Gericht | OLG Brandenburg 4. Senat für Familiensachen | Entscheidungsdatum | 27.11.2023 | |
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Aktenzeichen | 13 UF 24/23 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2023:1127.13UF24.23.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
1. Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Amtsgerichts Zossen vom 14.12.2022 abgeändert:
Auf sein Anerkenntnis wird der Antragsgegner verpflichtet, an den Antragsteller für den Zeitraum von April 2020 bis einschließlich Juli 2020 jeweils Unterhalt aus übergegangenem Recht des am 17.09.2016 geborenen Kindes S. sowie der am 21.06.2018 geborenen Kinder E. und L. in Höhe von jeweils monatlich 106,82 € zu zahlen.
Unter Antragsabweisung im Übrigen wird der Antragsgegner verpflichtet, an den Antragsteller Unterhalt aus übergegangenem Recht des am 17.09.2016 geborenen Kindes S. für den Zeitraum von August 2020 bis einschließlich Juni 2021 in Höhe von 1.864 € zu zahlen.
Unter Antragsabweisung im Übrigen wird der Antragsgegner verpflichtet, an den Antragsteller Unterhalt aus übergegangenem Recht der am 21.06.2018 geborenen Kinder E. und L. für den Zeitraum von August 2020 bis einschließlich Juni 2021 in Höhe von jeweils 1.864 € zu zahlen,
sowie für den Zeitraum von Dezember 2022 bis einschließlich November 2023 in Höhe von jeweils 2.234 €.
sowie an den Antragsteller ab Dezember 2023 monatlichen Unterhalt in Höhe von jeweils 100 % des Mindestunterhalts der jeweiligen Altersstufe abzüglich des staatlichen Kindergeldes für ein erstes Kind zu zahlen.
2. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
3. Der Beschwerdeführer trägt die Kosten seines Rechtsmittels.
4. Der Beschwerdewert wird festgesetzt auf 7.560 €.
I.
Der beschwerdeführende Antragsgegner wendet sich gegen die Verpflichtung zur Zahlung von aufgelaufenem, bereits fällig gewordenem und rückständigem Kindesunterhalt aus übergangenem Recht für seinen im September 2016 geborenen Sohn S. und seine im Juni 2018 geborenen Töchter E. und L., sowie laufenden Unterhalts für die Zwillinge. Der Antragsteller leistete seit dem 01.01.2020 Unterhaltsvorschuss an die seit 2019 vom Antragsgegner getrennt lebende Mutter der Kinder. Zu diesem Zeitpunkt hatten die Kinder ihren Lebensmittelpunkt bei der Mutter, die auch das Kindergeld bezieht. Nachdem der Antragsgegner im März 2020 von einer längeren Reise nach Brasilien, seinem Heimatland, nach Deutschland zurückkehrte, stritten die Eltern in verschiedenen gerichtlichen Verfahren um die Betreuung der Kinder, die mit wachsendem Betreuungsanteil des Antragsgegners ab Juli 2021 von beiden Elternteilen schließlich im Wechselmodell mit gleichen Anteilen betreut wurden.
Der Antragsgegner, der von Beruf Soziologe ist, war seit 2017 mit einer Arbeitszeit von 30 Wochenstunden für die Universität G. tätig, reduzierte seine Arbeitszeit ab August 2018 auf rund 20 Stunden, war sodann seit Dezember 2020 arbeitssuchend und reiste im November 2022 in die USA aus.
Der Antragsteller forderte den Antragsgegner mit Schreiben vom 21.04.2020 zur Auskunft über sein Einkommen auf und informierte ihn vom Übergang von Unterhaltsansprüchen der drei Kinder gegen ihren Vater auf den Antragsteller in Höhe des gewährten Unterhaltsvorschusses. Der für jedes der Kinder geleistete Unterhaltsvorschuss betrug im Jahr 2020 jeweils monatlich 164 €, im Jahr 2021 monatlich 174 € und im Jahr 2022 177 €, wobei dieser für das Kind S. ab Januar 2022 eingestellt wurde. Auf den Widerspruch der Mutter wurde für die Zwillinge rückwirkend ab Januar 2022 hingegen Unterhaltsvorschuss wieder bewilligt, wovon der Antragsteller den Antragsgegner mit Schreiben vom 22.08.2022 informierte.
