. 2 BGB, § 11 S. 2 StVG). Das Schmerzensgeld verfolgt dabei vordringlich das Ziel, dem Geschädigten einen Ausgleich für die erlittenen immateriellen Schäden zu gewähren und ihm zugleich Genugtuung für das ihm zugefügte Leid zu geben (BGH, NJW 1993, 1531; NZV 2017, 179, beck-online). Für die Bemessung der Schmerzensgeldhöhe sind Größe, Heftigkeit und Dauer der Schmerzen, Leiden und Entstellungen die wesentlichen Kriterien (vgl. BGHZ 18, 149, 154). Als objektivierbare Umstände sind u.A. maßgebend die Art und Schwere der Verletzungen, das durch diese bedingte Leiden, dessen Dauer, das Ausmaß der Wahrnehmung der Beeinträchtigung durch den Verletzten, die Dauer der Arbeitsunfähigkeit und der Grad des Verschuldens des Schädigers (BGH, NJW 1998, 2741, beck-online; Urteil vom 10. Juli 2018 – VI ZR 259/15 –, Rn. 6, juris). Bei der Schmerzensgeldbemessung verbietet sich eine schematische, zergliedernde Herangehensweise. Einzelne Verletzungen bzw. Verletzungsfolgen dürfen nicht gesondert bewertet und die so ermittelten Beträge addiert werden. Vielmehr ist die Schmerzensgeldhöhe in einer wertenden Gesamtschau aller Bemessungskriterien des konkreten sich an den von der Rechtsprechung sonst bei der Bemessung des Schmerzensgeldes angewandten Maßstäben zu orientieren (BGH, Urteil vom 18. November 1969 – VI ZR 81/68 –, Rn. 33, juris). Eine taggenaue Schmerzensgeldbemessung kommt nicht in Betracht (BGH Urteil vom 15.02.2022, - VI ZR 937/20 -, Rn. 15, juris).
Der Kläger hat die bereits in den Gründen zu I. dargestellten Verletzungsfolgen erlitten und war danach vom 26.02.2019 bis 02.03.2019 in stationärer Behandlung, anschließend bis zum 07.04.2019 arbeitsunfähig und weiter in ambulanter Behandlung. Die Teilamputation der zweiten Zehe, vor allem aber die Nagelwachstumsstörungen der Großzehe bereiten dem am ….2002 geborenen Kläger erhebliche Schmerzen und beeinträchtigen ihn im Alltag und im Beruf beim Gehen, Stehen wie auch der Auswahl des Schuhwerks. Diese Schmerzen werden ihn - neben der beginnenden Arthrose - auch zukünftig begleiten. Vor diesem Hintergrund ist das zugesprochene Schmerzensgeld mit Blick auf die Rechtsprechung anderer Obergerichte bei Zehenverletzungen unter Berücksichtigung der Indexanpassung (vgl. Verlust 2. Zehe: OLG Köln, Urteil vom 15. März 1989 – 13 U 257/88 –; OLG Zweibrücken, Urteil vom 5. Juli 1990 – 7 U 181/89 –, Rn. 14; Verlust 1. bis 3. Zehe: KG Berlin, Urteil vom 10. April 1978 – 12 U 3829/77 –; Verlust von 4 Zehen: OLG Hamm, Urteil vom 29. Oktober 2007 – 6 U 34/07 –, Rn. 15, juris) in der Gesamtschau und unter Berücksichtigung des den Kläger treffenden Mitverursachungsanteils am Unfallgeschehen mit insgesamt 6.000 € angemessen aber auch ausreichend, um einen Ausgleich für die erlittenen Gesundheitsverletzungen zu geben. Hierauf ist die bereits vorgerichtlich erfolgte Zahlung von 3.000 € anzurechnen, so dass ein noch zu zahlender Betrag von insgesamt 3.000 € verbleibt.
6. Die vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten berechnen sich nicht nach der Quote, sondern dem Streitwert des begründeten Anspruchs. Nachdem das Landgericht bereits unangefochten 773,30 € zugesprochen hat, bestehen insoweit trotz Erhöhung des Schmerzensgeldes keine weitergehenden Erstattungsansprüche. Der Zinsanspruch folgt aus Verzug.
III.
Die prozessualen Nebenansprüche folgen aus §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 47, 48 GKG.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.