Der Antragsteller hat mit im März 2021 eingegangenem Antrag im vereinfachten Unterhaltsverfahren zunächst Ansprüche in Höhe von 100 % des Mindestunterhalts abzüglich des staatlichen Kindergeldes für alle drei Kinder ab Januar 2020 begehrt, wobei rückständiger Unterhalt für die Monate Januar 2020 bis einschließlich März 2021 mit jeweils 2.502 € beziffert worden ist. Der Antragsgegner hat mit Schriftsatz vom 17.05.2021 Ansprüche für das Jahr 2020 in Höhe von monatlich 106,82 € für jedes Kind anerkannt (Bl. 35).
Nach Überleitung ins streitige Verfahren hat der Antragsteller mit Schriftsätzen vom 01.09.2022 zunächst den Antrag für die drei Kinder betreffend die Zeiträume Januar 2020 bis einschließlich März 2020 in Höhe von jeweils 165 € monatlich für erledigt erklärt (Bl. 161, 214, 268) und im Termin vom 23.11.2022 die Anträge insoweit zurückgenommen (Bl. 368).
Für das Kind S. hat er für den Zeitraum von April 2020 bis Dezember 2020 monatlich 165 € begehrt und für das Jahr 2021 monatlich 174 €, mithin insgesamt 3.573 € (Bl. 267). Ab Januar 2022 hat er keinen Unterhalt mehr verlangt, insoweit das Verfahren zunächst für erledigt erklärt (Bl. 268) und im Termin vom 23.11.2022 den Antrag insoweit zurückgenommen (Bl. 368). Im Termin vom 23.11.2022 hat er in Ansehung des Wechselmodells zudem den Antrag für die Zeit von ab Juli 2021 bis Dezember 2021 ebenfalls noch zurückgenommen (Bl. 368).
Die Zwillinge L. und E. betreffend, hat er an seinem Antrag auf Zahlung des Mindestunterhalts abzüglich des Kindergeldes für die Zeit ab Oktober 2022 festgehalten und den Antrag auf rückständigen und aufgelaufenen bereits fällig gewordenen Unterhalt für den Zeitraum von April 2020 bis einschließlich September 2022 mit jeweils 5.145 € beziffert (Bl. 160, 213). Dieser setzte sich jeweils zusammen für das verbleibende Jahr 2020 aus monatlichen Beträgen von je 165 €, für 2021 von je 174 € und für den Zeitraum ab August 2022 von je 177 €. Für die Monate Januar 2022 bis einschließlich Juli 2022 hat er nur noch je 174 € monatlich gefordert (Bl. 64) und wegen der Differenz zum bewilligten Unterhaltsvorschussbetrag von je 177 € in Höhe von 21 € (7 x 3 €) Erledigung der Hauptsache erklärt (Bl. 161, 217). Im Termin vom 23.11.2022 hat der Antragsteller die Anträge für den Zeitraum vom 01.07.2021 bis einschließlich Oktober 2022 zurückgenommen (Bl. 368).
Zuletzt hat der Antragsteller sinngemäß beantragt (Bl. 369),
den Antragsgegner zu verpflichten,
an ihn aus übergegangenem Recht des Kindes S., geb. am 17.09.2016 einen rückständigen und aufgelaufenen, bereits fällig gewordenen Kindesunterhalt für den Zeitraum von April 2020 bis einschließlich Juni 2021 in Höhe von insgesamt 2.529 € zu zahlen, sowie
an ihn aus übergegangenem Recht der Kinder E. und L., geb. am 21.06.2018 einen rückständigen und aufgelaufenen, bereits fällig gewordenen Kindesunterhalt für den Zeitraum von April 2020 bis einschließlich Juni 2021 in Höhe von insgesamt jeweils 2.529 € zu zahlen, sowie
an ihn für die Kinder E. und L., geb. am 21.06.2018 ab November 2022 längstens bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres jeweils Unterhalt in Höhe von 100 % des Mindestunterhalts der jeweiligen Altersstufe abzüglich des Kindergeldes für ein erstes Kind zu zahlen.
Der Antragsgegner hat der Erledigungserklärung widersprochen und beantragt,
die verbleibenden Anträge zurückzuweisen.
Er hat geltend gemacht, seine Kinder nach seiner Rückkehr aus Brasilien im März 2020 täglich von 9.00 Uhr bis 16.00 Uhr betreut zu haben, weil die Kita wegen der Pandemie geschlossen, die Mutter der Kinder aber weiter erwerbstätig gewesen sei. Er ist der Ansicht gewesen, er sei erst im August 2020 in Verzug gesetzt worden, die Voraussetzungen für die Bewilligung von Unterhaltsvorschuss hätten im übrigen in Ansehung der jeweiligen Betreuungsanteile nicht vorgelegen und der Antragsteller sei ab Installation des Wechselmodells im Juli 2021 nicht mehr aktivlegitimiert. Schließlich hat er Leistungsunfähigkeit eingewandt.
Mit dem angefochtenen Beschluss, auf dessen Inhalt der Senat wegen des weiteren Sach- und Streitstands verweist (Bl. 379) hat das Amtsgericht den Antragsgegner hinsichtlich des Kindes S. zur Zahlung rückständigen und laufenden Unterhalts für den Zeitraum von April 2020 bis einschließlich Juni 2021 in Höhe von 2.520 € verpflichtet. Hinsichtlich der Zwillinge L. und E. hat es den Antragsgegner zur Zahlung rückständigen und laufenden Unterhalts für den Zeitraum von April 2020 bis 01.07.2021 von 2.520 € und für die Zeit ab Dezember 2022 in Höhe von 100 % des Mindestunterhalts abzüglich des Kindergeldes für ein erstes Kind verpflichtet und weitergehende Ansprüche verneint. Die zugesprochenen Beträge hat es ausgehend von einem tatsächlich erzielten und im Übrigen auf der Grundlage eines fiktiv zu erzielenden Einkommens ermittelt. Da der geleistete Unterhaltsvorschuss ausweislich der eingereichten Bescheide entgegen der Angaben des Antragstellers rechnerisch richtig nicht 165 €, sondern 164 € betragen habe, errechne sich für den Zeitraum April 2020 bis einschließlich Juni 2021 ein Betrag von lediglich jeweils 2.520 € und nicht von je 2.529 €.
Hiergegen wendet sich der Antragsgegner mit seiner Beschwerde, mit der er seinen erstinstanzlichen Vortrag vertieft und zudem geltend macht, das Amtsgericht habe verkannt, dass die Anträge des Antragstellers nicht hinreichend bestimmt gewesen seien, es sich insbesondere um unzulässige Saldoanträge gehandelt habe. Zudem habe das Amtsgericht seine Leistungsfähigkeit unzutreffend beurteilt.
Der Antragsgegner beantragt (Bl. 13 eAkte)
den Beschluss des Amtsgerichts Zossen vom 14.12.2022 abzuändern und die Anträge des Antragstellers zurückzuweisen.
Der Antragsteller beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er verteidigt den angefochtenen Beschluss.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstands verweist der Senat auf die Korrespondenz im Beschwerderechtszug. Er entscheidet, wie angekündigt (Bl. 69 eAkte) ohne mündliche Verhandlung, von der weitere Erkenntnisgewinn nicht zu erwarten ist (§§ 117 Abs. 3, 68 Abs. 3 FamFG).
II.
Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde hat überwiegend keinen Erfolg.
Zu Recht hat das Amtsgericht den Antragsgegner zur Zahlung des auf den Antragsteller gemäß § 7 UVG übergegangenen Kindesunterhalts für die drei minderjährigen Kinder des Antragsgegners verpflichtet, sowie zur Zahlung laufenden Unterhalts für die Zwillinge L. und E. ab Dezember 2022 in Höhe von 100 % des Mindestunterhalts abzüglich des staatlichen Kindergelds. Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt eine abweichende Beurteilung nur wegen eines kurzen Zeitraums, nämlich für die Zeit von April 2020 bis einschließlich Juli 2020 und auch nur wegen eines geringen Teilbetrags, im Übrigen aber nicht.
Beschwerdegegenständlich sind lediglich Unterhaltsansprüche der drei Kinder des Antragsgegners für den Zeitraum von April 2020 bis einschließlich Juni 2021 sowie für die Zwillinge E. und L. ab Dezember 2022. Soweit das Amtsgericht im Tenor seiner Entscheidung hinsichtlich der Zwillinge den Zeitraum vom 01.04.2020 bis 01.07.2021 genannt hat, ist der Tenor dahingehend auszulegen, dass ab 01.07.2021 kein Anspruch mehr besteht, sondern nur ein solcher bis einschließlich 30.06.2021. Ab 01.07.2021 hatte der Antragsteller seine Anträge bereits zurückgenommen und das Amtsgericht hat eingangs der Entscheidungsgründe klargestellt, dass Ansprüche aller drei Kinder in Höhe von je 2.520 € bis 30.06.2021 bestehen.
Für den Zeitraum von April 2020 bis einschließlich Dezember 2020 waren Unterhaltsansprüche bereits wegen des vom Antragsgegner im Schriftsatz vom 17.05.2021 erklärten Teilanerkenntnisses über einen monatlichen Unterhaltsbetrag von 106,82 € für jedes der drei Kinder i.V.m. §§ 113 FamFG, 307 ZPO zuzusprechen.
Der anerkennende Antragsgegner ist an seine Anerkenntniserklärung gebunden (BGH NJW 1993, 1717 (1718); 1981, 2194; OLG Bremen BeckRS 2023, 19627 Rn. 29; Elzer/Köblitz JuS 2006, 319 (320)). Das Anerkenntnis behält seine Wirkung regelmäßig für den ganzen Prozess. Darauf, dass das Amtsgericht keinen dem Teilanerkenntnis entsprechenden Teilanerkenntnisbeschluss gefasst hat, kommt es nicht an (vgl. BGH NJW 2002, 436 (438); 1993, 1717 (1718); RGZ 90, 186 (190); OLG Hamm BeckRS 2012, 2858; BeckOK ZPO/Elzer, 50. Ed. 1.9.2023, ZPO § 307 Rn. 26). Ein prozessuales Anerkenntnis kann grundsätzlich nicht widerrufen werden (BeckOK ZPO/Elzer, 50. Ed. 1.9.2023, ZPO § 307 Rn. 29). Anhaltspunkte dafür, dass sich im Streitfall ein Widerrufsrecht ausnahmsweise aus teleologischen oder systematischen Erwägungen ergeben könnte (vgl. hierzu BeckOK ZPO/Elzer, 50. Ed. 1.9.2023, ZPO § 307 Rn. 30), sind weder vorgetragen, noch sonst ersichtlich.
Der Antragsgegner schuldet über sein Anerkenntnis hinaus für den Zeitraum seit Juli 2020 Unterhalt bis zur Höhe des vom Antragsteller geleisteten Unterhaltsvorschusses.
Der Antragsteller hat unstreitig für den im Beschwerdeverfahren noch in Rede stehenden Zeitraum von April 2020 bis einschließlich Juni 2021 für alle drei Kinder und ab Dezember 2022 für die Zwillinge E. und L. Unterhaltsvorschuss geleistet. Die Würdigung des Amtsgerichts, wonach der geleistete Unterhaltsvorschuss ausweislich der eingereichten Bescheide entgegen der Angaben des Antragstellers rechnerisch richtig nicht 165 €, sondern 164 € betragen habe, greift der Antragsteller im Beschwerdeverfahren nicht an.
In Höhe der erbrachten Leistungen sind Unterhaltsansprüche der Kinder gegen den Antragsgegner gemäß § 7 Abs. 1 UVG auf den Antragsteller übergegangen. Darauf, ob die Gewährung von Unterhaltsvorschuss an die Mutter der Kinder in den Jahren 2020 und 2021 wegen hoher Anteile des Antragsgegners an der Betreuung berechtigt war, kommt es nicht an. Nach § 7 UVG findet bei Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz ein gesetzlicher Forderungsübergang statt. Für diesen ist es ohne Belang, ob die Voraussetzungen für die Gewährung von Unterhaltsvorschuss nach § 1 Abs. 1 UVG gegeben waren. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, von der abzuweichen der Senat keinen Anlass sieht, findet ein Übergang auch dann statt, wenn die Unterhaltsvorschusskasse ohne Vorliegen der Voraussetzungen für die Leistung von Unterhaltsvorschuss einen solchen geleistet hat (BGH NJW 1986, 3082; OLG Karlsruhe FamRZ 2008, 1457; OLG Köln FamRZ 2006, 431; OLG Brandenburg BeckRS 2018, 14074; Wendl/Dose UnterhaltsR/Klinkhammer § 8 Rn. 77 (Sozialhilfe) und Wendl/Dose UnterhaltsR/Klinkhammer § 8 Rn. 244 (SGB Ii); BeckOGK/Selg, 1.8.2023, BGB § 1601). Der unterhaltsverpflichtete andere Elternteil erleidet dadurch keinen Rechtsnachteil, wenn er nach einer rechtswidrigen Vorschussleistung in Anspruch genommen wird, da er nur das zu zahlen hat, was er materiell-rechtlich schuldet (OLG Brandenburg Beschl. v. 4.1.2018 – 9 UF 5/17, BeckRS 2018, 14074 Rn. 35, beck-online).
Auf die Aktivlegitmation des Antragstellers ab Installierung des Wechselmodells im Juli 2021 kommt es nicht an, da für die Zeit des Wechselmodells vom Antragsteller keine Zahlung begehrt wird.
Im Zeitraum Juli 2020 bis einschließlich Juni 2021 schuldete der Antragsgegner seinen drei Kindern Barunterhalt und seinen beiden Töchtern darüber hinaus auch ab Dezember 2022.
Er wurde mit Schreiben des Antragstellers vom 21.04.2020 über die Leistung von Unterhaltsvorschuss und den Anspruchsübergang in Kenntnis gesetzt und zur Auskunft über sein Einkommen aufgefordert.
Die Leistungsunfähigkeit (vgl. § 1603 BGB) des Antragsgegners lässt sich für die hier in Rede stehenden Zeiträume nicht feststellen.
Die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners bestimmt sich neben seinem Vermögen und tatsächlichen Einkommen auch durch seine Erwerbsfähigkeit und seine Erwerbsmöglichkeiten, die er als Erwerbsobliegenheit auszuschöpfen hat, gegenüber minderjährigen Kindern in besonderem Maße (vgl. § 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB, Nr. 9 LL BRB; Wendl/Klinkhammer, Unterhaltsrecht, 10. Auflage, § 2 Rn. 244 m.w.N.).
Der insoweit für seine eigene Lebensstellung darlegungs- und beweisbelastete Antragsgegner (vgl. Wendl/Dose, Unterhaltsrecht, 10. Auflage, § 6 Rn. 723 m.w.N.) hat keine Tatsachen vorgetragen und nachgewiesen, nach denen sich seine Leistungsunfähigkeit (vgl. § 1603 BGB) feststellen lässt.
Der Antragsgegner ist ausgebildeter Soziologe und war als wissenschaftlicher Mitarbeiter von Dezember 2017 bis 30.11.2020 bei der Universität G. beschäftigt. Bei einem Beschäftigungsumfang von zuletzt 19,90 Wochenarbeitsstunden (Bl. 67) erzielte er ausweislich der Lohnsteuerjahresbescheinigung für 2020 (Bl. 36) ein durchschnittliches monatliches Nettoentgelt von gerundet 1.513 €, was einem Stundenlohn von netto 17,55 € entspricht. Nach Abzug des vom Amtsgericht ermittelten auf den Antragsteller im Jahr 2020 übergegangenen Unterhaltsanspruchs von monatlich 492 € (3 x164 €), errechnet sich ein dem Antragsgegner von seinem Monatseinkommen verbleibender Betrag von 1.021 €. Der Selbstbehalt von 1.160 € im Jahr 2020 wäre nach Abzug dieses Betrages nicht gewahrt.
Auf sein tatsächliches Einkommen kann sich der Antragsgegner aber nicht zurückziehen, da ihn gegenüber seinen minderjährigen Kindern eine nach § 1603 Abs. 2 BGB verschärfte Erwerbsobliegenheit trifft. Diese rechtfertigt die Zurechnung eines erzielbaren Einkommens, wenn der Unterhaltsschuldner hinreichende Erwerbsbemühungen unterlässt (vgl. Nr. 9 der Unterhaltsleitlinien des Brandenburgischen Oberlandesgerichts). Die nach § 1603 Abs. 2 BGB gesteigerte Obliegenheit, seine Arbeitskraft so gut wie möglich einzusetzen und einträgliche Erwerbstätigkeiten auszuüben, trifft auch den berufstätigen Unterhaltsschuldner, dessen vorhandenes Einkommen zur Erfüllung der Unterhaltspflichten nicht ausreicht, und legt ihm auf, sich um besser bezahlte Beschäftigungsmöglichkeiten zu bemühen (vgl. Wendl/Klinkhammer, Unterhaltsrecht, 10. Aufl. § 2 Rn. 244 m.w.N.; Senat, Beschluss vom 28. April 2023 – 13 UF 79/22 –, Rn. 35, juris) oder aber bis zu 48 Wochenarbeitsstunden nach Maßgabe von §§ 3, 9 Abs. 1 ArbZG einschließlich Nebentätigkeiten erwerbstätig zu sein (vgl. st. Rspr. des Senats, vgl. Beschluss vom 28. April 2023 – 13 UF 79/22 –, Rn. 36, juris; Beschluss vom 12. Oktober 2021 – 13 UF 64/18 –, Rn. 31, juris; Beschluss vom 10. Januar 2020 – 13 UF 184/19 –, Rn. 14, juris ; NZFam 2018, 1095, jew. m.w.N.).
Der Antragsgegner war daher jedenfalls gehalten, neben seiner Erwerbstätigkeit für die Universität G. eine Nebentätigkeit auszuüben. Eine solche wäre ihm bei einer regulären Wochenarbeitszeit von 19,90 Stunden bei der Universität G. mangels anderweitiger Anhaltspunkte im Umfang von jeweils 8 Stunden auch in Ansehung der Kinderbetreuung an Wochentagen, insbesondere aber am Wochenende möglich gewesen. Geht es um ungelernte Tätigkeiten im Mindestlohnsektor, so stehen im gesamten Bundesgebiet hinreichende Beschäftigungsmöglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt zur Verfügung. Selbst unzureichende Sprachkenntnisse und mangelnde Berufserfahrung stehen der Aufnahme einer einfachsten Beschäftigung im Mindestlohnbereich nicht entgegen (Senat, Beschluss vom 13. Juli 2020 – 13 UF 6/20 –, juris). Um den Mindestunterhalt in Höhe der auf den Antragsteller übergangenen Beträge zu decken, hätte der Antragsgegner im Jahr 2020 lediglich für 6 Stunden pro Woche eine Nebentätigkeit für den damals geltenden Mindestlohn von 9,35 € ausüben müssen. Er hätte dann ein zusätzliches steuerfreies Einkommen von monatlich durchschnittlich gerundet 243 € generieren können und so insgesamt ein Monatsnettoeinkommen von 1.756 € (1.513 € + 243 €) erzielen können. Nach Abzug von 5 % berufsbedingten Aufwendungen (87,80 €) verbliebe ein Betrag von gerundet 1.176 €, der ausgereicht hätte, um die dem Antragsteller nach Berechnung des Amtsgerichts zustehende Forderung von 492 € monatlich (3 x 164 €) zu erfüllen.
Im Zeitraum von Dezember 2020 bis Juni 2021 hat der Antragsgegner in Ansehung des Ablaufs der Befristung seines Arbeitsvertrages an der Universität G. zwar kein Erwerbseinkommen erzielt, sondern Arbeitslosengeld I bezogen. Darauf kommt es aber nicht an. Der Antragsgegner hat nicht vorgetragen, dass es ihm bei zumutbarer Anstrengung nicht gelungen ist, ein seiner bisherigen Tätigkeit vergleichbares Beschäftigungsverhältnis zu finden. Ihm ist daher auch für die hier in Rede stehende Zeit von Dezember 2020 bis Juni 2021 und sodann ab Dezember 2022 ein fiktives Einkommen zuzurechnen. Ausgehend von einem Stundenlohn von 17,55 € netto, welchen er - wie dargestellt - während seiner früheren Teilzeittätigkeit bei der Universität G. erzielte, hätte der Antragsgegner in Vollzeit von 38,5 Wochenarbeitsstunden ein monatliches Nettoeinkommen von gerundet 2.928 € erzielen können (17,55 € x 52 Wochen : 12 Monate). Eine fehlende reale Beschäftigungschance des Antragsgegners lässt sich schon aufgrund fehlender Bewerbungsbemühungen nicht feststellen. Unter Berücksichtigung von 5 % pauschalen berufsbedingten Aufwendungen (146,40 €) ergibt sich ein Betrag von gerundet 2.782 €.
Nach Abzug des monatlich übergegangenen Anspruchs von 492 € (3 x 164 €) im Dezember 2020 ist der Selbstbehalt von 1.160 € gewahrt (2.782 € - 492 € = 2.290 €).
Der im Jahr 2021 gleichbleibende Selbstbehalt ist auch in Ansehung des im Jahr 2021 übergegangenen Anspruchs in Höhe des Unterhaltsvorschusses von insgesamt 522 € (3 x 174 €) gewahrt (2.782 € - 522 € = 2.260 €).
Der erweiterte Umgang, den der Antragsgegner mit seinen Kindern von Mitte Juli 2020 bis einschließlich Juli 2021 wahrnahm, führt nicht zu einer Minderung ihres Unterhaltsbedarfs. Ob eine Herabgruppierung in der Unterhaltstabelle zu erfolgen hat, kann im Streitfall dahinstehen, da der Antragsteller lediglich den hinter dem niedrigsten Zahlbetrag der Tabelle zurückbleibenden geleisteten Unterhaltsvorschuss zurückverlangt und für die Zukunft lediglich 100 % des Mindestunterhalts. Eine Minderung des nach den Tabellensätzen der Düsseldorfer Tabelle ermittelten Unterhaltsbedarfs kommt nicht schon deshalb in Betracht, weil durch die Abwesenheit des Kindes während der Ausübung des Umgangsrechts im Haushalt des primär betreuenden Elternteils Aufwendungen für die Verpflegung des Kindes und gegebenenfalls Energie- und Wasserkosten gespart werden, die ansonsten aus dem Barunterhalt hätten bestritten werden müssen. In Bezug auf die Ausübung eines deutlich erweiterten Umgangsrechts vertritt der BGH die Ansicht, dass auch die Verpflegung des Kindes während einiger weiterer Tage im Haushalt des umgangsberechtigten Unterhaltsschuldners nicht zu nennenswerten Ersparnissen auf Seiten des betreuenden Elternteils führt (vgl. BGH NJW 2014, 1958 ff.). Dieser Auffassung schließt sich der Senat an.
Hiervon abzuweichen gibt der vorliegende Fall dem Senat schon deshalb keine Veranlassung, weil der Antragsgegner nichts vorgetragen hat, was auf eine quantifizierbare Ersparnis auf Seiten der Kindesmutter hindeuten könnte und er keinerlei Darlegungen zu etwaigen bedarfsdeckenden Aufwendungen gemacht hat, für die auch sonst nichts ersichtlich ist (vgl. Senat, Beschluss vom 8. Januar 2021 – 13 UF 92/18 –, Rn. 56 - 57, juris).
Im Jahr 2022 betrug der Unterhaltsvorschuss 177 € monatlich pro Kind, wobei hier nur noch der Unterhaltsanspruch für die Zwillinge E. und L. für Dezember 2022 in Rede steht. Der Selbstbehalt von 1.160 € auch in diesem Jahr ist gewahrt (2.782 € - 354 € = 2.428 €).
Im Jahr 2023 sind seit der Entscheidung des Amtsgerichts bis zur Entscheidung des Senats monatlich jeweils 374 € auf den Antragsteller übergegangen. Der Selbstbehalt erhöhte sich auf 1.370 € und der Unterhaltsvorschuss für die noch nicht sechsjährigen Zwillinge auf jeweils 187 €. Auch nach Abzug der höheren auf den Antragsteller übergegangenen Beträge von monatlich 374 € (2 x 187 €) ist der Selbstbehalt gewahrt (2.782 € - 374 € = 2.408 €).
Der Antragsgegner schuldet demnach Unterhalt wie folgt:
4/20 - 7/20 |
8/20 - 12/20 |
1/21 - 6/21 |
12/22 |
1/23 - 11/23 |
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S. |
106,82 € x 4 |
164 € x 5 |
174 € x 6 |
0 |
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E. |
106,82 € x 4 |
164 € x 5 |
174 € x 6 |
177 € |
187 € x 11 |
L. |
106,82 € x 4 |
164 € x 5 |
174 € x 6 |
177 € |
187 € x 11 |
Ab dem Zeitpunkt der Entscheidung des Senats hat der Antragsgegner für jede seiner Töchter gemäß § 7 Abs. 4 UVG an den Antragsteller 100 % des Mindestunterhalts abzüglich des Kindergeldes von jeweils 250 € zu zahlen. Der Zahlbetrag beläuft sich ab Dezember 2023 auf jeweils 187 €. Diesen Betrag kann der Antragsgegner -wie dargestellt- ohne Gefährdung seines Selbstbehalts leisten.
Soweit es den Zeitraum von April 2020 bis einschließlich Juli 2020 betrifft, war der Beschluss des Amtsgerichts hingegen abzuändern. In Ansehung der nicht mehr bestrittenen überwiegenden Alltagssorge, die der Antragsgegner im vorgenannten Zeitraum während der Corana-Pandemie tagsüber für seine Kinder übernommen hat, schuldet er jedenfalls nicht mehr Barunterhalt, als er erstinstanzlich mit Schriftsatz vom 17.05.2021 in Höhe von 106,82 € anerkannt hat.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 243 FamFG. Soweit der Antragsgegner mit seiner Beschwerde die Monate April 2020 bis einschließlich Juli 2020 betreffend geringfügig Erfolg gehabt hat, wirkt sich dies nach dem Rechtsgedanken des § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO auf die Kostenentscheidung nicht aus, weshalb insoweit auch eine Abänderung der erstinstanzlichen Kostenentscheidung nicht veranlasst ist.
Die Festsetzung des Beschwerdewerts beruht auf §§ 55 Abs.2, 51 Abs. 1, Abs. 2 FamGKG.
Der vom Amtsgericht zugesprochene Rückstand bei Einreichung des Antrags (§ 51 Abs. 2 FamGKG) am 16.3.2021 betrug für den Zeitraum April 2020 bis Dezember 2020 4.428 € (164 € x 9 Monate x 3 Kinder) und für die Zeit von Januar 2021 bis einschließlich März 2021 1.566 € (174 € x 3 Monate x 3 Kinder) und damit insgesamt 5.994 €. Hinsichtlich des Anspruchs für die ersten zwölf Monate nach Anhängigkeit des Verfahrens ist zu berücksichtigen, dass das Amtsgericht insoweit nur Ansprüche für den Zeitraum von April 2021 bis einschließlich Juli 2021 in Höhe von 1.566 € (174 € x 3 Monate x 3 Kinder) zugesprochen hat und sodann erst wieder ab Dezember 2022, was sich aber auf die Bemessung des Beschwerdewerts, für den gemäß § 51 Abs. 1 S. 1 FamFGKG nur auf die ersten zwölf Monate ab Einreichung des Antrags abzustellen ist, nicht auswirkt.
Anlass die Rechtsbeschwerde zuzulassen, besteht nicht (§70 Abs. 2 FamFG).